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Johannes Klare (Berlin)



Max Leopold Wagner und die Romanistik an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität bis 1945



Max Leopold Wagner war, ist und bleibt sicher einer der großen Repräsentanten der Romanischen Philologie im 20. Jahrhundert; er hat vor allem die romanistische Sprachwissenschaft und damit die wissenschaftliche Erhellung der Romania vom Balkan bis nach Südamerika in hohem Maße befördert.

Unbestritten ist vor allem, dass er als der eigentliche Begründer der Sardologie, der sardischen Philologie, zu gelten hat. Wagner hat schlüssig nachgewiesen, dass das Sardische als eine eigenständige romanische Sprache anzusehen ist; er macht endgültig Schluss mit der Auffassung, das Sardische sei nichts weiter als ein abseitiger italienischer Dialekt. Die sardische Philologie ist somit seit Wagner fest innerhalb der Romanistik etabliert. Es ist daher verwunderlich, ja sogar höchst unsinnig, wenn in einer im Jahre 2007 in Tübingen erschienenen Einführung in die italienische Sprachwissenschaft von Martin Haase beiläufig bemerkt wird, dass "es keine eigene sardische Philologie" gebe (Haase 2007: 176). Es überrascht daher weniger, dass im kurzen Abschnitt Sardisch (176–179), – wo "eine praktische Erwägung" Haases dazu geführt hat, das Sardische gesondert zu behandeln! – wie auch in der beigefügten Bibliographie der Name Max Leopold Wagner fehlt. Eigentümlicherweise fehlt dieser Name auch in dem sonst vorzüglichen Handbuch Romanische Sprachwissenschaft von Christoph Gabriel und Trudel Meisenburg (2007). Möglicherweise ist diese Sachlage ein Indiz dafür, dass in bestimmten Zentren der deutschen Romanistik die "Renaissance" Max Leopold Wagners, von der Dirk Naguschewski (2010) zu Recht überzeugt ist, noch nicht angekommen ist.

Wie noch zu zeigen sein wird, hat Wagners Laufbahn einige bedeutende wissenschaftliche Zentren in Europa und außerhalb dieses Kontinents berührt. Am Romanischen Seminar der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität wirkte er nur zwischen 1921 und 1925, und es hat Gründe gegeben, warum die Lehr- und Forschungstätigkeit Wagners hier nur relativ kurze Zeit gedauert hat und abrupt beendet wurde, wobei Nachwirkungen durchaus nicht ausgeschlossen sind.




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1 Max Leopold Wagners persönlicher und wissenschaftlicher Werdegang (Erste Annäherungen)

Bevor wir auf dieses Berliner Jahrfünft näher einzugehen haben, verfolgen wir kurz den persönlichen und wissenschaftlichen Werdegang Wagners, wobei uns die "Personalakte des außerordentlichen Professors Dr. M. L. Wagner", die im März 1922 angefangen und im September 1940 vorläufig geschlossen wurde und sich im Universitätsarchiv der Humboldt-Universität befindet, ebenso hilfreich gewesen ist wie Jahre später Dirk Naguschewski, dessen grundlegende Beiträge (2010: 46–51 und 2009: 190–195) uns weitere wertvolle Informationen geliefert haben.

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Max Leopold Wagner wurde am 17. September 1880 in München in einer Kaufmannsfamilie geboren und katholisch getauft. Hier in Bayern genoss er die erste Schulbildung, die er 1899 mit dem Abitur abschloss. Anschließend begann er an der Universität München das Studium der Romanistik, das er in Würzburg, Paris und Florenz fortsetzte. Im Jahre 1904 schloss er das Studium mit einer die sardische Wortbildungslehre betreffenden Staatsexamensarbeit ab. Seine erste Studien- und Forschungsreise nach Sardinien erfolgte im November 1904. Viele Jahre später, in seinem Beitrag zur Festschrift für Walther von Wartburg (1958: 843), bekennt Wagner, dass er für diese erste Reise "keine festumrissenen Pläne" hatte; wohl aber hatte ihn Wilhelm Meyer-Lübkes frühe Arbeit "Zur Kenntnis des Altlogudoresischen" von 1902 angeregt, sich an das Sardische heranzuwagen. In dem Festschriftbeitrag von 1958 verweist Wagner auch auf die erstaunlichen Wandlungen, die das ursprüngliche Sardinien und das Sardische mit seinen Dialekten in den vergangenen fünf Jahrzehnten seit Anfang des 20. Jahrhunderts bis hin zur Regione autonoma della Sardegna innerhalb der Italienischen Republik durchgemacht hat. Schon ein Jahr später, 1905, durchquerte Wagner noch per Fahrrad kreuz und quer große Teile der Insel, und zwischen 1907 und 1909 geschah dies zu Pferde, wobei jetzt die sprachlichen Verhältnisse im Innern der Insel sein Hauptinteresse fanden. Wagner hat über diese Reisen damals aktuell in mehreren Folgen in der geografisch orientierten populärwissenschaftlichen Zeitschrift "Globus" mit reichem Beleg- und Fotomaterial berichtet. Inzwischen hatte Wagner wissenschaftliche Kontakte mit der Universität Würzburg aufgenommen; hier erfolgte am 27. Januar 1907 bei Heinrich Schneegans (1863–1914) seine Doktorpromotion mit einer sardologischen Arbeit, die 1907 in Halle/Saale unter dem Titel Lautlehre der sardischen Mundarten. Mit besonderer Berücksichtigung der um den Gennargentu gesprochenen Varietäten als Beiheft 12 der Zeitschrift für romanische Philologie (ZrP) erschienen ist.

In den folgenden Jahren hat Wagner immer wieder zahlreiche Studien- und Forschungsreisen nicht nur auf Sardinien – letztmalig war er hier 1956/1957 – sondern durch große Teile der Romania unternommen.




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Zur genauen Untersuchung des Judenspanischen hat er u.a. die Balkanhalbinsel erwandert und dabei auch Rumänien durchquert. Diese jahrzehntelange Forschungstätigkeit im Gelände hat ihm die Erlernung vieler Sprachen erleichtert. Leo Spitzer (1887–1960) hat in seiner Besprechung von Wagners "Das ländliche Leben Sardiniens im Spiegel der Sprache" von 1921 – wir kommen auf dieses Werk Wagners noch zurück – in der ZrP 43, 1924: 486 diese Tätigkeiten seines Kollegen zutreffend charakterisiert, wenn er dort weiter feststellt: "Hinzu kommt eine Freude am Volkstümlichen, Ortsbürtig-Eigentümlichen, Exotischen fremder Kulturen, nicht zuletzt auch an der Reise an sich, dem Durchqueren abgelegener und unwirtlicher Gegenden: daher behandelt er denn gern sprachliche Randgebiete wie das Sardische, das Judenspanisch, das amerikanische Spanisch usw. Er mehrt unser faktisches Wissen um diese Spezialitäten der romanischen Sprachentwicklung, zugleich auch um die Besonderheiten romanischer Sachkultur – er ist also Kulturforscher im besten Sinn des Wortes, wenn es ihn auch mehr zum Individuellen und Sachlichen als zum Allgemeinen und Ideellen zieht."

Neben der hier nur kurz charakterisierten Reise- und Forschungstätigkeit im Gelände seit 1904 war Max Leopold Wagner auch gebunden an berufliche Tätigkeiten, die er zunächst vor allem im Schuldienst ausübte. In den Jahren 1907 bis 1912 wirkte er als Oberlehrer an der deutschen akademischen Oberrealschule in Konstantinopel. Hier studierte er intensiv die Sprachenvielfalt des Osmanischen Reiches. Einige Zeit war er dann an einer deutschen Schule in Mexiko tätig. In den folgenden beiden Jahren war er u.a. Hilfsberater des 1904 gegründeten Kolonialinstituts in Hamburg; von 1915 bis 1922 lehrte er als Studienrat am Gymnasium in Berlin-Wilmersdorf. Aber schon im Jahre 1915, in den ersten Monaten des Ersten Weltkrieges, hatte er sich in der Ära des bedeutenden Heinrich Morf – von dem noch zu sprechen sein wird – an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität habilitiert. Am 13. März 1915 hielt er in Berlin seine Antrittsvorlesung zum Thema "Die Beziehungen zwischen Wort- und Sachforschung", die einige Jahre später in der Germanisch-Romanischen Monatsschrift (GRM) Bd. 8 (1920: 45–48) publiziert wurde. Wagner absolvierte weiterhin nur Lehraufträge. Schon ab 1912 hielt Wagner am Romanischen Seminar dieser Universität zunächst bis 1922 spanische Sprachübungen ab. Erst 1922 wurde er zum außerordentlichen Professor für Romanistik berufen, insbesondere für spanische Philologie, wofür Vorlesungen und Übungen abzuhalten waren; gleichzeitig wurde er Leiter der spanischen Abteilung des Romanischen Seminars. Wagner hielt Vorlesungen zur neuspanischen Wortbildungslehre und Syntax, er las über die Geschichte der spanischen Sprache, über die historische Grammatik des Spanischen, aber auch über die Geschichte der spanischen Literatur bis zur Renaissance. Auch die Geschichte der neuzeitlichen Literatur Spaniens und Spanisch-Amerikas wurde von Wagner vertreten. Überdies bot er Vorlesungen zum "Urromanischen", also zum Vulgärlatein an.




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Er veranstaltete – für jeden angehenden Romanisten bislang obligatorisch – Einführungen in das Altfranzösische, in das Altprovenzalische und eben auch in das Sardische; auch in die Hilfsmittel erfolgten Einführungen, einschließlich der Methoden und Ziele beim Studium der Romanischen Philologie. Wagner hatte begonnen, begabte Studenten zu fördern, zu diesen gehörten Heinrich (Henry) Kahane (1902–1992), der dann nach 1925 bei Wagners Berliner Nachfolger Ernst Gamillscheg promovierte. Rassisch verfolgt musste Kahane später, wie auch seine Frau Renée Toole Kahane (1907–2002), in die USA emigrieren. Neben Wagner wirkte übrigens Gerhard Rohlfs (1892–1986; 1952), der bei Heinrich Morf studiert und promoviert hatte, zwischen 1922 und 1926 als Privatdozent am Berliner Romanischen Seminar. 1926 wurde Rohlfs nach Tübingen berufen, und im Jahr 1938 wechselte er schließlich als Nachfolger des emeritierten Karl Vossler nach München als Ordinarius. Zwischen Rohlfs und Wagner bestand ein kollegiales Verhältnis, trotz vereinzelter Ambivalenzen. Die gegenseitige Anerkennung ihrer wissenschaftlichen Leistungen, die beide jeweils vor allem in der konkreten Feldforschung draußen im Gelände der Romania erbrachten, stand immer im Vordergrund. (Vgl. dazu Rohlfs 1962: Nachruf Max Leopold Wagner. In: ZrP 78)

Ähnlich positiv war offensichtlich auch das Verhältnis zwischen Max Leopold Wagner und dem Tobler-Schüler Erhard Lommatzsch (1886–1972), der 1910 bei Adolf Tobler promoviert hatte und schon seit 1913 am Berliner Romanischen Seminar lehrte und 1919 zum Professor ernannt worden war, aber 1921 nach Greifswald berufen wurde, wo er bis 1928 blieb, um dann nach Frankfurt/Main überzuwechseln. Wagner hat gemeinsam mit Lommatzsch u.a. "Romanische Texte zum Gebrauch für Vorlesungen und Übungen" 1920 in Berlin publiziert.



