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Martina Stemberger (Wien)



Thomas Stauder (Hg.): L'identité féminine dans l'œuvre d'Elsa Triolet. Tübingen: Narr 2010.


Détruire sa propre légende n'est pas une mince affaire pour le romancier.
(Triolet 1969: 51)


Elsa Triolet sei "un écrivain peut-être à redécouvrir": Diese Feststellung Alain Trouvés aus dem Jahr 2006 besitzt wohl nach wie vor ihre Gültigkeit (vgl. Trouvé 2006: 8). Triolet ist zwar nie eigentlich in Vergessenheit geraten; doch die Rezeption ihres Werkes litt ebenso sehr unter der Legendenbildung rund um ihre Person1 (bzw. der rasch chronifizierten Konfusion zwischen der realen Schriftstellerin und Aragons mythischer 'Elsa'2) wie unter ihrer politischen Stigmatisierung: Als Aragon und Triolet sich endlich aus dem Bann ihres "amour malheureux pour l'Union Soviétique" (zit. Balachova 2000: 99) zu lösen vermochten, war die Autorin längst "als prominente Stalinistin in die französische Literaturgeschichte eingegangen" (Hörner 1998b: 167).3 Literarhistorisch wurde Triolets Werk lange Zeit eher stiefmütterlich behandelt (vgl. Hörner 1993: 27), gelegentlich zur nicht recht ernstgenommenen 'Jugendliteratur' (Trouvé 2006: 8) – oder auch 'Frauenliteratur' – gerechnet, wozu ihr ideologisch motiviertes Bemühen um einen (oft trügerisch) 'einfachen' Stil,4 der auch den Gemeinplatz nicht scheut, das Seine beiträgt (wobei diese Abwertung in auffallendem Widerspruch steht zu der Wertschätzung, die zahlreiche des geistigen Simplizismus unverdächtige Zeitgenossen Triolets – von Camus bis Jakobson – der Autorin entgegenbrachten).

Als Anregung zu einer Relektüre Triolets ist der vorliegende Band auf jeden Fall zu begrüßen, umso mehr, als er einen vielversprechenden Ansatz verfolgt: Einige Beiträge stammen von renommierten Triolet-Experten (so Marianne Delranc-Gaudric, Marie-Thérèse Eychart, Alain Trouvé); daneben finden sich Studien, die sich dem Sujet aus nicht nur literaturwissenschaftlicher, sondern auch kulturhistorischer gendertheoretischer Perspektive nähern (so jene Loukia Efthymious). Der Herausgeber stellt in seiner Einleitung ("L'intérêt des recherches sur l'identité féminine dans l'œuvre d'Elsa Triolet et les résultats de ce livre", 9–43) zunächst fest, dass "le thème de l'identité féminine dans l'œuvre d'Elsa Triolet" in der internationalen Forschung noch nicht hinreichend untersucht worden sei – besagte Einleitung bietet auch einen Überblick über bisherige Studien zu Triolet, unter besonderer Berücksichtigung des Gender-Aspekts – und dass das Interesse für das Leben der Autorin lange gegenüber der Auseinandersetzung mit ihrem literarischen Œuvre vorgeherrscht habe (9); dem ist zweifellos zuzustimmen, wobei die Tendenz zur biographie-basierten Analyse freilich auch in diesem Band sehr ausgeprägt bleibt – in mehreren Beiträgen geht es nicht vorrangig um die Problematik der "identité féminine dans l'œuvre d'Elsa Triolet" (was denn auch in der Einführung quasi vorwegnehmend gerechtfertigt wird, 15).




