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Jörg Dünne (München)



Weblogs: Verdichtung durch Kommentar



Weblogs: Condensation by Commentary
Some recent approches to digital media stress the fact that the use of the computer as a medium is based on a symbolic practice, which can be analyzed by philological means. In this context, the praxis of commentary is becoming ever more important: Commentary is not only a means for interpretation of canonical texts of a given culture, but it serves also to draw the basic distinction, what kind of information is worth being dealt with at all and what will be left back as 'waste'. During the last years, weblogs, which can be defined as frequently updated websites consisting of dated entries arranged in reverse chronological order (Walker), have become a popular form of personal web-publishing. After a short introduction to this rather new phenomenon, this contribution focuses on the importance of commentary in weblogs. While, on a collective level, weblog commentaries lead to a 'condensation' (Verdichtung) of information, they also generate individual self-distinction for those who write them. Weblogs can thus serve as an interesting historical starting point for a comparison of changes that reading and writing practices undergo from book culture to electronic media.



1 Zum Verhältnis von philologischer und kultureller Praxis

Die akademische Diskussion, besonders in der ohnehin recht traditionsorientierten deutschsprachigen Romanistik, hat eine Zeitlang gebraucht, um das Internet und die Hypermedien als Untersuchungsgegenstand für sich zu entdecken.1 Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass im Umgang mit dem Internet das Selbstverständnis der Literaturwissenschaft auf dem Spiel steht:

Inwieweit kann und soll man das Internet und die Hypermedien als Öffnung auf eine post-literarische Kultur verstehen, als Epochenbruch, der auf die akademisch geprägte Schriftkultur höchstens noch im Modus der Nostalgie zurückblicken lässt, wenn man sie nicht überhaupt fröhlich oder fatalistisch über Bord wirft (so zumindest der teils euphorische, teils apokalyptische medientheoretische Diskurs der achtziger und frühen neunziger Jahre)? Die Beschäftigung mit der Netzkultur in ihrer ganzen Breite erfordert offensichtlich die Erweiterung einer engen Konzeption von Literaturwissenschaft in die weiten Gefilde von Kultur- und Medienwissenschaft. Technische Medien werden in dieser Perspektive als Ermöglichungsbedingungen eines neuen Weltverhältnisses verstanden, das sich im Umgang mit dem Internet vielleicht am deutlichsten manifestiert.

Gleichzeitig entstehen jedoch, sei es in ästhetischer, sei es in wissenschaftlicher Absicht, immer mehr Internet- oder hypermediale Projekte, die sich selbst strenge Regeln vorschreiben, mit denen sie bewusst in Dialog mit dem Kanon der ästhetischen bzw. philologischen Tradition treten. Es geht hier also nicht mehr um 'Netzkultur' im entgrenzten Sinn, sondern vielmehr um hochspezialisierte, z.B. editorische Praktiken. Technische Medien werden in diesem Zusammenhang in methodisch kontrollierter Art und Weise zu potenten Werkzeugen einer Praxis, die ihre eigentliche Legitimation aus der literarischen bzw. philologischen Tradition bezieht.2




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In meinem Beitrag möchte ich nicht von vornherein für eine der beiden Seiten, für das kulturwissenschaftliche Abtauchen in die ganze Breite der Netzkultur oder für die philologischen Rückgewinnungsversuche Partei ergreifen. Geboten wäre es vielmehr – und vielleicht liegt hier auch eine Chance der 'konservativen' romanistischen Perspektive gegenüber beispielsweise der 'trendigeren' Germanistik –, die Spannung zwischen der kulturwissenschaftlichen Apriorität und der philologischen Instrumentalität technischer Medien, zwischen der populären Netzkultur und den spezialisierten 'Anwendungen' der Hypermedien bzw. des Internet auf möglicherweise produktive Effekte hin auszuloten.

Hans-Ulrich Gumbrecht hat sich in seinem jüngsten Buch unter dem Titel Die Macht der Philologie – trendbewusst wie stets – zum Meinungsführer der Verfechter einer so genannten "Rephilologisierung" der Literaturwissenschaft gemacht. Wenn auch sein Versuch der erlebnisorientierten Reauratisierung der Philologie, auf den ich hier nicht im Einzelnen eingehen möchte, problematisch ist, so liefert eine seiner Bobachtungen zum Schreiben von Kommentaren dennoch den Anknüpfungspunkt meiner Überlegungen. Am Ende seines Kommentar-Kapitels schreibt Gumbrecht:

Aber müssen wir nicht einräumen, daß es zwischen dem Diskurs des Kommentars und unserer eigenen Zeit eine innigere Affinität gibt als diese funktionale, auf der Nachfrage nach zusätzlicher Bildung basierende Beziehung, die jetzt schon beinahe zweihundert Jahre besteht? Ist die Dekonstruktion als philosophische Verkörperung des textuellen Prinzips des Kommentars nicht ein Symptom für eine spezifische Nähe zwischen der Tradition des Kommentars und unserem eigenen kulturellen Moment? Wäre es nicht möglich, den Kommentar mit einer schwachen Autorenposition in Verbindung zu bringen und eine schwache Autorenposition mit der von Gianni Vattimo vorgeschlagenen Kennzeichnung eines 'schwachen' Denkens als Emblem unserer eigenen geistigen Situation? Müßte man nicht zugeben, daß die elektronischen Medien – wenigstens in diesem einen Fall – tatsächlich eine wichtige Rolle bei der Herbeiführung dieser Lage gespielt haben? Ist es nicht verlockend – und wahrscheinlich angemessen – zu behaupten, daß alle diese neuen Instrumente und Formate (Hypo-, Hyper-, Mega-Text, Mega-, Hyper-, Hypo-Karten) sowohl die Symptome als auch die Agenzien einer historisch beschleunigten 'Rückkehr zum Kommentar' sind, womöglich sogar einer 'Rückkehr zur Philologie' im Übergang zur Hightech-Philologie? Könnte man letztlich nicht auch – ohne die Metapher zu überdehnen – behaupten, daß sich das Internet mit seinen ständig neu auftauchenden Websites und Homepages zu einem elektronisch produzierten fortlaufenden Welt-Kommentar entwickelt hat? (Gumbrecht 2003: 85f)3

Der Fragehorizont bei Gumbrecht zielt, wenn man es mit anderen Worten formuliert, auf die subjektive Aneigenbarkeit und Bewältigbarkeit von Wissen in Abhängigkeit von bestimmten Medienpraktiken, die an die Stelle der Fiktion einer autonomen Subjektivität oder Autorschaft eine schwache, selbstpraktische Form von Subjektivität treten lassen. Überraschend an Gumbrechts Gedanken ist allerdings, dass er einer in Ehren ergrauten philologischen Pflichtübung,4 nämlich dem Kommentieren, die Lösung einer derartigen Aufgabe zutraut und die philologische Kommentarpraxis sogar zum Vorbild für den Umgang mit dem Internet aufbaut. Zugespitzt formuliert, fordert Gumbrecht Rephilologisierung nicht nur für Philologen, sondern auch als Bildungsprogramm für den durchschnittlichen Internetsurfer.




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Der Grund dafür, dass diese Vision so überzogen klingt, liegt wohl darin, dass Gumbrecht hier zwei ganz unterschiedliche Kommentar-Begriffe, einen philologischen und einen auf hypertextuelle Verknüpfung im Internet bezogenen, ineinander fließen lässt.5 Das Interessante an Gumbrechts allzu optimistischer Selbstüberschätzung des philologischen Eros scheint mir aber dennoch der Gedanke, dass über die Praxis des Kommentierens überhaupt ein Bezug zwischen dem institutionalisierten philologischen Kommentar und dem relativ ungeregelten Kommentieren im Internet herzustellen ist. Es geht im Sinn meines eingangs erläuterten Vorschlags, das Verhältnis von philologischer und kultureller Praxis zu denken, nicht darum, den philologischen Kommentar zum Modell des Kommentierens überhaupt zu machen, sondern umgekehrt darum, die Differenzen zwischen verschiedenen Kommentarformen, aber vielleicht auch ihre gemeinsamen Wurzeln in medialen Umbruchsituationen deutlich zu machen.

Historisch gesehen hängt die Tätigkeit des Kommentierens wesentlich mit verschiedenen Formen von Sprachlichkeit und insbesondere von Verschriftlichung zusammen. Ich baue dabei auf der Annahme auf, dass Kommentare vor allem in historischen, genauer: in mediengeschichtlichen Umbruchsituationen eine besondere Bedeutung erlangen.6 Dies soll an einer sehr kurzen Skizze der wichtigsten Stationen einer Mediengeschichte des Kommentars verdeutlicht werden:

Nach Jan Assmann fällt der genealogische Ursprung des Kommentars – nach einer Vorgeschichte in der nicht schriftlich fixierten Hermeneutik, v.a. im Rahmen sakraler Handlungen – weitgehend mit der Entwicklung der Schrift zusammen. Schriftlichkeit stellt nach Assmann einen ungeheuren Komplexitätsgewinn insofern dar, als sich "erst jetzt [...] ein Gedächtnis aus[bildet], das weit über den Horizont des in einer jeweiligen Epoche tradierten und kommunizierten Sinnvorrats hinausgeht und den Bereich der [sc. mündlichen] Kommunikation drastisch überschreitet" (Assmann 1995: 23). Kommentare dienen der Markierung und Kanonisierung von bestimmten Schlüsseltexten, die fortan das 'Innen' einer gesellschaftlichen Ordnung bilden. Der so konstituierte "Sinnvorrat" einer Gesellschaft wird durch ständige Kommentierung aktualisiert und ggf. im Laufe der Zeit verschoben.

Karlheinz Stierle hat noch weiter zwischen Kommentaren unter den Bedingungen von Hand- und Druckschriftlichkeit differenziert und festgehalten, dass handschriftliche Kommentare immer an den Zwischenschritt einer mündlichen Aktualisierung in der lectura gebunden sind, während erst das gedruckte Buch zum Ort wird, wo verschiedenste Schriftpraktiken auf dem medialen Substrat der Druckseite zueinander finden:

L'apparition du livre imprimé marque une nouvelle étape dans l'évolution du commentaire. Si avant cette date le commentaire écrit n'était que la trace d'un commentaire parlé et conditionné par les données institutionnelles de la lectura, le texte imprimé devient lui-même un nouveau lieu symbolique où toutes sortes de commentaires peuvent trouver leur représentation. (Stierle 1990: 24)

Gleichzeitig wird es nach Stierle mit dem Buchdruck auch möglich, einzelne kanonische Texte zurückzuweisen bzw. gegen bestehende Texte einen neuen Kanon zu profilieren. Im Medium der Druckschrift kann auch eine grundlegende Kritik institutionalisierter, d.h. autoritätsorientierter scholastischer Kommentarformen erfolgen, wie sie sich bspw. in den Essais von Michel de Montaigne ausdrückt.




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Dies bedeutet jedoch nicht, dass damit, selbst im Schreiben Montaignes, das Kommentieren als fortlaufende Praxis ganz abgeschafft wäre (ich werde auf die Spannung zwischen institutionalisierten und sich davon absetzenden 'subjektiveren' Kommentarpraktiken später zurückkommen).

