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1951

31.8.1951

Elf Studenten der Freien Universität und der Deutschen Hochschule für Politik werden zwischen 1951 und 1953 in der Sowjetunion hingerichtet, ein weiterer stirbt im Gulag.


  Schwarz-Weiss-Foto von Günter Beggerow
Quelle: Universitätsarchiv der FU
  Günter Beggerow (* 11.12.1928 in Demen/Mecklenburg)
 
Günter Beggerow beginnt im Sommersemester 1951 ein Volkswirtschaftsstudium an der FU, Matrikelnummer 6811. Er entstammt einer Kaufmannsfamilie. Beggerow erlebt im Alter von fünfzehn Jahren die Verhaftung seines Vaters, der im Kontext des 20. Juli 1944 zum Tode ver­urteilt, schließlich begnadigt und in KZ-Haft genommen wird. Begge­row selbst kommt 1944/45 als Marinehelfer zum Einsatz. Nach dem Krieg holt er sein Abitur am Gymna­sium in Waren nach. Dort gerät er mit der FDJ und einem kommunisti­schen Lehrer in politische Konflikte. Nach dem Abitur studiert er zunächst an der Ros­tocker Fachschule für Wirtschaft und Verwaltung. Nachdem ihm aus politischen Grün­den die Fortsetzung der Ausbildung untersagt wird, flieht er nach West-Berlin und stu­diert an der Deutschen Hochschule für Politik. Beggerow tritt der FDP bei und beginnt im Sommersemester 1951 sein Studium an der FU. Die DDR-Trans­port­polizei verhaftet ihn Ende Oktober 1951 im D-Zug nahe der Stadt Neubran­den­burg. Ein sowjetisches Militärtribunal verurteilt Beggerow am 28. Februar 1952 wegen Militärspionage für den amerikanischen Geheimdienst zum Tode. Das Urteil wird am 28. Mai 1952 in Moskau vollstreckt. Beggerow wird am 1. März 1996 von der Moskauer Militärstaatsanwalt­schaft als Opfer politischer Verfolgung rehabilitiert.
 
Interviews von Zeitzeugen (Film von Iris Bork-Goldfield)
 

  Schwarz-Weiss-Foto von Wilhelm Berger
Quelle: Universitätsarchiv der FU
  Wilhelm Berger (* 10. Dezember 1925 in Köthen)
 
Wilhelm Berger beginnt sein Studium an der Rechts- und Wirtschaftlichen Fakultät der FU im Sommersemester 1949. Matrikelnummer 3444 (siehe "Persönliche Akten des Studenten Berger, Wilhelm"). In seinem Lebenslauf vom 22. März 1949 gibt er an, sein Vater sei im Jahr 1940 gestorben. Er lebt bei seiner Mut­ter und schließt 1942 das altsprachliche Karlsgymnasium in Bernburg mit dem Abitur ab. Nach einer kurzen Zeit beim Reichsar­beitsdienst wird er zur Luftwaffe eingezogen, zweimal verwundet und kriegsversehrt im Oktober 1945 aus britischer Kriegsgefangen­schaft entlassen. Wilhelm Berger nimmt ein Studium in Halle auf. Nach dem 2. Semes­ter wechselt er von der Klas­sischen Philologie zur rechts- und staatswissenschaft­lichen Fakultät. Nach dem 5. Se­mester flieht er nach West-Berlin und bewirbt sich im März 1949 an der Freien Uni­versität. In seinem Be­werbungsschreiben heißt es:
"Da mir der politische Geist und die fortschreitende wissenschaftliche Verflachung der Ost-Universitäten immer unterträglicher erscheint, und es in Zukunft nicht ungefährlich für mich ist, hier weiter zu verbleiben, wäre ich glücklich, wenn ich mein Studium an einer freien Universität zu Ende führen dürfte. Ich möchte mein Leben der Wissenschaft widmen. Leider konnte ich das Studium bisher nicht mit gewünschter Intensität betreiben. Meine Mutter ist Rentenempfängerin. Stipendien wurden mir aus pol. Gründen in Halle nicht bewilligt."
Wilhelm Berger wird am 13. August 1949 in Bernburg, nahe seiner Heimatstadt Köthen festgenommen und von dem Sowjetischen Militärtribunal Halle zu 25 Jahren Zwangsar­beit verurteilt. Da keine Rückmeldung im Immatrikulationsbüro erfolgt, wird Wilhelm Ber­ger am 21. Mai 1951 aus der Liste der Studenten gestrichen. Er stirbt am 15. Mai 1953 im Gulag Taischet.
 