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Bereits das vorangestellte "Album de photos" (45–56) wirft – so interessant es für mit Triolet weniger vertraute LeserInnen sein mag – die Frage auf, wie ernst man es hier mit der Distanzierung von jener biographie-lastigen Tradition der Triolet-Rezeption meint. Und wenn Stauder einleitend kritisch anmerkt, dass es auch der Forschung oft nicht gelungen sei, Triolet unabhängig von ihrem berühmten Partner und dem Mythos 'Elsa' wahrzunehmen (9), so wirkt es nicht allzu konsequent, dass der erste große Abschnitt des Bandes erst recht wieder leicht kolportagehaft "Elsa Triolet face aux deux hommes et écrivains les plus importants de sa vie: Vladimir Maïakovski et Louis Aragon" betitelt ist.

Das Werk Triolets ist gewiss stark autobiographisch inspiriert; es ist bekannt, dass Triolet etwa auch ihre Tagebücher großzügig als Quelle für ihre Romane nützte.5 Jedoch ist das Moment der literarischen Selbstinszenierung der Autorin und vor allem des illustren Paares Triolet/Aragon, das im Monumentalprojekt der Œuvres Romanesques Croisées d'Elsa Triolet et Aragon kulminiert, nicht zu unterschätzen; man hat es hier weniger mit transparenter Autobiographie denn mit einem "bewußt eingesetzte[n] Spiel mit Dichtung und Wahrheit, Fakt und Fiktion" (Hörner 1993: 12) zu tun. Triolet selbst, auch wenn sie ihre Texte als "autobiographie romancée" bezeichnet (zit. ebd.: 139), lehnt im Übrigen – den Prinzipien des Russischen Formalismus treu – jeden Biographismus in Sachen Literatur ab: "Comment peut-on faire coïncider la psychologie du personnage et la psychologie de l'auteur? C'est une interprétation trop primitive de la littérature" (zit. Balachova 2000: 98).6

Eine weitere kritische Reflexion, zu der bereits der Titel des Bandes herausfordert, betrifft eben die Frage nach "L'identité féminine" (im Singular, mit einem Eindeutigkeit und Homogenität suggerierenden bestimmten Artikel, ohne jegliche Distanzierung von der hier beschworenen 'Weiblichkeit'), wobei in den folgenden Studien zum Teil sehr deutlich wird, wie gebrochen, vielfältig, komplex die 'weiblichen' Identitäten im Werk, aber auch in der biographischen 'Performance' der Autorin sind. Bei der Lektüre des Bandes – für den der Herausgeber prinzipiell zwei Forschungsperspektiven skizziert: die Auseinandersetzung mit der Frage einer 'weiblichen Identität' auf der Inhaltsebene ('Frauenbilder', Figurenzeichnung etc.) und "la quête d'une hypothétique 'écriture féminine'" (14) – erweist sich bald, dass so manche Passage gendertheoretisch tatsächlich etwas unterreflektiert ist. Gerade bei einer Studie mit genderwissenschaftlicher Ambition fällt es unangenehm auf, wie sorglos hier Formeln wie "typiquement féminin" (vgl. etwa 20, 32), "une écriture authentiquement féminine" (15), "un regard authentiquement féminin sur le monde" (285) gebraucht werden.




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Der Band enthält jedoch auch gender- wie literaturtheoretisch sehr fundierte Aufsätze; exemplarisch genannt sei hier der überaus erhellende Beitrag Alain Trouvés, der auch darauf hinweist, dass gerade im Fall Triolet eine geschlechts-fixierte Lesart auch wesentlich dazu beigetragen habe, die Schriftstellerin zur "Muse, objet d'un culte obsessionnel", zur bloßen "épouse d'écrivain reconnu" oder eben zur Repräsentantin einer vagen 'Frauenliteratur' zu degradieren (99) – wobei Triolet selbst sich dagegen verwehrte, der sogenannten 'littérature féminine' zugeordnet zu werden: "Il n'y a pas raison apparente à ce fait […] qu'on a mis ensemble toutes les femmes qui écrivent […] et à l'écart des hommes, comme dans un harem ou dans une synagogue" (zit. Efthymiou: 225). Ihre Schriften zeugen von einer sehr modern anmutenden Sensibilität dafür, wie sehr 'Weiblichkeit' und 'Männlichkeit' stets aufeinander bezogene gesellschaftliche Konstrukte sind: "Il n'y a d'identité que par la différence et donc par l'altérité. Pas de féminin sans masculin", wie Trouvé festhält (100).