Schließlich steht die Institutionalisierung des 'geschlossenen' philologischen Kommentars7 im Zeichen einer sich im Laufe des 19. Jahrhunderts immer deutlicher herausbildenden Konkurrenz von Schrift und anderen, technischen Speichermedien: Dieses Bewusstsein äußert sich zunächst indirekt in einer zunehmenden Sensibilität für die Textualität bzw. Materialität des Textes, die von der Rekonstruktion eines Ur-Textes nach Lachmann vor allem für moderne Texte zu einer zunehmenden Aufmerksamkeit auf die Textgenese und das Verhältnis von Drucktext und Manuskript geführt hat.8

Mit der Institutionalisierung des Kommentars zur philologischen Spezialdisziplin geht aber gleichzeitig eine immer weitere Ablösung der Kommentarpraxis vom kulturell 'zirkulierenden' Sinnbestand einer Kultur einher. Zwar bieten Hypermedien fraglos interessante neue Möglichkeiten innerhalb der Grenzen des philologischen Kommentars, aber ist nicht die Verbindung philologischer Editionen zum Großteil des kulturell zirkulierenden Wissens längst abgerissen? Und steht das kulturell zirkulierende Wissen überhaupt noch im Zeichen der Schrift oder eher eines jüngst propagierten iconic turn der Kulturwissenschaften?

Ziel dieses Beitrags ist es, die Verbindung und somit die Beziehbarkeit von 'geschlossenem' philologischem und 'offenem' Kommentar, der versucht, eine Lesbarkeit von nicht notwendig schriftlich fixierten kulturellen Praktiken herzustellen,9 nicht ganz abreißen zu lassen. Dies setzt jedoch die Annahme voraus, dass Sprache und Schrift auch heute, d.h. im Zeitalter elektronischer Medien, in entscheidender Weise das kulturelle Gedächtnis prägen. Diesbezüglich hat Hartmut Winkler (1997) bereits vor einigen Jahren nachdrücklich herausgestellt, dass die Anwendung eines zeichentheoretischen Zugangs auch für elektronische Medien noch Sinn ergibt, ja, dass auch diese primär immer noch im Zeichen semiotischer Differenz zu untersuchen sind.

Wenn man sich nach Winkler, dessen Gedanken in anregender Weise zwischen verschiedensten Theorieentwürfen und Schulen zirkulieren,10 mit der Medialität des Computers beschäftigen will, so ist es irreführend, mit dem neuen Medium eine Ablösung bisheriger Medientechniken durch ein Über-Medium, das alle bisher bestehenden Medien integriert, zu erwarten. Computergebrauch ist nach Winkler entgegen einem weit verbreiteten Mythos nicht integrativ, sondern genauso partikular wie andere technische Medien auch; die Vergleichbarkeit zwischen einzelnen Medien wird nach Winkler jedoch dadurch hergestellt, dass sie alle als symbolisch strukturiert zu denken sind, d.h. nach dem Modell einer Sprache funktionieren. Winkler legt dabei seinen Überlegungen, die mit der Opposition von langue und parole, also von Sprachsystem und Äußerung operieren, einen medientheoretisch folgenreichen dynamischen Begriff von sprachlichen Systemen zu Grunde (vgl. Winkler 1997: 14–53).




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Die langue begreift Winkler, vergleichbar mit Foucaults "formation discursive", als ein historisch variables, nicht-lineares Archiv der Sprachbenutzer, das zu bestimmten historischen Momenten bestimmte Sagbarkeiten eröffnet – eine zentrale Rolle spielt hierbei der Begriff des kollektiven Gedächtnisses sowie in Verbindung damit die Frage nach seiner Konstitution bzw. Transformation durch mediale Speicherung.

Dazu kommt, dass Winkler vor einem psychoanalytischen Hintergrund Medien als privilegierten Gegenstand menschlicher Wünsche und damit Computer in einem buchstäblichen Sinn als "Wunschmaschinen" betrachtet (vgl. Winkler 1997, 54–80). Der (utopische) Wunsch, der sich mit dem Medium Computer und speziell mit der Vernetzung von Computern zu Netzwerken verbindet, ist nach Winkler derjenige, das komplette System der Sprache zu 'externalisieren', d.h. letztlich aus dem World Wide Web ein Netz des gesamten menschlichen Wissens zu machen, das irgendwann jederzeit und restlos abrufbar wäre. Charakteristische Metaphern dafür sind zum einen – als Entlehnung aus der Buchkultur – die Enzyklopädie, ein Paradigma, das im Internet immer wieder bemüht wird, und zum anderen – mit noch weiter reichenden Ansprüchen – die Annahme vom hypertextuell vernetzten Denken als veräußerter Entsprechung zur 'synaptischen' Verschaltung des menschlichen Gehirns an sich.

Gegen diese Wünsche setzt Winkler die Beobachtung, nach der die Phantasie von der restlosen Speicher- und Abrufbarkeit des Weltwissens zu Gedächtnishypertrophie führt. Der Grund dafür liegt darin, dass technische Gedächtnisse allein ohne Selektion bzw. das, was Winkler in Anlehnung an Freud "Verdichtung" nennt, scheitern müssen (vgl. Winkler 1997, 131–184). Winklers Studie versucht zu zeigen, wie Verdichtung nicht nur individualpsychologisch, sondern auch und vor allem im Rahmen eines kollektiven Gedächtnisses erfolgt, das – so seine Formulierung – Daten speichert, indem es sie "in die Sprache hinein" vergisst (Winkler 1997: 164).

Meine Analysen schließen an Winkler an, versuchen aber zusätzlich, einen Aspekt zu fokussieren, den dieser ausklammert: Ich möchte Kommentarpraktiken nicht nur im Rahmen einer kollektiven Diskursordnung untersuchen, sondern auch sich daraus ergebende individuelle Formen der Subjektkonstitution, die durch bestimmte technische Vorbedingungen des Internet möglich werden. Auch untersuche ich in meinen Analysen nicht die 'tiefer liegende' Ebene der Programmierung von Computern, sondern beschränke mich auf einen bestimmten wissenschaftlich-ästhetischen Anwendungsbereich innerhalb der Computernutzung, spezieller: innerhalb der Nutzung von Hypermedien im Internet.

Kommentierende Netz-Anwendungen – so meine These – können möglicherweise von ausgezeichneter Bedeutung bei der sprachlichen Bewältigung der ungeheuren Diskursvielfalt bzw. bei der Etablierung eines (mehr oder weniger einheitlichen und stabilen) kulturellen Gedächtnisses sowie individueller Selbstpraktiken im Rahmen einer Diskurs- und Gedächtnisordnung sein.




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Eine letzte Vorbemerkung soll dem Begriff des Kommentars selbst gelten: Der Kommentarbegriff, den ich hier verwende, soll nicht in einem definitorisch engen Sinn an die Präexistenz von kanonischen, kommentarwürdigen Texten gebunden werden; vielmehr kann nicht textuell Verfasstes zum Gegenstand von Kommentierung werden, wobei sich Kommentare jedoch dadurch auszeichnen, dass sie solche Sachverhalte in eine sprachliche Bearbeitung überführen.

Ich möchte hierbei mit Jan Assmann zwischen der kommentierenden Deutung von Sprach- bzw. von Sachverhalten unterscheiden (vgl. Assmann 1995: 12), d.h. zwischen Kommentaren, die nicht sprachlich Verfasstes in einen Deutungszusammenhang einbringen und Kommentaren, die sich bereits auf Sprache, in der Regel auf Schrift beziehen. Die erste Praxis stellt nach Assmann ein Definiens des Menschen an sich dar, insofern er sich auslegend im Verhältnis zur ihn umgebenden Welt erfährt, wobei jedoch die Verschriftlichung dieser ursprünglich dominant sakralen Auslegungstraditionen deutlich später anzusetzen ist. Die andere Form des Kommentars, der Bezug auf Sprachverhalte, der mit einer Hierarchisierung des kommentierten Bezugstextes verbunden ist, führt schließlich zu der bereits kurz beschriebenen Funktion der Kanonisierung des kulturellen Sinnbestands. Offen bleibt bei Assmann allerdings die Frage, wie sich hierbei Medientechniken auswirken, die über (Hand-)Schriftlichkeit hinausgehen.11

Damit komme ich nun zu meinem angekündigten Thema, der Analyse einer vor allem kommentierend operierenden Internetanwendung, die sich seit einigen Jahren großer und noch immer rapide wachsender Beliebtheit erfreut: Die Rede ist von so genannten Weblogs.


2 Weblogs

2.1 Begriff und technische Beschreibung

Ich beginne mit einer Begriffsklärung. Hier zunächst der Anfang einer im Netz kursierenden Weblogdefinition:

A weblog, or blog, is a frequently updated website consisting of dated entries arranged in reverse chronological order so the most recent post appears first. (Walker 2003)

Der Begriff Weblog12 (meist als Neutrum verwendet) ist durch die Kontamination von 'Web' und 'Logbuch' entstanden und bereichert damit die im Internet weit verbreitete nautische Metaphorik um ein weiteres, von den semantischen Konnotationen her nicht uninteressantes Beispiel. Die Definition beschreibt das typische Erscheinungsbild eines Weblogs (hier am Beispiel von erratika: http://www.erratika.de/, vgl. Abb. 1), in dessen Hauptspalte man die umgekehrt chronologisch geordneten Beiträge findet.




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Abb. 1: Startseite von http://www.erratika.de (25.9.2003)


Die Menüleiste auf der rechten Seite zeigt weitere typische Features von Weblogs, wie z.B. die Liste der Themen, zu denen Weblogeinträge vorhanden sind, eine Suchfunktion, sowie in der Regel eine "Blogroll", d.h. eine Linkliste mit anderen Blogs o.ä. Was die technische Umsetzung betrifft, handelt es sich im Prinzip um 'normale' Webseiten in HTML oder in XML. Besonders an Weblogs ist vor allem, dass sie Software-'Tools'13 darstellen, die das schnelle und häufige Publizieren im Netz sowie die Verwaltung des Publizierten in Archiven vereinfachen. Technisch handelt es sich dabei um serverbasierte cgi-Skripte, die nur Internetzugang erforderlich machen und das Schreiben von Weblogs vom Browser aus ermöglichen (vgl. Abb. 2). So erübrigt sich nicht nur die zeitaufwändige Trennung in die verschiedenen Arbeitsschritte des Offline-Erstellens der Seiten sowie das anschließende Übertragen per FTP, zusätzlich wird auch das Layout des Weblogs nicht für jeden Eintrag neu entworfen, sondern ist als eine allgemeine Maske vordefiniert, womit man sich auch ohne HTML- oder ähnliche Kenntnisse auf das Schreiben der Einträge konzentrieren kann.



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Abb. 2: Das Menü bei twoday.net zum Verfassen von Weblogbeiträgen (September 2003)


Es gibt Software-Lösungen wie Movable Type (http://www.movabletype.org/), die das Publizieren von Weblogs auf dem eigenen Server erlauben; andere Anbieter kombinieren ihr Software-Angebot mit der Einrichtung von Webspace auf vorgegebenen Servern, so z.B. der deutschsprachige Weblog-Pionier Antville (http://www.antville.org/).

