PhiN 9/1999: 11
Paul Gévaudan (Tübingen) Semantische Relationen in nominalen und adjektivischen
|
PhiN 9/1999: 12 |
Vergleicht man das deutsche Wort Rotwein mit dem französischen Ausdruck vin rouge, fällt auf, daß zwar beide das gleiche bedeuten und daß beide im Wörterbuch stehen, aber daß sie sich in einer Hinsicht fundamental unterscheiden: Der französische Ausdruck gehorcht den üblichen Regeln der französischen Syntax, fr. vin rouge unterscheidet sich in seiner Zusammensetzung in nichts vom freien Syntagma une voiture rouge, während dt. Rotwein ganz anders zusammengesetzt ist als ein rotes Auto und damit nicht den normalen Regeln der deutschen Syntax entspricht. Dennoch liegt dem deutschen Ausdruck Rotwein eine Gesetzmäßigkeit zugrunde, mit der auch zahlreiche andere deutsche Ausdrücke gebildet werden (Schöngeist, Weitsprung, Riesenrad, etc.). Es handelt sich dabei um ein morphologisches Wortbildungsverfahren, während im Französischen der entsprechende Ausdruck syntaktisch konstruiert ist. In diesem Sinn werden hier morphologische Verfahren der Wortkombination (dt. Rotwein) als Kompositionen und syntaktische Verfahren der Wortkombination (fr. vin rouge) als Syntagmen bezeichnet.3
Unabhängig von ihrem Bildungsverfahren können Wortkombinationen lexikalisiert sein oder nicht, d.h. lexikalisch fixierte Ausdrücke oder bloße syntaktische (Ad-hoc-)Bildungen sein. Im Französischen weisen vin rouge und vin frais 'kühler Wein' das gleiche Bildungsverfahren auf, und dennoch ist vin frais nicht lexikalisiert, d.h. es handelt sich dabei um eine spontan gebildete Nominalphrase, die nach einem syntaktischen Verfahren gebildet, aber nicht lexikalisiert ist. Im Deutschen wiederum ist das Syntagma Mann der Tat ein lexikalisierter Ausdruck (vgl. Wahrig, s.v. Mann), obwohl es nicht nach einer morphologischen, sondern nach einer syntaktischen Bildungsregel zusammengesetzt ist. Die morphologische Bildung Heizungsmann jedoch ist zwar ebenso verständlich und angemessen wie fr. vin frais, aber ebensowenig lexikalisiert. Diese Überlegungen legen nahe, daß es zwar Affinitäten einerseits zwischen morphologischen Bildungsverfahren und Lexikalisierung von Wortkombinationen und andererseits zwischen syntaktischen Bildungsverfahren und freier Satzbildung (NPs und APs) gibt, daß aber die entsprechenden Verteilungen von einzelsprachlichen (in der morphosyntaktischen Typologie einer jeweiligen Sprache begründeten) Präferenzen abhängt. Festzustellen bleibt, daß es im französischen Wortschatz zahlreiche lexikalisierte Syntagmen und in der deutschen Syntax viele Ad-hoc-Kompositionen gibt.
Von lexikalischen oder lexikalisierten Wortkombinationen muß noch gesagt werden, daß sie im Gegensatz zu Ad-hoc-Bildungen eine historische Dimension haben: Da man sie als fest oder fixiert beschreiben kann (vgl. Thun 1978: 48ff.), müssen sie als Ergebnis eines diachronen Prozesses usualisiert sein. Wichtig ist, daß dabei ein Inhalt lexikalisiert wird, da die morphosyntaktische Struktur der Wortkombination prinzipiell kein Indiz für ihre Lexikalisierung ist. Da jede lexikalisierte Wortkombination bei ihrer ersten Verwendung ad-hoc gebildet wird, d.h. als freie Phrase in der Rede, ist dieser Inhalt zunächst eine (Teil)Bedeutung in einem Satz. Aus diesem Faktum ergibt sich die verblüffende Konsequenz, daß NPs und APs im Prinzip mit demselben semantischen Instrumentarium inhaltlich analysiert werden können wie lexikalisierte Wortkombinationen (dies wird bereits von Coseriu 1978: 218‒223 so gesehen).
PhiN 9/1999: 13 |
Es bleibt noch zu klären, was bei Wortkombinationen unter nominal und adjektivisch zu verstehen ist. Bisher haben wir gesehen, daß Wortkombinationen aus einem morphologischen oder einem syntaktischen Bildungsverfahren hervorgehen und daß sie lexikalisiert oder ad-hoc gebildet sein können. Nun geht es darum, welcher lexikalischen Kategorie bzw. welcher syntaktischen Funktion sie zuzuordnen sind. Betrachten wir hierzu folgende Beispiele (1):
(1) Lexikalische Kategorien fixierter Wortkombinationen
a. Nominale Komposition: dt. Feuerleiter
b. Nominales Syntagma: it. macchina da scrivere 'Schreibmaschine'
c. Adjektivische Komposition: it. agrodolce 'süß-sauer'
d. Adjektivisches Syntagma: fr. bleu de colère 'bleich vor Wut'
Die Beispiele (1a) und (1b) können in Sätzen genau die gleiche Funktionen übernehmen wie einfache Nomina. In bezug auf ein Verb können sie wie ein Subjekt bzw. wie ein Objekt fungieren: Hans kauft eine Feuerleiter, die Feuerleiter fällt auf den Boden bzw. Marco vendeva la sua macchina da scrivere, la macchina da scrivere soddisfarà certamente lo scrittore. Genauso wie bei einfachen Nomina können ihnen auch Adjektive untergeordnet werden: eine teuere Feuerleiter bzw. una nuova macchina da scrivere. Analog dazu können adjektivische Kompositionen und Syntagmen (Beispiele 1c und 1d) alle Funktionen übernehmen, die auch einfache Adjektive erfüllen (condimenti agrodolci, une femme bleue de colère, etc.). Somit ist klar, daß Wortkombinationen dann nominal oder adjektivisch sind, wenn sie als Ganzes die selben Funktionen übernehmen wie einfache Substantive und Adjektive.
Neben ihrer funktionellen Gesamthaftigkeit oder äußeren Grammatik weisen nominale und adjektivische Wortkombinationen auch eine innere grammatische Struktur auf, die sich in zwei Kategorien unterteilen läßt: Koordinaton und Subordination. Es handelt sich dabei um eine Art "interner Syntax", bei der die kombinierten Elemente gleichgeordnet sind oder ein Element dem anderen untergeordnet wird. In (1d) z.B. ist das Element colère dem Element bleu untergeordnet, was man schon daran sieht, daß die Konstruktion insgesamt adjektivisch ist und damit den kategorialen Eigenschaften des Adjektivs bleu entspricht. Die Präposition de braucht im Übrigen nicht weiter untersucht zu werden, sie dient lediglich dazu, im Rahmen des syntaktischen Wortkombinationsverfahren die Unterordnung von colère unter bleu morphologisch zu markieren. In fr. bleu ciel 'hellblau', das einem morphologischen Bildungsverfahren folgt, wird die Subordination lediglich durch die Wortstellung markiert. Wenn das untergeordnete Element nominaler subordinierter Konstruktionen ebenfalls ein Nomen ist (z.B. in 1a), dann bestimmt das übergeordnete Element nicht nur die Wortart, sondern auch das Genus (die Feuerleiter, aber das Feuer). In der adjektivischen Konstruktion (1c) sind die beiden Elemente agro und dolce koordiniert. Bei der Koordination, die ähnlich funktioniert wie die parataktische Reihung von Hauptsätzen (verknüpft durch und oder Komma), ist es wichtig, daß beide Elemente die gleichen kategorialen Eigenschaften haben (agro und dolce sind beide Adjektive). Auch hier kann die Bildung morphologisch, d.h. eine Komposition, oder syntaktisch, also ein Syntagma sein. Das englische Syntagma sweet-and-sour 'süß-sauer' unterscheidet sich von seinem italienischen Pendant in (1c) lediglich darin, daß es syntaktisch gebildet ist (das and markiert nach dem syntaktischen Bildungsverfahren die Koordination).