Hier stellt sich auch hinsichtlich des vorgelegten Bandes die Frage, ob es nicht – im Sinne des ja längst vollzogenen Paradigmenwechsels von der 'Frauenforschung' zu den 'Gender Studies' – von Vorteil gewesen wäre, die gender-fokussierte Analyse von Triolets Werk von vornherein auf die (De-)Konstruktion von 'Geschlechtsidentität' allgemein zu erweitern, anstatt den einseitigen Akzent auf eine wie immer definierte 'identité féminine' zu wählen. Bestimmte Kurzschlüsse hätten damit vielleicht vermieden werden können; so scheint die Fixierung auf die Frage der 'Weiblichkeit' bzw. die Hypothese einer diffusen weiblichen 'Differenz' immer wieder zur Reproduktion von Denk- und Argumentationsmustern zu führen, die vor dem Hintergrund einer mehr oder weniger universalen 'Männlichkeit' eine spezifisch markierte 'Weiblichkeit' in ihrer Eigenart zu erfassen versuchen.

Triolet ist, im Gegensatz zu ihrer Zeitgenossin Simone de Beauvoir, mit der sie ein überaus komplexes Verhältnis nicht zuletzt vom Literaturmarkt geschürter Rivalität verbindet (vgl. Monteil: 159),7 keine feministische Theoretikerin, wie Stauder betont (13). Ihre Positionen in punkto 'Weiblichkeit' und 'Feminismus' werden – abgesehen von privaten Notizen, Tagebuchaufzeichnungen etc. – also großteils aus fiktionalen literarischen Texten erschlossen, was besondere interpretatorische Vorsicht gebietet.8 Die meisten BeiträgerInnen sind sich darin einig, dass Triolet, von den "qualités nécessairement inégales des deux sexes" überzeugt und insofern von einem egalitären Feminismus à la Beauvoir weit entfernt, als "une avocate du 'féminisme de la différence'" zu kategorisieren sei (ebd.), was vielleicht einer weiteren Differenzierung bedarf. Diese wird in einem besonders aufschlussreichen Beitrag auch geleistet: Efthymiou, die sich Triolets Diskurs als (Gender-)Historikerin nähert, kommt zu dem Schluss, dass Triolet – bei allen Ambivalenzen gegenüber der feministischen Bewegung ihrer Zeit – zumindest en privé sehr wohl "un féminisme de l’égalité" vertreten habe, auch wenn sie öffentlich aus strategischen Gründen als Advokatin eines "différentialisme sexuel" agierte (233f.). Efthymiou zeigt weiters, wie sehr bestimmte Aussagen, die gern zum Beweis ihres Bekenntnisses zu einer weiblichen 'Differenz' herangezogen werden, im politischen Kontext zu relativieren sind:9 "l'approche que fait l'auteure des rôles sociaux des sexes en termes d'égalité l'emporte sur la valorisation de leur différence naturelle" (234).