2 Max Leopold Wagners persönlicher Lebensentwurf und die Konsequenzen

Im Jahre 1922 wurde Max Leopold Wagner wegen eines "Vorfalls" in einem Münchner Kaffeehaus denunziert, was dazu führte, dass er 1924 von "allen Pflichten" an der Berliner Universität entbunden wurde. Wagner hatte sich für einen Lebensentwurf entschieden, der in der Weimarer Republik mit dem § 175 in Konflikt geriet, der seit 1872 im Strafgesetzbuch verankert war und Homosexualität kriminalisiert. (Erst 1994 wurde dieser Paragraf aus dem bundesdeutschen Strafgesetzbuch gestrichen!) Wegen dieses Vorfalls schied Wagner dann 1925 endgültig aus der Berliner Universität aus. Erst Jahre später wurden die Anschuldigungen zurückgenommen, aber erst 1937 erfolgte offenbar die Rehabilitation. Wie schon erwähnt, ist Dirk Naguschewski (2010: 46–51) dieser Problematik sorgfältig abwägend und einfühlsam nachgegangen.




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Aus dem von Naguschewski herangezogenen Material der Berliner Personalakte Wagner geht eindeutig hervor, dass der 1924 amtierende Rektor der Universität, der deutschnational eingestellte (Bahner/Neumann 1985: 220 und Stammler 1926) Germanist Prof. Gustav Roethe (1859–1926) – der, frauenfeindlich und antisemitisch wie er auch war, sich weigerte, Agathe Lasch (1879–1942) als Frau und Jüdin in seinen Veranstaltungen zuzulassen, eine Frau, die später international bekannt wurde durch ihre Erforschung des Niederdeutschen und des Berlinischen (vgl. dazu Maas 2010a, I: 428–434) – die Initiative ergriff. In Absprache mit dem gleichgesinnten Romanisten Prof. Eduard Wechßler forderte Roethe in einem Schreiben an den zuständigen Ministerialrat letztlich die Entlassung Wagners ein. Damit war das Romanische Seminar der Berliner Universität in den Vorgang direkt involviert. Und es ergibt sich für uns auch die Frage, welcher wissenschaftliche Standort, welche wissenschaftliche Ausrichtung im Seminar vorherrschte, ja welche ideologischen Einflüsse sichtbar waren und welche Personalsituation sich Anfang der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts am Romanischen Seminar ergab, mit der sich der neuberufene Romanist und außerordentliche Professor Max Leopold Wagner auseinandersetzen musste. Wissenschaftsmethodologisch war Wagner, ohne dass er sich jemals ausdrücklich und umfassend zu Grundfragen der Theorie und Methodologie der Sprachwissenschaft geäußert hat, stark den Auffassungen der Sprachgeografie und der von Meringer und Schuchardt begründeten Richtung "Wörter und Sachen" verbunden, Methoden, die mit dem vorherrschenden rigiden junggrammatischen Positivismus, der von dem einst Wiener und dann (ab 1916) Bonner Romanisten Wilhelm Meyer-Lübke (1861–1936) entscheidend befördert worden war, konkurrieren. Bei Wagner stets gepaart mit einer intimen Kenntnis der Sprachen und Kulturen großer Teile der Romania, insbesondere Sardiniens und des gesamten Mittelmeerraumes. Wagner hat sich als Sprach- und Kulturforscher auch ausführlicher zu der Richtung "Wörter und Sachen" geäußert. Und zwar in seiner oben schon erwähnten Berliner Antrittsvorlesung vom 13. März 1915, die die Basis ist für seinen späteren Aufsatz "Die Beziehungen zwischen Wort- und Sachforschung", erschienen 1920 in der GRM (8, 1920: 25–58). Hier wird klargestellt, welche Voraussetzungen ein Forscher für solche Untersuchungen einzubringen hat, die weit über das hinausgehen, was ein Junggrammatiker zu leisten im Stande ist. Zu heftigen Fehden kam es immer wieder zwischen M. L. Wagner und Yakov Malkiel (1914–1998) wegen dessen dominanten junggrammatischen Praktiken in der dialektologischen und etymologischen Forschung (Wagner 1953), worauf Utz Maas (2010b, I: 852 und 854) ausdrücklich verweist. Hier muss jedoch schon festgehalten werden, dass die verschiedenen Richtungen strukturalistischer Sprachbetrachtung (Genf, Prag, Kopenhagen usw.) an Max Leopold Wagner – wie übrigens auch an Gerhard Rohlfs – lebenslang nahezu spurlos vorbeigegangen sind.




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3 Die Herausbildung der Fremdsprachlichen Neuphilologien bis zur Gründung des Romanischen Seminars in Berlin (1896)

Der Herausbildung der Romanischen Philologie an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität, die erst im Jahre 1810 gegründet worden war, ist für den Zeitraum 1810 bis 1910 erstmals Alfred Risop (1855–1933) in seiner 1910 in Erlangen erschienenen Arbeit "Die romanische Philologie an der Berliner Universität. 1810–1910" nachgegangen. Ein Reprint dieses Werkes findet sich im Anhang der von Jürgen Trabant 1988 herausgegebenen "Beiträge zur Geschichte der Romanischen Philologie in Berlin". Auch in der mehrbändigen "Geschichte der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin" von Max Lenz (Halle/Saale 1918) finden sich Hinweise vor allem zur Vorgeschichte der Berliner Romanistik, insbesondere für die Zeit bis 1859, in der neuere Sprachen fast nur von Lektoren vertreten wurden. Dem Dekan der Berliner Philosophischen Fakultät, dem klassischen Philologen und Germanisten Prof. Moritz Haupt (1808–1874), gelang es schließlich 1867, die Berufung von Adolf Tobler, von dem gleich die Rede sein wird, als Professor für Romanistik durchzusetzen. Inzwischen liegen weitere wissenschaftsgeschichtliche Untersuchungen vor. So die von Marie-Luise Bott (2009; 2010a; 2010b), die die Zeiträume von 1867 bis 1918 sowie von 1920 bis 1945 betreffen. Die Untersuchungen von Alexander M. Kalkhoff (2010) – sie basieren auf einer von Maria Selig betreuten Regensburger Dissertation – gelten der Romanischen Philologie im 19. und im frühen 20. Jahrhundert institutionsgeschichtlich im Hinblick auf Heidelberg, Rostock, Halle/Saale, Hamburg und Berlin. Von besonderer Relevanz sind für uns die Untersuchungen von Frank-Rutger Hausmann (2000; 22008), Hans-Helmut Christmann (1985; 1987), Peter Jehle (1996), Bernhard Hurch (2006; 2009) und Utz Maas (2010b), in dessen Kompendium (I: 848–854) Max Leopold Wagner ausführlich behandelt wird.

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Die Herausbildung der fremdsprachlichen Neuphilologien vollzog sich in Berlin relativ langsam, zunächst als Unterdisziplinen der historischen Sprachwissenschaften, die in Berlin frühzeitig mit hervorragenden Professoren besetzt waren. So zum Beispiel mit Franz Bopp (1791–1867), der zwischen 1825 und 1864 eine Professur für orientalische Literatur und Sprachkunde innehatte und die Indogermanistik in Berlin begründete. Die Auffassung, dass "das Bedürfnis der Schule nach qualifiziert ausgebildeten Lehrern […] zur Errichtung neuphilologischer Lehrstühle an den Universitäten geführt" habe, ist nach Auffassung von Marie-Luise Bott (2010a: 342) nicht zutreffend; wobei wir jedoch entgegenzuhalten haben, dass der Romanist Adolf Tobler 1890 in seiner Berliner Rektoratsrede (Tobler 1890/1908) dringend eine Verbesserung der Qualität des neusprachlichen Unterrichts in Gymnasien und Realschulen einforderte, nicht zuletzt durch Verbesserung der Ausbildung der Fremdsprachenlehrer an der Universität.




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Diese Forderungen resultieren aus der Tatsache, dass nach 1840/1850 das Eindringen der neueren Sprachen, besonders des Französischen und Englischen, in das Gymnasium zu Ungunsten der alten Sprachen, d.h. des Griechischen und Lateinischen, nachzuweisen ist. So fällt weiterhin ins Gewicht, dass zwei bedeutende Berliner Gymnasialprofessoren, nämlich der Anglist Ludwig Herrig (1816–1889) und der Romanist Eduard Mätzner (1805–1892) den Aufbau moderner anglistischer und romanischer Philologien eingefordert haben. Noch im Jahre 1859 war die Berliner Philosophische Fakultät mit dem Antrag gescheitert, Eduard Mätzner als romanistischen Extraordinarius zu berufen. Im Jahre 1857 hatte Ludwig Herrig die Berliner Gesellschaft für das Studium der Neueren Sprachen gegründet, deren Publikationsorgan wurde das schon seit 1846 bestehende "Archiv für das Studium der Neueren Sprachen" (Maas 2010a, II: 93 und 97). Im Jahre 1860 gründete Ludwig Herrig zudem das Berliner Seminar für Lehrer der Neueren Sprachen, das bis 1877 bestand. In diesem Jahr 1877 kam es nun endlich zur Gründung des Romanisch-Englischen Seminars an der Berliner Universität und zwar in Nachahmung der Universitäten Wien und Straßburg, die 1872 bzw. 1873 Romanisch-Englische Seminare gegründet hatten. In Berlin waren abwechselnd der anglistische und der romanistische Ordinarius Direktoren dieses Seminars, also Prof. Julius Zupitza (1844–1895) und Prof. Adolf Tobler (1835–1910). Erst im Jahre 1896 wurde das Berliner Romanisch-Englische Seminar auf Wunsch des 1895 aus Straßburg als Nachfolger von Zupitza nach Berlin berufenen anglistischen Ordinarius Prof. Alois Brandl (1855–1940) in ein Romanisches Seminar und ein Englisches Seminar geteilt. In der Folgezeit wurden übrigens weitere Seminare innerhalb der Berliner Philosophischen Fakultät gegründet, so 1907 das Indogermanische Seminar mit vier Abteilungen, darunter eine für Keltologie, an der 1920 Julius Pokorny (1887–1970) a.o. Professor wurde und zwischen 1929 und 1935 ein Ordinariat innehatte; 1935 wurde Pokorny zwangspensioniert und erst 1943 emigrierte er in die Schweiz (Maas 2010a, I: 580–583). Ein "Germanisches Seminar" war schon 1887 in Berlin eröffnet worden (Bahner/Neumann 1985: 234). Im gleichen Jahr 1887 wurde in Berlin auch ein Seminar für Orientalische Sprachen eröffnet.



4 Die Ära Adolf Toblers in Berlin (1867–1910)

Zehn Jahre vor der Gründung des Romanisch-Englischen Seminars, also 1867, war schon die erste Berufung eines romanistischen Ordinarius nach Berlin erfolgt: der Schweizer Adolf Tobler.