  Schwarz-Weiss-Foto von Fritz Flatow
Quelle: Facts & Files
  Fritz Flatow (* 17.11.1930 in Berlin)
 
Fritz Nikolaus Flatow studiert an der FU Mathema­tik, Matrikelnummer 6570. Er ist der Sohn eines jüdischen Arztes und einer bulgarischen Ärztin. Nach dem Tod des Va­ters zieht die Mutter mit den Kindern nach Österreich. Flatow kehrt 1949 nach Berlin zurück, holt das Abitur nach und beginnt sein Mathematikstudium an der FU. Er wird am 18. August 1951 im Zug Dresden-Berlin festge­nommen und unter Spionageverdacht inhaftiert. Flatow wird die Kontaktaufnahme zu DDR-Bürgern vorgeworfen, die er für eine Zusammenarbeit mit der "Kampfgruppe gegen die Unmenschlichkeit" habe werben wol­len. Weil er sich angeblich die Fahrzeug­num­mern sowjetischer Militärfahrzeuge notiert hat, wird er am 22. August 1951 der sowje­tischen Militärgeheimpolizei übergeben. Am 24. Dezember 1951 wird Flatow von einem sowjetischen Militärtribunal wegen angebli­cher Spionage für den westdeutschen Geheim­dienst zum Tode durch Erschießen verur­teilt. Das Präsidium des Obersten Sowjets lehnt sein Gnadengesuch am 18. März 1952 ab, am 20. März 1952 wird er in Moskau hingerichtet. Flatow wird am 20. März 1998 von der Moskauer Militärstaatsanwaltschaft als Opfer politischer Verfolgung rehabilitiert.
 

  Schwarz-Weiss-Foto von Günter Malkowski
Quelle: Universitätsarchiv der FU
  Günter Malkowski (* 25.10.1926 in Berlin)
 
Günter Malkowski wächst als Sohn einer alleinerziehenden Mutter auf. Nach seiner Zeit als Luftwaffenhelfer wird er 1943 zur Wehrmacht eingezogen. Im Kriegseinsatz wird ihm, wie er später in seiner Bewerbung für das Studium an der Deutschen Hochschule für Politik schreibt, "die Absurdität der nationalsozialistischen Ideologie" bewusst. Nach Kriegsende lebt Günter Malkowski zunächst bei seiner in zweiter Ehe verheirate­ten Mutter in Leipzig. Im Dezember 1945 tritt er der SPD bei. Er gehört zu den Gegnern der Zwangsvereinigung. Gefördert von Theodor Litt nimmt er das Studium an der Univer­sität Leipzig auf. Zum Sommersemester 1949 bewirbt sich Malkowski an der Philoso­phi­schen Fakultät der Freien Universität Berlin. Seine Bewerbung wird angenom­men, er kann das Studium aber nicht antreten, da er im Januar 1949 die Scheibe eines Propagandaschaukastens in Leipzig zertrümmert hat und dort in Untersuchungshaft sitzt. Nach seiner Feilassung flüchtet er in die Bundesrepublik und arbeitet zunächst, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, als Bergmann im Ruhrgebiet, wo er sich auch gewerkschaftlich engagiert. Zum Sommersemester 1950 nimmt er an der Deutschen Hochschule für Politik sein Studium auf, um sich für eine Tätigkeit im Gewerk­schafts­apparat zu qualifizieren. Malkowski wird am 9. September 1951 in Berlin-Treptow verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, sich an einer Flugblattaktion der "Kampfgruppe gegen die Unmenschlichkeit" beteiligt und Verbindungen zur antikommunistischen Opposition in der Ukraine unterhalten zu haben. Am 16. April 1952 verurteilt ihn ein sowjetisches Militärtribunal wegen Spionage, antisowjetischer Tätigkeit und Propaganda sowie Mit­gliedschaft in einer konterrevolutionären Organisation zum Tode. Das Urteil wird am 4. Juli 1952 in Moskau vollstreckt.
 