Im weiteren Verlauf des Textes wird die semantische Untersuchung von koordinierenden und subordinierenden Wortkombinationen in getrennten Kapiteln (4. und 5.) erfolgen. Bei der analytischen Zerlegung der aufgeführten Beispiele werde ich folgende Reihenfolge einhalten: "Kombination < übergeordnete Konsituente + untergeordnete Konstituente" bei Subordination (z.B. 1a: dt. Feuerleiter < Leiter + Feuer) und "Kombination < syntaktisch erste Konstituente + syntaktisch zweite Konstituente" bei Koordination (1c: it. agrodolce < agro + dolce).
PhiN 9/1999: 14 |
Der Forderung von Mel'uk (1976: 63) zufolge, der - in einem formalen Ansatz zur Analyse von Wortbildungsverfahren - getrennte Ableitungsformeln für Ausdruck und Inhalt präsentiert, müssen ausdrucks- und inhaltsseitige Aspekte bei der Untersuchung von Wortbildungsprodukten strikt auseinandergehalten werden. Gemäß diesem Postulat ist das Grundprinzip des hier angewandten Analyseverfahrens die streng separate Beschreibung von Ausdruck und Inhalt. Da es in diesem Aufsatz um die semantische Analyse von Kompositionen und Syntagmen geht, wurde im vorigen Abschnitt bereits alles notwendige über ausdrucksseitige bzw. nicht semantische Aspekte unseres Untersuchungsgegenstandes gesagt. Wenden wir uns also nun der Inhaltsseite zu. In diesem Abschnitt soll der semantische "Übertragungsweg", der vom Inhalt der Konstituenten zum Inhalt der Wortkombination führt, verdeutlicht (3.1.) und die semantischen Relationen, die auf diesem Weg verwirklicht werden können, vorgestellt werden (3.2.).
Die semantische Grundstruktur von nominalen und adjektivischen Wortkombinationen ist folgende:
Auf das Beispiel (1a) übertragen, sieht diese zunächst abstrakte Formel so aus: ('Feuer', 'Leiter') → 'Feuerleiter'. Das Komma in der Klammer verdeutlicht, daß der Inhalt der Wortkombination nicht auf eine Addition der beiden Konstituenteninhalte zurückzuführen ist. Der Pfeil symbolisiert, daß dieser Inhalt zwar irgendwie von diesen Konstituenteninhalten "abgeleitet" ist, daß er aber nicht notwendigerweise in einem semantischen Äquivalenzverhältnis zu deren Kombination steht. Das kann man an unserem Eingangsbeispiel sard. piske dessa kamba 'Fisch des Beins' sehen (die bloße Addition von FISCH und BEIN ergibt ja nicht automatisch WADE). Wichtig ist, daß weniger die einzelnen Inhalte a (Inhalt der ersten Konstituenten, z.B. 'Fisch'), b (Inhalt der zweiten Konstituenten, z.B. 'Bein') und c (Inhalt der Kombination, z.B. 'Wade') im Vordergrund stehen, als vielmehr die Beziehungen, in denen sie zueinander stehen und die mit symbolisiert sind. Dazu muß gefragt werden, in welcher Beziehung a zu c und b zu c stehen:
Bei sard. piske dessa kamba wird also gefragt, in welchem Verhältnis 'Fisch' zu 'Wade' und in welchem Verhältnis 'Bein' zu 'Wade' stehen. Diese Verhältnisse (also a → c und b → c) sind semantisch motivierte Beziehungen, die man auch als semantische Relationen bezeichnen kann. Mit einem begrenzten und zugleich lückenlosen Inventar bestimmter Typen semantischer Relationen, wie er in den nächsten Abschnitten vorgestellt wird, läßt sich nun eine doppelte semantische Übertragung beschreiben (z.B.: 'Wade' <Relation X< 'Fisch' + 'Wade' <Relation Y< 'Bein').
Die Universalität des hier vorgestellten Analyseverfahrens liegt darin begründet, daß es erstens völlig unabhängig von der Ausdrucksebene konzipiert ist, und daß es zweitens nicht einzelne Inhalte beschreibt, die ja der individuellen und historischen Ausprägung der jeweiligen Sprache völlig einheim gestellt sind, sondern die Beziehungen, die zwischen diesen Inhalten bestehen. Werden diese Beziehungen auf hinreichend allgemein Art typisiert, erhält man ein einheitliches und leicht verständliches Inventar an semantischen Relationen, mit dessen Hilfe verschiedene sprachliche Phänomene beschrieben werden können, wie z.B. Polysemie, Bedeutungswandel, Wortbildung und Rhetorik. Das hier vorgestellte Inventar beruht auf einer Kombination der traditionellen Sinnrelationen Synonymie, Hyponymie, Kohyponymie und Antonymie (3.2.2.) mit den semantischen Übertragungsverfahren Metapher und Metonymie (3.2.1.).
In den Arbeiten von Koch (u.a. 1987, 1995, 1996, 1999) werden zwei Grundrelationen postuliert, deren Beschreibung durch die aristotelische Assoziationslehre inspiriert ist, die aber auch mit verschiedenen Lehren der kognitiven Psychologie kompatibel sind: Similarität (Ähnlichkeit) und Kontiguität (Berührung, Zusammenhang). Demnach ist Similarität Grundlage metaphorischer und Kontiguität Grundlage metonymischer Beziehungen. Dazu einige Beispiele:
(2) Metaphorische Relationen (Similarität)
a. Polysemie: sp. forjar 'schmieden' / 'ersinnen (Pläne, Lügen, Ränke)'
b. Bedeutungswandel: lt. testa 'Krug' > afr. teste 'Schädel'
c. Suffigierung: asp. carro 'Wagen' > asp. carrillo 'Kiefer'
PhiN 9/1999: 15 |
Metaphorische Beziehungen sind das sprachliche Abbild von Similaritätsassoziationen. Im Deutschen begegnet man der Parallele des Beispiels (2a) im Ausdruck Pläne schmieden. Wie in diesem Beispiel, werden abstrakte Metaphern häufig zur Bezeichnung von Bewußtseinsvorgängen verwendet. Beispiel (2b) zeigt, wie eine ursprünglich rhetorisch verwendete metaphorische Übertragung (Vergleich des SCHÄDELs mit einem KRUG) im Laufe der Zeit zu einer ganz normalen und unauffälligen Wortverwendung wird. War testa im Vulgärlateinischen noch ein dysphemistischer Ausdruck (vgl. dt. Birne oder Rübe in gleicher Verwendung), ist es im Altfranzösischen das regelgerechte Wort für 'Schädel' geworden. Den metaphorischen "Kanal" in der Wortbildung zeigt (2c), wo der KIEFER mit einem WAGEN verglichen wird. Auch unser Eingangsbeispiel sd. piske dessa kamba 'Wade' gehört hierher, da das Element piske 'Fisch' metaphorisch übertragen ist.