Die Geschichte der Weblogs reicht bis in die Mitte der 1990er Jahre zurück: Sie wurden ursprünglich zur Vereinfachung der Publikation von What's new-Seiten entwickelt.14 Bis vor kurzem noch eine Art Geheimtipp einer mehr oder weniger eingeschworenen Gemeinschaft, erleben sie derzeit einen wahren Boom (ihre Zahl erreicht inzwischen Millionenhöhe, Tendenz bisher stark steigend),15 der auch mit einer stärkeren Kommerzialisierung einhergeht.16 Immer mehr der zunächst zumindest in einer Basisversion kostenlosen Angebote werden inzwischen kostenpflichtig oder finanzieren sich über Werbebanner (beide Möglichkeiten bietet z.B. der Antville-Ableger Twoday.net).17 Weblogs haben sich nicht zuletzt durch den Versuch einer Herstellung von kritischer Gegenöffentlichkeit in der Zeit des Irakkriegs größere mediale Aufmerksamkeit verschafft; neben journalistischen Weblogs gibt es aber viele andere private, wirtschaftliche sowie wissenschaftliche Anwendungsbereiche, auf deren Gemeinsamkeiten ich noch zu sprechen kommen werde.




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Ein Indiz für die wachsende Bedeutung von Weblogs für verschiedene, auch kommerzielle Interessen besteht schließlich darin, dass die amerikanische Firma Pyra Labs, die hinter dem weltweit größten Weblog-Anbieter Blogger (http://www.blogger.com/) steckt, Anfang 2003 von Google übernommen wurde, wodurch sich die Suchmaschine offensichtlich eine Stärkung ihrer Marktposition erhofft.18

Die Besonderheit von Weblogs als Software-Tools besteht somit in erster Linie darin, dass sie das Publizieren im Netz stark vereinfachen – gleichzeitig hat sich mit Weblogs jedoch auch (bedingt zumindest zum Teil durch die Möglichkeiten der inzwischen bei den verschiedenen Anbietern weitgehend vereinheitlichten Möglichkeiten und Grenzen der Software selbst) ein neues Format des Schreibens im Internet herausgebildet, das hier aufgrund seiner Nähe zur Kommentartradition untersucht werden soll..19

Eine kurze Beschreibung der Tätigkeit des Bloggens durch Peter Praschl, verantwortlich für eines der meistgelesenen deutschen Weblogs namens Sofa (http://arrog.antville.org/), lautet: "Weblogger jagen, sammeln und annotieren Links." (Praschl [o.J.]) Der Akzent dieser Beschreibung liegt auf der grundsätzlichen Linkorientierung der Weblogs, die an und für sich bereits affin zur Kommentartätigkeit ist. Ich will hier nicht näher auf die breite Diskussion um Hypertextualität seit den neunziger Jahren eingehen20 und auch nicht näher diskutieren, ob der oft bemühte Vergleich zwischen Hypertextualität und Intertextualität in einem ästhetischen Sinn überhaupt plausibel ist,21 oder ob Hypertextualität nicht mit gleichem Recht als eine – mit Gérard Genette gesprochen – Form von Metatextualität betrachtet werden kann.22 Für meine Zwecke möchte ich das Kommentieren im Internet nicht nur strukturell durch den bloßen Verweis auf einen anderen Text via Hyperlink, sondern auch semantisch durch den meinungsbezogenen Umgang mit Hyperlinks bestimmen.

Als kurzes, jedoch für Weblogdiskussionen nicht untypisches Beispiel soll hier die Diskussion um eine Tagung zur Zukunft des Feuilletons und speziell der am 20. September 2003 im Perlentaucher online erschienene Beitrag von Thierry Chervel zum Verhältnis von Internet und Feuilleton dienen, in dem Chervel davon ausgeht, dass die Print-Presse den derzeitigen medialen Strukturwandel der Öffentlichkeit verschlafen habe (Chervel 2003).23 Chervels Beitrag wird von einem Weblogger namens "Supatyp" (http://mark.antville.org/) folgendermaßen kommentiert (Supatyp 2003, vgl. Abb. 3):


Abb. 3: Ausschnitt der Startseite von http://mark.antville.org (22.9.2003)




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Ohne den knappen Eintrag in allzu philologischer Manier analysieren zu wollen, zeigt sich an ihm doch recht gut, dass die Kommentar-Semantik, die den Link begleitet, in Weblogs oft ziemlich verknappt und zugespitzt ist, hier auf ein Fußballergebnis ("Supatyp" hat sich in seiner Rollendefinition als Blogger übrigens einen rheinländischen Proll-Dialekt zu eigen gemacht, den er karikierend auf die Spitze treibt).

Kommentierte Links sind aber nicht das Einzige, was Weblogdiskussionen ausmachen – es können nämlich innerhalb des Weblogs auch Kommentare zu Kommentaren entstehen, was im bereits genannten Beispiel wieder in schnörkelloser Direktheit deutlich wird (vgl. Abb. 4).


Abb. 4: Kommentare zu http://mark.antville.org/stories/520973/ (22.9.2003)


Kommentare zu Weblog-Einträgen werden nicht mehr auf der chronologisch geordneten Startseite, sondern in einer eigenen Seite dargestellt,24 die mit dem kommentierten Eintrag des "Supatyp" beginnt und die Kommentare darunter aufführt. Auf den Einspruch gegen sein Lob antwortet "Supatyp" mit einem Kommentar dritter Stufe – ein Spiel, das prinzipiell endlos immer eine Stufe höher getrieben werden kann.

Die als Standard-Feature in Weblog-Software vorgesehene Möglichkeit des Kommentierens ist jedoch an eine vorgängige Registrierung als Nutzer entweder des Weblog-Dienstes oder des speziellen Weblogs selbst gebunden (in Verbindung damit kann die Lektüre, Kommentierung und auch das Schreiben von Einträgen für Weblogs spezifisch geregelt werden – von non-public-Weblogs, die nur für eine bestimmte Zahl von Usern überhaupt lesbar sind, bis hin zu öffentlichen Weblogs, in denen jeder User Beiträge und Kommentare verfassen kann, sind verschiedene Zwischenstufen möglich.)




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Der innerhalb der Weblog-Community zeitweise heiß diskutierte Sinn bzw. Unsinn der Möglichkeit, Weblogs 'privat' zu führen, d.h. auf einen bestimmten Nutzerkreis einzuschränken,25 zeigt, dass die Netzutopie einer allgemeinen Zugänglichkeit offensichtlich auch und gerade in der Weblog-Gemeinschaft bedeutend eingeschränkt wurde und wird, dass sich also einem bestimmten Zweck angepasste Diskursgemeinschaften herausbilden, die ihre je eigene Form von Öffnung auf das oder Schließung gegenüber dem Netz propagieren.

Über die interne Kommentierung hinaus können Weblog-Einträge jedoch auch von anderen Weblogs aufgegriffen werden, sei es, um die Information des Eintrags zu übernehmen, sei es, um durch eigene Kommentare eine neue Diskussion zu dem Thema zu eröffnen.

Faktisch ist die Zirkulation von Informationen zwischen Weblogs sehr verbreitet. Die Frage, warum dies so ist, hat nicht nur mit der Selbstreferentialität von eingespielten Diskurs- bzw. hier: Kommentargemeinschaften, sondern auch mit einer weiteren technischen Besonderheit von Weblogs zu tun, die in Zusammenhang mit Weblogs entwickelt wurde, jedoch nicht prinzipiell auf sie beschränkt ist. Weblogs haben eine Form der Informationsvermittlung entwickelt, die nicht nur aktiv bestimmte Themen aus dem Netz herauszieht und dabei Suchmaschinen verwendet oder bereits bekannte URLs ansteuert, sondern auch aus bestimmten voreingestellten Quellen ohne eigenes Zutun mit Informationen versorgt wird, meist von anderen Weblogs.26 Inzwischen nutzen viele Weblogs dieses Angebot, die sogenannten RSS-Feeds im Rahmen der Textmarkierungssprache XML, einer Weiterentwicklung von HTML (vgl. dazu einführend Kantel 2003). RSS wurde von dem Weblogpionier Dave Winer entwickelt, auch wenn es sich allmählich von der reinen Weblog-Nutzung abzulösen beginnt und aktuell mehrere konkurrierende Versionen auf dem Markt sind.27 In einem RSS-Feed (die Abkürzung bedeutet u.a. "Rich Site Summary") werden bspw. Titel, Datum sowie wichtigste Inhalte der Neueinträge in einer URL erfasst und automatisch an alle Internet-User geschickt, die die URL 'abonniert' haben und die letzten Aktualisierungen der sie interessierenden Blogs mittels einer speziellen RSS-Lesesoftware geliefert bekommen.

Um beim Beispiel des Kommentars von "Supatyp" zur Feuilleton-Diskussion zu bleiben: Mit einem Programm wie Feedreader (vgl. Abb. 5) ist es für andere Blogs wie z.B. das von mir initiierte romblog (http://romblog.twoday.net/) möglich, sich über die neuesten Einträge des "Supatyp" und anderer regelmäßig gelesener ('abonnierter') Weblogs zu informieren und wiederum kommentierend auf sie zu verweisen.




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Abb. 5: Feedreader in der Konfiguration des Verf. am 27.9.2003 (beim Ansehen der Neueinträge des spanischen Weblogs http://www.efimera.org)


Schließlich kann man im Rahmen einer Einrichtung namens Trackback, über die jedoch nicht alle Weblogs verfügen, nunmehr wiederum aktiv vom eigenen Blog aus dem anderen Weblog mitteilen, dass man es soeben verlinkt und kommentiert hat – im Fachjargon: Man kann es "anpingen".28 Das so kontaktierte Weblog kann seinerseits wiederum automatisch auf den entfernten Kommentar verweisen, damit seine Leser das Echo, das die Weblogeinträge anderswo gefunden haben, zurückverfolgen können.

So weit eine einführende technische Beschreibung der Möglichkeiten von Weblogs.


2.2 Funktionen des Weblogkommentars

Hartmut Winkler hat 1997, also vor Verbreitung von Weblogs, folgende Zukunftsprognose zur Entwicklung des Internet formuliert:

Das gegenwärtige flüchtige Nebeneinander der heterogensten Informationen lebt von der Utopie, eine Hierarchisierung vermeiden zu können und – ein basisdemokratisches Ideal – peripheren Projekten gegen die etablierten Strukturen eine Chance zu geben. Aus der hier vertretenen Argumentation zu Vergessen und Verdichtung allerdings ergibt sich eine vollständig andere Prognose: wenn das Prinzip der additiven Speicherung linear in die Krankheit Seresvskijs [d.h. die Mnemopathie oder Hypertrophie des Gedächtnisses, beschrieben vom russischen Psychiater Lurija, J.D.] führt, wird das Datenuniversum sich nur retten können, wenn es Mittel findet, Hierarchien auch in dem neuen Zeichensystem wieder durchzusetzen. Man wird erkennen müssen, daß Hierarchien eine semantische Funktion erfüllen und daß semantische Systeme grundsätzlich hierarchisch sind; polyzentrisch selbstverständlich, und keineswegs nach dem Muster einer Pyramide strukturiert, dennoch aber hierarchisch in der Verwaltung qualitativer Unterschiede, unterschiedlicher Verweisdichten und unterschiedlich tief gegrabener Bahnungen. Die Prognose also ist, daß im Datennetz 'Orte' unterschiedlicher Bedeutung sich herausbilden werden. Es wird ein Unterschied sein, wieviele Links die einzelnen Orte auf sich vereinigen können, wie 'direkt' – organisatorisch, nicht technisch – sie zugänglich sind. Und es wird eine gesellschaftliche Auseinandersetzung um diese Positionen geben. Auch in diesem Sinn also wird das Datenuniversum in die Geschichte eintreten. Und schließlich jenes getreuliche Abbild der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse sein, das der Anfangs-Enthusiasmus zuverlässig glaubte vermeiden zu können. Die Realgeschichte des Datenuniversums also wird zur Herausbildung von 'Monumenten' führen. (Winkler 1997: 180)