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Tobler hatte in Zürich Altphilologie und Germanistik studiert, Romanistik wurde dort noch nicht gelehrt; die Promotion war in Zürich erfolgt. Tobler setzte 1856/1857 seine Studien in Bonn bei dem wissenschaftlichen Begründer der Romanischen Philologie, Friedrich Diez (1794–1876), fort, wo er auch Gaston Paris (1839–1903; 1909, 1912) kennenlernte, der ebenfalls in Bonn studierte, sich im Laufe der Zeit zu einem weltbekannten romanistischen Mediävisten entwickelte und seit 1872 am Pariser Collège de France französische Sprache und Literatur lehrte. Gaston Paris begründete 1872 die französische Fachzeitschrift "Romania"; als Philologe und Linguist hat er zahlreiche französische Romanisten ausgebildet, u.a. Joseph Bédier und Jules Gilliéron, den Begründer der Sprachgeografie in Frankreich, von dem unten noch die Rede sein wird. Auch spätere Vertreter und Verfechter der soziologischen Sprachauffassung, der sogenannten französischen sprachwissenschaftlichen Schule, waren Schüler von Gaston Paris.

Adolf Tobler wurde 1866 in Berlin in einem vereinfachten Verfahren romanistisch habilitiert, bevor er 1867 seine 43 Jahre dauernde Lehrtätigkeit in Berlin begann. Toblers Forschungsschwerpunkte waren das Altfranzösische, vor allem dessen Wortschatz und damit das Altfranzösische Wörterbuch, das er 1872 als kühnes Unternehmen ankündigte (Tobler/Lommatzsch 1925–2002). Ein weiterer Schwerpunkt war die Syntax- und Grammatikforschung neben der textkritischen Philologie (vgl. u.a. Tobler 1921). Tobler war und blieb ein äußerst produktiver Anhänger des junggrammatischen Positivismus. In die Preußische Akademie der Wissenschaften wurde Tobler 1882 aufgenommen.

Tobler hatte zahlreiche Schüler; aber nicht allen behagten die theoretischen und methodologischen Positionen des Meisters und die Art seiner Lehrveranstaltungen. Bekannt sind die kritischen Einschätzungen, die Victor Klemperer (1881–1960) im ersten Band seines 1939 begonnenen Curriculum vitae (1989: 358–362) gegenüber Tobler und dessen Wissenschaftsverständnis, das Klemperer Anfang des 20. Jahrhunderts in Berlin genauestens kennengelernt hatte, äußert. Klemperers Kritik atmet den Geist der Idealistischen Neuphilologie und Ästhetik, die Karl Vossler (1872–1949) Anfang des 20. Jahrhunderts mit zwei programmatischen Schriften (Vossler 1904; 1905) begründet hatte. Vossler lehrte von 1902 an als Professor in Heidelberg, von 1909 an in Würzburg und war von 1911 bis zu seiner Emeritierung 1938 Ordinarius in München. Als Rektor der Münchner Universität fungierte Vossler in den Jahren 1926/1927 und nochmals, als 74-Jähriger, unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg.

Victor Klemperer hatte 1905 seine Studien in Berlin unterbrochen und nahm eine Auszeit von acht Jahren als freier Schriftsteller und Publizist. Im Jahre 1912 ging er nach München, wo er 1913 germanistisch bei Franz Muncker (1855–1926) und Hermann Paul (1846–1921) promovierte und sich 1914 bei Karl Vossler romanistisch mit einer Arbeit über Montesquieu habilitierte.




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Trotz aller Kritik hat Adolf Tobler in Berlin hervorragende wissenschaftliche Positionen besetzt. Er hatte es geschafft – wie es der Akademie-Sekretar Theodor Mommsen (1817–1903) im Jahre 1882 formuliert hat – "den alten Bann" zu brechen, "es gebe eine Philologie nur für das Griechische und das Lateinische" (Bott 2010a: 349 und Risop 1910: 101). Die wissenschaftliche Entwicklung war jedoch inzwischen schnell weitergegangen.



5 Die Ära Heinrich Morfs in Berlin (1910–1921)

Die nunmehr auch in Berlin anstehende, höchst notwendige wissenschaftskonzeptionelle Wende vollzog nach dem Tode Adolf Toblers (1910) dessen Nachfolger. Es ist wiederum ein Schweizer Romanist, nämlich Heinrich Morf (1854–1921; 1914), mit einer grundlegend anderen wissenschaftlichen Ausrichtung. Morf hatte in Zürich klassische Philologie und Indogermanistik studiert und war dann übergegangen an die neugegründete Reichsuniversität Straßburg, dem Zentrum für das Studium neusprachlicher Philologien, wo sich Morf in der Romanistik weiterqualifizierte; die weitere Ausbildung Morfs erfolgte u.a. bei Gaston Paris in Paris. Auf Empfehlung von Gaston Paris hatte Morf 1879 ein Extraordinariat in Bern erhalten und ab 1889 lehrte er in Zürich moderne Linguistik, vor allem Mundartkunde. Morf befürwortete ausdrücklich die Reform des neusprachlichen Unterrichts und auch der akademischen Lehre (Morf 1889). Die Hauptorientierung galt jetzt nicht mehr den älteren Sprachperioden, sondern den Gegenwartssprachen und den lebenden Mundarten. Auch die Literaturgeschichte trat schon in Zürich stärker in den Vordergrund. Hinter Morfs Forschungsgegenständen "stand ein neues Forschungskonzept der Romanistik" wie Bott (2010a: 355) betont. Heinrich Morf gehörte – "anders als der bis zur Schroffheit wortkarge, scheue Tobler […] zu den begabtesten und gefeiertesten akademischen Lehrern in Berlin" stellt Bott (2010a: 354) unter Berufung auf Erhard Lommatzsch (1921) fest. Auch Morfs Berliner Schüler und Promovend Gerhard Rohlfs, der ja dann in erster Linie als Sprachforscher wirksam wurde, war begeistert von Morfs faszinierenden literaturwissenschaftlichen Vorlesungen. Diese Lobeshymne auf Heinrich Morf findet sich in Rohlfs' Beitrag "Zur Erinnerung an Heinrich Morf" in ZrP 41, 1922: 259–263 (auch Maas 2010a, I: 654).

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Im Jahre 1910 war also Heinrich Morf nach Berlin gekommen, um "als Literaturhistoriker von internationalem Rang und ebenso brillanter Linguist" – wie es Bott (2010a: 357) formuliert hat, die Romanistik zu modernisieren. Gleichzeitig wurde Morf als Nachfolger Toblers Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften, wo seine berühmte Antrittsrede das sprachgeografische Thema "Zur sprachlichen Gliederung Frankreichs" (1911) behandelte.

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Verhängnisvoll wirkte sich 1914 der Ausbruch des Ersten Weltkrieges auf Morfs weitere Tätigkeit aus. Auch dieser Wissenschaftler wurde bereits bestimmten ideologischen Zwängen unterworfen, denen er eigentlich nicht gewachsen war, sodass er letztlich versagte und auf Kompromisse einging. Wie andere Gelehrte, Künstler und Schriftsteller, unter diesen auch Karl Vossler, Max Liebermann, Gerhart Hauptmann, Ulrich Wilamowitz-Moellendorff, Wilhelm Wundt, Max Planck hatte Heinrich Morf am 4. Oktober 1914 den berüchtigten gegen Frankreich gerichteten Aufruf "An die Kulturwelt", das sogenannte "Manifest der 93", unterzeichnet, und dies war nach Bott "eine Solidaritätserklärung mit der deutschen völkerrechtbrechenden Kriegsführung" (Bott 2010a: 357). Diesen Aufruf hatte der Schriftsteller und renommierte literarische Übersetzer Ludwig Fulda (1862–1939) verfasst, und es handelte sich in der Tat kaum um die Beteuerung der deutschen Unschuld am Ausbruch dieses Krieges, um Notwehr, sondern um offene Kriegspropaganda, um Kriegshetze. Später wurde Fulda trotz alledem aus rassischen Gründen im NS-Staat verfolgt, und er endete 1939 durch Selbstmord.

Es sei in diesem Zusammenhang ausdrücklich vermerkt, dass auch weitere deutschsprachige Romanisten propagandistisch vehement Stellung für den Weltkrieg, die Art der deutschen Kriegsführung bezogen haben. Zu diesen gehört der Grazer Ordinarius Hugo Schuchardt (1842–1927). Dieser profilierte sich, wie Bernhard Hurch (2009: 138) gezeigt hat, "als bedingungsloser Vertreter vom "Manifest der 93" und prangerte jene Vertreter seines Faches aus dem feindlichen Ausland an, die die deutsche Position verurteilten". So kam es zu heftigen Auseinandersetzungen mit Joseph Bédier (1864–1938), dem Schuchardt unlautere Hetze vorwarf – Bédier hatte 1915 eine Broschüre über die deutschen Kriegsgräuel veröffentlicht. Zu heftigen Kontroversen kam es auch mit portugiesischen Forschern, so mit dem weltbekannten Teófilo Braga (1843–1924). Schuchardt veröffentlichte 1915 gegen Braga und die von Braga 1910 gegründete "Gegenakademie" – "Academia das Ciências de Portugal" – diese Akademie stand gegen die ältere "Academia outrora Real das Ciências de Lisboa" – einen provozierenden Artikel. Teófilo Braga war ein überzeugter Republikaner, zweimal bekleidete er die Funktion des portugiesischen Staatspräsidenten und er war ein scharfer Gegner der deutschen Kriegspolitik.




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Aufschlussreich ist für diese Problematik ein Brief von der bedeutenden portugiesischen Romanistin und Lusitanistin Carolina Michaëlis de Vasconcelos (1851–1925) vom 22. Januar 1915 an den Grazer Hugo Schuchardt, den Hurch (2009: 109–111) abgedruckt hat. Dieser Brief steht am Ende des mehrjährigen Briefwechsels zwischen der Portugiesin deutscher Herkunft und dem Grazer Ordinarius. Als gebürtige Deutsche stand sie den kriegsunterstützenden Positionen Schuchardts näher als den friedliebenden Haltungen Teófilo Bragas. Dennoch hat Schuchardt dann den Briefwechsel mit Carolina Michaëlis de Vasconcelos eingestellt. Schuchardt hatte 1915 noch weitere üble kriegspropagandistische Schriften vorgelegt. Im Gegensatz zu Schuchardt profilierte sich der zunächst in Wien wirkende, dann nach Bonn übergesiedelte Leo Spitzer (1887–1960; 1929–1930) in dieser kriegshysterischen Atmosphäre als scharfer Gegner des Ersten Weltkrieges. Für Leo Spitzer stand eine Unterschrift unter das berüchtigte "Manifest der 93" außer Diskussion. Gleiches ist offensichtlich auch für Max Leopold Wagner anzunehmen, der um 1914 in und außerhalb Europas weiter die sprachlichen Verhältnisse im Gelände explorierte und wie sein Wiener Kollege Leo Spitzer frei war von verheerenden kriegslüsternen Anwandlungen. Wie Maas (2010b, I: 849) mitteilt, war Max Leopold Wagner im Ersten Weltkrieg nur kürzere Zeit lediglich in Lagern für Kriegsgefangene beschäftigt, "wo er sich an dem Unternehmen eines Lautmuseums mit Aufnahmen bei den Kriegsgefangenen" beteiligte. Heinrich Morf, – wie wir schon wissen – seit 1910 Ordinarius am Berliner Romanischen Seminar, war jetzt auch Leiter einer Kommission dieses Unternehmens, die zuständig war für die romanischen Sprachen, wobei Wagner wohl mit sardischen Kriegsgefangenen Laut-Aufnahmen machte, die allerdings nicht überliefert sind.