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Doch der Reihe nach. Am Anfang steht also Elsa Triolet face aux deux hommes et écrivains les plus importants de sa vie: Vladimir Maïakovski et Louis Aragon. Vladimir Majakovskij (alias 'Onkel Volodja' – so der Spitzname, unter dem er in der Korrespondenz mit der jugendlichen Ėlla Kagan fungiert) war zweifellos eine Schlüsselfigur in Triolets Leben und Werk. Monica Biasiolos Beitrag ("Écrire dans (et avec) la langue de l'autre: Elsa Triolet et Vladimir Maïakovski entre biographie et textes", 59–80) untersucht "le rôle joué par le poète russe dans la constitution de l'identité de l'écrivaine" (16) aus einer kombiniert biographisch-textanalytischen Perspektive. Interessanter als die bekannten biographischen Aspekte scheint Biasiolos Diskussion der Rolle der Übersetzung (gerade auch der Lyrik Majakovskijs) als Prozess literarischer Identitätsfindung bei Triolet (64). Die Autorin verfolgt die mehr oder minder manifeste Präsenz Majakovskijs quer durch das Werk Triolets; der Dichter hat – und dies über Gender-Grenzen hinweg – etliche fiktive Figuren inspiriert (67ff.); die Suizid-Thematik – bei Triolet gerade im Kontext problematischer Künstlerschicksale präsent, so in ihrem "Tauwetterroman" Le Monument (Hörner 1993: 110) – dürfte nicht zuletzt im Zusammenhang mit seinem tragischen Ende stehen ("Je porte en moi la plaie ouverte du suicide de Maïakovski", erklärt Triolet noch Jahrzehnte später, zit. Chovrelat-Péchoux: 199). Ein interessanter Aspekt, der hier nur kurz angerissen wird, ist die Diskrepanz zwischen Triolets Affinität zu einer Reihe avantgardistischer Künstler wie Majakovskij – dessen Œuvre sie als Übersetzerin, Biographin (Maïakovski, poète russe, 1939), Kommentatorin, Ausstellungs-Organisatorin (La Vie illustrée de Maïakovski, 1967) unermüdlich vermittelt – und ihrer eigenen Entscheidung für eine durchaus un-avantgardistische Schreibweise, die auf das literarische Experiment zugunsten der von ihr intendierten "Kommunikationsästhetik" (Hörner 1993: 10) verzichtet.10 Auch die Frage des Genres wäre hier möglicherweise aus der Gender-Perspektive zu reflektieren: Triolet, "Wegbereiterin der modernen russischen Lyrik in ihrer Wahlheimat" (Hörner 1998a: 123), die neben Majakovskij auch DichterInnen wie Achmatova, Cvetaeva, Chlebnikov, Esenin ins Französische übersetzt und die Anthologie La Poésie russe (1965) betreut, versagt sich selbst die lyrische Produktion ("non, je n'ai pas accès au vers"; Triolet 1969: 60) – lässt jedoch, wie Trouvé zeigt, ihre dichterische Kreativität verstärkt in ihr Romanschaffen einfließen, womit sie diesem eine spezifische poetische Qualität verleiht (Trouvé spricht von Triolets "réalisme poétique", 115).

In Matteo Tuveris "Elsa et Louis: phénoménologie de l'amour contemporain" (81–98) geht es von vornherein nicht um die Schriftstellerin Triolet und ihr Werk, sondern erklärtermaßen um "l'image d'Elsa Triolet à travers la poésie amoureuse et passionnée de Louis Aragon" (87) – was der löblichen Intention, eine Annäherung an Triolet jenseits von 'Elsa' und Aragon zu unternehmen, nun ja wohl diametral zuwiderläuft. Doch nicht nur dies: Der Beitrag wartet mit pompöser Widmung, einer Anhäufung von – um es euphemistisch zu formulieren – befremdlichen Stereotypen (so wird Triolet unter anderem als "juive errante parmi les peuples" [sic] etikettiert, geprägt nicht zuletzt von "la mélancolie génétique du grand peuple auquel elle appartenait" [re-sic], 94) und ausführlichen Zitaten aus Sappho, Petrarca, Dante, Bembo und Co. auf, wirkt passagenweise geradezu wie eine anlassbedingt recycelte Materialsammlung zur Geschichte der europäischen Liebeslyrik. 'Elsa', durchgehend als 'bien-aimée' Aragons apostrophiert, interessiert den Autor als Anlass zu deren erfolgreicher Fortschreibung, wobei besagter liebeslyrischer Diskurs in einigermaßen schwülstiger Prosa paraphrasiert wird (à la "les yeux ouvrent l’âme de la bien-aimée au poète […]", 87). Auch wenn – Rettungsversuch des Herausgebers – in der Einleitung erklärt wird, Tuveri zeige, dass Aragon "une image innovatrice de la femme […] une femme moderne et émancipée, comme l'était dans la vie réelle l'épouse d'Aragon" (18) besinge, so verfällt dieser Beitrag doch auf Schritt und Tritt selbst in eben jene Klischees einer chauvinistischen Rhetorik, die es zu dekonstruieren gälte: "Et c'est ici que les yeux d'Elsa reflètent les couleurs et les douleurs de la France […]" (97).