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Es stellt sich die Frage, ob Weblogs in dem gesellschaftlichen Spiel der Verdichtung und Schaffung von 'Monumenten' im Netzdiskurs mit ihrer spezifischen Kombination aus neuen technischen Selektionsmöglichkeiten und individuell-subjektgebundener Kommentarpraxis tatsächlich eine Rolle spielen. Einer der am meisten beachteten jüngeren Beiträge über Weblogs von Christian Eigner stellt eine andere Prognose auf. Eigner legt den Akzent nicht auf Verdichtung, sondern ist im Gegenteil hoch erfreut darüber, dass das Internet gerade dank der Weblogs vor der 'Monumentalisierung' bewahrt werden könnte. Er spricht davon, dass die Internet-Medienkultur der Zukunft durch so genannte "Oszillationsmedien" bestimmt sei, deren erste Verteter die Weblogs seien:

Weblog-Einträge – wie sollte man diese neuen Entitäten sonst nennen? – sind wohl die erste Textform, die tatsächlich keinen Rand mehr hat. Nicht nur ihr Sinn weist weit über sie hinaus (was allerdings für die meisten Texte gilt), auch formal ist schwer festzulegen, wo ein Weblog-Eintrag beginnt und wieder aufhört: Der Eintrag schreibt ja den Link fort, führt ihn inhaltlich wie auch formal weiter – und damit auch das, was hinter dem Hyperlink steckt. 'Texte' entstehen so, die unbegrenzt sind, die folglich kein 'Außen' und kein 'Innen' mehr kennen, die sich dauernd öffnen [...] und wieder verschließen [...], die mit einer Heftigkeit zwischen diesen beiden Polen (offen – geschlossen) oszilllieren, daß man als Leser einer Sammlung von Weblog-Einträgen (also eines Weblogs) permanent den Eindruck hat, noch auf einer (runden, produktartigen) Medien-Site zu sein, aber schon auch durch das Netz katapultiert zu werden. (Eigner 2002: 110)

Die Beschreibung einer "Oszillation" zwischen dem Weblog als eigenem Format und den durch Weblogs verlinkten Seiten erscheint reizvoll und auf den ersten Blick durchaus plausibel, doch greift sie insofern zu kurz, als Eigner von einer grundsätzlichen Ungerichtetheit dieser Bewegung ausgeht – genau dies würde Hartmut Winkler wohl als Ausdruck der Nichthierarchisierungsutopie verstehen und dagegen halten, dass die Verlinkung in Weblogs eher der Hierarchisierung des Netzdiskurses dient.

Wenn meist auch nicht alle der vielschichtigen Kommentar- und Vernetzungsmöglichkeiten von Weblogs genutzt werden, so treten Weblogs doch möglicherweise, wie Peter Praschl schreibt, als "Filter" im Netzdiskurs auf (Praschl [o.J.]), die faktisch eine Ökonomie der Konzentration von Aufmerksamkeit29 in Gang setzen, wobei die von Eigner beschriebene Oszillationsbewegung rückgebunden wird an einen bestimmten Ort der Verarbeitung.

In Bezug auf die Kommentarpraxis von Weblogs lässt sich Winklers Vermutung stützen durch den Verweis auf die klassischen Analysen von Michel Foucault zur Funktion des Kommentars im Rahmen der gesellschaftlichen Diskursproduktion und -kontrolle, die m.E. auch in der derzeitigen Netzkultur des Internet nichts von ihrer grundsätzlichen Aktualität verloren haben. Foucault unterscheidet externe und interne Verfahren der Einrichtung diskursiver Ordnungen und führt den Kommentar als erstes der diskursinternen Verfahren auf:




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Il existe évidemment bien d'autres procédures de contrôle et de délimitation du discours [...] Procédures internes, puisque ce sont les discours eux-mêmes qui exercent leur propre contrôle; procédures qui jouent plutôt à titre de principes de classification, d'ordonnancement, de distribution, comme s'il s'agissait cette fois de maîtriser une autre dimension du discours: celle de l'événement et du hasard.

Au premier rang, le commentaire. Je suppose, mais sans en être très sûr, qu'il n'y a guère de société où n'existent des récits majeurs qu'on raconte, qu'on répète et qu'on fait varier; des formules, des textes, des ensembles ritualisés de discours qu'on récite, selon des circonstances bien déterminées; des choses dites une fois et que l'on conserve, parce qu'on soupçonne quelque chose comme un secret ou une richesse. Bref, on peut soupçonner qu'il y a, très régulièrement dans les sociétés, une sorte de dénivellation entre les discours: les discours qui 'se disent' au fil des jours et des échanges, et qui passent avec l'acte même qui les a prononcés; et les discours qui sont à l'origine d'un certain nombre d'actes nouveaux de paroles qui les reprennent, les transforment ou parlent d'eux, bref, les discours qui, indéfiniment, par-delà leur formulation, sont dits, restent dits, et sont encore à dire. Nous les connaissons dans notre système de culture: ce sont les textes religieux ou juridiques, ce sont aussi ces textes curieux, quand on envisage leur statut, et qu'on appelle 'littéraires'; dans une certaine mesure des textes scientifiques. (Foucault 1971: 23f)

Natürlich geht es mir nicht um eine Art Urszene des Kommentars im Rückgriff auf archaische Gesellschaftsordnungen, die Foucault hier offensichtlich im Blick hat, sondern um die auch für heutige Netzdiskurse noch gültige Tatsache, dass sich zwischen einzelnen Äußerungen eine Hierarchie etabliert. Manche Äußerungen geraten so nicht nur in mündlicher Kommunikation, sondern bei der inzwischen erreichten Masse von Textproduktion in den verschiedensten Medien auch schriftlich in Vergessenheit, während manche andere durch kommentierende Fortschreibung und Kanonisierung im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit bleiben. Entscheidend an Foucaults Zugriff ist, dass er nicht nur bereits konstituierte kanonische Texte als Anlass zum Kommentieren betrachtet, sondern dass er umgekehrt das Kommentieren als Möglichkeitsbedingung für die Kanonisierung oder Hierarchisierung von Diskursen angibt. Die ist für Weblogs insofern von besonderer Bedeutung, als sie die besonders spannungsreiche Schwelle umspielen, die Texte oder Sachverhalte durch Kommentierung überhaupt erst zu sozial relevanten 'Monumenten' werden lässt. An dieser Stelle wird das von Foucault erwähnte Gefälle überhaupt erst hergestellt, das zwischen dem unterscheidet, was im Diskursuniversum des WWW ungelesen oder zumindest unkommentiert bleibt (was aber bezüglich der Konsequenzen im Rahmen der beschriebenen Aufmerksamkeitsökonomie weitgehend auf dasselbe hinausläuft)30 und dem, was weiter bearbeitet wird.

Ein raffiniertes Experiment mit der Schwelle der Les- und Speicherbarkeit stellt z.B. ein Weblog namens Wasted comments dump (http://commentsdump.antville.org/) dar. Das Weblog ist eine Art Müllhalde für nicht veröffentlichte Weblog-Postings, die man bei Installierung eines entsprechenden Buttons in seiner Weblog-Software (s.o., Abb. 2) mit einem Mausklick für die Nachwelt anonym archivieren kann, anstatt sie zu löschen.




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Natürlich ist diese 'Rettung' des Web-Abfalls31 ein Spezialfall dessen, was in Weblogs normalerweise bearbeitet wird. Es stellt sich die Frage – die hier allerdings nur ansatzweise beantwortet werden kann –, was Weblogs denn eigentlich bevorzugt verdichten und kommentieren. Auch wenn dies wegen der ungeheuren thematischen Breite von Weblogs eine fast aussichtslose Frage scheint, ist wohl doch ein gemeinsamer Nenner möglich: Weblogs, so die vielleicht erwartbare Antwort, laden sich wie andere Medien auch in einer manchmal interessanten, bisweilen aber auch entnervenden Selbstreflexion mit Bedeutung auf. Meta-Blogging, d.h Weblog-Diskussionen über Weblogs findet sehr häufig die meisten Kommentare.32 Wo es um andere Themen geht, lässt das Beispiel des erwähnten minimalistischen Weblog-Kommentars zur Zukunft des Feuilletons vermuten, dass der semantische Differenzierungsgewinn des Weblog-Kommentars nicht in allen Fällen sehr hoch ist, wenn es in erster Linie darum geht, Informationen schnell weiterzuverbreiten und z.B. nach einem groben Positiv-/Negativschema zu rastern (auf differenziertere Kommentarpraktiken komme ich weiter unten im Rahmen meiner Überlegungen zu Selbstpraktiken zu sprechen).

Eine weiter führende Antwort ist aufgrund der immer stärkeren Ausdifferenzierung von Weblogs beispielweise auf wissenschaftlichem ("K-Blogs"), technischem ("T-blogs") oder journalistischem ("Newsblogs") Gebiet schwierig bis unmöglich, wobei allein die Ausdifferenzierung selbst ein Indiz dafür ist, dass die filternde und hierarchisierende Kraft von Diskursgemeinschaften offensichtlich nur eine sehr begrenzte Reichweite hat, d.h. es bilden sich im Netzdiskurs allenfalls lokale und begrenzte Zeit überdauernde Monumente, die von Bedeutung für bestimmte Nutzer sind, während sie von anderen komplett ignoriert werden.

Interessant scheint hingegen die Beobachtung, dass die kommentierende Filterung in der Regel komplexer wird, wenn sie nicht an Internet-Links, sondern an Texte im traditionellen Sinn anschließt. Es gibt einige Beispiele für interessante Weblog-Diskussionen, die ganz klassisch einen commentaire de texte zum Gegenstand haben. Auch wenn sich solche Unternehmungen, wie z.B. eine Lektüregruppe zu Adornos Minima moralia (http://empire.antville.org/) explizit vom akademischen Diskurs abgrenzen, führt diese Art von Weblog-Anwendung auch zum eingangs bereits diskutierten Verhältnis von philologischem und Internetkommentar zurück.33 Zum einen ist der Textkommentar natürlich bezüglich der Möglichkeiten des Mediums in gewisser Weise ein Rückschritt zu einer Instrumentalisierung der Weblogs im Sinn einer Vereinnahmung für klassische philologische Praktiken – ein Schritt, der nicht nur in speziell dafür eingerichteten Weblogs, sondern bisweilen auch in linkorientierten Blogs mehr oder weniger versteckt zwischen ganz anderen Einträgen vollzogen wird, so z.B. beim Sofa (Peter Praschl) mit einer unvermittelt eingestreuten Bemerkung zur ersten Ehebruch-Szene in Flauberts Madame Bovary (Praschl 2003a). Es geht hierbei nicht mehr um Bildung von künftigen Kommentartraditionen, sondern der Weblog-Eintrag arbeitet sich in einem klaren, wenn auch kritisch hinterfragten Gefälle vom kommentierten zum Kommentartext an einem überlieferten Literaturkanon mit all seinen Reizen und Tücken ab.