  Schwarz-Weiss-Foto von Wolfgang Erhart Michel
Quelle: Universitätsarchiv der FU
Wolfgang Michel (* 15.4.1931 in Chemnitz)
 
Wolfgang Erhart Michel beginnt sein Studium an der Deutschen Hochschule für Poli­tik (DHfP) im Sommersemester 1950, Matrikelnummer 632 (siehe Michels Anmeldung zum Studium). Wolfgang Michel und sein Bruder wachsen unter der Obhut ihrer allein­erziehenden Mutter auf. Michel erlernt den Beruf eines Landwirts an einer Fachschule in Meißen. Im Mai 1948 tritt er in Dresden der FDJ und am 1. August 1948 der neugegrün­deten NDPD bei. Er wird freie Mitarbeiter der "National-Zeitung" und nach nur drei Wo­chen Verbandsvorsitzender der NDPD im Ortsverband Dresden V. Wenige Monate spä­ter übernimmt er das Amt des Kreisjugend­referenten der NDPD; er ist ab Januar 1949 hauptamtlicher Parteisekretär im Kreisver­band Dresden und ab März 1949 Landesju­gendreferent der Partei. Im August 1949 flüch­tet Wolfgang Michel nach West-Berlin. In seiner Bewerbung für das Studium an der Deutschen Hochschule für Politik erläu­tert er seine Fluchtgründe folgendermaßen:
"Vom 20. April 1949 bis 10. Mai 1949 besuchte ich den 2. Lehrgang der Zonenparteischule in Buckow/Märk. Schweiz, der sich als Spitzellehrgang entpuppte. Nach Rückkehr von der Spitzelschule stellte ich der Partei meine Funktionen zur Verfügung und trat am 1. Juni aus der NDP, der FDJ und dem FDGB aus".
Dennoch versucht die sowjetische Geheimpolizei ihn als Informant anzuwerben und er­presst ihn im August 1949 dazu, seine Unterschrift unter eine Verpflichtungserklärung zu setzen. Daraufhin setzt er sich nach West-Berlin ab. Er wird als politischer Flüchtling anerkannt und erhält im Rahmen des Jugendnoteinsatzes verschiedene Arbeitsplätze zugewiesen. Im Mai 1950 beginnt er sein Studium an der DHfP. Im April 1951 nimmt die Volkspolizei Wolfgang Michel in Potsdam fest und übergibt ihn der sowjetischen Ge­heimpolizei. Ihm wird Untergrundtätigkeit für die "Kampfgruppe gegen Unmenschlich­keit" und Spionage für den amerikanischen Geheimdienst vorgeworfen. Am 9. Mai 1952 verur­teilt das Sowjetische Militärtribunal Potsdam Wolfgang Michel zum Tod durch Erschie­ßen. Da Michel keine Studienrückmeldung einreicht wird er zum 31. Mai 1951 von der DHfP aus der Liste der Studenten gestrichen. Die Vollstreckung der Todesstrafe er­folgt am 6. August 1952 in Moskau. Am 25. Juli 1995 rehabilitiert die Oberste Militär­staats­anwaltschaft der Russischen Föderation Wolfgang Michel als Opfer der stalinisti­schen Willkürjustiz.
 