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Alain Trouvé dagegen bietet eine sehr fundierte und theoretisch reflektierte Auseinandersetzung mit dem Thema "Roman et différence sexuelle chez Elsa Triolet et Aragon" (99–119). Der Autor, der sich explizit von der (auch im vorliegenden Band) verbreiteten Unsitte, selbst im literaturwissenschaftlichen Diskurs konsequent von 'Elsa' zu sprechen, distanziert (99),11 macht sogleich deutlich, dass es ihm um Gender als kulturell/historisch determiniertes Konstrukt und nicht um die Essentialisierung einer "hypothétique et douteuse écriture genrée" (117) geht. Er fokussiert im Folgenden die Œuvres Romanesques Croisées Triolets/Aragons. Der Vergleich zwischen den beiden "ensembles romanesques", die sich in diesem Monumentalprojekt von 42 Bänden ("ebenso viele, wie das Paar Lebensjahre miteinander verbracht hatte", Hörner 1998a: 168) zum literarisch-existenziellen Gesamtkunstwerk vereinen, ergibt eine Reihe aus genderwissenschaftlicher Perspektive interessanter Einsichten; so konstatiert Trouvé die Dominanz heterosexueller amouröser Sujets (101f.), reflektiert Phänomene der "projection de l'auteur dans un personnage de sexe opposé" (102), die ambivalente Idealisierung weiblicher Figuren bei Aragon (103) ebenso wie die überaus vielschichtigen Facetten des Aragonschen Spiels mit dem Triolet-Intertext (105). Über eine vergleichende Textanalyse gelangt er zu der Einsicht, dass, abgesehen allenfalls von einer gewissen Affinität zu bestimmten stereotyp als 'weiblich' konnotierten Themen, kaum von einer prononciert 'weiblichen' Identität in den Werken Triolets die Rede sein könne: "[…] l'hypothèse d'une spécificité de l'écriture féminine ne sort guère renforcée de ce premier tour d'horizon" (107). Im Folgenden zeigt er, dass die beiden Autoren einander vielmehr "dans le questionnement poétique des identités genrées" (109) begegnen, die binäre Opposition Weiblichkeit/Männlichkeit als solche in Frage gestellt wird: "L'altérité masculin/féminin subit une série d'altérations qui tend à brouiller la frontière entre les sexes, voire à inverser les rôles" (108). Abschließend rekurriert Trouvé auf einen alternativen, psychoanalytisch inspirierten Begriff einer "féminité archaïque", Chiffre für eine literarische Erkundung der "formes archaïques de la psyché", denen Triolets Texte mit ihrer Tendenz zur poetischen Metaphorisierung vielleicht etwas näher kämen als jene Aragons mit ihrer Dominanz metonymischer Verfahren (113ff.).

