Ernährermodell ...Was ist Unterhalt?...
 
 
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Freie Universität Berlin
Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft
Projekt "Ernährermodell"
Ihnestraße 22
14195 Berlin
Telefon 030 83857030

 

Was ist Unterhalt?

Das Unterhaltsrecht ist ein Bestandteil des Familienrechts. Unterhalt wird Ehepartnern geschuldet, Kindern und Eltern, Müttern eines nichtehelichen Kindes und Partnern nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz. Nichtehelich zusammenlebende Personen, die keine Partnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz führen, haben keinen familienrechtlichen Anspruch auf Unterhalt.

Das Unterhaltsrecht besteht im deutschen Recht aus Unterhaltspflichten während der Ehe und Trennungs- und Scheidungsunterhalt. Für zusammen lebende Ehepartner gilt: der Unterhaltsanspruch ist weniger ein Recht als vielmehr eine Pflicht zum gegenseitigen Beistand und zur Unterhaltung der Familie. Die rechtliche Betrachtung der Ehe geht trotz pluralisierter Lebensformen noch immer davon aus, dass aus einer Ehe in der Regel eine Familie entsteht, d.h. Kinder geboren und erzogen werden. Insofern gehen die Regeln davon aus, dass der Bedarf des Paares und der Familie gemeinschaftlich gedeckt wird. Das Gesetz legt für die Ehegatten eine Pflicht zum gegenseitigen Unterhalt in Form eines Beitrags zum Familienunterhalt fest. Wie die Partner ihren Beitrag zum Familienunterhalt leisten - durch Erwerbsarbeit oder Familienarbeit wird Ihnen seit der Ehe- und Scheidungsrechtsreform von 1976 ausdrücklich freigestellt. Deshalb besteht rechtlich auch kein gegenseitiger Geldanspruch. Nur wenn ein Partner oder eine Partnerin die Familienarbeit vollkommen übernimmt und stattdessen nicht erwerbstätig ist, hat er beziehungsweise sie einen Anspruch auf Wirtschaftsgeld und Taschengeld gegen den Ehepartner, die Ehepartnerin. Dieser Anspruch ist allerdings in der gerichtlichen Realität nicht von Relevanz. Die Unterhaltspflichten während der Ehe werden dagegen im Arbeits- Sozial und Steuerrecht berücksichtigt und haben in diesen Rechtsgebieten weitreichende Folgen.

Wenn ein Ehepaar sich trennt, unterscheidet die Rechtsordnung zwischen Trennungs- und Scheidungsunterhalt. Nach § 1361 Abs. 1 Satz1 BGB kann bei Trennung ein Ehegatte von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen. Eine unterhaltsberechtigte, nicht erwerbsfähige Person erhält in der Regel 3/7 des Nettoeinkommens des Anderen. Eine Erwerbspflicht der unterhaltsberechtigten Partnerin besteht nur, wenn die Erwerbstätigkeit erwartet werden kann. War die Frau während der Ehe nicht erwerbstätig, ist diese Erwartbarkeit in der ersten Zeit nach der Trennung meist nicht gegeben. Der Trennungsunterhalt ist wie der Scheidungsunterhalt in Geld zu entrichten und richtet sich nach der Bedürftigkeit des anspruchsberechtigten Ehegatten und der Leistungsfähigkeit des anderen. Es kommt also nicht nur darauf an, dass ein Ehegatte bedürftig ist, der andere darf auch nicht über seinen Mindestselbstbehalt hinaus belastet werden.

Nach der Scheidung deklariert das BGB den Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenständigkeit der ehemaligen Partner, legt aber eine Reihe von Ausnahmen für dieses Prinzip als Unterhaltsgründe fest.

Die nachehelichen Unterhaltsgründe (diese können beispielsweise sein: Betreuung und Erziehung eines gemeinsamen Kindes, das Nicht-Finden einer angemessenen Erwerbstätigkeit oder auch schlicht eine Einkommensdiskrepanz zwischen den ehemaligen Partnern) decken ein breites Spektrum der Lebensrealität und der Bedarfssituationen ab. Berechnet wird der Anspruch auf Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen - eine Absenkung des Lebens-standards soll vermieden werden, daher wird der bedürftigen PartnerIn nur die Aufnahme einer "angemessenen Erwerbstätigkeit" zugemutet. Allerdings entspricht die Realität diesem normativen Anspruch meist ganz und gar nicht (vgl. Hans-Jürgen Andreß u.a.: Wenn aus Liebe rote Zahlen werden, Opladen 2003).

Die Rechtsordnung stuft den Unterhalt trotzdem als bedeutendes soziales Versorgungsinstrument ein. Bisherige Untersuchungen haben gezeigt, dass insbesondere der Trennungsunterhalt keine existenzsichernde Wirkung hat und besonders Frauen nach einer Trennung signifikante Einkommensverluste hinnehmen müssen.

