Theodor Wolff online
 
     
 

 

 
     
 
 
 
Erster Weltkrieg
 
 
 

 

Der Erste Weltkrieg - Als "Vaterlandsverräter" beschimpft

In der Wilhelminischen Gesellschaft existierte zwar ein latenter Antisemitismus, doch trafen seine punktuellen vulgär-radikalen Ausprägungen keineswegs auf eine allgemeine Zustimmung. Alle Juden, seien sie nun weitgehend assimilierte, getaufte oder überzeugte, nutzten die Freiräume, die ihnen die Rechtsstaatlichkeit sicherte.

dDie Öffentlichkeit, eine weitgehend freie Presse und die sich daraus entwickelnden machtbegrenzenden Wirkungen des „öffentlichen Druckes“ erlaubten eine relativ freimütige politische Kritik und gestatteten die Suche nach neuen Orientierungen. Zu keiner Zeit war Theodor Wolff, der gebildete, selbstsichere und gewandte Jude, in seinen politischen, kulturellen und sozialen Kommentaren umstritten. Den Künsten gegenüber aufgeschlossen, reich an Auslandserfahrung und parteipolitisch unabhängig, formulierte er seine Ansichten über eine selbstbewusster zu vertretende Politik viel zu entschieden, als dass er nicht im Tagesstreit ein bevorzugtes Feindbild abgegeben hätte. Den meisten Völkischen war er allein schon seines mosaischen Glaubens wegen ein hassenswerter „typischer Vertreter der jüdisch-bolschewistischen Journaille“.

Ein paar Jahre später setzten die gefährlichen Epigonen dieser Antisemiten ihn bei ihren Strafaktionen und in ihren Straßenschlachten auf die Feme-Mord-Listen. Die Alldeutschen beschimpften ihn als „Vaterlandsverräter“, weil er in seinen Leitartikeln ihre nationalistisch-imperialistischen Ziele nur allzu wirksam widerlegt hatte. Konservative Minister des Kaiserreichs verweigerten Theodor Wolff die erbetenen Interviews, obwohl der Reichskanzler ihn zur selben Zeit zu einem Exklusivgespräch eingeladen hatte.

Im ersten Weltkrieg setzten die Militärs gegen den Widerstand der Politiker einen monatelangen, weit über Deutschland hinaus registrierten und dem Deutschen Reich letztlich zum Schaden gereichenden Schreibverzichts Theodor Wolffs durch. Dagegen sah die erste Regierung der jungen Weimarer Republik Theodor Wolff als Botschafter für Paris vor, doch lehnte er das Angebot des Reichskanzlern Hermann Müller schließlich zugunsten der journalistischen Arbeit ab. Dessen politisch so unterschiedlichen Amtsnachfolger, die Reichskanzler Hans Luther, Gustav Stresemann und Kurt von Schleicher, nutzten Theodor Wolffs langjährige Kontakte zum Quai d’Orsay wiederholt für vertrauliche Missionen.

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