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Zouheir Soukah (Düsseldorf)



Dunker, Axel / Hofmann, Michael (Hg.) (2014): Morgenland und Moderne, Orient-Diskurse in der deutschsprachigen Literatur von 1890 bis zur Gegenwart. Frankfurt a. M.: Peter Lang Verlag. (= Historisch-kritische Arbeiten zur deutschen Literatur 54)


Der Ausbruch des syrischen Bürgerkrieges im Zuge des sogenannten Arabischen Frühlings, die andauernden Spannungen im Irak und in einigen arabischen und muslimischen Ländern, die europaweit herrschende Flüchtlingskrise in den Jahren 2015/2016 und die daraus entstandenen interkulturellen Probleme bis hin zur Islamfeindlichkeit vor allem in Deutschland sind alle dramatische Ereignisse, die u.a. eindeutig anzeigen, wie hochaktuell die verschiedenen Vorstellungen über den Nahen und Mittleren Osten in der Politik und in der deutschen Öffentlichkeit sind. Trotz dieser Wichtigkeit bleibt im deutschsprachigen Raum die Anzahl der kultur- und literaturwissenschaftlichen Forschungsansätze, die sich vor allem mit den neueren Orientbildern – angesichts der aktuellen Lage – auseinandersetzen, noch gering. Dazu gehört der 2014 von Axel Dunker und Michael Hofmann herausgegebene Sammelband: Morgenland und Moderne Orient-Diskurse in der deutschsprachigen Literatur von 1890 bis zur Gegenwart, der auf einer im Januar 2012 stattgefundenen Tagung an der Universität Bremen basiert.




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In den unterschiedlichen Beiträgen dieses Bandes wird generell versucht, die verschiedenen Orient-Diskurse (sowohl im Sinne von Saids als auch von Polascheggs Bestimmungen des Orientalismus [Said 2009, Polaschegg 2005]) in der deutschsprachigen Literatur zu beleuchten. Dabei werden exemplarisch bestimmte Autoren, Texte und Gattungen von den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts über das lange 20. Jahrhundert bis zum Beginn unseres Jahrhunderts ausgewählt und in ihrem jeweiligen gesellschaftlichen Kontext untersucht. Zu diesen gehören, so die Herausgeber des Bandes: "[…] das deutsche Kaiserreich, der erste Weltkrieg und die Weimarer Republik mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus, die zunehmende Zuwanderung von Migranten aus 'orientalischen' Ländern, die Konfrontation zwischen dem Westen und dem fundamentalistischen Islamismus nach dem 11. September 2001" (8). Aus diesem Grund werden hier die 12 Beiträge des Bandes in drei Kategorien unterteilt und besprochen. Dabei ist zu bemerken, dass die meisten Beiträge zur dritten Kategorie gehören.

In der ersten Kategorie befinden sich die zwei ersten Beiträge des Bandes. Im ersten Beitrag untersucht Dieter Heimböckel Ausprägungen und Funktionalisierungen des Orientalismus im kulturkritischen Diskurs der Zeit um 1900 am Beispiel von Walther Rathenau und Oswald Spengler im Hinblick darauf, dass die Kultur- und Zivilisationskritik um jene Zeit eine Konjunktur hat (15). Dabei nimmt er jeweils die kulturkritische Hauptschrift beider Autoren unter die Lupe: Rathenaus Zur Kritik der Zeit und Spenglers Untergang des Abendlandes. In Rathenaus Zur Kritik der Zeit, das Heimböckel als "ein Dokument des jüdischen Selbsthasses" (22) bezeichnet, wird der Okzident "auf den germanischen bzw. nordischen Kulturkreis reduziert und dieser mit dem Orient konfrontiert. Angehörige der nordischen Kultur zeichnen sich […] durch ihren 'Adel der Seele' aus" (ebd.). Die "Orientalen" dagegen besitzen in Rathenaus Vorstellung eine "Sklavenseele" (ebd.). Zudem "überlagern sich verinnerlichter Antisemitismus und pejoratives Orientverständnis" (25) in Rathenaus Werk, in dem "auch imperiale Herrschaftsinteressen" (27) deutlich zur Sprache kommen. Spengler seinerseits stellt im Untergang des Abendlandes Deutschland als "das entscheidende Land der Welt" (31) dar. In kolonialsprachlicher Praxis trennt er zwischen weißen und farbigen Völkern. Dabei betont er, dass die "westliche Welt sich wappnen müsse […], indem sie sich auf das 'Ewig-Kriegerische im Typus des Raubtiers Mensch' besinnen würde" (32).