Wie gesagt, waren die Folgen von Heinrich Morfs Unterschrift unter dem "Manifest der 93" für den Berliner Romanisten verhängnisvoll. Aus Protest gegen Morfs Unterschrift brachen Morfs französische und auch Schweizer Kollegen jedwede Verbindung zu Heinrich Morf ab, und Morf wurde aus deren internationalen Gelehrtengesellschaften ausgeschlossen. Das Band deutsch-französischer Wissenschaftsbeziehungen war somit für längere Zeit zerrissen. Morf lehrte noch bis 1920 am Berliner Romanischen Seminar; persönlich hielt er trotz der geleisteten Unterschrift fest an seiner Verbundenheit mit Frankreich.



6 Die Ära Eduard Wechßlers in Berlin (1920–1937) und Max Leopold Wagners Positionierung

Nach 1920 war somit für viele Jahre auch in der Berliner Romanistik die Verbindung zwischen ihr und Frankreich schwer gestört, insbesondere in der literaturhistorischen Abteilung, in der sich immer stärker national-chauvinistische Tendenzen breitmachten.




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Es vollzog sich ein Umbruch in der Personalsituation, da mehrheitlich deutschnational gesinnte Hochschullehrer jetzt Lehre und Forschung bestimmten. Es ist somit festzustellen, dass mit dem Ausscheiden von Heinrich Morf 1920 ein wichtiges Zentrum der romanistischen Forschung und Lehre sich nicht mehr in Berlin befand. Dieser gravierende Umbruch ist vor allem mit Eduard Wechßler (1869–1949; 1916, 1918a, 1918b, 1926) und dessen Nachfolger Emil Winkler (1891–1942; 1929) verbunden. In dieses neue komplizierte und komplexe Umfeld, in dem sich, zunächst noch verhalten, Wegbereiter des Nationalsozialismus zu positionieren begannen, geriet Max Leopold Wagner, als er 1921/1922 – wenige Jahre nach dem verheerenden Ersten Weltkrieg – in das Berliner Romanische Seminar eintrat, dessen Direktor Eduard Wechßler geworden war. Von politischen Affinitäten zu den sich allmählich etablierenden deutschnationalen Machtpositionen ist in Bezug auf Wagner bislang nichts bekannt.

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Eduard Wechßler lehrte am Berliner Romanischen Seminar von 1920 bis 1937. Seine Doktorpromotion war 1893 in Halle/Saale erfolgt und die Habilitation zwei Jahre später ebenfalls in Halle/Saale mit einer Arbeit über den Graal-Lancelot-Zyklus. Diese Werke, wie auch noch andere (1900; 1909), gelten als gediegen, sie verschafften ihrem Autor Anerkennung. Im Jahre 1904 erhielt Wechßler in Marburg ein Extraordinariat und sechs Jahre später wurde er dort Ordinarius. Wie gesagt, erhielt Wechßler 1920 den Ruf nach Berlin; Karl Vossler, der auch auf der Berufungsliste gestanden hatte, verblieb in München (Hurch 2009: 213), wie Leo Spitzer in einem Brief vom 29. Dezember 1919 an Elise Richter mitteilt. Primo loco hatte sogar Meyer-Lübke auf der Berufungsliste gestanden (Hurch 2009: 29). Nicht unwichtig ist zu wissen, dass Wechßler zeitlebens ein erklärter Gegner der Schule Karl Vosslers war, wie Iorgu Iordan (1888–1986), der auch bei Vossler studiert hatte, notiert hat (Iordan 1962a: 153, n. 2).

Die Berliner Fakultät bekam jedoch bald Probleme mit Wechßler. Es wurde manches bekannt, das aufhorchen ließ. Während des Ersten Weltkrieges hatte er üble Weltkriegspropaganda betrieben; Wechßler hatte mit teilweise sogar "völkischen Beiträgen", wie Bott (2010b: 499) sie nennt, verhängnisvolle Wirkungen erzielt, so mit der Schrift "Die Franzosen und wir. Der Wandel in der Schätzung deutscher Eigenart 1871 bis 1914" (Jena 1916) oder mit dem Beitrag "Der Neuphilologe zu Felde in Frankreich. Ein Gruß aus der akademischen Heimat" (1918b). Und 1922 rief Wechßler vor einem Publikum von Gymnasiallehrern und Ministerialbeamten in Berlin aus: "Der Krieg geht fort" (Jehle 1996: 165). Von ähnlicher Geisteshaltung zeugte – trotz Bemühungen um eine gewisse Objektivität – seine für die Schule bestimmte Anthologie "L'esprit français. Ein Lesebuch zur Wesenskunde Frankreichs" (1926).




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Diesem Lesebuch, das er mit zwei Kollegen verfasst hatte, folgte 1927 sein völkisch-nationalistisches, ja rassistische Positionen beziehendes Hauptwerk "Esprit und Geist. Versuch einer Wesenskunde des Deutschen und des Franzosen". Dieses umfangreiche, mehr als 600 Seiten umfassende Opus provozierte zum Teil heftige Kritik. So von Victor Klemperer, damals noch engagierter Befürworter der sogenannten Kulturkunde für den neusprachlichen Unterricht, aber schon scharfer Gegner der Wesenskunde Wechßlers. Klemperer analysierte außerordentlich kritisch in zwei größeren Rezensionen von Wechßlers "Esprit und Geist" in der Deutschen Literaturzeitung (46, 1927: 2244–2250) und im Literaturblatt für germanische und romanische Philologie (3–4, 1928: 91–98) dieses Werk, das sich als versöhnliches Buch gebend sich dennoch "als Hassgesang gegen Frankreich" gebärdet. Für Klemperer werden in Bezug auf den Franzosen und den Deutschen "Zerrbilder, Karikaturen eines entgeistigten und entwürdigten Frankreichs und eines Deutschlands, das halb gottähnlich und halb kindisch, ebenso schöpferisch als hilflos über die Erde taumelt", propagiert. Peter Jehle (1996: 214) verweist zu Recht auf Jürgen Trabants Feststellung, "dass die Wesenskunde eine Radikalisierung der Kulturkunde markiert. Wechßlers 'Esprit und Geist' (1927) will ausdrücklich Wesenskunde sein, die rassistisch fundiert wird" (Jehle 1996: 214 unter Verweis auf Trabant 1981: 39). Klemperer ist schockiert von der Wesenskunde Wechßlers. Für Klemperer war dies Anlass, die Kulturkundekonzeption allgemein und die eigene gründlich zu überdenken; und dies geschieht nicht nur in Klemperers nunmehr publizierten Tagebüchern von 1933 bis 1945 (Berlin 1995) und in Klemperers 1947 veröffentlichter "LTI". Klemperer blieb nicht verborgen, dass viele seiner Mitstreiter auf dem Gebiet der Kulturkunde zur Wesenskunde abgeglitten waren und damit zu Wegbereitern der Rassenkunde verkamen.

Bis 1937 lehrte und forschte Eduard Wechßler in Berlin im charakterisierten Sinne weiter.

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Wie Hausmann (2000: 496f.) mitteilt, war Wechßler auch der Initiator des im Februar 1935 in Berlin eröffneten "Universitäts-Instituts für Portugal und Brasilien". Dieses Institut wurde gleich wirksam im Sinne der NS-Kulturpolitik in Kooperation mit dem seit 1936 in Portugal etablierten Salazar-Regime. Nach Wechßlers Vorstellungen sollte Joseph Maria Piel (1903–1992), der noch bei Meyer-Lübke in Bonn promoviert hatte und in Köln vor allem die Lusitanistik vertrat, in einem, ein Eigenleben neben dem Romanischen Seminar bestehenden "Portugiesischen Institut", Leiter des Berliner Instituts werden; aber Ernst Gamillscheg, der mit Wechßler offenbar zeitweise "verfeindet" war – 1924 hatte Gamillscheg im Eröffnungsband seiner "Berliner Beiträge zur Romanischen Philologie" noch eine einzigartige Würdigung seines älteren Kollegen in Form einer Festschrift veröffentlicht (!) – stimmte dieser Berufung nicht zu, weshalb Wechßler das Leitungsamt selbst übernahm.




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Wechßler war zudem Antisemit. Dies offenbarte er zum Beispiel in einem Schreiben, das er am 23. Juni 1933 – also kurz nach der Machtergreifung Hitlers – an den Dekan der Philosophischen Fakultät der Berliner Universität richtete, in dem er sein Befremden darüber ausdrückte, dass sich in der Vergangenheit "ein Ring nichtarischer Gelehrter" an verschiedenen Universitäten etabliert habe zu Lasten von "arisch-deutschen Fachvertretern" (Hausmann 2000: 12).

Die Berliner Preußische Akademie der Wissenschaften hatte gegenüber dem Romanisten Wechßler stets große Reserven. Seit Morfs Tod 1921 war die Romanistik in der Akademie nicht mehr vertreten. Eine Zuwahl Wechßlers kam keinesfalls in Frage, denn dieser "war nach Meinung der wahlberechtigten Ordentlichen Mitglieder für eine Akademie nicht geeignet" (Hausmann 2000: 474).

Nach Wechßlers Emeritierung wurde es um ihn relativ still. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, nämlich 1946, wurde Eduard Wechßler als deutscher Staatsbürger aus Österreich ausgewiesen. Nahezu mittellos gelangte er nach Sontheim in Württemberg, wo er 1949 verstarb.



7 Die Ära Ernst Gamillschegs in Berlin (1925–1945) und Max Leopold Wagners Positionierung

Neben Wechßlers literarhistorischem Ordinariat erhielt das Berliner Romanische Seminar 1925 – interessanterweise im gleichen Jahr in dem Max Leopold Wagner hier ausscheiden musste – ein zweites Ordinariat, und zwar ein sprachhistorisches, das demonstrativ mit Ernst Gamillscheg (1887–1971; 1939) besetzt wurde. Schon 1922 war, wie Leo Spitzer in einem Brief vom 4. April an die Wiener Romanistin Elise Richter (1865–1943) mitteilt, das Gerücht im Umlauf, dass Gamillscheg nach Berlin berufen werden sollte. Und für Leo Spitzer wäre das "eine krasse Ungerechtigkeit gegenüber dem ortsansässigen Wagner gewesen", heißt es ausdrücklich weiter in diesem Brief, den Bernhard Hurch (2009: 28) publiziert hat. Und in einem weiteren Brief Leo Spitzers an Elise Richter vom 10. August 1925 heißt es dann: "Gamillscheg hat den Ruf nach Berlin angenommen." Spitzer selbst ist nicht mehr "schmerzlich berührt" – er hatte sich nämlich auch Hoffnungen auf einen Ruf nach Berlin gemacht –, deshalb schreibt Spitzer weiter: "Besser in Marburg selbständig als in Berlin neben einem so unsicheren Kantonisten wie Wechßler" (Hurch 2009: 234).