(3) Metonymische Relationen (Kontiguität)
a. Polysemie: dt. Glas 'Material' / 'Trinkgefäß'
b. Bedeutungswandel: lt. testimonium 'Zeugnis' > fr. témoin 'Zeuge'
c. Suffigierung: sp. toro 'Stier' > torero 'Stierkämpfer'
Metonymische Relationen aktivieren Assoziationen zwischen Dingen, die sich oft berühren oder in engem Zusammenhang stehen. Da TRINKGEFÄSSE (3a) überwiegend aus dem Material GLAS bestehen, ist es verständlich, wenn sie auch mit dem Ausdruck Glas bedacht werden (übrigens auch auf französisch und englisch, nicht aber auf spanisch und italienisch). Interessant ist auch die Geschichte von fr. témoin 'Zeuge' (3b), dessen lateinisches Etymon (testimonium) noch 'Zeugnis' bedeutete. Der entscheidende Zusammenhang zwischen dem ZEUGEn und seiner AUSSAGE bringt natürlich eine starke Kontiguitätsbeziehung hervor. Das aus sp. toro 'Stier' abgeleitete Wortbildungsprodukt torero 'Stierkämpfer' versprachlicht eine Kontiguität zwischen STIERKÄMPFER und STIER im Frame STIERKAMPF. Frames (wörtl.: "Rahmen", vgl. Minsky 1975, Fillmore 1975) stehen für bestimmte Erfahrungsmilieus, in denen verschiedene Einzelphänomene erwartbar sind. Im Supermarkt z.B. erwarten wir Einkaufswagen, mit Waren gefüllte Regale, Käse- und Fleischtheken, Kassen, Verkäufer und Verkäuferinnen. Es handelt sich dabei um Dinge, die wir miteinander als kontig assoziieren, sozusagen Bündel von Kontiguitäten (vgl. Koch 1999: 5-9, Waltereit 1998: 16-19). Zur Kontiguität gehören auch die Teil-Ganzes-Relationen, die z.B. zwischen dem SUPERMARKT als Frame-Begriff und den EINKAUFSWAGEN, KASSEN etc. bestehen dementsprechend kann man Pars-pro-toto- und Totum-pro-parte-Übertragungen, die der rhetorischen Figur der Synecdoché entsprechen, zur Metonymie zählen (vgl. u.a. Blank 1997: 253ff., Le Guern 1973: 36ff.). Bezüglich unseres sardischen Beispiels können wir feststellen, daß das BEIN ebenso ein Frame ist wie der SUPERMARKT. In diesen Frame gehört auch die WADE. Durch die Nennung des Begriffs, der für das ganze Frame steht (kamba), wird dem Hörer klar, daß es sich bei sd. piske dessa kamba nicht um irgendeinen FISCH handelt, sondern um etwas, das im Frame BEIN zu situieren ist.
Eine ähnliche, aber anders gelagerte Vielfalt an sprachlichen Phänomenen ist auch im Zusammenhang mit den traditionnellen Sinnrelationen zu beobachten. Neben der Synonymie, die im Grunde kaum erklärt werden muß, weil die semantische Identitätsrelation leicht nachzuvollziehen ist (vgl. dt. Samstag und Sonnabend4), gibt es noch die Hyponymie (Ober-/Unterbegriffsbeziehung) und Kohyponymie bzw. Antonymie (Nebenbegriffsbeziehungen). Sie sind im Bereich von Polysemie und Bedeutungswandel weniger frequent (vor allem kohyponymische Beziehungen), aber insbesondere die taxonomische Inklusion spielt bei Wortkombinationen eine herausragende Rolle. Auf der konzeptuellen Ebene, auf der auch Similarität und Kontiguität angesiedelt sind, beruht Hyponymie auf der taxonomischen Inklusion von Konzepten. Die taxonomische Inklusion ist nichts anderes als eine Ober-/Unterbegriffsbeziehung, wie etwa zwischen TIER und HUND, MENSCH und FRAU, MÖBELSTÜCK und STUHL oder WAGEN und KFZ. Diese Konzeptpaare sind teilidentisch, weil die Extension (die Menge der mit dem Begriff gemeinten Phänomene) des Unterbegriffs in der des Oberbegriffs enthalten ist und gleichzeitig die Intension (die Menge der dem Begriff zugeordneten Eigenschaften) des Oberbegriffs in der des Unterbegriffs enthalten ist, kurz: man kann sagen ein Hund ist ein Tier, ein Stuhl ist ein Möbel, etc.5
PhiN 9/1999: 16 |
(4) Hyponymische Relationen (taxonomische Inklusion)
a. Polysemie: fr. homme 'Mann' / 'Mensch'
b. Bedeutungswandel: lt. passer 'Sperling' > sp. pájaro '(kleiner) Vogel'
c. Suffigierung: lt. artus 'Gelenk' > articulus 'kleines Gelenk'
Ein besonders markantes Beispiel von Polysemie mit hyponymen Bedeutungen ist fr. homme (4a), das sowohl 'Mann' als auch 'Mensch' bedeutet.6 Diese Konstellation findet sich in vielen Sprachen (u.a. englisch, spanisch, italienisch, etc.). Beispiel (4b) ist eine Generalisierung, die gewissermaßen als diachrones Ergebnis einer hyponymischen Übertragung zum Allgemeineren hin zu verstehen ist. Hieß lt. passer noch 'Sperling', bedeutet sein erbwörtlicher Nachfahre im heutigen Spanischen 'kleiner Vogel' (mit starker Tendenz zur allgemeineren Bedeutung 'Vogel'). Die Bedeutung des lateinischen Wortbildungsprodukts articulus 'kleines Gelenk' (4c) ist hyponym zur Bedeutung der Ableitungsbasis artus 'Gelenk', denn KLEINES GELENK steht für eine extensionale Teilmenge von GELENK.
Die Kohyponymie und die Antonymie beruhen auf der konzeptuellen Ebene auf taxonomischer Exklusion oder Inkompatibilität (der passendere Ausdruck Opposition kollidiert leider mit der strukturalistischen Terminologie und könnte daher mißverstanden werden). Bei der taxonomischen Exklusion oder taxonomischen Inkompatibilität (vgl. auch Lyons 1968: 458f.) handelt es sich um eine Nebenbegriffsbeziehung, die dadurch definiert ist, daß ein gemeinsamer Oberbegriff vorliegt, der einer Überlappung der Intensionen der beiden Unterbegriffe entspricht, und zugleich keine Überlappung der Extensionen vorliegen kann (daher Exklusion oder Inkompatibilität), wie bei HUND und KATZE, FRAU und MANN, STUHL und TISCH, KFZ und WAGGON. Man kann also in keinem Fall sagen: *ein Hund ist eine Katze, *eine Frau ist ein Mann, *ein Stuhl ist ein Tisch oder *ein Automobil ist ein Eisenbahnwagen oder umgekehrt.
(5) Kohyponymische Relationen (taxonomische Exklusion)
a. Polysemie: lt. altus 'hoch' / 'niedrig'
b. Bedeutungswandel: afr. aucun 'jemand' > nfr. 'niemand'
c. Suffigierung: sp. rata 'Ratte' > ratón 'Maus'
Das klassische Vorbild antithetischer Polysemie ist lt. altus (5a), das sowohl 'hoch' als auch 'niedrig' bedeutet. Aufgrund grammatischer Besonderheiten des Französischen (doppelte Negation, ne...pas 'nicht', hier: ne...aucun 'niemand') hat afr. aucun 'jemand' (5b) im heutigen Französisch die gegensätzliche Bedeutung 'niemand' angenommen. Schließlich folgt die Bildung von sp. ratón (5c) mit der Bedeutung 'Maus' aus rata 'Ratte' und dem Suffix -ón der Kohyponymie-Relation, die beide Bedeutungen innerhalb des Wortfeldes der 'Nagetiere' verbindet.7
Der hier vorgestellte Beschreibungsapparat der semantischen Relationen vereint wie gesehen die traditionellen Sinnrelationen mit den aus der Rhetorik stammenden Übertragungsformen Metonymie und Metapher.
