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Bewährte Anregungen für einen gelingenden Wiedereinstieg

Was bedeutet das alles für die Gestaltung des Wiedereinstiegs? In diesem Abschnitt finden Sie bewährte Hinweise, wie Sie durch Ihre Haltung und durch ganz konkrete Taten dazu beitragen können, dass der Wiedereinstieg für alle Beteiligten gelingt. Wenn Ihnen vieles davon bekannt vorkommt, ist das eine gute Nachricht, denn es wirkt im Führungsalltag generell positiv.

Sukkulente

Sukkulente

Die Einfühlung in die oben skizzierte Situation von Rückkehrer*in und Team wird es Ihnen erleichtern, die jeweiligen Reaktionen einordnen zu können.
Dennoch gilt: Jede Person und jede Situation sind einzigartig. Deshalb möchten wir Sie ermuntern, sich auch dann auf Gespräche mit allen Beteiligten einzulassen, wenn Ihr Zeitplan sehr eng ist. Damit legen Sie die wichtigste Grundlage, den Wiedereinstieg mit verteilten Rollen und gemeinsamem Ziel erfolgreich anzugehen.

Signalisieren Sie Ihr Interesse, fragen Sie und hören Sie vor allem zu. Begegnen Sie der oder dem Wiedereinsteigenden als Expertin bzw. Experten für die eigene gesundheitliche Situation und die Wiederherstellung ihrer oder seiner Arbeitsfähigkeit. Allein diese Haltung stärkt die Betroffenen. Sie zeigt Respekt, Wertschätzung und Vertrauen. Die bzw. der Betroffene wird ermuntert und gefordert, Verantwortung für sich zu übernehmen und „Selbstunterstützung“ zu entwickeln.

Wenn jemand mit Einschränkungen zurückkommt, z.B. schnell ermüdet oder sich zeitweise nicht konzentrieren kann, dann ist die Versuchung groß, sich vornehmlich mit diesen „Defiziten“ und deren Abhilfe zu beschäftigen. Auch wenn es wichtig ist, Einschränkungen ernst zu nehmen und flexibel mit Ihnen umzugehen, möchten wir Sie ermuntern, gemeinsam mit Ihrer bzw. Ihrem Mitarbeitenden immer wieder in den Blick zu nehmen, was immer noch, schon wieder oder auch ganz neu „geht“. Das ist wertschätzend, stärkt und fördert Zuversicht, Selbstvertrauen/Selbstwirksamkeit und Arbeitsfähigkeit. Außerdem haben psychologische Langzeituntersuchungen z.B. bezüglich der Rehabilitation psychisch Erkrankter schon frühzeitig eindeutig gezeigt: je mehr alle unmittelbar und mittelbar Beteiligten eines Wiedereingliederungsprozesses an dessen Erfolg glauben, desto günstiger ist die Prognose1.

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1 L. Ciompi, H.P. Dauweiler, C. Aque; Ein Forschungsprogramm zur Rehabilitation psychisch Kranker – Längsschnittuntersuchung zum Rehabilitationserfolg und zur Prognostik, 1978)

Meist ist die Situation des Wiedereinstiegs auch für die oder den Betroffene*n neu. Der Körper und/oder die Seele haben sich verändert. In dieser Situation fällt es ihnen oft selbst schwer einzuschätzen, was sie zu leisten in der Lage sind. Es gilt, die eigenen Möglichkeiten neu zu erkunden, sich voranzutasten und sich durch etwaige Rückschläge nicht entmutigen zu lassen. Zudem schwankt die Leistungsfähigkeit bei vielen Wiedereinsteigenden, teils von Tag zu Tag. Bei manchen Krankheitsbildern wie z.B. Krebs oder COVID-19 kommt es z.T. erst verzögert zu Langzeitfolgen, womöglich zu einem Zeitpunkt, an dem niemand mehr damit rechnet.

Von allen Beteiligten ist daher zum einen Flexibilität und zum anderen Geduld gefragt. Das ist für viele Wiedereinsteigende mindestens genauso schwierig wie für Sie und das Team, doch eines ist klar: der Versuch, etwas zu erzwingen, wird das Gegenteil bewirken. Ein Satz wie „Probieren Sie einfach aus, wie viel Sie machen können/welche Aufgaben Sie übernehmen können.“ oder „Gut, wenn du auf dich achtest.“ kann dagegen Spielräume eröffnen. Seien Sie im Dialog, zeigen Sie realistisches Zutrauen und haben Sie Vertrauen. Sichern Sie gemeinsam ab, dass auch an einem „schlechten Tag“ nichts „hinten runterfällt“. Die oder der Wiederkehrende ist gefordert, aktiv so früh wie möglich, realistisch und klar zu kommunizieren, was geht und was nicht.

Sukkulente

Sukkulente

Es ist bereits deutlich geworden: Ein gelingender Wiedereinstieg erfordert eine gute Gesprächs-, Feedback- und Konfliktkultur. Da es sich um eine neue, dynamische Situation handelt, müssen eher mehr Informationen als üblich transportiert und Blickwinkel ausgetauscht werden. Die im Abschnitt „Die Situation des Teams“ genannten Unsicherheiten verleiten dazu, über andere, statt mit ihnen zu sprechen. Aufgrund unterschiedlicher Interessen, aber auch durch unterschiedliche Erwartungen und Missverständnisse, kann es leichter zu Konflikten kommen.