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Dass Gamillscheg schon um 1915 in Wien im Verbund mit anderen rechtsgerichteten Ministerialbeamten und Romanisten eine eigentümliche Rolle gespielt hat, ergibt sich aus einem weiteren Brief Leo Spitzers vom 17. Februar 1915 an Elise Richter, wo Spitzer schreibt: "Wenn Meyer-Lübke [aus Wien] weg sein wird, wird die Becker-Gamillscheg-Battisti-Winkler-Meute über Sie und mich stürzen" (Hurch 2009: 206). Leo Spitzer und Elise Richter entstammen jüdischen Familien, weshalb Spitzer angesichts des in Wien schon massiv agierenden Antisemitismus die für sie heraufziehenden Gefahren deutlich erkennt.

Gamillscheg stammte aus der Gemeinde Neuhaus in Böhmen. Die wissenschaftliche Ausbildung erfolgte im Geiste des junggrammatischen Positivismus bei Wilhelm Meyer-Lübke in Wien – ihm brachte Gamillscheg lebenslang hohe Verehrung entgegen – und bei Jules Gilliéron in Paris. Im Jahre 1913 wurde Gamillscheg Privatdozent in Wien. Drei Jahre später erhielt Gamillscheg am 1904 gegründeten Romanischen Institut der Universität Innsbruck eine Professur, die er bis 1925 wahrnahm, also bis zu seinem spektakulären übergang nach Berlin. Am Ersten Weltkrieg hatte Gamillscheg, patriotisch gesinnt wie er war, aktiv teilgenommen, was seinen französischen Lehrern und Kollegen nicht verborgen blieb, weshalb ihn nach 1918 "eisige Verachtung" traf, so von Jules Gilliéron, wie Yakov Malkiel (1973/1988: 61) mitteilt.

In Berlin wurde Gamillscheg somit 1925 der direkte Nachfolger von Max Leopold Wagner und dies mit einem streng positivistisch ausgerichteten sprachwissenschaftlichen Konzept und einer letztlich auch anderen politischen Ausrichtung. Genau zwanzig Jahre, also bis 1945, vertrat Gamillscheg die romanistische Sprachwissenschaft in Berlin, vgl. dazu besonders Malkiel (1973/1988). Das Wirken von Ernst Gamillscheg wird bis heute unterschiedlich bewertet. Kritisch ist die Einschätzung der wissenschaftlichen Leistungen und des menschlich-charakterlichen Gebahrens des akademischen Lehrers durch seinen aus Kiew stammenden Schüler Yakov Malkiel, der zwischen 1933 und 1938 bei Gamillscheg in Berlin studiert und promoviert hatte und 1940, rassisch verfolgt, doch noch in die USA emigrieren musste und dann ab 1948 als Professor in Berkeley gelehrt und die Fachzeitschrift "Romance Philology" begründet hat, in der er u.a. systematisch und kritisch romanistische Fachgeschichte betrieben hat (Maas 2010a, I: 498). Malkiel hat (1973/1988) in seinem Nachruf auf Ernst Gamillscheg u.a. schonungslos festgestellt, dass Gamillscheg eine Reihe von Werken veröffentlicht hat, die schon zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung als veraltet, kaum auf der Höhe der wissenschaftlichen Diskussion befindlich eingeschätzt wurden. Dies gilt schon für das 1928 veröffentlichte "Etymologische Wörterbuch der französischen Sprache", und dessen zweite "vollständig neu bearbeitete" Auflage von 1969, die der gleichen scharfen Kritik unterworfen wurde.




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Als ein Misserfolg erwies sich auch die 1951 vorgelegte "Französische Bedeutungslehre", die die semantische Forschung der vergangenen Jahrzehnte weitgehend ignoriert hatte. Als ähnlich konservativ erwies sich auch die 1957 publizierte umfangreiche "Historische französische Syntax". Zweifellos hat Gamillscheg auch viele Arbeiten veröffentlicht, die die romanistische Forschung vorangebracht haben; schon ein Blick in seine reiche Bibliografie bestätigt die Vielfalt der vorgelegten Schriften.

Fest steht jedoch, dass Ernst Gamillscheg in Berlin sehr früh erhebliche Zugeständnisse an die aufkommende und dann herrschende NS-Ideologie gemacht hat, ohne jemals Parteimitglied zu werden. Im Jahre 1936 war Gamillscheg zum Ordentlichen Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften gewählt worden; im Jahre 1939 durfte er im Glückwunschband zu Hitlers fünfzigstem Geburtstag – "Deutsche Wissenschaft. Arbeit und Aufgabe" (Leipzig 1939) für die "deutsche Romanistik" sprechen (Jehle 1996: 8). Auch an dem 1941 initiierten "Kriegseinsatz der deutschen Romanisten" – eine gegen Frankreich gerichtete Gemeinschaftsarbeit, die nach dem siegreichen Frankreichfeldzug der deutschen Wehrmacht gestartet worden war und von dem aus dem Umfeld Wechßlers hervorgegangenen Breslauer Romanisten Fritz Neubert (1886–1970; 1941–1943), der dann 1943 nach Berlin ging, geleitet wurde – beteiligte sich Gamillscheg mit einem Beitrag (Jehle 1996: 168).

Der Sprachwissenschaftler Ernst Gamillscheg hatte wesentlichen Anteil an der Erforschung der sogenannten "germanischen Landnahme". Zwischen 1934 und 1936 erschien Gamillschegs Hauptwerk "Romania Germanica", eine dreibändige Siedlungs- und Sprachgeschichte der Franken, Goten, Langobarden und der Burgunder auf dem Territorium des Alten Römischen Reichs bis zu ihrem Aufgehen im Romanentum. Auch dieses Opus wird bis heute unterschiedlich bewertet; Malkiel (1973/1988: 78) wertet es trotz kritischen Herangehens als "nicht politisch ausgerichtetes Werk", während andere zu Recht diesem Votum energisch widersprechen, so Bott (2010b: 514). Gamillscheg trat zeitweise – erst die Altersweisheit ließ ihn zahmer werden – als ein scharfer Kritiker von wissenschaftlichen Arbeiten seiner romanistischen Fachkollegen auf, darunter solchen, die sich auch mit der germanischen Landnahme und deren sprachlichen Folgen beschäftigt hatten, was zu mehrjährigen Kontroversen zwischen diesen und Gamillscheg vor allem in der ZrP und der Zeitschrift für französische Sprache und Literatur (ZFSL) führte. Unrühmlich bekannt sind viele Rezensionen aus Gamillschegs Feder, der stets rigidem Positivismus verpflichtet blieb und sich allen Neuerungen in der Linguistik verschloss. Opfer solcher negativen Besprechungen oder scharfer Erwiderungen wurden ansonsten hoch angesehene Gelehrte wie Joseph Brüch (1886–1962), der allerdings Gamillschegs "Romania Germanica" in Volkstum und Kultur der Romanen (VKR) (7: 244–263) sehr kritisch besprochen hatte, und Walther von Wartburg (1888–1971), dessen sonst viel beachtete "Evolution et structure de la langue française" (11934; 21937; 51958) von Gamillscheg (ZFSL 1939, 63: 479–500) vernichtend besprochen wurde.




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Theodor Frings (1886–1968) hatte sich mit Gamillscheg auseinanderzusetzen in Bezug auf "Französisch und Fränkisch". Es geht hier um die Etymologie und damit um die Wortgeschichte der Baumnamen "Heister" und "hêtre". Gamillscheg reagierte auf die Artikel in der ZrP (57, 1937: 193–210) mit seinem Beitrag in ZFSL (62, 1938: 1–17), worauf Frings und von Wartburg in der ZrP (58, 1938: 542–549) erwiderten. Betroffen sind auch Lazare Sainéan (1859–1934), Joseph Bédier (1864–1938) und Georges Gougenheim (1900–1972), der 1935 die "Grundzüge der Phonologie" von N.S. Trubetzkoy (1890–1938) in seinen "Éléments de phonologie française" schöpferisch auf das Französische angewandt hatte und von Gamillscheg übel rezensiert wurde, da der Rezensent keinerlei Verständnis aufbrachte für Neuerungen in der Sprachwissenschaft, die seinem schroffen Positivismus gefährlich werden konnten. So war es auch kein Wunder, dass Gamillscheg längere Zeit heftig dagegen war, dass Mario Wandruszka (1911–2004) sein Nachfolger in Tübingen wurde, der mit seinem interlingualen Sprach- und Übersetzungsvergleich neue Wege in der Sprachwissenschaft eingeschlagen hatte. Auch mit Leo Spitzer, mit dem Gamillscheg zeitweise enger zusammengearbeitet hatte, geriet Gamillscheg vielfach in Konflikt. Zu den öfter höchst unfair Kritisierten gehörten auch Karl Vossler und dessen Idealistische Neuphilologie. Der Bannstrahl traf vor allem Eugen Lerch (1888–1953; 1919), der zeitlebens in Gamillscheg seinen Intimfeind sah, der – seit 1930 nunmehr Mitherausgeber der ZFSL – Lerchs Arbeiten dort immer wieder massiv angriff. Und Eugen Lerch schreckte seinerseits vor heftiger Polemik gegen den notorischen Positivisten Gamillscheg nicht zurück. Kritischen Anwürfen war auch der Vossler-Schüler Hans Rheinfelder (1898–1971) mehrfach ausgesetzt.

Natürlich hatte Gamillscheg zuweilen auch zu Recht scharfe Kritik geübt, so z.B. wenn von seinen Gegnern trivial-soziologische Annahmen, die Sprachstrukturen mit Gesellschaftsstrukturen allzu elementar parallelisierten, vorgestellt wurden. Dies traf insbesondere auch auf Vossler, Lerch und andere Forscher zu.

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Die deutschnationale Gesinnung Gamillschegs wurde vor allem deutlich, als er selbst seine Forschungsergebnisse der dreibändigen "Romania Germanica" im Jahre 1939 der Nutzung der völkischen NS-Politik anempfahl mit den Worten: "Die Schätze müssen gehoben werden, die romanische Sprachwissenschaft muss in den Dienst der germanischen Volkstumsforschung treten" (Gamillscheg 1939, zitiert nach Bott 2010b: 514). Mit Gamillscheg war das Berliner Romanische Seminar auch zu einem Ort rumänistischer Studien entwickelt worden. Lohn für diese Aktivitäten war u.a. Gamillschegs zusätzliche Berufung als Leiter des Deutschen Wissenschaftlichen Instituts in Bukarest. Iorgu Iordan (1962b: 237–238) hat jedoch die rumänistischen Forschungsergebnisse Gamillschegs äußerst kritisch eingeschätzt, ebenso auch dessen gesamte Tätigkeit in der rumänischen Hauptstadt.