Der nächste Abschnitt untersucht Elsa Triolet comparée à deux écrivaines émancipées: Virginia Woolf et Simone de Beauvoir. Claire Davison-Pégon, Autorin einer Dissertation über Art and the Artist in the Literary Works of Elsa Triolet (1991), unternimmt in ihrem Beitrag ("Genres d'errance: les méandres d'une identité au féminin chez Virginia Woolf et Elsa Triolet", 123–142) den Versuch einer "lecture croisée de Virginia Woolf et d'Elsa Triolet" (124), der eine Reihe interessanter Parallelen – in biographischer, poetologischer, rezeptionshistorischer Hinsicht – zu Tage bringt. Beide Autorinnen wurden von der zeitgenössischen Kritik als Repräsentantinnen einer 'weiblichen' Literatur wahrgenommen (124f.). Während Woolf jedoch schließlich zu einem "synonyme de l'avant-garde moderniste" wurde, blieb Triolet "le plus souvent reléguée aux marges des courants esthétiques dominants, que ce soit l'écriture féminine, le réalisme socialiste, le roman expérimental ou l'autofiction" (124), wobei auch die feministische Literaturkritik Triolet nicht aus der stereotypen Festschreibung auf "son rôle de muse, de midinette ou de manipulatrice" (125) erlöst habe. Die Autorin beobachtet bei Woolf und Triolet eine Reihe von Gemeinsamkeiten nicht nur in der Themenwahl, sondern auch in diversen "effets de styles" (126). Bei beiden diagnostiziert sie nicht nur einen gewissen Gender-, sondern auch Genre-Trouble: "les deux écrivains vont sans cesse mettre les genres sous tension, troublant les discours trop logiques, déjouant les binarismes hiérarchiques […]" (132), wobei 'Weiblichkeit' hier als Metapher für den Versuch steht, "une autre voix de la modernité" (134) Gehör zu verschaffen: "[…] elles dédoublent la féminité biologique d'un féminin comme opérativité poétique et comme conscience sociale" (140).12




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Der Beitrag von Claudine Monteil ("Elsa Triolet et Simone de Beauvoir, deux femmes témoins de leur siècle", 143–167) bleibt im Wesentlichen dem Register des Biographisch-Anekdotischen verhaftet (dies freilich in nicht uninteressanter Weise); die Autorin unternimmt eine parallele Zeitreise durch die literarischen und intellektuellen Biographien Triolets und Beauvoirs, von "Deux adolescences aux intelligences précoces" (143) über "Accords et désaccords sur la place de la femme dans la société" (145), "La démystification du communisme" (154) bis hin zu "Un autre sujet commun aux deux œuvres: la vieillesse" (163), wobei sie schon im ersten Absatz ihren größten Trumpf ("mon amitié avec Simone de Beauvoir", 143) ins Spiel bringt. Monteil betont, dass Triolet und Beauvoir für eine fundamental unterschiedliche Auffassung von der Gleichheit der Geschlechter stünden: "[…] pour Elsa Triolet, il s'agit de l'égalité dans la différence. La femme se doit d'assumer une féminité" (146) – wobei besagte 'féminité' allerdings nicht weiter reflektiert wird. Der Beitrag endet mit dem temperamentvollen Appell, "l'omerta qui règne parfois sur l'œuvre de Triolet" endlich ein Ende zu setzen (165f.).

Der Abschnitt Études transversales de l'identité féminine dans les œuvres d'Elsa Triolet enthält mit Marianne Delranc-Gaudrics Beitrag "L'élaboration de l'identité féminine chez Elsa Triolet (1896–1948)" (171–185) zunächst einen umfassenden tour d'horizon durch das Themengebiet 'Weiblichkeit' bei Triolet, wobei die Autorin (die sich in ihrer Dissertation mit dem russischsprachigen Frühwerk der Schriftstellerin und der schwierigen Metamorphose D’Эльза Триоле à Elsa Triolet befasst hat; vgl. Gaudric-Delranc 1991) auch zahlreiche unpublizierte russische Quellen berücksichtigt. Nachdem sie einleitend das Konzept einer 'identité féminine' problematisiert hat ("une notion aux contours flous, variant avec les individus, les sociétés, les époques", 171), versucht sie, "l'attitude exacte d'Elsa Triolet dans le débat féministe de son époque" zu bestimmen (23). In Frankreich trifft die Emigrantin auf eine in punkto Wahl- und Eherecht, Geburtenkontrolle etc. noch sehr rückständige Gesellschaft, deren "misogynie (mêlée de xénophobie)" (176) Triolet, in einem anonymen Brief bei der Polizei als 'Bolschewikin' bzw. gar 'Tschekistin', aber auch als 'Prostituierte' denunziert (ebd.), am eigenen Leib zu spüren bekommt. Was ihre Texte betrifft, so erscheint – neben Sujets wie Prostitution oder Abtreibung, die nur wenige weibliche Autoren der Epoche behandeln (177) – vor allem "La maternité impossible" als "un élément constitutif de l'identité féminine" (178). Delranc-Gaudric geht auf Triolets Kritik am Sexismus der französischen Sprache ebenso ein (181) wie auf den historischen Kontext ihres Werkes, zeigt etwa, wie Triolet bei der Gestaltung der weiblichen Figuren aus ihren Résistance-Texten auf den antifeministischen Propagandadiskurs von Vichy reagiert (183).