Hier sind Sie als Führungskraft gefragt: Wenn Sie erwarten und unterstützen, dass miteinander statt übereinander  gesprochen wird, beugen Sie Gerüchten und Missverständnissen vor. Leben Sie Ihrem Team zudem einen offenen und konstruktiven Umgang mit Feedback vor, indem Sie

  • danach fragen, wie ihr Handeln aufgenommen wird, was als hilfreich und hinderlich empfunden wird
  • sich mit den erhaltenen Rückmeldungen aktiv und konstruktiv und für die Person, die Feedback gibt, erkennbar auseinandersetzen und
  • selbst auf hilfreiche Weise Rückmeldung geben. Bewährt hat sich der Dreischritt aus
    • Wahrnehmung benennen, Beispiel geben
    • Wirkung auf Betroffene und die Arbeit schildern; warum ist Ihnen der angesprochene Punkt wichtig?
    • einen konkreten Wunsch bzw. eine Erwartung an das zukünftige Verhalten formulieren.

Dadurch können alle Beteiligten die Positionen der anderen besser nachvollziehen und ihr eigenes Handeln anpassen. Das Jahresgespräch ist ein gutes Format, um Feedback und eine offene Kommunikation über das Alltagsgespräch hinaus einzuüben.

Achten Sie darauf, dass aufkeimende Konflikte möglichst frühzeitig angegangen werden. Dies können Sie tun, indem Sie beiden Seiten anhalten, sich in die Situation der anderen hineinzuversetzen und mit allen Beteiligten gemeinsam nach kreativen, tragfähigen Lösungen suchen, gern auch auf Probe. Oft hilft es auch die „Spielregeln“ klarzustellen, z.B. dem Team zu erläutern, dass ein*e Beschäftigte*r im Rahmen der stufenweisen Wiedereingliederung nach dem sog. „Hamburger Modell“ noch krankgeschrieben ist und der Arbeitgeber in dieser Zeit keinen Anspruch auf die Arbeitsleistung hat. So justieren Sie die Erwartungen und verschaffen den erforderlichen Raum, die vorhandenen Belastungsgrenzen auszuloten und Stück für Stück zu verschieben (mehr dazu im Abschnitt „Stufenweise Wiedereingliederung/Hamburger Modell“).

Ein achtsamer Umgang miteinander sollte nicht mit konfliktscheuen „Samthandschuhen“ verwechselt werden. Sie können einander respektvoll und wertschätzend Aufrichtigkeit und Klarheit zumuten. Scheuen Sie sich nicht, im Zweifelsfall Unterstützung zu suchen. Ansprechpersonen finden Sie im Abschnitt „Unterstützungsmöglichkeiten/Angebote an der FU Berlin“.

Das Team ist für den Erfolg der Wiedereingliederung ebenso von zentraler Bedeutung wie Ihr eigenes Handeln als Führungskraft. Ob es die oder den Rückkehrende*n ebenso wie Sie willkommen heißt, Ansprechbarkeit und konkrete Unterstützung anbietet, ein offenes Ohr hat, Erwartungen formuliert und Verständnis zeigt – oder eben nicht – ist zentral für den gelingenden Prozess der Rückkehr. Um all dies trotz des durch Vertretung erhöhtem Arbeitspensums leisten zu können, muss das Team darauf vertrauen können, von Ihnen als Führungskraft mit den eigenen Interessen gehört und in Lösungsfindungen eingebunden zu werden.

Vielen Betroffenen ist es wichtig, dass der Kontakt zur Arbeit während ihrer Erkrankung nicht abreißt. Sie freuen sich über Genesungswünsche und möchten gern eingebunden bleiben. Ob Kontakt während der Erkrankung als kraftspendend oder belastend wahrgenommen wird, ist allerdings von vielen Faktoren abhängig, z.B. von der Person selbst, der Erkrankung, dem Zeitpunkt, der Arbeitssituation und den Arbeitsbeziehungen. Es empfiehlt sich daher, mit Fingerspitzengefühl vorzugehen und „die Zügel in der Hand der oder des Betroffenen zu lassen“. Oft haben Kollegen*innen ein gutes Gespür für ein passendes Vorgehen. Falls nicht, bietet sich zunächst eine schriftliche Kontaktaufnahme an z.B. mittels einer Karte mit Genesungswünschen von Ihnen/Ihrem Team.

Fragen Sie ruhig, wie sich die bzw. der Erkrankte den Kontakt während der Arbeitsunfähigkeit wünscht und/oder machen Sie Angebote. Vermitteln Sie, dass Sie sich auf die Rückkehr freuen und sich gut darauf vorbereiten möchten, um schon frühzeitig einen guten Wiedereinstieg zu gestalten. In diesem Zusammenhang ist es gut zu wissen, dass die/der Arbeitgeber*in während der Arbeitsunfähigkeit „in einem zeitlich angemessenen Umfang in Kontakt“ treten darf, um zu besprechen, wie es nach der Arbeitsunfähigkeit weitergeht (Bundesarbeitsgericht, Erfurt (10 AZR 596/15)). Je einfühlsamer Sie das tun und je weniger Druck Sie aufbauen, desto eher werden Sie Offenheit erleben.