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Vergleichend schließt Heimböckel ab, dass "der Orient […] bei beiden eine biographisch und intellektuell […] unterschiedlich motivierte Funktion [einnimmt]" (33). Dennoch funktionalisieren ihn die beiden im Rahmen des damals herrschenden hegemonialen Denkens (ebd.). Im zweiten Beitrag dieser Kategorie befasst sich Winfried Eckel mit den Orientbildern im Werk des deutschen Lyrikers Stefan George (1868–1933), der "den Orient nie bereist, vermutlich auch nie systematisch über ihn gelesen [hat]" (40). Trotzdem geht Eckel davon aus, dass die Dichotomie Orient-Okzident für das Selbstverständnis Georges wichtig sei (38). Mit dieser Annahme untersucht er zwei von Georges Gedichtsammlungen: Algabal (1892) und Buch der hängenden Gärten (1895). Anhand dieser Textuntersuchungen kommt er zu der Feststellung, dass Georges Orientbilder sowohl Saids als auch Polascheggs kontroversen Bestimmungen des Orientalismus entsprächen. Man finde "einerseits eine Reihe von Orient-Attributen, die ganz an die herabsetzenden Zuschreibungen à la Said erinnert, während man dort andererseits auf eine Haltung stößt, die die orientalische Welt als […] Spiegelung des Eigenen im Fremden im Sinne Polascheggs" (42) auffasst. Damit kommt Eckel zu dem abschließenden Ergebnis: "Das Werk Georges insgesamt erscheint als Kreuzungspunkt unterschiedlicher Diskurse über den Orient." (43)

Zu der zweiten Kategorie gehören vier Aufsätze, die sich fast alle mit Beispielen aus der Gattung Roman beschäftigen. Die Ausnahme bildet hier Volker Mergenthalers Beitrag, der sich mit Max Dauthendeys Lingam (1909) auseinandersetzt. Dabei handelt es sich um zwölf Novellen, die den "Leser von Indien über Ceylon, Birma, Malaysia und China bis nach Japan [führen]" (66). In diesem Novellen-Band wird – so Mergenthaler – "ein beachtliches Feuerwerk sinnlicher Orienteindrücke und -klischees abgebrannt" (ebd.). Um diese Annahme zu bestätigen, führt er hierbei einige Beispiele aus den Novellen an. Dabei stellt er fest: Dauthendeys Lingam sei nicht einfach nur als ein "literarischer Seismograph des Orient-Diskurses um 1900" (67) zu charakterisieren; vielmehr könne dieser Text als Medium der "Wiedervergegenwärtigung des Orients" (72) und somit auch als Medium "analytischer Durchdringung und […] poetischer Selbstbeschreibung" (67) verstanden werden.




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Jan Gerstner beschäftigt sich mit Friedrich Glausers Roman Gourrama, in dem der Schweizer Autor seinen zweijährigen Aufenthalt, den er von 1921 bis 1923 in Marokko und Algerien als Fremdenlegionär verbrachte, beschrieben hat. Glausers literarische Auseinandersetzung mit der 'langweiligen' Fremdenlegion in den beiden Maghreb-Ländern, die erst 1999 vollständig veröffentlicht wurde, enthält – so Gerstner – eine "dehumanisierende Beschreibung von Menschenmengen als chaotischem, schreiendem und gestikulierendem Haufen […], die nur durch die Autorität der Offiziere und durch Waffengewalt gebändigt werden kann" (85). Der einfache und oberflächliche Kontrast zwischen dem Kulturmenschen und nordafrikanischen 'Barbaren' steht eindeutig im Mittelpunkt dieses Romans. Dazu komme "[d]ie ungeheure und bedrückende Langweile, die Glauser immer wieder als das eigentliche Übel in der Legion beschreibt." (87)