  Schwarz-Weiss-Foto von Kurt Helmar Neuhaus
Quelle: Universitätsarchiv der FU
  Kurt Helmar Neuhaus (* 9.12.1924 in Rostock)
 
Kurt Helmar Neuhaus beginnt im Sommersemester 1950 ein Betriebs­wirt­schafts­studium an der FU, Matrikelnummer 5235. Er tritt im Alter von 17 Jahren der NSDAP bei. Nach dem Abitur wird er 1943 eingezogen und kommt als Sanitäter an die Ostfront. Nach einer schweren Verwundung wird er als zu sechzig Prozent Kriegsbeschädigter eingestuft und entlassen. Er studiert seit 1946 in Rostock zunächst Philologie und strebt ein höheres Lehramt an. Neuhaus tritt der CDU bei und wird in den Ortsvorstand seiner Partei gewählt. Wegen politischer Pressionen weicht er zu einem Zweitstudium an die Linden-Universität nach Berlin aus. Wegen politischer Disziplinierungen wechselt er im Sommersemester 1950 an die FU. Neuhaus wird vermutlich wegen einer Namens­verwechslung festgenommen und von einem sowjetischen Militärtribunal zum Tode ver­urteilt. Die Vollstreckung des Urteils erfolgt am 31. August 1951 in Moskau. Neuhaus wird am 15. Februar 1999 von der Moskauer Militärstaatsanwaltschaft als Opfer politi­scher Verfolgung rehabilitiert.
 

  Schwarz-Weiss-Foto von Aegidius Niemz
Quelle: Universitätsarchiv der FU
  Aegidius Niemz (* 22.7.1929 in Leipzig)
 
Aegidius Niemz beginnt im Sommersemester 1951 sein Studium an der Deutschen Hochschule für Politik. Er flieht 1949 mit seiner Mutter nach West-Berlin. Sein Vater befindet sich seit November 1949 in sowjetischer Haft. Er wird am 31. Mai 1951 zusam­men mit einem Kommilitonen vom DDR-Staatssicherheitsdienst im Haus Vaterland ver­mutlich bei einer heimlichen Zusammenkunft mit DDR-Studenten verhaftet. Nach seiner Überstellung an die sowjetische Besatzungsmacht wird Niemz von einem Militärtribunal zum Tode verurteilt und am 20. März 1952 in Moskau erschossen. Niemz wird am 20. März 1998 von der Moskauer Militärstaatsanwaltschaft als Opfer politischer Verfol­gung rehabilitiert.
 

  Schwarz-Weiss-Foto von Friedrich Prautsch
Quelle: Universitätsarchiv der FU
  Friedrich Prautsch (* 7.2.1929 in Brünauburg/Tschechoslowakei)
 
Friedrich Prautsch beginnt 1950 ein Studium an der deutschen Hochschule für Poli­tik. Er lebt seit der Vertreibung der Sudetendeutschen mit seinen Eltern in Dresden und arbeitet nach dem Abitur auf einer Wirtschaftsoberschule bei der Revisions- und Treu­handgesellschaft als Wirtschaftsprüfer. Er flieht 1950 nach West-Berlin. Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung in der DDR arbeitet Prautsch nach Angaben, die dem Bundesministe­rium für gesamtdeutsche Fragen zugehen, für einen Geheimdienst der Westalliierten. Ein sowjetisches Militärtribunal verurteilt Friedrich Prautsch zum Tode, die Hinrichtung erfolgt am 20. März 1952 im Moskauer Butyrka-Gefängnis. Prautsch wird am 15. Dezember 1998 von der Moskauer Militärstaatsanwaltschaft als Opfer politischer Ver­folgung rehabilitiert.
 