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Die Berliner Universität und die Berliner Akademie der Wissenschaften haben 1946 Gamillscheg wegen seiner Verstrickungen mit dem NS-Regime aus ihren Reihen ausgeschlossen; dies führte zu Gamillschegs Weggang nach Tübingen. Trotz allem wurde Gamillscheg nach 1945 durch Festschriften geehrt, die zwei seiner Schüler und auch ein Tübinger Kollege veranlassten. Im Jahre 1957 erschien, herausgegeben von Günter Reichenkron, "Syntactica et Stilistica" (Tübingen: Niemeyer); 1968 folgte, herausgegeben von Helmut Stimm (1917–1987) und Julius Wilhelm (1896–1983), "Verba et Vocabula" (München: Fink).

Dennoch steht eindeutig fest, dass Gamillscheg, obwohl nie Mitglied der Partei, höchst regimefreundlich agiert hat. Dies bestätigt auch die im Jahre 2009 veröffentlichte Stockholmer Rede, die Max Vasmer (1886–1962) – bis 1945 Ordinarius für Slawische Philologie an der Berliner Universität – 1948 zu dem Thema "Die Haltung der Berliner Universität im Nationalsozialismus" anlässlich von Vasmers Berufung an die Universität Stockholm gehalten hat. Marie-Luise Bott hat 2009 das Manuskript dieser Rede im Faksimile und transkribiert mit zusätzlichem ausführlichen Kommentar veröffentlicht. In dieser Rede werden unter anderem auch das politische Profil und das Werk von Angehörigen der Berliner Professorenschaft eingeschätzt. Wie drei weitere Professoren wird Gamillscheg hier vor allem als "ängstlich" charakterisiert. (Bott 2009: 85 sowie 71 und 172).

Die in Berlin oder dann in Tübingen bei Ernst Gamillscheg Studierenden gewannen von ihrem Professor jedoch einen wesentlich anderen Eindruck. Yakov Malkiel (1973/1988: 74ff.) berichtet offen auch über menschlich-charakterliche Schwächen und schroffes Gebahren seines Berliner akademischen Lehrers, der auch vor Wutausbrüchen in seinen Seminaren nicht zurückschreckte; die "ständige Mischung von Zorn und Moralpredigt warf eine dunkle Wolke auf Gamillschegs 'beste Jahre'" (ebenda 75). Auch am Stil seiner Vorlesungen wurde immer wieder Kritik geübt; manche waren nur Vorträge lange vorher schriftlich erarbeiteter Texte mit wenigen Bezugnahmen auf die anwesende Hörerschaft, die meist Lebendigkeit und Brillanz in diesen Vorlesungen vermisste. Manchmal offenbarten die Vorlesungen auch ängstliches, zurückhaltendes Herangehen, wenn es um Auseinandersetzung mit problematischen wissenschaftlichen Thesen ging, die von selbst für Gamillscheg zu strammen Exponenten der herrschenden NS-Ideologie vorgebracht wurden, so etwa von dem Historiker Franz Petri (1903–1993) in seinem höchstaggressiven zweibändigen Machwerk "Germanisches Volkserbe in Wallonien und Nordfrankreich" (Bonn 1937). Nicht nur Malkiel hat uns über eigentümliche Verhaltensweisen Gamillschegs informiert; auch Dietrich Briesemeister (Jahrgang 1934), der Anfang der fünfziger Jahre einige Semester in Tübingen bei Gamillscheg studierte, teilt eine interessante Begebenheit mit (2007: 35): so die Einbestellung des ganz jungen Studenten Briesemeister in die Sprechstunde Prof. Gamillschegs; das erschreckte nicht unerheblich den angehenden Romanisten; "war ich doch im Seminar über La Chanson de Roland weder durch falsche Antworten noch durch unentschuldigtes Fehlen aufgefallen".




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Es plagte ihn also die Angst, denn "unter den Studenten" trug Gamillscheg "den Spitznamen Iwan der Schreckliche" (ebenda 35). Gamillscheg empfing ihn und er "saß in seinem engen, düsteren Büro hinter dem Schreibtisch, wie immer mit mürrischer Miene und fragte mit rauher Stimme: 'Wollen’s ain Stipendium?'" Verblüfft wie er war, erhielt Briesemeister schließlich das angesprochene Stipendium!

Fast alles, was hier geschildert wurde , erlebte ich ansatzweise, als ich im Jahre 1959 für einige Wochen zu einem Studien- und Forschungsaufenthalt bei meinem Lehrer Kurt Baldinger in Heidelberg weilte und die Gelegenheit nutzte, für ein paar Tage auch Tübingen kennenzulernen. Ich geriet in eine anderthalbstündige Vorlesung Gamillschegs in einem mit wenigen Studierenden besetzten mittelgroßen Hörsaal, wo Gamillscheg über "Germanisches h- in der Romania" dozierte in der oben schon dargestellten Weise. Im Anschluss an die Vorlesung gewährte mir Gamillscheg für einige Minuten Gehör, und ich nutzte die Gelegenheit, um dem von mir damals noch hochverehrten Romanisten – das kritische Studium seiner nach wie vor bedeutenden romanistischen Arbeiten hatte mein fachliches Wissen wesentlich bereichert – ein Exemplar meiner, 1958 im Berliner Akademie-Verlag erschienenen Dissertation über die Entstehung und Entwicklung der konzessiven Konjunktionen im Französischen zu überreichen.

Interessanterweise hatte es zwei Jahre vorher, also Anfang 1957 von der vor allem in Tübingen nach wie vor maßgebenden Gamillscheg-Schule und ihren Schülern den Versuch gegeben, die Gamillscheg-Linie an der Ostberliner Universität nach dem Weggang von Günter Reichenkron (1907–1966) an die Freie Universität in Westberlin (1948) neu zu beleben. Im Zusammenhang mit der Berufung des Schweizer Professors und Wartburg-Schülers Kurt Baldinger (1919–2007) von Ostberlin – er wirkte hier von 1948 bis 1957 – nach Heidelberg (Ende 1956) gab es also den Versuch, den Tübinger Privatdozenten und Gamillscheg-Schüler Helmut Stimm an die Humboldt-Universität zu berufen. Die Berufungsverhandlungen in Ostberlin sind jedoch bald wegen verschiedener problematischer Punkte gescheitert, sodass Helmut Stimm ein Ordinariat in Saarbrücken angenommen hat. Victor Klemperer, der an den Verhandlungen teilnahm, hat in seinen Tagebucheinträgen vom 19. Januar 1957 und vom 1. Februar 1957 über die Sachlage kurz berichtet (Klemperer 1999, II: 599 und 601).




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Ich behielt somit nach meiner im November 1956 bei Baldinger erfolgten Promotion die Chance, direkter Nachfolger meines Schweizer Lehrers Kurt Baldinger in Ostberlin zu werden. Im Jahre 1959 wurde ich zum Hochschuldozenten und 1969 zum o. Professor für romanische Sprachwissenschaft an die HUB berufen; 1995 erfolgte meine Emeritierung einige weitere Semester habe ich dann noch eine Vertretungsprofessur wahrgenommen (Klare 2011 und Baldinger 1988).


8 Die Ära Emil Winklers in Berlin (1938–1942)

Wie wir gesehen haben, wurde Eduard Wechßler 1937 in Berlin emeritiert. Als seinen Nachfolger berief das Reichserziehungsministerium 1938 das Parteimitglied Emil Winkler. Winkler stammte aus Mähren, germanische und romanische Philologie studierte er in Wien und Grenoble; 1913 erfolgte die Promotion in Wien. Es folgten weitere Studien in Berlin und Paris; 1918 hatte sich Winkler in Wien habilitiert. Winkler war dann von 1921 bis 1936 literarwissenschaftlicher Extraordinarius und dann Ordinarius in Innsbruck; die folgenden beiden Jahre hatte er ein Ordinariat in Heidelberg inne, das er 1938 zu Gunsten des Berliner Seminars aufgab. In Heidelberg rückte der Parteigenosse Walter Mönch (1905–1994; 1938, 1943) nach, der 1936 von Wechßler in Berlin habilitiert worden war. Winkler war zudem ein alter Studienfreund Gamillschegs aus ihrer gemeinsamen Zeit in Wien und Innsbruck, davon war oben bereits die Rede.

Emil Winkler veröffentlichte 1938 einen Aufsatz "Vom sprachwissenschaftlichen Denken der Franzosen. Zur Frage der 'Voraussetzungslosigkeit der Wissenschaft'". In diesem Beitrag kritisierte er, u.a. "mit rassenkundlichen Argumenten" wie Bott (2010b: 510) feststellt, die strukturalistischen Sprachbetrachtungen des Schweizers (!) Ferdinand de Saussure, dessen wissenschaftlichen Diskurs Winkler die "völkische Eigenart" der deutschen Sprachphilosophie Herders und Wilhelm von Humboldts entgegensetzt. Berüchtigt ist auch Winklers Rede "anlässlich der Wiederkehr der Nationalen Erhebung am 30. Januar 1940" mit dem Titel "Friedrich der Große und der französische Geist" (Berlin 1940), hier konnte er u.a. "die simple Fortschreibung von Erbfeindklischees aus dem Ersten Weltkrieg … betreiben" (Maas 2010a, II: 225).

Auch die literarhistorischen Arbeiten Winklers stellen nach Marie-Luise Bott einen "eklatanten Rückschritt" gegenüber dem wissenschaftlichen Niveau der Arbeiten von Heinrich Morf dar. Gerade in Emil Winkler sieht Marie-Luise Bott mit gewissem Recht einen "Verrat der Berliner romanistischen Schule", die einst vor allem vom Geist Heinrich Morfs und Adolf Toblers geprägt worden war.




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Im Lichte dieser Sachlage ist von Interesse, dass als Nachfolger von Wechßler auch der seit 1929 in Bonn lehrende Romanist Ernst Robert Curtius (1886–1956) bei den Berliner Berufungsverhandlungen 1937/1938 zur Debatte gestanden hatte, aber wohl als chancenlos galt, wie Bott (2009: 128f.) meint, da er "als scharfer Kritiker des Nationalsozialismus" angesehen wurde. Nicht unbeachtet darf dabei bleiben, dass Curtius in seiner ebenfalls von Bott herangezogenen Essaysammlung von 1932 "Deutscher Geist in Gefahr" auch Töne angeschlagen hatte, die dieses Urteil von Bott kaum zu stützen vermögen; bekannt ist auch, dass Curtius mit dem italienischen Faschismus durchaus recht gut zurechtgekommen ist.