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Was daran wiederum besonders ist – und das zeigt sich m.E. auch in der Art der Kommentare zu Madame Bovary, die im Prinzip durchaus textnah, aber mit einer sehr unakademischen Perspektive argumentieren – ist der Diskussionskontext, in dem weibliche Sexualität hier verhandelt wird: Emmas Ehebruch steht in unmittelbarer Nachbarschaft zu Einträgen (und Diskussionen) um Susan Stahnkes Nacktfotos in einer September-Ausgabe der Bild-Zeitung und zu dem Kommentar eines tagebuchartigen Weblogeintrags einer Schweizer Bloggerin, die von ihrer Mutter Unterwäsche zum Geburtstag geschenkt bekommt. Man kann natürlich über die Wichtigkeit dieser Bezüge für eine philologische Lektüre von Madame Bovary streiten, zumal ja die traditionelle Kommentierung ohnehin keine Aktualisierung, sondern nur zeitgenössische bzw. sogar dem kommentierten Text chronologisch vorausliegende Daten zulässt. Geht es umgekehrt aber, wie ich zu Beginn dieses Beitrags angeregt habe, um die Archäologie der Stellung von Literatur in der Gegenwartskultur, so scheint mir dieses unvermittelte, collageartige Nebeneinander von Arten, über Erotik zu sprechen, durchaus aufschlussreich – es gehört meiner Meinung aufgrund der Heterogenität des verwendeten Materials zu den interessantesten ästhetischen Überraschungseffekten, die die Kommentarpraxis in Weblogs hervorrufen kann.


2.3 Weblogs und Selbstpraxis

Abschließend soll die Frage aufgeworfen werden, ob es ausreicht, Weblogs mit Hartmut Winkler allein im Hinblick auf ihre Verdichtungsfunktion im Rahmen eines kollektiven Gedächtnisses zu untersuchen, oder ob es nicht in Wechselwirkung damit auch um die Formierung individueller Subjektivität geht, was zur Untersuchung von schreibenden Selbstpraktiken hinführt. Schon die chronologische Anordnung von Einträgen in Weblogs ruft eine Form der Verschriftlichung auf, die mit der philologischen Kommentartradition im engeren Sinn, von der ich ausgegangen war, nicht mehr kompatibel erscheint, nämlich die Tradition der Notiz- und Tagebücher.

Erweitert man jedoch das Spektrum kommentierender Texte von der philologischen Tätigkeit im engeren Sinn auf Grenztexte, die sich wie z.B. Montaignes Essais des Kommentars in mehr oder weniger direkter autobiographischer Absicht bedienen, so sieht man, wie sich Selbstverschriftung zumindest als Möglichkeit immer schon über Kommentare konstitutiert, wie auch umgekehrt Kommentarstrukturen meist die Möglichkeit eines Umschlags in Selbstverschriftung offenhalten. Dies wird nicht nur in der frühen Neuzeit, sondern auch am Beispiel der Weblogs praktiziert. Wie Foucault in seinem bekannten Aufsatz "L'écriture de soi" (Foucault 1994) darstellt, geht es bei schreibenden Selbstpraktiken um Modi der Aneignung von häufig disparaten fremden Diskursen und Gedanken durch Zusammenführung zu einem Konvolut von Notizen – die so genannten Hypomnemata, die seit der Spätantike eine philosophische Übung der Selbstsammlung darstellen. Diese Übung besteht nicht nur in einer expliziten Selbstthematisierung des Subjekts als Objekt seiner eigenen Gedanken, sondern beruht noch grundlegender auf einer – bereits eingangs von Gumbrecht ins Spiel gebrachten – 'schwachen' Subjektivität im Sinn einer unablässigen Tätigkeit des Sammelns und Wiederholens von fremdem Diskursmaterial, das man sich durch wiederholten Umgang sozusagen aneignet.34




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Was die Disparatheit der durch Notizen angeeigeneten Fragmente betrifft, so eröffnet das Internet als Universum, in dem zunächst noch relativ unverdichtet alle möglichen Texte zusammenlaufen, beim Ausstellen von Fragmenten, die vom Sammler in eine irgendwie sinnträchtige Beziehung gesetzt werden sollen, eine enorme Herausforderung. Wenn man dafür wiederum den Sofa blogger alias Peter Praschl als Ausgangspunkt nimmt, gelingt es ihm jedenfalls, zwischen Themen wie Nacktphotos eines Möchtegern-TV-Promis in der Bildzeitung und den romantischen Evasionsträumen einer Romanheldin aus dem 19. Jahrhundert eine nicht explizit gemachte, dennoch aber suggestive Beziehung herzustellen.

Als Selbstpraktiken haben Weblogs natürlich immer auch eine exhibitionistische Seite, ob sie nun als explizite Tagebücher geführt werden oder nicht. Auch das ist in der Geschichte von Subjektivität nach Foucault vorgezeichnet: Aus der spätantiken Konstitution eines Selbstverhältnisses haben sich durch Zwischenschaltung einer externalisierten 'dritten' Instanz im Laufe der Subjektgeschichte das Beichtdispositiv, wo die Selbstsammlung der Rechenschaft gegenüber einem directeur spirituel weicht, sowie das psychoanalytische Gesprächsdispositiv entwickelt, wo der Beichtvater durch den Therapeuten ersetzt wird. In letzter Zeit gibt es Überlegungen, die Geschichte des Beichtdispositivs noch weiter in die Gegenwart zu verlängern, und zwar auf Fernsehtalkshows als Beichtsupplemente, wobei die wahrheitsproduzierende Kontroll- bzw. therapeutische Normalisierungsinstanz, die das beichtende Subjekt formiert, durch die Rollenfunktionen des Talkmasters sowie der Fernsehzuschauer übernommen wird.35 Es stellt sich allerdings die Frage, ob es nicht neben dieser Formierung von Subjektivität im starken Sinn auch mediale Aufzeichnungsformen gibt, die keine Subjektivierung in Form einer Unterwerfung unter ein performatives Fernsehurteil bedeuten,36 sondern ihm vielmehr eine – bei aller symbolischen Einbeziehung einer beobachtenden Kontrollinstanz – distanziertere, 'schwächere' Konstitution und Moderation seiner selbst ermöglichen. Die Freigabe eigener Notizen für die Kommentare einer mehr oder weniger uneingeschränkten Leserschaft im WWW in Weblogs scheint dafür prädestiniert, einen spannungsreichen und hinreichend komplexen Spielraum für Subjektkonstitution zu eröffnen, ohne den Außenbezug zum imaginären Substitut eines die symbolische Ordnung repäsentierenden Außen ganz abzuschaffen.37 Dieser Spielraum wird dadurch konstitutiert, dass sich der Blogger zwar relativ unmittelbar seinen Lesern als einer äußeren Kontrollinstanz öffnet, aber über die performative Selbstverhältniskonstruktion in Talkshows hinaus, die zwar aufgezeichnet, aber in der Regel nicht nachträglich 'korrigiert' werden kann, eine prozesshafte Möglichkeit zum Eingriff in die Kommentierung seiner eigenen Aussagen hat. Die mediale Praxis 'Weblog' gewinnt hier eine eigene Dichte, die dem Blogger eine Ausfaltung seiner Selbstpraxis in einer geregelten zeitlichen Dauer ermöglicht.

Außerdem geht es bei der Subjektkonstitution via Weblog bei weitem nicht nur um die explizite Thematisierung des mehr oder weniger stilisierten oder in bestimmter Weise narrativ auf Kohärenz oder Spannung zugerichteten Lebens,38 selbst wenn einige Weblogs keineswegs linkorientiert sind, sondern als elektronische Tagebücher geführt werden. Interessanter für die Frage nach Subjektkonstitution scheinen mir jedoch gerade die Weblogs, in denen es nicht explizit um das eigene Ich in den Facetten Alltag, Beruf, Hobbys und Sex geht, sondern um indirekte Selbststilisierung durch die Auswahl und Art der Kommentierung der Einträge.

Es sei hier abschließend noch ein weiteres Mal gestattet, auf den Sofa blogger zurückzukommen.39 Das (inzwischen leider abgelöste) Motto des Sofa (vgl. Abb. 6)40 verweist bereits auf eine bestimmte Tradition der Selbstkultur, die von der französischen, selbsterkenntnisskeptischen Moralistik des 17. Jahrhunderts bis in die literarische Moderne reicht, wenn Praschl mit einem Zitat aus Paul Valérys Cahiers die nötigen Umwege in der Erforschung der eigenen Subjektivität herausstellt: "Il faut entrer en soi-même armé jusqu'aux dents."41




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Abb. 6: Das alte Motto des Sofa (http://sofa.digitalien.org/sofablog/what.html, 25.9.03)


Die Arbeit am eigenen Subjekt findet auf dem Sofa, mit Pierre Bourdieu gesprochen (vgl. Bourdieu 1979), als Distinktionsgewinn durch Stilisierung des eigenen und ironische Kommentierung fremden Geschmacks statt. Demonstrieren lässt sich das zum Beispiel an einem (für Weblogs ungewöhnlich langen) Eintrag, den Praschl am 18. Juni 2003 postet und in dem die Geschichte von Weblogs als Geschichte des Punk erzählt wird – entscheidend ist, dass Praschl, der beruflich als Textredakteur bei der Frauenzeitschrift Amica tätig ist, die Geschichte von Weblogs bei aller ironischer Brechung als, wie er selbst schreibt, durchaus pathetisch gemeinte 'mystifizierende' Geschichte vom Aufstieg und Fall einer Szenebewegung, eines "arschcoolen heißen Dings", erzählt.

Verschwende deine Jugend (7'' inch demo).

Heute darüber nachgedacht, ob die Geschichte von Weblogs sich so ähnlich erzählen (was durchaus mystifizieren heißt) ließe wie die Geschichte von Punk. Ein paar merkwürdige Typen, die bei sich zu Hause auf billigen Instrumenten schnell ein paar dreckige Seiten zusammenhauen. Kurze Sachen, von denen man nicht so genau weiß, was sie sollen. Keine Regeln. Hört sich oft nicht gut an, hört sich aber rauh an, hört sich cool an, hört sich scheißdrauf an. Nicht wie die großen Bands mit ihren ewigen Konzeptalben, die immer größer werden, immer virtuoser, immer selbstverliebter. Nicht wie dieses Posertum der großen Bands, die begonnen haben, Dreifachalben zu machen mit ekeligen Hipgnosis-Covern, eigene Welt sein wollen, Jünger machen, die nicht zu anderen Bands gehen. Nicht wie die großen Bands, die Leadgitarristen haben, die sich fünfzehn Minuten einen abwedeln auf irgendwelchen Sonderanfertigungen, dauernd neue Instrumente erfinden, die viel zu teuer sind für die Kids da draußen und die man eigentlich nur auf High-End-Stereoanlagen hören dürfte mit Goldkabeln zwischen Verstärker und Vorverstärker, klar, die brauchen auch noch einen Equalizer, aber immer kommt nur öder langweiliger Müll dabei heraus. Die Garagenkids sind anders. Zum Beispiel deswegen, weil sie einander mögen, weil sie lieber gemeinsam in irgendeiner versifften Klitsche auftreten als im Hammersmith. Das Repertoire würde ja eh nicht reichen für ein eigenes Konzert, gerade mal vier Dreiminutenhämmer im Repertoire, außerdem haben vier Bands zusammen nur drei Snare Drums, da muss man einander aushelfen, und das Wichtigste ist eh das Nichtalleinesein. Dass man viele ist. Nicht vier Millionäre, die einander nicht leiden können, aber alle achtzehn Monate sich für ein doofes Album ein paar Wochen lang in einem dieser Peter Wolf-Studios oder auf Mustique einkasernieren. Sondern viele. Lauter Leute, die AOL-T-Shirts anhaben, und AOL ist durchgestrichen und drüber steht KILL. Und die Abende sind magisch. Es wird viel gesoffen, viel durcheinandergepudert, viel herumgestritten, viel auf der Stelle gesprungen, und es fühlt sich so intensiv an. Wie die Stimme von Johnny Rotten. Zugeschliffene Eckzähne. Geht gut los, das.