  Schwarz-Weiss-Foto von Peter Püschel
Quelle: Universitätsarchiv der FU
  Peter Püschel (* 9.4.1927 in Wampen bei Greifswald)
 
Peter Püschel, Sohn eines Landwirtes, beginnt 1950 sein Studium an der Deutschen Hochschule für Politik. Püschel tritt 1947 der CDU bei, wird in Rostock ihr Kreisju­gendreferent und arbeitet als Berichterstatter für die "Neue Zeit". Im Zuge der Auseinan­der­set­zungen um Jakob Kaiser gerät Püschel unter politischen Druck. Er flieht nach West-Berlin. In der "Neuen Zeitung" vom 31. Januar 1951 findet sich ein Hinweis auf das gegen Püschel verhängte Todesurteil: "Der 23-jährige Student der Berliner Hochschule für Politik, Peter Püschel, ist, wie erst jetzt bekannt wird, von einem sowjetischen Mili­tärtribunal Ende Dezember 1950 zum Tode verurteilt worden, meldete das Informations­büro West. Püschel, der aus Rostock nach West-Berlin geflüchtet war, ist Ende Sep­tember vergangenen Jahres in der Nähe von Potsdam beim Verteilen von Flugblättern verhaftet worden." Es handelt sich dabei um Agitationsmaterial der exilrussischen Wi­derstandsorganisation NTS (Narodno-Trudowoj Sojus – "Nationaler Bund der Schaffen­den"). Peter Püschel wird am 24. September 1951 erschossen. Püschel wird am 15. März 1999 von der Moskauer Militärstaatsanwaltschaft als Opfer politischer Verfol­gung rehabilitiert.
 

  Schwarz-Weiss-Foto von Werner Schneider
Quelle: Universitätsarchiv der FU
  Werner Schneider (* 7.2.1922 in Colmnitz)
 
Werner Schneider, Matrikelnummer 2429, nimmt zum Sommersemester 1949 an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der FU sein Studium auf. Er tritt 1940 als 18-Jähriger der NSDAP bei und wird im gleichen Jahr zur Kriegsmarine einberufen. Er verlässt die SBZ wegen politischer Schikanen. Als Jungunternehmer und zweiter Vorsitzender der LPD gerät er in seinem Heimatort Golmnitz, Bezirk Dresden, mit der SED wie auch mit der Besatzungs­macht in Konflikt. Nach einer sechsmonatigen Haft, verhängt von einem "Volksrichter" wegen angeblicher Verstöße gegen Wirtschafts­gesetze, flieht Schneider nach West-Berlin und beginnt an der Deutschen Hochschule für Politik mit dem Schwerpunkt Wirtschaftslehre und Wirtschaftspolitik zu studieren. Er wird einer Mitteilung seiner Verlobten zufolge am 23. Dezember 1950 verhaftet, als er seine Verwandte in Sachsen besucht. Werner Schneider wird von einem sowjetischen Militärtribunal zum Tode verurteilt und am 20. Oktober 1951 in Moskau erschossen. Schneider wird am 9. November 1999 von der Moskauer Militärstaatsanwalt­schaft als Opfer politischer Verfolgung rehabilitiert.
 

  Schwarz-Weiss-Foto von Wolf Utecht
Quelle: Familienfoto Utecht
  Wolf Utecht (* 16.5.1929)
 