Die Zahlung von Unterhalt während und auch nach der Ehe findet privilegierende Berücksichtigung in den angrenzenden Rechtsgebieten ("Schnittstellen").

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Unterhalt im Sozialrecht

Das Sozialrecht untergliedert sich in zwei Teile: das Sozialversicherungssystem, welches die typischen Risiken des männlichen Normalarbeitnehmerdaseins absichert: Krankheit, Unfall, kurzzeitige Arbeitslosigkeit, Alter und Tod. In diesem Versicherungssystem stehen Frauen häufiger als Männern abgeleitete Sicherung zur Verfügung: Familienversicherung, Hinterbliebenenrente - oder sie erfahren Nachteile, weil sie der Norm des Normalarbeitnehmers nicht entsprechen (z.B. bei der Rentenberechnung oder dem Erwerb von Anspruch auf Arbeitslosengeld).

Die bedarfgeprüften Sozialleistungen decken die Mindestsicherung der Existenz sowie familienbezogene Risiken ab. Hierzu gehören die Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfe - demnächst Arbeitslosengeld II beziehungsweise Sozialgeld und das Erziehungsgeld. Da es sich dabei nicht um ein Versicherungssystem handelt, kommt nicht jede Person mit Ansprüchen in den Genuss von Sozialleistungen, sondern nur die/der Bedürftige. Wer bereits als durch einen Partner abgesichert gilt - so das Subsidiaritätsprinzip - hat keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Frauen werden dabei überproportional auf einen Ernährer verwiesen, dabei ist es egal, ob der Partner, dessen Einkommen angerechnet wird, ihr Ehepartner ist oder sie in einer nichtehelichen Gemeinschaft leben.

Die Analyse von Subsidiarität und ihrer Durchsetzung bei Ehegatten und Verwandtenunterhalt zeigt, dass die Versorgung von (Ehe)Partnern und von Verwandten im Recht und in der Wirklichkeit unterschiedlich bewertet wird. Die Versorgung von Partnern wird als selbstverständlich angenommen und entsprechend konsequent vom Recht durchgesetzt, dagegen wird die Pflicht zur intergenerationellen Versorgung zunehmend eingeschränkt. Ein aktuelles Beispiel der Auflockerung des Subsidiaritätsprinzips beim Verwandtenunterhalt ist das Altersgrundsicherungsgesetz, wo die Kinder der im Alter verarmten Leistungsempfänger für deren Sicherung des Existenzminimums erst ab einem Jahreseinkommen von über 100.000 Euro in Anspruch genommen werden.

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Unterhalt im Steuerrecht

Das geltende Einkommenssteuerrecht berücksichtigt Unterhaltsleistungen zwischen Ehegatten durch das Ehegattensplitting, im Übrigen durch steuermindernde Unterhaltsabzüge: durch den allgemeinen Unterhaltsabzug und besondere Abzüge für den Kindesunterhalt (Kinderfreibeträge/Kindergeld). Der allgemeine Unterhaltsabzug ermöglicht eine Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen an nichteheliche Partner. Angesichts der Praxis, auch Partner, die sich rechtlich nicht zu Unterhaltszahlungen verpflichtet sind, bei der Vergabe bedarfsgeprüfter Sozialleistungen auf eventuelles Partnereinkommen zu verweisen und damit faktisch zu Unterhaltsleistungen zu zwingen, ist der allgemeine Unterhaltsabzug wichtig. Er berücksichtigt allerdings nur das Existenzminimum. Unterhalt für Kinder bewegt sich, aufgrund der spezifischen Wirkungsweise des Familienleistungsausgleichs in der steuerlichen Berücksichtigung etwas bis deutlich über dem Existenzminimum, wobei das Ehegattensplitting als spezielle Privilegierung der "Hausfrauen" bzw. ZuverdienerInnenehe deutlich höhere Ersparnisse als das Existenzminimum zulässt - wenn zwischen den Partnern eine möglichst hohe Einkommensdiskrepanz besteht. Diese verschiedenen Möglichkeiten der steuerlichen Berücksichtigung tatsächlich gezahlten Unterhalts lassen auf eine Hierarchie der steuerlichen Berücksichtigung rechtlicher oder faktischer Unterhaltspflichten für verschiedene Personenkreise schließen.

