Archiv der Online-Vorlesungsverzeichnisse

Kommentar ausblenden

Hauptstudium

17 730
HS -
East Meets West: Musikalische Konsequenzen
(2 SWS)
Di 16.00-18.00 - Hörsaal
(21.10.) Albrecht Riethmüller,
Gert-Matthias Wegner
Der Konflikt zwischen Ost und West hat eine vielleicht noch größere und renitentere Rolle gespielt als der zwischen Nord und Süd, und zwar über lange Jahrhunderte hinweg mit wechselnden Themen und Begründungen, aber auch höchst flexiblen geografischen Demarkationen; die Ostgrenze des Westens war durch die Zeiten hindurch so beweglich wie die Westgrenze des Ostens, und von als feindlich empfundener (Un-)Kultur, von Heiden und Barbaren aus allen Himmelsrichtungen konnten sich allezeit und überall fast alle umstellt fühlen.

Die Lehrveranstaltung will sich demgegenüber konfliktfreier zeigen, nicht das Ab- und Ausgrenzende suchen – denn das wurde von Kultur- und Subkulturkritikern, von Religionen und Gesellschaften, Kirchenmännern und Politikern seit je bis zum Überdruss vorexerziert –, sondern will Begegnungslinien im Verhältnis von „Orient“ und „Okzident“ nachzeichnen, ohne dass am Ende des Weges gleich die Utopie einer „World Music“ stünde.

Das Seminar zielt vor allem darauf ab, einschlägige Beispiele zu behandeln. Musikalische Ergebnisse von Ost-West-Begegnungen sind beim Kulturaustausch erzielt worden, ob nun bei Ereignissen wie Musikfesten oder im individuellen Zusammentreffen, etwa im Zusammenspiel von Y. Menuhin und R. Shankar; sie haben sich aber ebenso in Partituren bzw. Musikwerken sedimentiert, freilich im Falle von Cage gewiss ganz anders als in dem von Boulez, Stockhausen oder Tan Dun. Daneben können musiktheoretische Konzepte vorgestellt und diskutiert werden. Um nicht ins Uferlose zu geraten, sollten die Gegenstände den letzten Jahrzehnten entnommen sein. Nicht zuletzt möchte die Lehrveranstaltung – auch methodisch – der Beförderung des Dialogs zwischen Musikgeschichte und Vergleichender Musikwissenschaft dienen, dem Erfahrungsaustausch über verwendete Methoden, unterschiedliche Verfahrensweisen, vergleichbar-unvergleichliche musikalische Gegenstände: Ethnomusicology Meets Music History.

Das Semesterprogramm wird in der ersten Seminarsitzung besprochen und festgelegt. Eigene Themenvorschläge der Teilnehmer sind willkommen.

Zur Vorbereitung ist lesenswert:


  • Peter Gradenwitz: Musik zwischen Orient und Okzident, Wilhelmshaven 1977
  • Gerry Farrell: Indian Music and the West, New York 1997

hörens- und ansehenswert wiederum die CD-Produktion „Planet Soup“ des New Yorker Labels Ellipsis Art.
17 731
HS -
John Cage. Anarchie der Stille
(2 SWS)
Mi 10.00-12.00 - 132
(22.10.) Charlotte Seither
Nicht erst seit 4.33, jenem spektakulär stillen Stück ohne Töne, nimmt Cage einen besonderen Rang in der Neuen Musik ein. Sein musikalisches Denken lehnt jede Reglementierung von außen ab, stattdessen sucht er stets neue Wege, mit denen Hierarchien aufgelöst, das musikalische Material erweitert und neu organisiert werden kann. Werkcharakter, kompositorischer Prozeß, Materialbegriff wie auch das Verständnis von Musik überhaupt treten mit Cage in einen grundlegend neuen Verstehenszusammenhang und lassen rückwirkend auch traditionelle Perspektiven anders aufscheinen.
Cage vertritt eine Haltung, die nicht nur im Musikalischen als umfassend radikal bezeichnet werden kann. Sie wurzelt in der Überzeugung der Gleichheit und Gleichberechtigtheit aller menschlichen Existenz, die es mit jeder Handlung neu zu verwirklichen gilt, und bezieht auch außereuropäische Denkansätze der Suzuki-Schule mit ein. Im Mittelpunkt des Seminars stehen Werke, die stellvertretend für einzelne Schaffensphasen Cages betrachtet werden können.
17 732
HS -
Lektürekurs: Die Geschichte des Hörers
(2 SWS)
Fr 10.00-12.00 - 132
(24.10.) Christian Thorau
Das Anhören einer Rede, einer Erzählung oder eines Gesanges gemeinsam in einer Gruppe von Hörern stellt eine Elementarsituation menschlicher Kommunikation dar. Dagegen präsentiert sich der moderne Konzertbesuch mit der Trennung des Zuhörens vom Zuschauen und dem Ziel des ‚reinen’ Hörerlebnisses als hohe Spezialisierung kultureller Aktivität. Musikhören als sowohl sozial als auch ästhetisch bestimmte Verhaltensweise ist in jüngerer Zeit wieder in den Blickpunkt der Forschung gerückt. Die einseitige Fixierung auf die Künstler und die notierten Werke provozieren eine Sichtweise, die nicht nur nach der Rezeption bestimmter Werke fragt, sondern auch nach der Entstehung des modernen Hörertypus, nach den Voraussetzungen und Spielarten seines Rezeptionsverhaltens. Aspekte einer solchen, am Publikum orientierten Musikgeschichte sind: die „imposition of silence“ (Sennet) im Konzertsaal und in der Oper seit Mitte des 19. Jahrhunderts; das Verhältnis von privatem und öffentlichem Musikhören; die unterschiedlichen, bis in die Gegenwart reichenden Versuche, durch Programmgestaltung und Erläuterung das Publikum zu einem ‚richtigen’ Hören zu erziehen; alternative Rezeptionsweisen z.B. im Jazz, in der Popmusik und in der Eventkultur.