Wolf Utecht studiert seit 1949 an der Deutschen Hochschule für Politik (Studenten­ausweis Nr. 345). Er hat zuvor einen Schnelllehrgang für Elektroschweißen und eine Schauspielausbildung absolviert. Seine Mutter Käthe schlägt sich als Kriegerwitwe mit drei Söhnen im Berlin der Nachkriegszeit durch. Während sie als Haushälterin arbeitet, betreut Wolf Utecht tagsüber seinen jüngsten Bruder Lutz (Jahrgang 1943). Der Student der Staatswissenschaften Wolf Utecht wird am 10. Juli 1950 in Magdeburg vom Staats­sicherheitsdienst der DDR festgenommen. Er führt zum Zeitpunkt seiner Festnahme Ma­terial der "Kampfgruppe gegen die Unmenschlichkeit" mit sich. Acht Tage nach seiner Verhaftung wird Utecht der sowjetischen Geheimpolizei übergeben und am 15. Septem­ber 1950 vom Militärtribunal der sowjetischen Garnison in Halle zu 25 Jahren Freiheits­entzug und Zwangsarbeit verurteilt. Am 13. Dezember 1950 wird er mit anderen Straf­häftlingen aus dem damaligen russischen Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen nach Tajschet in Sibirien gebracht. Der Direktor der Deutschen Hochschule für Politik Otto Suhr setzt sich auf Bitte von Käthe Utecht für die Freilassung von Wolf Utecht ein. Noch im Oktober 1957 geht das Gesamtdeutsche Referat des Verbandes Deutscher Studen­tenschaften davon aus, Utecht befände sich in einem sowjetischen Zwangsarbeitslager. Der damals zuständige VDS-Referent Dietrich Spangenberg teilt am 10. Oktober 1957 dem AStA der FU auf dessen Anfrage mit, dass sich nach seinen Informationen noch achtzehn deutsche Studenten in sowjetischer Haft befänden, darunter auch Wolf Utecht. Er wird jedoch schon am 17. November 1952 wegen angeblicher Bildung einer Wider­standsgruppe in dem sibirischen Arbeitslager Osjornoe von dem Sowjetischen Militärtri­bunal des Ostsibirischen Wehrkreises zum Tode verurteilt und am 16. Februar 1953 in Irkutsk erschossen. Am 5. April 1995 rehabilitiert die Oberste Militärstaatsanwalt­schaft der Russischen Föderation Wolf Utecht als "Opfer politischer Verfolgung".
 
  Schwarz-Weiß-Foto von Karl-Heinz Wille
Quelle: Universitätsarchiv der FU
  Karl-Heinz Wille (* 23.10.1923 in Weferlingen)
 
Karl-Heinz Wille, Sohn eines Gastwirtes, studiert an der Rechts- und Wirtschaftswis­senschaftlichen Fakultät der FU und gehört zum Kreis der FU-Gründer, Matrikel­nummer 1307. Er tritt 1941 im Alter von 17 Jahren der NSDAP bei und legt 1943 sein Abitur in Weferling (Sachsen) ab. Seine Einberufung zur Luftwaffe wird aus gesundheit­lichen Gründen aufgeschoben. Wille arbeitet auf dem örtlichen Landratsamt, wo ihm 1944 durch Zufall von NSDAP-Funktionären begangene Unterschlagungen auffallen. Er meldet das dem Wirtschaftsamt und wird daraufhin von der Gestapo wegen "falscher Anschuldigungen" festgenommen. Ein Parteiverfahren wegen Verächtlichmachung von Einrichtungen der Partei und Gefährdung des Ansehens des Parteiführungskorps endet mit Willes NSDAP-Ausschluss. Außerdem soll er für unzurechnungsfähig erklärt und in eine Heilanstalt eingewiesen werden. Dazu kommt es dank des Kriegsendes jedoch nicht. Der sowjetischen Besatzungsmacht wird Wille von örtlichen Kommunisten als vertrauenswürdig empfohlen. Der sowjetische Militärgeheimdienst versucht daraufhin, den jungen Mann als Spitzel anzuwerben. "Da ich die Schattenseiten der Diktatur (zur Genüge) kennengelernt hatte und sie nicht nochmals erleben wollte", schrieb Karl-Heinz Wille 1948 in seiner Studienbewerbung für die FU, "verließ ich Weferlingen und zog zu Verwandten in den englischen Sektor von Berlin." Das Immatrikulationsbüro der FU streicht Karl-Heinz Wille am 30. April 1952 aus der Liste der Studenten, da er sich nicht zurückgemeldet hat. Niemand weiß etwas über seinen Verbleib. Karl-Heinz Wille wird am 26. Juni 1952 in Moskau hingerichtet.
 


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