Alexander Honold untersucht in seinem Beitrag Franz Werfels Roman Die Vierzig Tage des Musa Dagh (1933), der – so Honold selbst – "das bekannteste Werk [ist], das in der Zwischenkriegszeit der Darstellung des Armenierschicksals widmet" (107). Als Ausgangspunkt seiner Analyse nimmt Honold an, dass "[sich] Franz Werfels Armenienroman […] sowohl zeitgeschichtlich wie topographisch an einem entscheidenden Umschlagspunkt des Orientalismus-Paradigmas [befindet]" (110). Denn zu seiner Veröffentlichung galt dieser Text als "politisch-programmatisch" (106). Nach fast hundert Jahren sind die Erinnerungen an dieses Ereignis noch aktuell. Das Interesse daran wurde auf der internationalen Ebene neulich erweckt. Werfels Roman selbst bezeichnet Honold als "eines der […] wohl ambitioniertesten Werke des Autors" (105), der "tief in die Paradoxien des westlichen Orientalismus verstrickt" (110) sei. In diesem Text des österreichischen Autors jüdisch-deutsch-böhmischer Herkunft dominiert die negative Darstellung des "Orientalischen": "[…] hier verbanden sich exotische Sehnsüchte und distanzierte Wertschätzung" (ebd.). Selbst im armenischen Hauptprotagonisten des Romans "vereint sich die orientalische Herkunft und Entschlossenheit mit der intellektuellen Überlegenheit des Westens" (111).

Im letzten Beitrag der zweiten Kategorie beschäftigt sich Herbert Uerlings mit Michael Roes' Jizchak: "eine Mischung aus Roman, wissenschaftlicher Abhandlung und Essay" (131) über Abrahams Sohn-Opferung, die sowohl in der westlichen als auch in der arabisch-islamischen Kultur eine identitätsstiftende Funktion besitzt. Hier stellt Uerlings fest: Michael Roes sieht in dieser Meistererzählung eine




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orientalische Urszene der westlichen Kultur (149). Von diesem Hintergrund aus setzt sich Uerlings mit Roes' ethnopoetischem Text analytisch auseinander. Dabei wird in Roes' Jizchak der 'eigene' Ursprung der westlichen Kultur allein aufgrund dieses identitätsstiftenden Ereignisses als 'Orient' imaginiert. Gleichzeitig wird die Gewalt dieser Urszene auf den 'anderen' Orient verschoben.

Die letzte Kategorie beginnt mit Mirjam Springers Beitrag, dessen Gegenstand ein lyrischer Text ist, Thomas Klings wolkenstein.mobilisierun' –, ein 1998 erschienener Gedichtzyklus. Dieser enthält Text-Fragmente des spätmittelalterlichen Dichters Oswald von Wolkenstein (1377–1445) und wurde von Kling als poetologischer Monolog des Südtiroler Dichters konzipiert. Der Kern dieses aus acht "Sprachstücken" bestehenden Monologes bildet die Darstellung der individuellen sowie kollektiven Erinnerung an die "christliche" Eroberung der arabisch-marokkanischen Stadt Ceuta (1415): "die damals bedeutende Stadt Marokkos" (158). "Von hier aus", so Springer, eröffne sich "die Frage nach dem Orient in Klings Wolkenstein-Monolog" (ebd.). Damit bilde dieses Ereignis "[d]ie Grenzüberschreitung vom Eigenen ins Andere" (160). Genau diese Grenzüberschreitung bewertet Springer als kolonialisierend und somit orientalisierend, obwohl sich in diesem Monolog "der […] Blick […] auf sich selbst" (170) richte.