9 Weiteres zur Ära Max Leopold Wagners in Berlin (1921–1925) und zu seiner weiteren wissenschaftlichen Wirksamkeit in der Romania

Das wissenschaftliche und wissenschaftspolitische wie auch ideologische Umfeld, mit dem Max Leopold Wagner 1921/1922 mit seinem Eintritt in das Berliner Romanische Seminar in Berührung kommen musste – und Wagner lernte in direktem persönlichen Kontakt nur die ersten Anfänge der Um- und Neuorientierung der Literatur- und Sprachwissenschaft an diesem Seminar kennen – dürfte ihm sicher bewusst gemacht haben, dass er selbst als Sprachforscher von anderen Prämissen aus gestartet war. Wir haben bereits gesehen, dass weniger der junggrammatische Positivismus Wilhelm Meyer-Lübkes, als vielmehr die Sprach- und Dialektgeografie und die Richtung "Wörter und Sachen" Wagners wissenschaftliche Ausrichtung bestimmten. Wagners bis 1925 vorliegende sprachwissenschaftliche Arbeiten dokumentieren diese Sachlage. Die Sprachgeografie mit den Sprachatlanten als Forschungsinstrument war von Jules Gilliéron (1854–1926) in Frankreich und von Jakob Jud (1882–1952) und Karl Jaberg (1877–1958) in der Schweiz perfektioniert und ausgebaut worden. Der "Atlas Linguistique de la France" (ALF) und der "Sprach- und Sachatlas Italiens und der Südschweiz" (AIS) waren Leitbilder der sprachgeografischen und auch wort- und sachgeschichtlichen Forschung. An der 1919 begonnenen Erarbeitung des AIS war Wagner ja direkt beteiligt, denn er explorierte als "der gründlichste Kenner des sardischen Sprachgebietes" (so Jaberg/Jud 1928: 8) zwischen 1925 und 1927 zwanzig Ortschaften auf Sardinien. Am Konzept des AIS ist deutlich erkennbar, dass die von den bedeutenden, aber auch streitbaren Grazer Sprachforschern Rudolf Meringer (1859–1931) und Hugo Schuchardt initiierte Richtung "Wörter und Sachen" relativ leicht kombinierbar war mit den Methoden der Sprachgeografie.




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Max Leopold Wagner erweist sich als Meister in der Beherrschung der genannten sprachwissenschaftlichen Methoden, ohne in extenso über diese Methoden theoretisch zu reflektieren, sie werden solid in die Feldforschung umgesetzt. Wagner ist eher Sprach- und Kulturforscher, weniger dagegen Linguist im modernen Wortsinn. Zu erinnern ist dabei an grundsätzliche Feststellungen von Utz Maas (2010a, II: 180 und passim), dass bei sprachlichen Untersuchungen zu unterscheiden ist hinsichtlich des Grades der jeweils eingehaltenen theoretischen und methodischen Stringenz eines Sprachforschers, Sprachwissenschaftlers oder Linguisten, der dabei den höchsten Grad erreicht. Trotzdem hat Wagner in seinen Hauptwerken wie "Dizionario Etimologico Sardo" und in "La Lingua Sarda" hohe sprachforscherische Kompetenz eingebracht. Als ein solches Meisterwerk eines Sprachforschers gilt auch – nicht nur für Leo Spitzer wie oben zitiert – Wagners 1921 in Heidelberg publizierte Arbeit "Das ländliche Leben Sardiniens im Spiegel der Sprache. Kulturhistorisch-sprachliche Untersuchungen", erschienen als Beiheft 4 der von Meringer und Schuchardt 1909 begründeten Fachzeitschrift "Wörter und Sachen. Kulturhistorische Zeitschrift für Sprach- und Sachforschung" (WS). Im Zentrum dieser Zeitschrift standen Untersuchungen zur materiellen Sachkultur der romanischen Völker in enger Verbindung mit deren Sprachen. Ab 1938 wurde WS jedoch unter der Mitherausgeberschaft des vormals Rostocker und dann Heidelberger Ordinarius Hermann Güntert (1886–1948) – der zweite Herausgeber, ebenfalls strammes Parteimitglied, war jetzt Walther Wüst (1901–1993) – reorganisiert; die Zeitschrift wurde weitgehend zum "Sprachrohr der rassistischen Sprachwissenschaft" (Iordan 1962a: 86 n 2 und 404f.). In dem eben genannten und oben schon erwähnten Meisterwerk von 1921, das Wagner Wilhelm Meyer-Lübke zum 60. Geburtstag gewidmet hatte, untersucht Wagner, nachdem er bereits zahlreiche andere Arbeiten über das Sardische vorgelegt hatte, alle Formen des bäuerlichen Lebens und der ländlichen Kultur auf sprachlichen Grundlagen. Wagner nutzt dabei auch alle Möglichkeiten der Fotografie, und als Kulturforscher präsentiert er konkretes Anschauungsmaterial, um auch dieses für nachkommende Generationen lebendig zu erhalten. Wagner steht voll im Leben, er fühlt sich in keiner Weise marginalisiert mit dem, was er in Sardinien und anderswo in peripheren Bezirken der Romania untersucht. Er ist auf der Suche nach den Ursprüngen, nach dem Natürlichen, ohne sich modernen technischen Errungenschaften zu verweigern. Er fühlte sich keineswegs als Außenseiter, auch nicht in Bezug auf seinen eigenwilligen Lebensentwurf, von dem oben die Rede war.

Die schöpferische Kombination der beiden Methoden Sprachgeografie und "Wörter und Sachen" durch produktive Forscher wie Max Leopold Wagner hat auch zum Auftrieb der onomasiologischen Forschungen geführt.




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Als Begründer der Onomasiologie, der Bezeichnungslehre, gelten der Basler Professor Ernst Tappolet (1870–1939), der 1895 als Schüler von Heinrich Morf in Zürich promoviert hatte – und zwar mit seiner Arbeit über die romanischen Verwandtschaftsnamen (1895) – und der Grazer Ordinarius Adolf Zauner (1870–1940), der die romanischen Namen der Körperteile (1902) untersucht hat und diese Untersuchungen "eine onomasiologische Studie" nannte, während Tappolet in seiner Dissertation noch einen "Beitrag zur vergleichenden Lexikologie" sah. Bruno Quadri ist 1952 in seiner exzellenten Arbeit "Aufgaben und Methoden der onomasiologischen Forschung" dieser ganzen Problematik nachgegangen. Er zeigte auch auf, wie die Onomasiologie seit Tappolet und Zauner wesentlich verfeinert und bereichert worden ist. Dabei hat er die bedeutenden Leistungen M. L. Wagners auf dem Gebiet der onomasiologischen Forschung gebührend gewürdigt. Quadri (1952: 181–182) listet ein Dutzend von Wagners onomasiologischen Beiträgen auf, die zwischen 1906 und 1948 vor allem in romanistischen Fachzeitschriften publiziert wurden ; und das Meisterwerk von 1921 gehört ebenfalls dazu. Quadri (1952: 115) betont zu Recht, dass dieses ganze Werk "genauer betrachtet aus einer Summe onomasiologischer Einzelstudien" besteht.

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Wie wir schon angedeutet haben, interessiert sich Wagner vom Beginn seiner romanistischen Laufbahn an für am Rande des sprachlichen Lebens stehende Existenzformen der Sprachen. Bedeutend sind seine Studien zum Argot und zu Geheimsprachen; 1928 veröffentlichte er im ersten Band der Hamburger Zeitschrift "Volkstum und Kultur der Romanen" einen Beitrag "Über die Geheimsprachen in Sardinien"; vorher hatte er schon über iberoromanische Argotformen gehandelt, so über "Mexikanisches Rotwelsch" in der ZrP (39, 1919) in der Sprachpraxis von Verbrechergilden in Mexiko. Auch Argotformen in Barcelona wurden untersucht, wo Wagner den Nachweis erbringt, dass hier, wie auch im spanischen Argot, "der ungewöhnliche Reichtum an Wörtern und Ausdrücken" aus der Zigeunersprache auffällt, wie Iordan (1962 a: 436) hervorhebt. Herausragende Arbeiten über das Judenspanische wurden von Wagner schon vor der Berliner Zeit publiziert, so die "Beiträge zur Kenntnis des Judenspanischen von Konstantinopel" (Wien 1914). Maas (2010b, I: 850) weist darauf hin, dass für Wagner das Judenspanische "eine wirkliche Volkssprache in der (städtischen) Türkei ist, im Gegensatz zur französischen Oberschichtkultur". Wagner entwickelte sich somit zu einem hervorragenden Spezialisten für sondersprachliche Varietäten der gesamten Romania. Diese Arbeiten sind seit 1990 bequem zugänglich in vier Bänden, die Heinz Kröll (1919-1999) in Stuttgart herausgegeben hat. In der Tradition von M.L. Wagner verstehen sich auch die Arbeiten zum Judenspanischen, die Winfried Busse (Jahrgang 1942) in den Jahren von 1991 bis 2011 als Herausgeber in 13 Bänden in Berlin vorgelegt hat.




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Trotz dieser bedeutenden Bemühungen um die Erforschung der sondersprachlichen Verhältnisse in der gesamten Romania blieb das Sardische von Anfang an im Mittelpunkt der sprach- und kulturwissenschaftlichen Arbeit Wagners. Zahlreiche Aufsätze und Monografien zu Lautlehre, Wortschatz und Wortbildung, zur Etymologie und Geschichte des Sardischen und dessen Dialekten haben die drei wegweisenden Hauptwerke Wagners zur sardischen Philologie vorbereitet, die 1941, 1951 und 1960–1964 erschienen sind und Wagners wissenschaftlichen Ruhm endgültig bestätigt haben. Auf diesen Standardwerken Wagners baut die heutige sardische Philologie auf, die vor allem von Eduardo Blasco Ferrer (Jahrgang 1956; 1984, 1994, 2011) vorangebracht wird, einem spanischen Forscher katalanischer Herkunft, der 1981 in Erlangen bei Heinrich Kuen (1899–1989) promoviert hat und jetzt an der Universität in Cagliari tätig ist. In Deutschland wird in der Nachfolge von Max Leopold Wagner insbesondere von dem Bonner Sardologen Heinz-Jürgen Wolf (Jahrgang 1935) kompetent sardologisch gearbeitet und publiziert. Auch mein Berliner Schüler Christian Wagner (Jahrgang 1943) ist mit einigen Studien zu Sardinien und zum Sardischen hervorgetreten. Erfreulich ist, dass in dem zwischen 1988 und 2005 erschienenen achtbändigen Lexikon der Romanistischen Linguistik (LRL), das Günter Holtus, Michael Metzeltin und Christian Schmitt herausgegeben haben, das Sardische gebührend berücksichtigt worden ist. Kompetente Sardologen wie Giulio Paulis, Eduardo Blasco Ferrer, Heinz-Jürgen Wolf, Maurizio Virdis und andere in Cagliari wirkende Sardologen haben die entsprechenden Artikel für Band IV des LRL erarbeitet.