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Unterhalt im Arbeitsrecht

Die Schnittstelle zwischen Arbeitsrecht und Unterhalt findet sich an drei Stellen. Das prominenteste Beispiel ist die Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen bei der Sozialauswahl im Fall betriebsbedingter Kündigungen. Dabei muss der Arbeitgeber tatsächliche Unterhaltspflichten als einen Aspekt einer möglichen Sozialwidrigkeit einer Kündigung berücksichtigen. Welches Gewicht er diesem Kriterium gibt, bleibt nach geltendem Recht dem Arbeitgeber überlassen. Welche Berücksichtigung der Ernährerstatus bei Einstellungen oder Beförderungen findet, ist ebenfalls ein Aspekt der arbeitsrechtlichen Schnittstelle. Hinzu kommen Anknüpfungen an den Ernährerstatus in Tarifverträgen (z.B. Zuschläge für Verheiratete).

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Ehezentrierung der Schnittstellen

Wenn man die rechtlichen Schnittstellen genauer betrachtet, taucht dabei immer die Ehe als Grundlage der Regelungen auf. Im Sozialrecht sind die Eheleute verpflichtet, füreinander einzustehen, im Steuerrecht findet ihre Vergemeinschaftung in Form des Ehegattensplittings statt, und die Berücksichtigung von gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen bei betriebsbedingten Kündigungen erfolgt zum Zweck des Schutzes des Familieneinkommens (also zum Schutz von Ehefrau und Kindern, die als "Abhängige" gedacht werden). Der Schutz von Ehe und Familie ist in Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes normiert, nimmt also einen hohen Stellenwert ein. Das klassische juristische Verständnis dieser Schutzpflicht des Staates wirkt sich an den Schnittstellen aus auf andere Lebensformen, insbesondere heterosexuell zusammenlebende Paare. Die konservative Auslegung des Grundgesetzlichen Schutzauftrages für Ehe und Familie deutet diesen in Form eines Schlechterstellungsverbotes gegenüber anderen Formen des Zusammenlebens. Die klassische juristische Interpretation des Art. 6 Abs. 1 GG geht davon aus, dass "Schutz von Ehe und Familie" nicht nur einen Bestandschutz für die "Institution Ehe", sondern vielmehr auch eine Förderpflicht beinhaltet. Aus dem verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe wird eine "strikte Vergleichslogik" abgeleitet. Das Gebot, die Ehe zu schützen und zu fördern, wird von der Verfassungsrechtsprechung sogleich als Verbot für den Staat gedeutet, nichteheliche Lebensgemeinschaften besser zu stellen. Dies wäre der Fall, wenn sie als "unverbundene" Individuen von Einstandspflichten im Sozialrecht verschont blieben. Auf diese Weise wird der Schutz zur Privilegierung umgedeutet, und das Verbot der Benachteiligung von Eheleuten wird nach konservativer Lesart sogar zum Gebot der Benachteiligung nicht verheiratet zusammenlebender Menschen ("Abstandsgebot"). Nicht nur die konservative Verfassungsauslegung, auch die "herrschende Meinung" geht davon aus, dass es eine Unterscheidung von Ehe und Nicht-Ehe geben muss und dass die Nicht-Ehe gegenüber der Ehe in keiner Weise benachteiligt werden darf. Diese Vergleichslogik hat weitreichende Folgen, die in andere Rechtsgebiete ausstrahlen.

Diese Folgen sehen wir gerade auch an unseren Schnittstellen: An die Ehe knüpfen sich wirtschaftliche Vorteile wie das Ehegattensplitting, die Lasten des Zusammenlebens werden dagegen auf alle Paare gleich verteilt, damit Eheleuten kein Nachteil entsteht. Wir erinnern uns an die Partnersubsidiarität des Sozialrechts. Weiterhin wird Art. 6 als Verbot der Einmischung in die "innerehelichen Angelegenheiten" gedeutet: Die "Hausfrauenehe" muss auch weiter möglich sein, die strukturell erzwungene beiderseitige Erwerbstätigenehe würde, wenn sich konservative Interpreten der Verfassung durchsetzen, möglicherweise als verfassungswidrig angesehen werden. Reformen der Schnittstellen müssen sich deshalb in jedem Fall mit dem grundgesetzlichen Schutz der Ehe auseinandersetzen. Dabei wollen wir in diesem Projekt aufzeigen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, das grundgesetzliche Schutzgebot zu verstehen.

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Mittelbare Diskriminierung?

Die spezifische Wirkungsweise des Ineinandergreifens der dargestellten Schnittstellenregelungen müssen sich am Maßstab der "mittelbaren Diskriminierung" messen lassen. Mittelbare Diskriminierung bedeutet, dass geschlechtsneutrale Regelungen geschlechtsspezifisch benachteiligende Wirkungen haben und dies nicht geschlechtsunabhängig und ohne Rückgriff auf Geschlechtsstereotype gerechtfertigt werden kann. Es handelt sich dabei um eine Rechtsfigur des europäischen Rechts, die in ihrer Anwendung bisher noch nicht voll ausgeschöpft wurde.

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