Literatur zur Einführung: Rob C. Wegman, Music as Heard: Listeners and Listening in Late-Medieval Renaissance and Early Modern Europe (1300-1600), in: The Musical Quarterly 82 (1998), H. 3/4, S. 432-433; James H. Johnson, Listening in Paris: a cultural history, Berkeley 1995; Richard Sennett, Verfall und Ende des öffentlichen Lebens, Frankfurt/M. 1983.
17 733
OS -
Shakespeare als kompositorisches Paradigma: Berlioz und Wagner
(2 SWS)
Di 18.00-20.00 - Hörsaal
(21.10.) Albrecht Riethmüller
Shakespeares Tragödien und Komödien wurden von Anfang an unablässig mit Schauspielmusiken bedacht und zu Opern verarbeitet. Shakespeare ist - nach der Bibel - das vielleicht am häufigsten vertonte Textkorpus (vgl. den 1991 in der Oxford University Press erschienenen fünfbändigen Katalog von Goach und Thatcher). Spätestens im früheren 19. Jahrhundert geriet auch Kontinentaleuropa ins Shakespeare-Fieber, sei es in Frankreich oder Deutschland, sei es in Italien, und dieses keineswegs erst in den Gipfelwerken von Verdi (1813 - 1901). Der neuzeitliche Dramatiker par excellence wurde nun außer für die Theaterbühne auch zu einer speziellen Herausforderung für die Komponisten: Er stand an der Wiege dessen, was man dann ?Musikdrama? (?musikdramatisch?) genannt hat. Zwei der wichtigsten Vertreter dafür sind Berlioz (1803 - 1869) und Wagner (1813 - 1883), die beide zugleich zentrale Figuren für das Erschließen neuer Dimensionen von Klang und musikalischer Struktur (samt deren Verhältnis zueinander) geworden sind.

Bei Berlioz liegt es auf der Hand, dass Shakespeare zum Paradigma seines eigenen Schaffens wurde, sofern er sich - neben der Heirat mit der Shakespeare-Tragödin Harriet Smithson - in vielen Werken an den Dramatiker angeschlossen hat, sei es nun in der Ouvertüre ?Roi Lear?, der Symphonie ?Roméo et Juliette?, der Oper ?Béatrice et Bénédict? oder dem Vokalstück ?La mort d?Ophélie?; selbst die ?Symphonie fantastique? ist in den Shakespeare-Horizont gerückt worden. Bei Wagner hingegen ist das Modell impliziter. Er hat Shakespeare weder ?vertont? noch ?bearbeitet? und ihn in seinen Schriften keineswegs als zentrales Vorbild exponiert. Aber genau dieses besagt in seinem Falle nicht viel. Denn es könnte sein, dass ?Tristan und Isolde? ohne ?Romeo and Juliet? und ?Parsifal? ohne ?Hamlet? so schwer vorzustellen sind wie die ?Meistersinger von Nürnberg? ohne den ?Sommernachtstraum?. Solche auffälligen Parallelen sind womöglich nur die Spitze eines musikdramaturgischen Eisbergs, in dem die sprudelnden Quellen des Dramatikers eingefroren erscheinen. Ziel des Seminars ist es, diesen Zusammenhängen zwischen dem Dramatiker und der Musik, zwischen Oper und Drama nachzugehen.

Das Thema kann auch durch weitere Vergleiche, etwa zwischen Wagner und Verdi oder durch die kompositorische Rezeption von Berlioz bei den Komponisten im 19. Jahrhundert erweitert werden (genannt seien nur Bruckner, Hugo Wolf und Mahler). Eigene Themenvorschläge der Teilnehmer sind willkommen. Eine Referateliste ist am Schwarzen Brett ausgehängt und ist auf der homepage des Instituts verfügbar. URL: http://www.fu-berlin.de/musikwissenschaft. Anmeldungen für Referate sind in den Feriensprechstunden oder per email möglich (albrieth@zedat.fu-berlin.de). Der Besuch der Lehrveranstaltung ist obligatorisch für diejenigen, die bei mir die Magisterprüfung ablegen oder promovieren möchten. Wegen eines turnusmäßigen Forschungssemesters wird das Seminar im darauf folgenden Sommersemester 04 nicht stattfinden.
Hinweis Die Online-Vorlesungsverzeichnisse der hier aufgeführten Semester werden nicht mehr gepflegt. Deshalb kann es vorkommen, dass manche Funktionen und Links nicht korrekt funktionieren. Eine Suche ist nur noch über die sog. Listenausgabe möglich.
© Freie Universität Berlin