PhiN 9/1999: 17 |
Dabei sollte aus terminologischen Gründen klargestellt werden, daß die besprochenen konzeptuellen Relationen und sprachlichen Übertragungen häufig korrelieren, aber nicht glechzusetzen sind. Zusammenfassend zeigt die folgende Tabelle unsere semantischen Relationen auf der konzeptuellen Ebene in der linken Spalte und auf der sprachlichen Ebene in der rechten, und im Sinne von sprachlichen Übertragungstypen (rein einzelsprachlich gesehen, kann man die hier vorgestellten semantischen Relationen als grundlegende semantische "Techniken der Rede"8 auffassen). Dabei ergibt sich etwa folgende Äquivalenz:
|
Da die taxonomische Inklusion bei der semantischen Übertragung abstrahierend oder konkretisierend sein kann (vgl. Bsple 4b und 4c), kann man auch von Generalisierung und Spezialisierung sprechen. Im Gegensatz dazu ist die kohyponymische Übertragung ebensowenig richtungsgebunden wie die Metapher und die Metonymie, die kann man ganz allgemein als Techniken des Vergleichs und der Bezugsetzung ansehen kann. Die Identitäts-Relation, die auch zu den semantischen Relationen zu zählen ist, kann genaugenommen nicht als Typ der semantischen Übertragung angesehen werden.
Subordination ist das typische grammatische Muster von nominalen Kompositionen und Syntagmen. Dabei ist das grammatisch subordinierte Element das Determinans und das superordinierte Element das Determinatum. In einer Komposition wie z.B. dt. Fernsehpreis, wird Fernsehen von Preis regiert. Man kann dies unter anderem daran feststellen, daß das Genus des Kompositums von Preis bestimmt wird. Deutlicher noch ist Waschmaschine, wo auch die Wortart durch das Determinatum (Maschine) vorgegeben wird. Die subordinierenden Wortkombinationen zeichnen sich dadurch aus, daß die semantischen Relationen der jeweiligen Konstituenteninhalte mit dem Inhalt der ganzen Konstruktion niemals identisch sind.
PhiN 9/1999: 18 |
Die Spezialisierung eines Oberbegriff anhand eines kontigen Konzepts ist die mit Abstand am häufigsten zu findende semantische Konstellation von Kompositionen und Syntagmen, insbesondere im nominalen Bereich. Koch (1999: 15) verdeutlicht dies am Beispiel engl. lemon tree 'Zitronenbaum' < tree 'Baum' + lemon 'Zitrone':
[...] there exists in english a [...] very important [...] type of nominal composition N1 + N2, in which the concept designated by N1 [hier: lemon, Anm. v. mir] and the concept designated by N1 + N2 [hier: lemon tree, Anm. v. mir] are contiguous. |
Koch zielt hier vor allem auf die Rolle der Kontiguität in der Wortbildung ab, ergänzend bleibt anzumerken, daß gerade bei diesem semantischen Muster auch die zentrale Rolle der Spezialisierung zum Tragen kommt. Allerdings sind die Rollen unterschiedlich verteilt: Die ZITRONE als Teilkonzept des Frames ZITRONENBAUM bewirkt die Spezialisierung des Oberbegriffs BAUM zu ZITRONENBAUM. Dabei ist das semantisch spezialisierte auch das grammatisch superordinierte Element (hier tree), während das semantisch kontige auch das grammatisch subordinierte Element darstellt (lemon). Die semantische Konstellation dieses Standardtyps kann folgendermaßen dargestellt werden:
Das Determinatum ist also immer der Oberbegriff des Kompositums oder Syntagmas, man kann es demzufolge erfragen: ist ein ZITRONENBAUM ein BAUM ? Wenn die Frage bejaht werden muß oder der entsprechende Aussagesatz wahr ist, wird die syntagmatische Bedeutung durch Spezialisierung des Determinatums hergeleitet. Kontiguität kann im Allgemeinen so erfragt werden: haben ZITRONEN etwas mit ZITRONENBÄUMEN zu tun ? Wenn ja, dann liegt Kontiguität vor und die Spezialisierung des Grundworts wurde mit Hilfe dieser Kontiguität zwischen dem Inhalt des Bestimmungsworts und dem resultierenden Inhalt bewerkstelligt.
(6) Bezeichnung durch Spezialisierung + Kontiguität
a. engl. bell-boy 'Hotelpage' < boy 'Junge' + bell 'Klingel'
b. sp. máquina de vapor 'Dampfmaschine' < máquina 'Maschine' + vapor 'Dampf'
c. engd. öss bratscher 'Oberarmknochen' < öss 'Knochen' + bratscher 'Oberarm- (Adj.)'
d. fr. pompe(s) funèbre(s) 'Beisetzungszeremonie' < pompe 'Zeremonie' + funèbre 'Beisetzungs- (Adj.)'
Im Englischen heißt der HOTELPAGE bell-boy (6a), wörtlich "Klingeljunge", was darauf hinweist, daß er nach den Wünschen der Gäste fragt, sobald diese ihre Zimmerklingel betätigen. Dabei wird das in diesem Zusammenhang ziemlich weitläufige übergeordnete Konzept JUNGE durch das Frame-Konzept KLINGEL so weit spezifiziert, daß klar wird, worum es dabei geht. Nach dem gleichen Muster der Spezifizierung eines Oberbegriffs verläuft die semantische Ableitung von sp. máquina de vapor 'Dampfmaschine' (6b): Hiermit können nur diejenigen MASCHINEn bezeichnet werden, die mit DAMPF funktionieren. Im Engadinischen werden mit öss bratscher (6c) KNOCHEN bezeichnet, die sich im OBERARM befinden und im Französischen sind mit pompe(s) funèbre(s) (6d) nur diejenigen ZEREMONIEn gemeint, bei denen jemand beerdigt wird.
PhiN 9/1999: 19 |
Die Spezialisierung des Determinatumsinhalts kann jedoch auch mit Hilfe eines metaphorischen Determinansinhalts erreicht werden (vgl. auch Blank 1998: 19f.). Das Beispiel in der folgenden Graphik, die das semantische Muster des Typs Spezialisierung durch Metapher darstellt, mag dies verdeutlichen:
Im Kompositum pescecane, wörtlich "Hundfisch", wird ein metaphorischer Vergleich zwischen einem Hai und einem Hund gezogen, um den Oberbegriff FISCH zu spezifizieren (wahre Aussage: ein Hai ist ein Fisch; unwahre Aussagen *ein Hai ist ein Hund, *Haie haben etwas mit Hunden zu tun) . Möglicherweise beruht der Vergleich auf der vermeintlichen Gefährlichkeit dieser Tiere.
(7) Bezeichnung durch Spezialisierung + Similarität
a. dt. Schlüsselbein < Schlüssel + Bein 'Knochen'
b. engl. tooth-shell 'längliche, röhrenförmige Muschel' < shell 'Muschel' + tooth 'Zahn'
c. sp. hombre rana 'Froschmann' < hombre 'Mann' + rana 'Frosch'
Nach demselben Muster wie pescecane funktionieren die Beispiele in (7), wobei in dt. Schlüsselbein (7a) die Form des KNOCHENs mit einem SCHLÜSSEL verglichen wird. In engl. tooth-shell 'längliche, röhrenförmige Muschel' (7b) wird die MUSCHEL ebenfalls wegen ihrer Form mit einem ZAHN verglichen, während in sp. hombre rana 'Froschmann' (7c) der TAUCHER wegen der Taucherflossen mit einem FROSCH assoziiert wird. Vergleichsweise ist die Metapher von pescecane allerdings komplizierter: Hier wird eine bestimmte Situation (GEFAHR) im Zusammenhang mit HAI und HUND verglichen.