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Irgendwann kriegen die anderen das mit. Noch mehr Kids da draußen, die sich jetzt auch alle so ein Weblog zulegen wollen, obwohl sie gar nicht kapieren, was das ist und worum es geht. Sie haben es halt mitbekommen, dass dort ein guter Sound ist und die irrsten Leute miteinander können, und wenn man Glück hat, gibt es Gigs, bei denen jeder jeden linkt. Das wollen sie auch haben. Obwohl sie doch bisher immer nur im Proberaum der evangelischen Jugendgemeinde in so einer Covercombo gespielt haben, das Megabandrepertoire rauf und runter, sogar Kuschelrock. Schmeißen sie alles weg jetzt, schneiden sich die Haare, kaufen sich auch so ein wildes T-Shirt (die gibts nämlich jetzt schon zu kaufen) und probieren es mit Punk. Aber man hört das noch, dass die früher Kuschelcovers gemacht haben. Manchmal spielt sogar einer Klampfenelsen-Folk, nur ein bisserl schneller. Klingt dann fast wie Punk.

Die Typen, die das losgetreten haben, können nicht mehr. Guck dir die an, denken sie, ein bißchen Wetgel von Stustustudioline aufn Kopf und sie glauben, das reicht schon. Arschlöcher. Kriegen gleich was in die Fresse. Musst du dir erst verdienen, ein Punk zu sein.

Ein paar Punks sind übrigens bald gestorben. Eines Morgens: nicht mehr da. Einfach weg. Weiß keiner, wo sie geblieben sind. Im Google-Cache spuken sie noch ein wenig, aber irgendwann sind sie vergessen. Nur ein paar Veteranen kennen ihre Namen noch.

Selber Arschlöcher, sagen die Kids. Obwohl sie ein schlechtes Gewissen haben, manchmal. Wir machen jetzt, sagen sie, New Wave. Das hört man auch. Geht gar nicht anders, sie haben ja jahrelang in der evangelischen Jugendgemeinde gespielt. Sind anders drauf. Zum Beispiel nicht so viel Hass. Machen jetzt Spaßpunk. Machen sowieso lauter neue Abteilungen auf. Neue deutsche Welle. New Romantics mit Liebeskummereinträgen und Gedichten und so Zeug. Ein paar davon sind gut, die meisten nicht einmal One-Hit-Wonder. Na ja.

Dann gibt es da noch die Meta-Punks. Die die Gesten dekonstruieren, irgendwie rumspielen mit den Images, sich permanent tarnen und enttarnen. Typische Kunsthochschüler eben, aber nicht uninteressant. Leute mit französischen Namen oder so Fremdwörtern, Anspielungen. Funktionale Gruppe, Le Sofa, Amor Oscuro Flagship Store, Camp Catatonia. Komisches Zeug, was die machen, Sonderlinge, kann nicht jeder mit, auch die Altpunks nicht, aber man weiß voneinander, irgendwie sind wir doch Geschwister.

Irgendwann kommen auch die Organisierer. Bauen alternative Vertriebswege, Vernetzung, Szene Szene. Lauter neue Indie-Labels. Alles selbstgemacht. Klingt gut. Manchmal. Und manchmal klingt es auch so öde nach Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahme. Und wir wollten doch den ganzen Scheiß nicht haben, Arbeit, Beschaffung, Maßnahme, Lion's Club, Old Boys Netzwerk, Geschäftsmodelle. Und wer hat hier eigentlich den Glam – die Typen, die auf der Bühne stehen oder die Typen, die das Programmheft für den Club schreiben? Ein paar davon sind übrigens schwer in Ordnung. Man liebt sie. Kaum zu glauben, wie sie den Ratinger Hof immer noch am Leben halten. Haben wir eigentlich gar nicht verdient, so oft, wie wir den Laden zerdeppert haben.




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Schließlich: die Corporate Rock Bosse. Guckt euch da mal um, sagen sie zu ihren Scout-Knechten. Da gibt's ein paar Leute in den Unterstadtclubs, die sollten wir nicht verpassen. Heuert mal ein paar von denen an. Wenns klappt, kommen wir groß raus, wenn nicht, auch kein Verlust. Die Dieter Gornys also. Hey, bei uns könnt ihr machen, was ihr wollt. Euer Video wird übrigens von Dolezal & Rossacher gedreht. Die haben schon die Videos von den Stones gemacht, ganz dufte knorke Kumpel, sieht vielleicht ein wenig komisch aus auf den ersten Blick für euch, aber daran gewöhnt ihr euch schon. Ja, da läuft unser Senderlogo immer mit bei euren Videos, mittelbündiges Banner oben, aber dafür kümmern wir uns um alles. Und jetzt macht mal. Das Copyright liegt übrigens bei uns.

Ganz am Ende: ein paar ältliche Zausel in der Fußgängerzone. Zu fertig, um es noch zu bringen. Alte abgewetzte Lederjacken, irgendeine Misttöle, ein paar Dosen Bier. Aber immer noch ein schöner Iro. Echt Kernseife, kein Gel. Du gehst vorbei und kannst es kaum glauben, dass es die Typen immer noch gibt. Glotz nicht so, zischt dir einer nach, wenn du fotografieren willst, musst du löhnen. (Praschl 2003)

Der Popkulturvergleich – die Reaktionen auf Praschls Eintrag zeigen es – trifft und reflektiert offensichtlich ziemlich genau das Selbstverständnis der Leser des Sofa blogger: Bloggen wird als Abgrenzung gegenüber anderen Internet-Nutzern begriffen – wo diese Abgrenzung nicht mehr über bestimmte Verhaltensweisen funktioniert, hilft nur noch die ironische Selbstdistanzierung von dem, was inzwischen alle machen. Wie genau die verschiedenen Formen der Selbststilisierung in der Weblog-Szene nun auch aussehen mögen, sie stellt wohl jedenfalls eine mehr oder weniger unumgehbare Taktik der Bewältigung ausufernder Diskursvielfalt durch Selbstdistinktion dar – eine Taktik, die bis mindestens zum Dandytum des ausgehenden 19. Jahrhundert zurückreicht, das bspw. Foucault als eine Form des Wiederauflebens von Selbstpraktiken in der Moderne ansieht.42


3 Ausblick

Besonders der letzte Gedankengang zu den subjektkonstitutiven Implikationen hat scheinbar weit vom Ausgangspunkt der Argumentation, nämlich dem Verhältnis von 'geschlossenem' philologischem und 'offenem' kulturellen Kommentar weggeführt. Damit ist die eingangs als Aufhänger verwendete These von Gumbrecht, der zufolge das Internet eigentlich die Fortsetzung des philologischen Kommentars mit anderen Mitteln betreibt, zumindest stark relativiert. Interessant ist aber als abschließender Rückbezug, dass es im Vergleich der beiden Kommentarformen so etwas wie eine Dialektik von Offenheit und Geschlossenheit zu geben scheint: Der philologische Kommentar setzt in seinen momentan avanciertesten Formen meist auf die 'entgrenzenden' Möglichkeiten elektronischer Hypertexte und im Extremfall sogar auf die Verfügbarmachung und Vernetzung von kommentierten Text-Universen im Internet (vgl. z.B. Hoffmann / Jörgensen / Foelsche 1993). Umgekehrt reduzieren Weblogs teilweise recht brachial die Fülle der im Netz verfügbaren Texte auf die Standards ihrer Diskursgemeinschaft. Während also der philologische Kommentar in seinem geschützten Umfeld am Abbau von Hierarchien arbeitet, sind Weblogs mit ihrer Aufrichtung beschäftigt.




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Vielleicht könnte eine Vermittlung zwischen den beiden divergierenden Kommentarpraktiken einstweilen in der Empfehlung für die romanistische Literaturwissenschaft43 bestehen, Weblogs verstärkt als Werkzeug der philologischen Arbeit, sei es in der Lehre oder in der Forschung einzusetzen. Dies bedeutet natürlich zunächst eine Domestizierung der prinzipiellen Spielräume der Weblog-Praxis, die ich hier versucht habe auszuloten. Vielleicht ist aber diese strukturelle Einschränkung unter verstärkter Heranziehung von nicht im Internet stehenden Texten als Objekt von Kommentaren auch mit einer Chance zur semantischen Anreicherung der Kommentare verbunden.

Ich selbst bin nach einem inzwischen fast ein halbes Jahr dauernden Selbstversuch als Weblog-Betreiber recht zuversichtlich, dass die Versuchung für den Philologen, vorsichtig tastende und mit vertrautem Theoriebestand abgesicherte Jagdzüge in die Weiten der Netzdiskurse zu unternehmen, um sich neue topics anzueignen und sie in Verbindung mit 'klassischen' Texten zu setzen, weder persönlich noch wissenschaftlich schaden kann – die Angst, sich dabei im Cyberspace auf Nimmerwiedersehen zu verlieren, sollte ja eigentlich allmählich überwunden sein.


Postscriptum (Anfang 2004)

Selbst im Abstand von wenigen Monaten zu den Weblog-Texten, auf die ich hier eingegangen bin, wird deutlich, dass dieser Beitrag zu Weblogs, abhängig von den neuesten Diskussionen, die dort seitdem geführt werden, heute wohl schon wieder ganz anders aussehen könnte.44 Und nicht nur innerhalb der 'Blogosphere' wird sich in einigen Monaten wieder einiges verändert haben, sondern auch das Bloggen überhaupt als derzeitiges Modephänomen der Netzkultur wird in einigen Jahren entweder in größere Anwendungszusammenhänge integriert oder vielleicht auch weitgehend aus der allgemeinen Aufmerksamkeit verschwunden sein.

Das alles stellt natürlich die Frage nach dem Sinn einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Bloggen, zumal in einer Perspektive des Kommentars, dem es ja, wie oben ausgeführt, nicht zuletzt um kulturelle Traditionsbildung geht. Hierzu an dieser Stelle nur folgende Bemerkungen:

Die Art der Publikation des Beitrags zielte darauf, den Bezug von verschiedenen Kommentarpraktiken innerhalb und außerhalb der Philologie nicht nur theoretisch zu postulieren, sondern auch praktisch durch Nutzung verschiedener etablierter Kommunikationswege durchzuführen. Dadurch, dass der Beitrag parallel am Romanistentag vorgestellt und in meinem Weblog zur Diskussion angeboten wurde, sollten zwei verschiedene Diskursgemeinschaften, eine wissenschaftliche und eine 'bloggende', gleichzeitig angesprochen werden. Die Reaktionen darauf waren verhalten, sodass ich inzwischen bezüglich der Möglichkeit eines wirklichen Austausches zwischen akademischer und nichtakademischer Kommentartradition etwas skeptischer geworden bin.45 Das liegt nicht so sehr an den Reaktionen seitens der Weblog-Szene, als dieser Beitrag in meinem eigenen Weblog zur Kommentierung freigegeben wurde.46 Es liegt vielmehr daran, dass die institutionalisierte Wissenschaft, insbesondere die Philologie, bis auf wenige Ausnahmen47 mit gänzlich anderen, derzeit vor allem noch printorientierten Rezeptionswegen arbeitet und in anderen, längerfristigen Rezeptionszyklen denkt.