Der zweite Beitrag dieser Kategorie stammt von einem der beiden Herausgeber des Bandes Axel Dunker, der einen interessanten Aspekt beleuchtet, indem er sich mit dem Komplex Holocaust-Israel-Orient befasst. Dabei nimmt er an, dass der deutsche Blick auf Israel, oder zumindest der literarische, mit zwei Diskursen vermischt sei: Holocaust- und Orient-Diskurs. Vor diesem Hintergrund untersucht er zwei Texte von Katharina Hacker: Tel Aviv. Eine Stadterzählung (1997) und Eine Art Liebe (2003). Im ersten Text, der "ein sehr gegenwärtiges Israel" (172) darstelle, tauche das arabisch-palästinische 'Andere' "nur in Zusammenhang mit Selbstmord-Attentaten" (173) auf, obwohl "knapp 20% der Bevölkerung Israels […] Araber" (171) seien. Dunker konstatiert: "Die israelische Welt überdeckt die orientalisch-palästinensische" (173). Währenddessen kommt in diesem Text der Holocaust nicht vor. In Hackers Roman Eine Art Liebe dagegen "kommen nun die Gegenwart Israels und […] auch der Orient, verschränkt im Bild der Stadt Tel Aviv, ins Spiel" (179). Somit betrachtet Dunker diesen Roman "als erstes Beispiel für die literarische Auseinandersetzung" (181) mit der Dreier-Konstellation Holocaust-Israel-Orient.




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In Anlehnung daran beschäftigt sich Laura Beck in ihrem Aufsatz auch mit den neueren Orientbildern in der deutschen Gegenwartsliteratur. Sie untersucht Martin Mosebachs Roman Was davor geschah (2010) in der Annahme, dass das 'Andere' durch seine unverkennbare Präsenz eine bedeutende Roll in Mosebachs Literatur spielen sollte, auch wenn diese "immer wieder seine Heimatstadt Frankfurt und deren Umgebung […] porträtiert" (184). Dabei versucht Beck "Mosebachs Darstellung des kulturell 'Anderen'" (185) kritisch zu beleuchten. Allerdings gesteht sie, dass die Beantwortung der Frage nach der Rolle des Orientalismus in diesem Roman nicht einfach sei. Mithilfe ihrer fundierten Besprechung kommt sie zu dem Ergebnis, dass in diesem Roman Mosebach bewusst (bzw. bewusst machend) orientalistische Klischees verwende, was als "Resultat eine Ambivalenz erzeugt" (197). Folglich geht Beck davon aus, dass die Funktion dieser Klischees nicht eindeutig zu bestimmen sei. Die Mehrdeutigkeit impliziere eine die Klischee-Verwendung, die "nur vorgeblich ironisch; tatsächlich aber zutiefst reaktionär" (202) sei.

Norbert Otto Eke nimmt als Gegenstand seines Beitrages Thomas Lehrs 480 Seiten langen Roman September. Fata Morgana, der vier Stimmen beinhaltet, die wiederum von zwei parallelen tragischen Schicksalen zweier Töchter in den USA und im Irak erzählen. Am 11. September 2001 kommt Sabrina in New York City ums Leben, während Muna 2004 in Bagdad bei einem Bombenattentat stirbt. Dabei treten ihre Väter (Martin und Tarik) trotz der zeitlichen und räumlichen Entfernung durch ihre Monologe in einen imaginativen Dialog, der hier als "west-östlicher Dialog inszeniert" (216) wird. Genau diese literarische Dialogizität nimmt Eke als Ausgangspunkt seiner Auseinandersetzung mit Lehrs Roman, den er als "ein streng durchkomponiertes Oratorium" (211) betrachtet, das trotz dieser schrecklichen Ereignisse "das Modell der sympathetischen Begegnung von einander in ihren Eigenschaften wechselseitig ergänzenden Kulturen aufgreift" (ebd.). Aufgrund seiner dialogischen Struktur bewertet Eke dieses Familiendoppeldrama nicht anders denn als "Selbstgespräch des deutschen Autors Thomas Lehr in imaginierter Dialogizität"(220).




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Stefan Hermes' Aufsatz "Guten Morgen, Afghanistan!" befasst sich mit der sogenannten "neueren Afghanistanliteratur", einem in der gegenwärtigen literaturwissenschaftlichen Forschung überraschend vernachlässigten Thema. Dabei geht es ihm in erster Linie darum, zu zeigen, wie der deutsche Militäransatz in Afghanistan (und speziell im Hindukusch) literarisch verarbeitet wurde. Hermes analysiert Ingo Niermanns und Alexander Wallaschs Deutscher Sohn (2010) und Dirk Kurbjuweits Kriegsbraut (2011) in der Annahme, dass beide Romane vom westlichen Scheitern, Demokratie ins Land durch militärische Gewalt zu transportieren (224), handeln. In dieser Hinsicht liefert Hermes hierbei einige Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Romanen und fordert zugleich mehr Aufmerksamkeit auf Seiten der germanistischen bzw. literaturwissenschaftlichen Forschung für dieses Thema, das er zu Recht als "eine der brisanten politischen Diskussionen der Gegenwart" (241) betrachtet.