Wenn wir uns das Eingangsbeispiel sard. piske dessa kamba 'Wade' noch einmal ins Gedächtnis rufen, wird klar, daß es sich hier nicht um die Spezifizierung eines Oberbegriffs handelt, sondern daß bei diesem Typ von Komposition das Grundwort selbst metaphorisch hergeleitet wird (vgl. auch Blank 1998: 20). Neben der Oberbegriffsprobe ist für das Determinatum auch die Kontiguitätsprobe erfolglos (*eine Wade ist ein Fisch; *Waden stehen in Beziehung zu Fischen). Beim Determinans hingegen ist die Kontiguitätsprobe erfolgreich (Waden stehen in Beziehung zu Beinen). Die Kontiguitätsrelation trägt, indem sie den Bezug zum Frame BEIN versprachlicht, entscheidend dazu bei, daß die metaphorische Übertragung von FISCH zu WADE auch verstanden wird, und damit erfolgreich ist (daher "Metapher durch Kontiguität").
Eine weitere eindrucksvolle Versprachlichung der Wade, die das selbe Muster aufweist, findet sich im engadinischen Ausdruck vantrigl de la chamma, der so viel heißt wie "Bäuchlein des Beins". Hier wird die fleischige Substanz der Wade mit einem KLEINEN BAUCH verglichen und das Zielkonzept durch den kontigen Rahmenbegriff BEIN abgesichert.
PhiN 9/1999: 20 |
Im folgenden Beispiel (8a) wird mit dem Wort dt. Wüstenschiff ein KAMEL bezeichnet, wobei hier wohl die Schaukelbewegungen, die man beim Reiten auf diesem Tier empfindet, mit denen eines SCHIFFs verglichen werden. Die italienische Bezeichnung gola del cammino für ENGPASS (8b) vergleicht die begrenzte Durchlässigkeit einer WEGENGE und der KEHLE. Spanisch brazo del mar für MEERESARM (8c) sieht Ähnlichkeiten zwischen einem bestimmten Küstenverlauf und der Form eines ARMS. Aus der Bezeichnung fr. flûte à champagne (8d) kann man womöglich herauslesen, daß man in Frankreich den CHAMPAGNER meistens in länglichen Gläsern trinkt, die an die Form einer FLÖTE erinnern.
(8) Bezeichnung durch Metapher + Kontiguität
a. dt. Wüstenschiff < Wüste + Schiff
b. it. gola del cammino 'Engpaß' < gola 'Kehle' + cammino 'Weg'
c. sp. brazo del mar 'Meeresarm' < brazo 'Arm' + mar 'Meer'
d. fr. flûte à champagne 'Sektkelch' < flûte 'Flöte' + champagne 'Champagner'
Bei den Arbeiten zur Erstellung des Dictionnaire Etymologique et Cognitif des Langues Romanes (DECOLAR)9 sind Fälle eines ganz besonderen Typs von Wortkombination zutage getreten, bei dem die Relationen Identität und Kontiguität kombiniert sind (daß die folgenden Beispiele alle aus dem Bereich der Körperteile kommen, beruht lediglich auf der Tatsache, daß diese Beispiele alle aus dem DECOLAR stammen, dessen Sachbereich zur Zeit hauptsächlich die Körperteile sind):
(9) Bezeichnung durch Identität + Kontiguität
a. gal. palma mano 'Handfläche' < palma 'Handfläche' + mano 'Hand'
b. fr. plante du pied 'Fußsohle' < plante 'Fußsohle' + pied 'Fuß'
c. pt. rodela do joelho 'Kniescheibe' < rodela 'Kniescheibe' + joelho 'Knie'
d. okz. sòla del pe 'Fußsohle' < sòla 'Fußsohle' + pe 'Fuß'
Man kann diesen Typ als disambiguierende Wortkombination bezeichnen, weil es auf der Hand liegt, daß er dazu dient, lexikalischen Mißverständnissen vorzubeugen, die aufgrund von Homonymien oder Polysemien entstehen könnten. Im Galicischen heißt palma (9a) auch 'Fußsohle' und wird damit in ganz ähnlichen Kontexten verwendet wie in der Bedeutung 'Handfläche'. Im Französischen gibt es zwei Wörter mit der Lautung plante (9b), wobei eines 'Fußsohle' und das andere 'Pflanze', 'Gestrüpp', 'Pflanzung', 'Fundament' und 'Grundriß' heißt (vgl. die zwei Einträge im Petit Robert, s.v. - zwar haben beide Wörter einen gemeinsamen etymologischen Vorfahren, lt. planta, entscheidend ist jedoch, daß sich die Sprecher dieser Verwandtschaft meist nicht bewußt sind, womit hier eine Homonymie vorliegt). Im Portugiesischen heißt rodela (9c) neben 'Kniescheibe' auch 'Rädchen', 'Scheibe' und 'Stück einer Frucht oder eines anderen Lebensmittels' (Aurelio, s.v.), und für das Okzitanische sòla (9d) führt das Standardwörterbuch von Louis Alibert neben 'Fußsohle' fünfzehn weitere Bedeutungen an (Alibert, s.v.).
PhiN 9/1999: 21 |
Auffällig an der disambiguierenden Wortkombination ist, daß eine semantische Übertragung, die keine semantische Veränderung zum Ziel hat, irgendwie paradox erscheint. Die Wortkombination trägt metasprachliche Züge, denn tatsächlich kann ein Wort mit diesem Verfahren - unter Zuhilfenahme der Kontiguität des Determinans (daher "Identität durch Kontiguität") - vor drohendem lexikalischen Schwund bewahrt werden.
Aus dem Deutschen sind vielfache semantische Ableitungen hinlänglich bekannt. Betrachten wir einmal ein Beispiel aus dem berühmt-berüchtigten deutschen Bürokratenvokabular: Personalmittelbedarfsantrag. Hier ist eine mehrfache Dekomposition zu leisten, bei der die Konstituenten in das richtige Verhältnis zueinander gesetzt werden müssen:
Obwohl die semantischen Muster dieser Konstruktion im einzelnen eher banal sind, führt die ungezügelte Reihung bei der Analyse zu regelrechten Klammerproblemen (ein erster Dekompositionsschritt vom Typ Bedarfsantrag + Personalmittel steht als – unwahrscheinlichere – Alternative der Zergliederung Personalmittelbedarf + Antrag gegenüber). Mehrfachreihungen kommen allerdings auch außerhalb deutscher Amtsstuben vor, insbesondere sind dreigliedrige Wortkombinationen relativ häufig, etwa in technischen oder wissenschaftlichen Ausdrücken (z.B. dt.ling. außereinzelsprachlich oder fr. boîte à lettres électronique 'Mailbox') und können auch im Zusammenhang mit Metaphern (z.B. engl. Backend-Database10 'zentrales Datenbankprogramm', das im "Hintergrund" läuft) oder Metonymien vorkommen (z.B. engl. client-server dialog, wobei CLIENT und SERVER in pars-pro-toto-Kontiguität zur Rechner-Interaktion CLIENT-SERVER, und wiederum selbst aus zwei analogen Metaphern entstanden sind: client 'Kunde' > 'abrufender Rechner', server 'Diener' > 'Datenliefernder Rechner').