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Nach der 1925 erfolgten Entlassung aus der Berliner Universität hat Max Leopold Wagner mehrere Jahre seine Forschungen vor allem im romanischsprachigen Gelände fortgesetzt, wobei Italien und dabei Sardinien bevorzugt blieben in den Jahren 1932 und dann 1937 bis 1947. In Portugal, speziell in Coimbra, wirkte Wagner in den Jahren 1935 bis 1936. Für diese relativ langen Zeiträume stellt Frank-Rutger Hausmann (2000: 312 n 54), der sich erstaunlicherweise fast nicht zu Wagner äußert, in einer banalen Fußnote nur fest, dass Wagner "ein unstetes Wanderleben" führte. Mit Giulio Bertoni (1878–1942), den Wagner gut kannte und der 1904 bei Tobler in Berlin studiert hatte – und darauf zunächst zwischen 1905 und 1921 in Fribourg in der Schweiz lehrte und dann erst in Turin und Rom –, korrespondierte er wegen der Publikation seiner Aufsätze und Rezensionen in Bertonis Fachzeitschrift "Archivum Romanicum", die zuerst in Genf und dann, ab 1936, in Florenz zwischen 1917 und 1941 erschienen ist, jahrelang. Auch in "Cultura Neolatina" publizierte Wagner, so in dessen Jahrgang 3 (1943: 5–26) seine wichtigen "Betrachtungen über die Methodenfragen der Etymologie", wo Wagner beweist, dass er auch sprachwissenschaftliche Grundfragen aufzuwerfen und zu beantworten im Stande ist.




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Max Leopold Wagner bemüht sich also immer wieder um Publikationsmöglichkeiten seiner zahlreichen Aufsätze und Besprechungen in den romanistischen Fachzeitschriften. So stand er immer wieder in Kontakt mit der von uns mehrfach erwähnten, seit 1928 erscheinenden Hamburger Fachzeitschrift "Volkstum und Kultur der Romania" (VKR), deren Herausgeber Fritz Krüger (1889–1974) war. Seit 1925 hatte sich Krüger einen guten Namen gemacht durch zahlreiche Untersuchungen zur materiellen Sachkultur der romanischen Völker in Verbindung mit ihren Sprachen, so zum Beispiel durch seine zwischen 1934 und 1940 erschienene sechsbändige Arbeit "Die Hochpyrenäen", die die Methode "Wörter und Sachen" vorbildlich angewandt hatte. Frühzeitig geriet auch Fritz Krüger in das Fahrwasser der nationalsozialistischen Bewegung, 1937 war er Parteimitglied geworden; zu dem seit 1941 diskutierten Projekt "Kriegseinsatz der deutschen Romanisten" hatte er einen Beitrag "Das französische Volkstum und nationale Einheit" angekündigt (Jehle 1996: 168). Trotzdem wurden Wagners insbesondere auch das Judenspanische betreffende Aufsätze und Rezensionen in VKR veröffentlicht, so in den Bänden 1 (1928), 2 (1930), 4 (1931), 9 (1936) und 14 (1941).

Auch in dem bedeutenden "Literaturblatt für germanische und romanische Philologie", das zwischen 1880 und 1944 zuerst in Heilbronn und dann in Leipzig erschien und fast ausschließlich Rezensionen veröffentlichte, hat Wagner ab 1916 viel publiziert. Wagners enges Verhältnis zu Fritz Krüger wurde durch die Bindungen Krügers an die herrschende Ideologie nicht getrübt. Für Maas (2010b, I: 854 n 32) ist dies "auch ein Indiz dafür […], dass Wagner sich nicht als politischer Dissident begriff". Maas (2010b, I: 853 n 6) verweist sogar darauf, dass Wagner "im Schriftverkehr mit deutschen Institutionen nach 1933 […] immer mit 'Heil Hitler'" unterzeichnete.

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Wir hatten oben Wagners wissenschaftlichen Werdegang schon weiter verfolgt, insbesondere die zehn Jahre (1937–1947) Wirksamkeit in Italien. Maas (2010b, I: 849) berichtet unter Verweis auf Giulio Paulis, dass Wagner "gegen Kriegsende von den deutschen Behörden aus politischen Gründen verfolgt worden sei und sich habe verstecken müssen". In Rom jedenfalls lehrte Wagner am Istituto di Filologia Romanza der Universität, dessen Direktor Giulio Bertoni war, wo Wagner speziell die sardische Philologie vertrat und nebenbei eine Tätigkeit am Istituto italiano degli Studi Germanici ausübte und wo er noch im offiziellen Auftrag des Berliner Auswärtigen Amtes ein deutsch-italienisches und italienisch-deutsches Wörterbuch erarbeitete, das aber nicht abgeschlossen wurde.




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Nach Ende des Zweiten Weltkrieges erhielt Wagner 1947 einen Ruf als Professor an die Universität Coimbra – wo Joseph M. Piel Professor war –, und gleichzeitig nahm Wagner in den USA an der Universität Urbana (Illinois) eine romanistische Gastprofessur wahr. Die Professur in Coimbra bekleidete Wagner bis 1951. Auf Einladung seines Freundes Rafael Urciolo siedelte Wagner 1951 dauerhaft nach Washington, D.C. über, wo er finanziell abgesichert sein Lebenswerk vollenden konnte. Im April 1956 war Wagner wegen seiner Teilnahme am VIII. Internationalen Romanistenkongress in Florenz erneut in Europa; hier konnte ich als junger Berliner Romanist die persönliche Bekanntschaft dieses herausragenden Sprachforschers machen. Gemeinsam mit anderen Kongressteilnehmern besuchten wir u.a. die Florentiner Accademia della Crusca, deren Mitglied Wagner seit 1952 war, sowie auf einer Exkursion die Ausgrabungen von Pompeji.


10 Ehrungen und Nachwirkungen des wissenschaftlichen Werkes von Max Leopold Wagner in der Romania, speziell in Sardinien

Zu seinen Lebzeiten hatte Max Leopold Wagner eine Reihe bedeutender Würdigungen erfahren: 1952 wurde er Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und 1954 der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Im Jahre 1956 wurde der herausragende Sardologe durch die Aufnahme in die Disputazione di storia patria per la Sardegna geehrt. 1951 war bereits Wagners Aufnahme in die Società Nazionale di Scienze in Neapel erfolgt, und 1954 wurde ihm die Ehrenbürgerschaft von Nuoro verliehen. Am 9. Juli 1962 verstarb Max Leopold Wagner in Washington, D.C.

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Als wissenschaftlicher Nachlassverwalter Max Leopold Wagners wirkt heute der Sprachwissenschaftler Giulio Paulis (Jahrgang 1947, tätig in Cagliari). Paulis ist, wie Dirk Naguschewski (2010: 191f.) ausgeführt hat, Mitbegründer und Direktor des Centro Max Leopold Wagner per la documentazione e ricerca linguistica. Seit 1997 produziert das Centro eine eigene Schriftenreihe "Officina linguistica". Bis heute ist Max Leopold Wagner in Sardinien mit seinen noch mindestens eine Million Sardisch sprechenden Einwohnern hoch angesehen als Erforscher der sardischen Sprache und Kultur, als unermüdlicher Feldforscher, als enquêteur , der seit 1904 bis hinein in sein hohes Alter die Insel immer wieder durchquert und erforscht hat. Das wissenschaftliche Werk Max Leopold Wagners und damit sein Name erfahren immer wieder auch Erwähnung in den politischen und sprachpolitischen Auseinandersetzungen, die bis heute in Sardinien stattfinden.




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So wurde auf Wagner reflektiert, als es in den Debatten des Consiglio Regionale della Sardegna zwischen dem 26. März und 10. April 1981 um die seit 1978 vorliegende "Proposta di legge nazionale di iniziativa popolare" mit dem Titel "Schutz der sardischen sprachlichen Minderheit in Anwendung von Artikel 6 der Verfassung der Italienischen Republik [von 1948]" ging. Es handelte sich dabei um die sogenannte "Questione Sarda", um Zweisprachigkeit (Diglossie), um die Sicherung der Gleichwertigkeit und der juristischen Gleichstellung des Sardischen gegenüber dem sich immer weiter durchsetzenden und prestigebeladenen Italienisch im öffentlichen Leben – 90% der Sarden verstehen oder sprechen heute auch Italienisch –, vor allem im Schul- und Bildungswesen, wo das Sardische obligatorisch und nicht mehr nur fakultativ behandelt werden muss. Zu klären blieb dabei, welche Varietät des Sardischen zu unterrichten ist, wobei zunächst von den Lehrenden auch auf lokale sardische Dialekte zurückgegriffen werden kann, bevor eine verbindliche nationale Einzeldialekt-übergreifende Standardnorm erarbeitet ist. (Blasco Ferrer 2001: 250f.) Hinzu kommt, dass das im Süden der Insel gesprochene Campidanesische von ca. 800 000 Personen verwendet wird, das Logudoresische im Zentrum und Teilen des Nordens dagegen nur von ca. 300 000 Sarden (Bochmann 1989: 132). Die ältesten sardischen Sprachdokumente sind Urkunden aus dem 11./12. Jahrhundert in einer "auf dem Logudoresischen beruhenden ziemlich einheitlichen Literatursprache" (ebenda 127).

In diesen, teilweise hitzig geführten Debatten von 1981 fiel, wie gesagt, der Name M.L. Wagners. So in dem Diskussionsbeitrag des Abgeordneten Carlo Sanna vom Partito Sardo d'Azione, der sich bezog auf die komplizierte Geschichte und Sprachgeschichte Sardiniens mit den vielfachen fremden Unterwerfungen durch Römer, Germanen, Byzantiner, Araber, Katalanen, Spanier, Genuesen und Pisaner. Resümierend stellte Carlo Sanna in Bezug auf diese mehr als 2000 Jahre bis hin zum Protosardo, bis hin zu den Völkerschaften und Sprachen, die vor der römischen Eroberung 238 vor Christus auf der Insel ansässig waren, in italienischer Sprache, die ich hier ins Deutsche übersetze, fest: "Zu den Gelehrten, die diese Materie untersucht haben, gehört vor allem Wagner, der die sardische Sprache im Zeitraum von mehr als sechzig Jahren, also ein ganzes Leben lang, in nahezu einhundert Publikationen erforscht hat – und dennoch haben wir, soweit ich sehe, bislang den Namen dieses Mannes weder einer Straße, noch einem Platz, noch einer Schule, noch einer Bibliothek oder einem Kulturzentrum zum ehrenden Gedenken verliehen" (Consiglio Regionale della Sardegna. Resoconti 9 Aprile 1981: 17 b).

Wie wir oben mitgeteilt haben, ist der Name Max Leopold Wagners inzwischen in Cagliari und anderswo zu der hochverdienten Ehrung gekommen. In Deutschland hingegen ist noch viel mehr zu tun, um das wissenschaftliche Vermächtnis von Max Leopold Wagner für immer zu sichern.




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Wagner, Max Leopold (2002): Geschichte der sardischen Sprache. Übersetzt, herausgegeben und mit einem Literaturverzeichnis versehen von Giovanni Masala. Mit einem Geleitwort von Giulio Paulis. Tübingen.

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Wartburg, Walther von (11934, 21937, 121958): Evolution et structure de la langue française. Leipzig [1. und 2. Aufl.], Bern [ab 4. Aufl.].

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Wechßler, Eduard (1916): Die Franzosen und wir. Der Wandel in der Schätzung deutscher Eigenart 1871–1914. Jena.

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Winkler, Emil (1929): Grundlegung der Stilistik. Bielefeld.

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Zauner, Adolf (1902): Die romanischen Namen der Körperteile. Eine onomasiologische Studie. Erlangen.