Der letzte Beitrag in diesem Band stammt von Michael Hofmann, dem zweiten Herausgeber des Bandes. Er untersucht die Orientbilder der deutsch-türkischen Schriftstellerin Emine Sevgi Özdamar. Das Ziel seines Aufsatzes besteht darin, die Rolle von Özdamars 'orientalischer' Herkunft sowohl in der Rezeption ihrer Literatur als auch in ihrer eigenen Selbstinszenierung aufzudecken (234). Obwohl Hofmann entlang seines Beitrages keine eindeutige Antwort auf den ersten Teil seiner Fragestellung liefert, kommt er trotzdem, dank einer Analyse von Özdamars ausgewähltem Roman Das Leben ist eine Karawanserei – hat zwei Türen – aus einer kam ich rein aus der anderen ging ich raus (1992), zu einigen wichtigen Ergebnissen. Dazu gehört die Feststellung, dass Özdamars Auseinandersetzung mit ihrer 'orientalischen' Herkunft kreativ und spielerisch sei (259). Dies verhinderte, so Hofmann, nicht nur die Entstehung einer klischeehaften binären Gegenüberstellung zwischen dem "modernen" Westen und dem "traditionellen" Orient, sondern selbst die westliche Moderne bleibe in diesem postmodernen Roman nicht immer ohne Özdamars Kritik.

Welches Fazit kann nun nach diesem Überblick gezogen werden? Angesichts der thematischen Vielfalt des Bandes fällt die Antwort nicht leicht.




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Dennoch kann generell bestätigt werden, dass die zwölf Beiträge des vorliegenden Sammelbandes eine Vielzahl von interessanten Aspekten der literarischen Tradierung der Orientvorstellung im deutschsprachigen Raum, vor allem im 20. und 21. Jahrhundert, ausführlich beleuchtet haben. Fallbeispiele aus dem 19. Jahrhundert sind dagegen kaum zu finden, was schade ist, da Said in seiner postkolonialen Theorie zum Orientalismus dieses Jahrhundert zum Dreh- und Angelpunkt macht. Überhaupt hätte man sich gewünscht, der Band setze sich kritischer mit Saids Theorie auseinander. Eher ist das Gegenteil der Fall. Die meisten Beiträge zeigen implizit, dass Saids These noch zeitgemäß sei, obwohl sie von den Herausgebern in der Einleitung als "plakativ" bezeichnet wird (4). Darüber hinaus fehlen hier leider Beiträge, die sich dem Thema Reiseliteratur, vor allem der Orient-Reiseliteratur, widmen – eine Gattung, die Said sowohl als ein textuelles Medium als auch ein Produkt des Orientalismus zugleich versteht (Said, 2009: 32). Dies gilt jedoch nicht nur für das 19. Jahrhundert, Bender zufolge die Blütezeit der Gattung (Bender 1982: 12), sondern auch noch für das 20. und 21. Jahrhundert (vgl. Soukah 2017).


Bibliographie

Bender, Brigitte (1982): Ästhetische Strukturen der literarischen Landschaftsbeschreibung in den Reisewerken des Fürsten Pückler-Muskau. Frankfurt a. M.: Peter Lang.

Polaschegg, Andrea (2005): Der andere Orientalismus. Regeln deutsch-morgenländischer Imagination im 19. Jahrhundert. Berlin: De Gruyter.

Said, Edward W. (2009): Orientalismus [deutsche Übersetzung von Hans Günter Holl]. Frankfurt a. M.: Fischer. [zuerst auf Englisch 1978]

Soukah, Zouheir (2017): Der "Orient" als kulturelle Selbsterfindung der Deutschen. Diss. Düsseldorf.