PhiN 9/1999: 22 |
Im Gegensatz zur vielfachen semantischen Ableitung, wo eine analytische Zerlegung in simple Doppelableitungen möglich ist, läßt sich eine solche Dekonstruktion bei verschachtelten Ableitungen nicht in einem 1:1-Verhältnis zwischen Ausdruck und Inhalt bewerkstelligen. Ein sehr auffälliger und bekannter Typ der verschachtelten Ableitung ist das romanische Kompositionsverfahren vom Typ pt. porta-bagagem 'Gepäckträger', bei dem von einem Verb ausgehend (hier: portar 'tragen') das Instrument des Verbgeschehens mit Hilfe eines spezifizierten Objekts versprachlicht wird. Hier sieht die Analyse folgendermaßen aus: GEPÄCK TRAGEN ist eine Spezialisierung von ETWAS TRAGEN durch das kontige Objekt GEPÄCK. Bis hier liegt also das Standardverfahren Spezialisierung durch Kontiguität vor, allerdings ist das Zielkonzept GEPÄCKTRÄGER und nicht GEPÄCK TRAGEN. Dieser letzte Schritt wird nun nicht durch Kombination mit einem weiteren Lexem bzw. Morphem erreicht (wie in einer Paraphrase des Typs *Gepäcktragevorrichtung, oder wie in einer Kombination von Komposition und Suffigierung, wie im Deutschen Gepäck + trag(-en) + -er, vgl. auch engl./dt. kickstarter), sondern duch bloße metonymische "weiter"-Übertragung der vorhandenen Morphemkombination. Die folgende Graphik verdeutlicht dies:
Dieser Kompositionstyp ist ein Spezialfall der sogenannten integralen Metonymie. Blank (1998: 22f.) beschreibt integrale Metaphern und Metonymien als "gesamthaft" metaphorische oder metonymische Komposita. Sie weisen im Prinzip die gleiche Struktur auf wie das Bsp. pt. porta-bagagem, d.h. eine interne doppelte Ableitung nach dem Muster Spezialisierung + Kontiguität gekoppelt mit einer externen metaphorischen (10) oder metonymischen (11) Ableitung:11
(10) Integrale Metapher
a. dt. Löwenmaul 'z.d. Rachenblütlern gehörende Gartenpflanze' (Wahrig, s.v.) < Maul + Löwe
b. fr. dent-de-loup 'Widerhaken' < dent 'Zahn' + loup 'Wolf'
c. may.k.12 saq wach 'Kartoffel < saq 'weiß' + wach 'Gesicht'
PhiN 9/1999: 23 |
Bei diesen Beispielen für integrale Metaphern gibt es zwischen den Ausgangskonzepten und dem Zielkonzept nur mittelbare semantische Relationen. So läßt sich beim besten Willen keine semantische Relation zwischen LÖWE und LÖWENMAUL (10a) oder zwischen WOLF und WIDERHAKEN (10b) erkennen. Hier werden die Konzepte MAUL EINES LÖWEN und ZAHN EINES WOLFES in einer Art "internen Ableitung" per Spezialisierung durch Kontiguität hergeleitet und dann insgesamt metaphorisch auf die Blume LÖWENMAUL bzw. auf den WIDERHAKEN übertragen. Ebenso ist der Mechanismus bei (10c), wo WEISSES GESICHT als Metapher für KARTOFFEL zunächst durch die Kombination von GESICHT und WEISS hergeleitet ist. WEISS ist hier allerdings eine Eigenschaft, die von der Metapher transportiert wird und damit auch mit KARTOFFEL kontig ist. Dennoch handelt es sich auch hier zweifellos um eine integrale Metapher.
(11) Integrale Metonymie
a. sp. piel roja 'Indianer' < piel 'Haut' + roja 'rot'
b. dt. Blauhelm 'UNO-Soldat' < Helm + blau
c. fr. pied-à-terre 'Zweitwohnsitz' < pied 'Fuß' + terre 'Erde'
Bei der Versprachlichung des Konzepts INDIANER (11a), wird auf die Eigenschaft der Indianer zurückgegriffen, (angeblich) rothäutig zu sein, indem die Spezialisierung des Oberbegriffs HAUT durch das kontige Konzept ROT direkt metonymisch auf das ganze Wesen weiterübertragen wird. Ähnlich verläuft die Versprachlichung des UNO-SOLDATS (11b), der als solcher durch einen BLAUen HELM erkennbar wird, wofür in einer internen Bedeutungsübertragung HELM durch BLAU spezifiziert wird. Bei pied-à-terre (11c) liegt so etwas wie eine doppelte Integrale Metonymie vor, weil mit der inneren Ableitung das Konzept DEN FUSS AUF DIE ERDE SETZEN versprachlicht wird, der zunächst metonymisch auf das Konzept ABSTEIGEN/RASTEN weiterübertragen wird, das wiederum selbst metonymisch mit der ZWEITWOHNUNG in Verbindung gebracht wird.
Meines Erachtens muß man bei der Analyse verschachtelter semantischer Übertragungen versuchen, den semantischen Weg von den Quellkonzepten zum externen Zielkonzept in seiner ganzen Komplexität zu rekonstruieren. Integrale Metaphern und Metonymien erfordern daher eine Erweiterung der im Abschnitt 3.1. vorgestellten Formel der semantischen Ableitung:
bzw.
(a [c], b [c]) d
Auf Blauhelm (11b) übertragen ergibt dies:
(HELM [BLAUER HELM], BLAU [BLAUER HELM]) UNO-SOLDAT
Die eckigen Klammern deuten an, daß die Zwischenform, also das lexikalisch-morphologische Produkt der internen Ableitung, virtuell ist, da der aus der Zerlegung in alle semantischen Schritte resultierende innere Schritt nicht zum Ausdruck kommt und auch nicht für einen Redeinhalt steht. Die Analyse verschachtelter Ableitungen würde konkret etwa so aussehen:
(12) Komplette Analyse verschachtelter Ableitungen
a. dt. Blauhelm 'UNO-Soldat'
<Kontiguität<
[Blauhelm 'blauer Helm']
<Spezialisierung+Kontiguität<
Helm + blau
b. fr. dent-de-loup 'Widerhaken'
<Similarität<
[dent de loup 'Wolfszahn']
<Spezialisierung+Kontiguität<
dent 'Zahn' + loup 'Wolf'
PhiN 9/1999: 24 |
Einen weiteren Sonderfall der verschachtelten Ableitung, den man jedoch nicht zu den integralen Metonymien und Metaphern zählen kann, möchte ich am Beispiel dt. Schwertfisch erläutern. Blank (1998: 18f.) ordnet den analogen italienischen Ausdruck pesce spada in die Kategorie Spezifizierung durch Kontiguität, weil "die schwertförmig zulaufende Nase in der Tat das "herausragende" Merkmal dieses Tiers" ist (1998: 19). Anschließend stellt er allerdings auch fest, daß es "sich jedoch nicht um ein Schwert, sondern um eine schwertähnliche Verlängerung der Nase [handelt]. Mit anderen Worten: hinter der Kontiguität SCHWERTFISCH-SCHWERT verbirgt sich eine Similarität SCHWERTÄHNLICHE NASE-SCHWERT" (1998: 19). Damit wird implizit auf eine veschachtelte semantische Ableitung angespielt, bei der, ähnlich wie bei der doppelten integralen Metonymie in Beispiel (11c), die Konstituente Schwert in zwei Schritten in den Inhalt der Wortkombination überführt wird, wie die folgende Graphik verdeutlicht:
Gerade im Bereich der Tierbezeichnungen finden sich viele solche Konstruktionen (Hammerhai, etc.). Ein ähnlich gelagerter Fall dürfte auch fr. technologie de pointe 'Spitzentechnologie', wo die Kontiguität zu FORTSCHRITTLICHKEIT aus einem metaphorischen Vergleich mit SPITZE resultiert.
Wir können anhand der in diesem Abschnitt besprochenen Beispiele feststellen, daß Sprecher manchmal hochkomplexe Leistungen erbringen, um zu bezeichnen, was sie meinen: Auf der Ausdrucksseite reihen sie zuweilen vielfach Lexeme und Morpheme aneinander (Donaudampfschiffahrtsgesellschaft) und bilden damit "morphologische Ungetüme"; auf der Inhaltsseite produzieren sie "grammatische Grashüpfer", die mit geringem morphologischem Aufwand zahlreiche grammatische und semantische Verrenkungen vollführen (Wortartwechsel und verschachtelte semantische Ableitung). Auffällig ist, daß das Deutsche eher zur ausdrucksseitigen und das Romanische und Englische eher zur inhaltsseitigen Komplexität neigt.