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Wahrscheinlich ist dies einfach eine Frage der kommunikativen Ökonomie innerhalb jeder Disziplin und spricht nicht für eine besondere Phobie gegenüber Neuen Medien innerhalb der deutschen Romanistik. Um so etwas wie einen Dialog über die Grenzen akademischer Institutionalisierung hinweg zu versuchen, müssen wohl parallele Kommunikationsstrategien entwickelt werden, die verschiedenen diskursiven Traditionen gerecht werden und zumindest fallweise auch verschiedene Publikations- und Rezeptionsgeschwindigkeiten miteinander kurzzuschließen versuchen. Das Ziel müsste darin bestehen, einerseits möglichst zeitnah zu publizieren und die langsam mahlenden Mühlen wissenschaftlicher Sammelveröffentlichungen durch Veröffentlichung im Internet abzukürzen, d.h. für aktuelle Themen mit relativ kurzen Halbwertszeiten auch ein 'schnelles' Medium zu wählen. Andererseits müssten solche Publikationen dennoch in Fachkreisen rezipiert werden – eine erste Entwicklung in diese Richtung sind Online-Zeitschriften, die, wie Philologie im Netz, eine relativ klassische Präsentationsform wissenschaftlicher Texte gewählt haben. Längerfristig stellt sich natürlich die Frage, ob bzw. wie sich durch das Publizieren im Netz das wissenschaftliche Schrifttum überhaupt verändern wird.48

Doch auch im günstigsten Fall einer Rezeption dieses Beitrags innerhalb der institutionalisierten akademischen Diskussion stellt sich die weitere Frage nach dem Ort einer so aktualitätsgebundenen Untersuchung. Kann dieser Beitrag – eine gewisse Dauer der Internetpräsenz dieser Akten vorausgesetzt49 – überhaupt noch von Interesse sein, wenn der Untersuchungsgegenstand 'Weblogs' einmal in nicht allzu ferner Zeit marginal oder selbstverständlich geworden ist oder sich in eine ganz andere, möglicherweise stärker bildorientierte und somit ganz 'unphilologische' Richtung entwickelt hat als dies von meiner heutigen Perspektive aus abschätzbar war? Schon heute mutet es ja durchaus seltsam an, die euphorische, aber kurzlebige Diskussion um Hypertextualität aus den neunziger Jahren50 nachzuvollziehen, obwohl sich noch vor einigen Jahren offensichtlich kaum jemand, der sich mit dem Thema beschäftigt hat, der euphorischen Einschätzung entziehen konnte, die Zukunft der Literatur läge in erster Linie in den Netzen.

Ein möglicher Ausweg aus diesem Dilemma wäre der, den der im Artikel mehrfach zitierte Medienwissenschaftler Hartmut Winkler gewählt hat, nämlich seinen Beiträgen 'Verfallsdaten' zuzuweisen, die einer geschätzten Aktualität des behandelten Themas entsprechen, und die Beiträge konsequenterweise nach diesem Datum dem öffentlichen Zugang zu entziehen. Ich vertraue jedoch hier eher auf die 'automatischen' Selektionsleistungen des kulturellen Gedächtnisses im Zeitalter des Mediums Computer: Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Ausführungen in ein paar Jahren nicht mehr relevant sind, ist – realistisch betrachtet – ziemlich groß. Dennoch scheint es mir sinnvoll, die prinzipielle Zugriffsmöglichkeit auf Beiträge wie diesen möglichst lange sicherzustellen. Das ist das letzte Stück Netzutopie, das ich mir gestatte: Es geht um das Interesse, mediengeschichtliche Momentaufnahmen für einen derzeit noch nicht vollständig absehbaren Zweck zu archivieren.51 Vielleicht werden sie ja nach Verlust ihres unmittelbaren Gebrauchswerts einmal mit einem heute noch nicht kalkulierbaren medienhistorischen Tauschwert ausgestattet.




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Übersicht über im Artikel erwähnte Weblogs

2 oder 3 Dinge, die wir über Weblogs wissen [http://convers.antville.org/]

Bildungsblog [http://bildung.twoday.net/]

Confessional virtuel (französisch) [http://joueb.com/confessionnal/]

efimera (spanisch) [http://www.efimera.org/]

Erratika [http://www.erratika.de/]

Ethno::log [http://sonner.antville.org/]

generation blogger [http://www.bloggern.de/]

IfThenElse (portugiesisch) [http://www.asseptic.org/blog/]

L'œil de mouche (französisch) [http://mouche.joueb.com/]

Mimima moralia (Adorno-Lektüregruppe, zugangsbeschränkt) [http://empire.antville.org/].

Mosaikum [http://www.mosaikum.org/]

owrede_log (Persönliches Weblog von Oliver Wrede von der FH Aachen) [http://weblogs.design.fh-aachen.de/owrede/]

Randgänge [http://randgaenge.net/]

Romblog [http://romblog.twoday.net/]

Sofa (Le Sofa Blogger) [http://arrog.antville.org/]

Toblerone [http://tobi.antville.org/]

Wasted Comments Dump [http://commentsdump.antville.org/]




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Weitere erwähnte Internet-Links zum Thema "Weblogs"

Antville [Kostenloser Anbieter mit eigenem Server (z.Zt. belegt) und eigener Software: http://www.antville.org/]

Blogger [in Grundversion kostenloser Anbieter mit eigenem Server: http://www.blogger.com/]

Blogoo [Weblogsuchmaschine, Entwicklung inzwischen eingestellt: http://www.blogoo.de/]

Blog Project [Weblogserver der Universität Stanford: http://www.stanford.edu/dept/itss/projects/blog/]

Blogtalk [Internationale Weblogtagung in Wien im Mai 2003 (Fortsetzung im Juli 2004), organisiert von Thomas N. Burg: http://www.blogtalk.net/]

Fachbereich Design der FH Aachen [Seminarweblogs auf Initiative von Oliver Wrede: http://seminare.design.fh-aachen.de/]

Fakultät Medien an der Uni Weimar, Weblogserver [Fakultätseigener Weblogserver mit Antville-Software: http://antville.medien.uni-weimar.de/]

Internet Archive [http://www.archive.org/]

Movable Type [in Grundversion kostenlose Software zum Betrieb auf eigenem Server: http://www.movabletype.org/]

Nitle Weblog Census [Weblogverzeichnis, das weltweite Weblogzahl zu erfassen versucht: http://www.blogcensus.net/]

Personal Web Publishing Systeme und Weblogs [Medienpädagogisches Seminar der Uni Augsburg im WS 2003/04 unter Leitung von Sebastian Fiedler, http://personalwebpublishing.mediapedagogy.com/]

Radio Userland [Kostenpflichtige Software, auf Wunsch mit Servernutzung: http://radio.userland.com/]

Seminar-Weblogs des Fachbereich Design der FH Aachen [http://seminare.design.fh-aachen.de/]

Twoday.net [Kostenpflichtiger Anbieter mit eigenem Server (Ableger von Antville): http://www.twoday.net/]

Weblogs.com [Weblogverzeichnis, unterhalten von Davis Winers Firma Userland, die auch die Software Radio Userland produzieren: http://www.weblogs.com/]




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Anmerkungen

1 Eine erste Schriftfassung dieses Vortrags wurde am 27.9.2003 unter http://romblog.twoday.net/stories/79057/ online gestellt; Ziel war, eine unmittelbare Diskussionsmöglichkeit des Beitrags im Internet, d.h. in Weblogs zu schaffen. Für die endgültige Fassung des Beitrags gilt folgender Umgang mit Links: Für die Argumentation des Beitrags wesentliche Weblogtexte und -layouts werden im Wortlaut zitiert bzw. per Screenshot im Text abgebildet, auf andere Beiträge wird per Link verwiesen. Für die Aktualität dieser externen Links kann keine Gewähr übernommen werden.

2 Vgl. allgemein zur Unterschiedung von instrumentellem Mediengebrauch und medialer Welterzeugung Krämer (2000).

3 Das Kapitel "Kommentieren" ist zuvor bereits unter dem Titel: "Fill Up Your Margins! About Commentary and Copia" erschienen in Most (1999: 443–453).

4 Zur Krise des traditionellen philologischen Kommentars vgl. Reuß (2000); zu Perspektiven, die Krise evt. durch elektronische Editionen zu überwinden, vgl. Hoffmann / Jörgensen / Fölsche (1993) und Grésillon (1998). Vgl. zudem den Beitrag von Harald Saller in diesem Band.

5 Eine grundlegende Klärung des Begriffs findet sich bei Lüdeke [o.J.], dem ich wesentliche Anregungen für diesen Beitrag verdanke.

6 Vgl. zu dieser historischen Funktionsbestimmung des Kommentars Lüdeke [o.J.], der sich seinerseits auf Hans-Gert Roloff beruft.

7 Zur 'Geschlossenheit' vs. 'Offenheit' von Kommentaren vgl. Lüdeke [o.J.]

8 Vgl. den Überblick bei Bohnenkamp (1997), die auch auf die critique génétique eingeht.

9 Vgl. zum Paradigma der 'Lesbarkeit' von Kultur bilanzierend Neumann / Weigel (2000).

10 Die inhärenten Probleme das synthetischen Entwurfs Winklers sind für den Zusammenhang dieser Diskussion nebensächlich: Sie könnten allerdings darin zu finden sein, dass es zwar nicht falsch, letztlich aber auch nicht ausreichend ist, Computer allein im Rahmen des Symbolischen zu denken, weil sich hinter dem Symbolischen immer noch eine grundlegende mediale Kluft zum digitalen Prozessieren von Daten auftut, die zwar nicht anders als symbolisch bewältigt werden kann, aber dennoch in einer irreduziblen Alterität zum Symbolischen steht (vgl. hierzu Tholen 2002: 58). Für die Analye des Feldes der symbolisch strukturierten Medienpraxis hat diese irreduzible Differenz jedoch, so weit ich das absehen kann, keine unmittelbaren Folgen – Winklers Akzentsetzung scheint mir heuristisch jedenfalls sehr fruchtbar.

11 Vgl. hierzu auch den explizit medientheoretischen Ansatz von Borsò (2001), mit dem sie sich kritisch gegen Assmann zu profilieren versucht.

12 Es existieren im Bereich der Romania auch konkurrierende französische bzw. spanische Neologismen wie "joueb" bzw. "bitácora", die sich aber offensichtlich gegen den Anglizismus nicht durchsetzen konnten.

13 Der Begriff steht hier in Anführungszeichen, weil die Frage, ob die so genannten Werkzeuge generell und auch in diesem speziellen Fall für einen bereits festgelegten Zweck entwickelt werden oder ob nicht technische Möglichkeiten auch ihnen korrespondierende Zwecke hervorbringen, bewusst offen gelassen werden soll. Zu einer kritischen Hinterfragung der Bedeutung des Werkzeugbegriffs für das Selbstverständnis der Informatik vgl. Winkler (2003).




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14 Vgl. die Ausführungen des Weblog-Pioniers David Winer (2002).

15 Thomas N. Burg, der das Weblog Randgänge (http://randgaenge.net/) betreibt, spricht von ca. einer Millionen (Burg 2003). Das Weblogverzeichnis BlogCensus (http://www.blogcensus.net/) erfasst ca. 1,6 Millionen Weblogs (Stand: Dezember 2003). Es gibt jedoch auch eine umstrittene Studie, die behauptet, dass diese Zahlen insofern irrführend seien, als nur ein Bruchteil der registrierten Weblogs regelmäßig aktualisiert wird (vgl. zu dieser Diskussion Krüger 2003).