Bei der koordinierenden Wortkombination werden die Konstituenten parataktisch aneinander gereiht, es gibt in solchen Verbindungen kein Regens und kein Dependens. Demzufolge müssen die Konstituenten die gleiche Wortart aufweisen. Möglicherweise hängt damit auch zusammen, daß bisher nur solche semantischen Muster von koordinierenden Wortkombinationen bekannt sind, bei denen die Relationen der jeweiligen Konstituenten zum Ableitungsprodukt identisch sind (vgl. Blank 1998: 21f.). Die folgenden Abschnitte beschreiben zwei semantische Typen koordinierender Wortkombination, doppelte Spezialisierung (5.1.) und doppelte Kontiguität (5.2.).
PhiN 9/1999: 25 |
Bei der doppelten Spezialisierung steht das Zielkonzept als Unterbegriff in einem doppelten taxonomischen Inklusionverhältnis zu den beiden Determinanten. In der Nachfolgenden Graphik wird die doppelte Spezialisierung am Beispiel des aus dem Chinarestaurant bekannten Ausdrucks süß-sauer verdeutlicht:
SÜSS-SAUER kann sowohl als eine bestimmte Art von SÜSS als auch als ein bestimmte Art von SAUER betrachtet werden. Als Unterbegriff von SÜSS wird es durch das kontige Konzept SAUER spezifiziert und umgekehrt. Daher kann man feststellen, daß den jeweiligen taxonomischen Inklusionsbeziehungen zugleich Kontiguitätsbeziehungen unterliegen: SÜSS spezifiziert SAUER per Kontiguität und umgekehrt. Diese Besonderheit weisen auch die anderen Beispiele dieses Typs auf (13):
(13) Bezeichnung durch doppelte Spezialisierung
a. it. porta-finestra 'Balkontür' < porta 'Tür' + finestra 'Fenster'
b. fr. moissoneuse-batteuse 'Mäh- und Dreschmaschine' < moissoneuse 'Mähmaschine' + batteuse 'Dreschmaschine'
c. dt. taubstumm < taub + stumm (veraltet, wirkt inzwischen diskriminierend)
Die FENSTERTÜR (13a), die man im Deutschen mangels eines besseren Ausdrucks mit Balkontür übersetzt, ist sowohl ein FENSTER als auch eine TÜR und somit ein Unterbegriff beider Konzepte (vgl. Blank 1998: 21).13 Genauso verhält es sich mit dem MÄHDRESCHER (13b) im Verhältnis zu MÄHMASCHINE und DRESCHMASCHINE. Schließlich ist TAUB ebenso wie STUMM ein Oberbegriff von TAUBSTUMM (12c).14 Allerdings sind nur wenige Gehörlose wirklich stumm - es handelt sich bei diesem Konzept um ein weitverbreitetes Vorurteil.
PhiN 9/1999: 26 |
Bei der semantischen Ableitung durch doppelte Kontiguität liegen ausschließlich Kontiguitätsbeziehungen vor, und zwar in vielen Fällen nicht nur zwischen den Ausgangskonzepten und dem Zielkonzept, sondern auch zwischen beiden Ausgangskonzepten (14):
(14) Bezeichnung durch doppelte Kontiguität
a. dt. Angebot und Nachfrage < Angebot + Nachfrage
b. fr. va et vient 'Kommen und Gehen' < aller 'gehen' + venir 'kommen'
c. may.k'. nan tat 'Eltern' < nan 'Mutter' + tat 'Vater'
Es bestehen in diesen Beispielen jeweils unterschiedliche Beziehungen zwischen den Ausgangskonzepten im Rahmen des Zielkonzepts. ANGEBOT UND NACHFRAGE (14a) ist der Frame, in dem ANGEBOT und NACHFRAGE komplementär aufeinander bezogen sind, das Zusammentreffen dieser beiden wird gesamthaft gesehen, ebenso ist es mit KOMMEN und GEHEN (14b), die als ein Geschehen (KOMMEN UND GEHEN) gesehen werden, wobei zusätzlich ein KOMMEN sowieso je nach Blickpunkt auch ein GEHEN ist und umgekehrt (die beiden Konzepte sind also konvers). Besonders schön ist das aus einer Maya-Sprache stammende Beispiel nan tat (14c), wo die Reihung der Einzelkonzepte VATER und MUTTER das totum ELTERN bezeichnet. Wie in (14a) besteht auch hier eine komplementäre Beziehung zwischen den Ausgangskonzepten. Eine vergleichbare Konstruktion ist fr. frères et surs 'Geschwister', wobei hier die gesamte Fügung zusätzlich noch pluralisch ist.
In diese Kategorie der doppelte Kontiguität gehört auch das sehr schöne Beispiel pianoforte 'Klavier' (Blank 1998: 21f.), allerdings liegt hier zwischen den Quellkonzepten LEISE und LAUT keine Kontiguitätsrelation, sondern eine konträre taxonomische Exklusion vor.
PhiN 9/1999: 27 |
Im Bereich der subordinierenden und koordinierenden Wortkombinationen wurden in den vorigen Abschnitten alle mir bisher bekannten semantischen Konstellationen nominaler und adjektivischer Konstrukte vorgestellt. Rein theoretisch sind noch weitere Typen denkbar, da (zuzüglich der Identitätsrelation) 5 X 5 Relationen kombinierbar sind, also insgesamt 25. Möglicherweise könnten weitere Typen in Wortkombinationen vorkommen, die nicht nominal oder adjektivisch sind. Es bietet sich an, mit der hier vorgestellten und angewendeten Methode nun auch diese Wortkombinationen zu untersuchen.
Bisher konnten folgende Konstellationen semantischer Ableitungen ermittelt werden:
|
Bei den vielfachen semantischen Ableitungen konnte eine Hintereinanderschaltung mehrerer Übertragungen des Typs 1 bzw. des Typs 1 und anderer Typen gezeigt werden, bei den verschachtelten Ableitungen (Integrale Metapher und Metonymie) eine gesamthafte Similaritäts- oder kontiguitätsbasierte Übertragung einer durch Typ 1 generierten virtuellen Zwischenbedeutung, aber auch vor- oder nachgängige Mehrfachübertragungen (Typen pied-à-terre und Schwertfisch). Weiter haben wir gesehen, daß bestimmte semantische Ableitungskonstellationen entweder nur in subordinierenden oder nur in koordinierenden Wortkombinationen vorkommen. Schließlich sei darauf hingewiesen, daß für Einzelsprachen natürlich auch umfangreichere Klassifikationssysteme erarbeitet werden können, bei denen ausdrucksseitige Kategorien mit den Kategorien der semantischen Ableitung gekreuzt werden.
PhiN 9/1999: 28 |
Blank, Andreas (1997): Prinzipien des lexikalischen Bedeutungswandels am Beispiel der romanischen Sprachen, Tübingen.
Blank, Andreas (1998): "Kognitive italienische Wortbildungslehre", in: Italienische Studien.
Coseriu, Eugenio (1976): "Inhaltliche Wortbildungslehre (am Beispiel des Typs "coupe- papier"), in: Brekle, Herbert / Kastovsky, Dieter (Hgg), Perspektiven der Wortbildungsforschung, Bonn, 48-61.
Coseriu, Eugenio (1978): "Einführung in die strukturelle Betrachtung des Wortschatzes", in: Geckeler, Horst (Hg), Strukturelle Bedeutungslehre, Darmstadt, 193-238.
Dardano, Maurizio (1978): La formazione delle parole nell'italiano di oggi, Roma.
Fillmore, Charles (1975): "An Alternative to Checklist Theory of Meaning", in: Proceedings of the First Conference of the Berkeley Linguistics Society, 123-131.
PhiN 9/1999: 29 |
Foucault, Michel (1966): Les mots et les choses. Une achéologie des sciences humaines, Paris
Gauger, Hans-Martin (1971a): Durchsichtige Wörter. Zur Theorie der Wortbildung, Heidelberg.
Gauger, Hans-Martin (1971b): Untersuchungen zur spanischen und französischen Wortbildung, Heidelberg.
Gévaudan, Paul (1996): Bedeutungserweiterung und Bedeutungsverengung im Französischen. Eine historisch-lexikologische Untersuchung, Magisterarbeit (FU Berlin).
Koch, Peter (1987): Similarität und Kontiguität. Zwei fundamentale Relationen in der Sprache und im Sprechen, Habilitationsvortrag Uni Freiburg.
Koch, Peter (1995): "Der Beitrag der Prototypentheorie zur historischen Semantik: Eine kritische Bestandsaufnahme", in: Romanistisches Jahrbuch, 27-46.
Koch, Peter (1996): "Le prototype entre signifié, désigné et référent", in: Dupuy-Engelhardt, Hiltraud (Hg), Questions de méthode et de délimination en sémantique lexicale, Actes d'EUROSEM 1994, Reims, 113-135.
Koch, Peter (1999): "Frame and Contiguity. On the Cognitive Bases of Metonymy and Certain Types of Word Formation", in: Radden, Günter / Panther, Klaus-Uwe (Hgg), Proceedings of the Workshop on Metonymy, Hamburg, June 23-24, 1996.
PhiN 9/1999: 30 |
Laca, Brenda (1986): Die Wortbildung als Grammatik des Wortschatzes, Untersuchungen zur spanischen Subjektnominalisierung, Tübingen.
Lakoff, George/Johnson, Mark (1980): Metaphors We Live By, Chicago.
Le Guern, Michel (1973): Sémantique de la métaphore det de la métonymie, Paris.
Lyons, John (1968): Introduction into Theoretical Linguistics, Cambridge.
Marchand, Hans (1974): Studies in syntax and word-formation, München.
PhiN 9/1999: 31 |
Mel'uk, Igor (1976): Das Wort zwischen Inhalt und Ausdruck, München.
Minsky, Marvin (1975): "A Framework for Representing Knowledge", in: Winston, P.H. (Hg), The Psychology of Computer Vision, New York, 211-280.
Piaget, Jean (1947): La psychologie de l'intelligence, Paris.
Piaget, Jean / Inhelder, Bärbel (1973): Die Entwicklung der elementaren logischen Strukturen, 2 Bde, Wiesbaden.
Raible, Wolfgang (1981): "Von der Allgegenwart des Gegensinns", in: Zeitschrift für Romanische Philologie, 97, 1-40.
Raible, Wolfgang (1983): "Zur Einleitung", in: Stimm, Helmut / Raible, Wolfgang (Hgg), Zur Semantik des Französischen, Wiesbaden, 1-24.
Rainer, Franz (1993): Spanische Wortbildungslehre, Tübingen.
de Saussure, Ferdinand (1916): Cours de linguistique générale, hrsg. von Charles Bally und Albert Sechehaye, kritische Edition v. Tullio de Mauro 1972, Paris.
PhiN 9/1999: 32 |
Stepanowa, M. D. / Fleischer, Wolfgang (1985): Grundzüge der deutschen Wortbildung, Leipzig.
Thiele, Johannes (1992): Wortbildung in der spanischen Gegenwartssprache, Leipzig usw.
Thun, Harald (1978): Probleme der Phraseologie, Tübingen.
Waltereit, Richard (1998): Metonymie und Grammatik. Kontiguitätsphänomene in der französischen Satzsemantik, Tübingen.
PhiN 9/1999: 32 |
1 Ich danke Peter Koch und Richard Waltereit für die fundierte und kritische Auseinandersetzung mit meinem Manuskript.
2 Die Ausführungen von Coseriu (1976) können hier wegen ihres völlig anderen Ansatz von Semantik leider nicht kritisch diskutiert werden. Die Arbeiten von Gauger (1971a und b) sind von Blank (1998) aufgegriffen, weitergeführt und in den theoretischen Rahmen der kognitiven Semantik integriert worden. Ich verdanke dieser Arbeit und den ausführlichen Diskussionen mit dem Autor und Peter Koch entscheidende Einsichten zur semantischen Analyse von Wortkombinationen.
3 Die Unterscheidung zwischen morphologischen und syntaktischen Verfahren wird vor allem in der romanistischen Literatur vorgenommen (vgl. u.a. Rainer 1993: 245, Dardano 1978: 178). Im germanistischen Standardwerk Stepanowa/Fleischer (1985) findet sie keine Erwähnung. Bei lexikalisierten Syntagmen sind allerdings bestimmte Umformungen und anaphorische Bezüge nicht möglich sind (etwa Einschübe, z.B. fr. *vin de Bourgogne rouge), und somit ist nur oberflächliche syntaktische Konformität gegeben. Dennoch handelt es sich bei deren Bildung um ein syntaktisches Verfahren.
4 Es geht hier auch nicht um Probleme der partiellen und totalen Synonymie etc.
5 Rein assoziationspsychologisch orientierte Modelle betrachten die Relationen Hyponymie und Kohyponymie als similaritätsbasiert und Antonymie als kontrastbasiert (vgl. Blank 1997: 200ff., 217ff., 1998: 9).
PhiN 9/1999: 33 |
6 Diesem Phänomen, das in der Literatur praktisch nicht behandelt wird, mußte im Rahmen meiner Magisterarbeit Rechnung getragen werden. Ich habe vorgeschlagen, es vertikale Polysemie zu nennen (vgl. Gévaudan 1996: 35).
7 Vgl. auch Blank (1997: 207ff).
8 Dieser Begriff stammt von Coseriu (1978: 218ff).
9 Das Dictionnaire Etymologique et Cognitif des Langues Romanes (DECOLAR) hat zum Ziel, die Entstehung von Körper- und Wahrnehmungsbezeichnungen in den romanischen Sprachen mit besonderer Berücksichtigung der semantischen Entwicklungen zu analysieren.
10 Dieses Beispiel verdanke ich Julia Seck.
11 Betrachtet man zugleich die grammatische Ebene, so sind Kombinationen vom Typ pt. porta-bagagem komplexer als "normale" integrale Metonymien, weil bei ihnen die gesamthafte Übertragung mit einem Wortartenwechsel verbunden ist.
12 Es handelt sich dabei um die Maya-Sprache K'iche'. Dieses Beispiel, sowie das Beispiel (14c) verdanke ich Reinhild Steinberg.
PhiN 9/1999: 34 |
13 Peter Koch hat nach der Lektüre des Manuskripts angeregt, daß eine PORTAFINESTRA möglicherweise "keine richtige Tür und kein richtiges Fenster ist". Dies hätte allerdings weitreichende Konsequenzen, weil der erste Beleg für einen neuen Typ doppelte kohyponymische Übertragung oder doppelte Metapher vorliegen würde. Ich denke, daß es sich hier eher um ein untypisches Unterkonzept handelt.
14 Interessanterweise ordnet Blank (1998: 21f.) das entsprechende italienische Beispiel (sordomuto) in die Kategorie der Bezeichung durch doppelte Identitätsableitung. Dies würde bedeuten, daß TAUB identisch mit TAUBSTUMM und TAUBSTUMM identisch mit STUMM ist. Da logischerweise mit dieser Annahme die Aussage verbunden ist, daß TAUB identisch mit STUMM ist, muß hier ein Irrtum vorliegen.