16 Weblogs sind inzwischen auch Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzung, z.B. bei der internationalen Tagung Blogtalk im Mai 2003, die 2004 fortgesetzt wird (vgl. http://blogtalk.net/). Außerdem sei auf zwei alternative Ansätze verwiesen, die Vorgeschichte des Bloggens, die hier aus der Tradition des Kommentars heraus entwickelt werden soll, anders zu fokussieren: Gerald Heidegger stellt Bezüge vom Bloggen zur Konversations- und Pamphletkultur des 18. Jahrhunderts her (Heidegger 2003); vom selben Autor ist inzwischen auch ein Artikel über "Karl Kraus und die Blogger" erschienen (Heidegger 2003a), während Jörg Kantel in seiner "Archäologie des Bloggens" die technikgeschichtlichen Voraussetzungen der Entwicklung von Weblogs untersucht (Kantel 2002).

17 Als Gegentendenz dazu erfolgte allerdings kürzlich die kostenlose Freigabe von zuvor kostenpflichtigen Weblog-Features bei Blogger und bei Twoday.net.

18 Zwischenzeitlich wurde auch mit einer eigenen Suchmaschinen für Weblogs namens Blogoo experimentiert (http://www.blogoo.de/). Das Projekt wurde jedoch nicht weitergeführt.

19 Zur Unterscheidung von Weblog-Tools und dem Weblogformat vgl. eine Diskussion über edublogs bei Mosel ("Moe") (2003). Vgl. dazu auch Dünne (2003a).

20 Vgl. bereits Landow (1997: v.a. 33–48).

21 Vgl. hierzu vor allem Jochen Mecke in seinem Beitrag zu diesem Band.

22 Vgl. Genette (1982: 11). Metatextualität wird dabei von Genette mit Kommentar identifiziert (wobei zu beachten ist, daß der Begriff "commentaire" im Französischen sehr viel weiter gefasst wird, als es dem engen, philologischen Verständnis von Kommentar in der deutschen Sprache entspricht).

23 Der Perlentaucher (http://www.perlentaucher.de), der täglich die deutschen Feuilletons im Internet auswertet, ist selbst ein Weblogs nahe stehendes Format, das allerdings nicht mit Weblogsoftware arbeitet.

24 Diese Seite dient unter anderem als diejenige URL, die ggf. von einem anderen Weblog aus verlinkt werden kann, da sie (im Gegensatz zur ständig aktualisierten und sich so verändernden Startseite) einen so genannten "Permalink" darstellt.

25 Vgl. die Petition von Tobi in seinem Weblog Toblerone (http://tobi.antville.org/), auf dem kostenlosen Server von Antville keine privat geführten Weblogs zuzulassen (Tobi 2003).

26 Zur generellen Umstellung von einer Logik des pull auf eine des push von Netz-Contents, die besonders in Zusammenhang mit Online-Marketing bereits seit den Neunziger Jahren diskutiert wird, vgl. kritisch Winkler (1997a).

27 Winers Firma Userland (http://www.userland.com/) tritt mit Radio Userland auch als Anbieter von Weblogs auf.




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28 Das Pingen wird von Weblogs außerdem dafür benutzt, um zentrale nationale oder internationale Weblogverzeichnissse (wie z.B. http://www.weblogs.com/) über Aktualisierungen zu informieren.

29 Zur Aufmerksamkeitsökonomie in Weblogs vgl. Zeglovits (2003) und Cehpunkt (2003) mit Hinweis auf das gegenseitige Promoten von Weblogs im 'PageRank-Modus', mit dem Google seine Seiten hierarchisiert, d.h. im Prinzip dadurch, dass Seiten per Link auf andere Verweise registriert werden: Je mehr Links, desto höher wird diese Seite bewertet (vgl. zur ausführlichen Beschreibung des Suchverfahrens: Google Technology 2003). So ist es nur verständlich, dass die Weblog-Gemeinschaft ein auch von kommerziellen Anwendungen aufmerksam beobachtetes Feld der virtuellen 'Wertschöpfung' bildet.

30 Vgl. dazu die Überlegungen von Thomas König in Malmoe (Onlineausgabe unter http://www.malmoe.org/), der eine allerdings eher oberflächlich bleibende Analogisierung von Aufmerksamkeitssteuerung im Internet und dem sensualistischen Prinzip esse est percipi vornimmt (König 2003).

31 Vgl. dazu Walter Benjamins theologisch-utopische Beschreibung von der Rettung der Vergangenheit als dem restlosen Aufarbeiten von Abfall (Benjamin 1991: V/1, 573 [N1a,3]).

32 Vgl. z.B. die bereits erwähnte Petition von Tobi zur Abschaffung der Möglichkeit, auf dem Server antville 'private' Weblogs zu führen, um dafür mehr Platz für 'öffentliche' Weblogs zu schaffen (Tobi 2003) – ein Eintrag, der allein im Weblog Toblerone, wo die Petition veröffentlicht wurde, 180mal kommentiert wurde, ganz zu schweigen von der Fortsetzung der Diskussion in zahlreichen anderen Blogs.

33 Welche Möglichkeiten für den Einsatz von Weblogs im Rahmen der akademischen Lehre bestehen, wäre ein anderes Thema, das hier nicht vertieft werden kann. Hier seien nur die Beispiele eines privaten (Mosaikum: http://www.mosaikum.org/) bzw. mehrerer kollektiver deutscher Uni-Weblogs genannt, insbesondere die Seminar-Weblogs des Fachbereich Design der FH Aachen (http://seminare.design.fh-aachen.de/), das ethnologische Weblog Ethno::log (http://sonner.antville.org/) sowie das bereits erwähnte Pädagogen-Weblog Bildungsblog (http://bildung.twoday.net/).

34 Vgl. dazu Dünne (2003). Die Studie untersucht die Konseqenzen selbstpraktischer Subjektivität vor allem im Rahmen moderner Literatur, wo unter den Bedingungen von Druckschriftlichkeit schreibende Selbstpraktiken zwar nur spurhaft, dafür aber vielleicht um so prägnanter archiviert werden können.

35 Vgl. hierzu Tholen (2002: 147–168).

36 Zum Zusammenhang von Subjektivierung und Unterwerfung vgl. Foucault (1976: v.a. 81); sowie Butler (1997).

37 Interessanterweise gibt es auch Weblogs, die explizit auf das Beichtdispositiv rekurrieren, etwa den französischen Confessional virtuel (http://joueb.com/confessionnal/), der aber faktisch wohl eher ein Generator für pragmatisch relativ folgenlose Beicht-Erzählungen sein dürfte, während der Fernsehbeichte eine nicht so einfach enthebbare, realzeitlich am eigenen Leib erfahrbare Sanktion folgt.

38 Zur (thematischen) Autobiographie im Zeitalter des Computers vgl. Lejeune (2000), der jedoch die neuen Spielräume des Mediums kaum berücksichtigt und sich auf inzwischen größtenteils nicht mehr aktuelle Schreibprojekte bezieht.

39 Im strengen Sinn ist der Sofa blogger kein rein persönliches Weblog, da an ihm mehr oder weniger regelmäßig noch andere Personen mitstricken (ganz abgesehen von den Kommentatoren), dennoch ist das Format wesentlich von Praschl geprägt.

40 Jedoch verweist auch das neue Motto "Rites de passage" indirekt auf eine Tradition der Selbstkultur.




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41 Das Motto samt einer zugehörigen Landkarte findet sich noch in Praschls bereits mehrfach erwähnter Weblogdefinition (Praschl [o.J.]).

42 Hierher gehört auch der sicherlich etwas zu oft bemühte Vergleich von Internetnutzern mit Flaneuren (vgl. etwa Featherstone 1998), die aber meist als zerstreuter Surfer und zu selten als um ironischen Distinktionsgewinn bemühte Beobachter der Gesellschaft dargestellt werden.

43 Geeignete Einstiegspunkte in die Weblogszene anderer romanischer Länder liefern z.B. in Frankreich: L'œil de mouche (http://mouche.joueb.com/); in Spanien: efimera (http://www.efimera.org/); in Portugal: IfThenElse (http://www.asseptic.org/blog/).

44 Im Dezember 2003 bin ich im Rahmen eines Vortrags (Dünne 2003a) auf ein interessantes Meta-Weblog namens 2 oder 3 Dinge, die wir über Weblogs wissen (http://convers.antville.org/) eingegangen, wo sich just im Oktober 2003 eine intensive (inzwischen allerdings auch schon wieder abgeflaute) Diskussion über viele der auch hier behandelten Aspekte entwickelt hat.

45 Ein ausführliches Gespräch mit Kerleone und Zephyrin vom Münchener Institut für Völkerkunde, die mit ihrem ethno::log schon längere Zeit einen ähnlichen Spagat versuchen, hat mir geholfen, die mögliche Reichweite von akademischen Weblogs realistischer einzuschätzen.

46 Vgl. die Kommenare zu diesem Beitrag in romblog (http://romblog.twoday.net/stories/79057/).

47 Vgl. z.B. roxomatic, das Weblog des Duisburger Romanisten Torsten Rox (http://www.irox.de/blog/). Andere aktuelle Weblog-Projekte im Bereich der akademischen Lehre sind z.B. das medienpädagogische Seminar der Uni Augsburg im WS 2003/04, geleitet von Sebastian Fiedler, mit dem Titel "Personal Web Publishing Systeme und Weblogs"(http://personalwebpublishing.mediapedagogy.com/). Daneben gibt es eine interuniversitäre Verbundvorlesung namens "Collabor" über und mit Hilfe von Weblogs, die ebenfalls im WS 2003/04 an den Universitäten Linz, Salzburg und der FHTW Berlin abgehalten wird (vgl. dazu die Startseite http://collabor.f4.fhtw-berlin.de/). Außerdem haben Fachbereiche einzelner Universitäten eigene Weblogserver für ihre Studierenden eingerichtet, so z.B. der bereits erwähnte Fachbereich Design der FH Aachen auf Initiative von Oliver Wrede (http://seminare.design.fh-aachen.de/, vgl. auch Oliver Wredes eigenes Weblog owrede_log: http://weblogs.design.fh-aachen.de/owrede/) oder z.B. der mit Antville-Software betriebene Weblogserver der Fakultät Medien an der Uni Weimar (http://antville.medien.uni-weimar.de/). Auch in den USA wurden, z.B. beim "Blog project" in Stanford (http://www.stanford.edu/dept/itss/projects/blog/), in letzter Zeit an mehreren Universitäten eigene Weblogserver gegründet.

48 Vgl. insbesondere den Beitrag von Thomas Stöber im Rahmen dieser Publikation.

49 Jede Online-Publikation hofft natürlich auf eine gewisse zeitliche Stabilität ihrer Online-Präsenz; daneben ist auch bei allen Online-Publikationen mit ISBN oder ISSN auch eine parallele 'materielle' Archivierung der Daten (auf CD-Rom oder als Papierausdruck) in Bibliotheken und Archiven sichergestellt, die Datensicherheit schafft.

50 Vgl. hierzu die kritische Bilanz bei Porombka (2001).

51 Nicht ohne Grund wird das Problem der Archivierung von Internetseiten wie z.B. im Internet Archive (http://www.archive.org/), das übrigens auch Weblogs umfasst, in den nächsten Jahren immer größere Bedeutung annehmen.