Geneviève Chovrelat-Péchoux wirft in "Elsa Triolet, écrivain ou écrivaine?" (187–201) die allgemeine Frage nach "le genre et la représentation de la féminité" (187) in Werk und Leben Triolets auf. Die Analyse privater Aufzeichnungen aus Triolets (bzw. Kagans) Jugend demonstriert, dass die zukünftige Schriftstellerin noch zwischen einer traditionellen weiblichen Rolle und "la volonté d'une émancipation future" (23) zögert, sich erst allmählich von diversen internalisierten misogynen Stereotypen freimacht (so äußert die Jugendliche noch Zweifel an der bloßen Möglichkeit wahrhafter künstlerischer Größe bei einer Frau, zit. 188f.). Chovrelat-Péchoux konstatiert, dass Triolet insgesamt "en marge des luttes féministes" (199) geblieben, doch als Autorin, Übersetzerin, Journalistin etc. ein role model gewesen sei: "[…] Elsa Triolet a féminisé le métier" (200).




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Marie-Thérèse Eychart, Herausgeberin der Écrits intimes Triolets, schreibt über "La construction de l'identité féminine dans les premiers romans en français d'Elsa Triolet" (203–221) und macht dabei deutlich, dass Triolet in ihren ersten auf Französisch verfassten Romanen "un système de représentation de l'identité féminine" entfaltet, dessen einzelne Elemente sich bereits in ihren russischen Jugendwerken abzeichnen (204). Eychart betont den durchaus 'untypischen' Charakter von Triolets Frauenfiguren vor dem Hintergrund der realen patriarchalischen Gesellschaft ihrer Epoche: "Ce sont le plus généralement des femmes seules et marginales qui mènent leur vie hors des normes sociales et morales courantes et s'assument comme telles" (203). Nicht umsonst zeigte sich bereits Jean-Paul Sartre in seiner Rezension zu Bonsoir, Thérèse überrascht von der gänzlich neuen Welt, "un monde de femmes seules" (zit. ebd.), die ihm dieser Roman eröffnet habe (zur Triolet-Rezeption Sartres und Nizans vgl. auch Hörner 1993: 21). Wenn für viele Figuren Triolets an und für sich das Gefühl einer existenziellen Marginalität (204) charakteristisch ist, so gilt dies umso mehr für ihre weiblichen Gestalten; 'Weiblichkeit' liest sich bei Triolet, so Eychart, im Wesentlichen als Leidensgeschichte – vom "malheur de la maternité impossible" (215) bis hin zur Obsession des Alters, das in den Augen einer Protagonistin als "une maladie incurable comme la lèpre" (zit. 217) erscheint. Kurz: "être femme reste dans les romans d'Elsa Triolet un gage de souffrance supérieure, de blessure irrémédiable" (220).

Loukia Efthymiou untersucht in "Genre, discours et engagement chez Elsa Triolet" (223–235) "le discours, public et intime, de Triolet à travers le prisme de la catégorie d'analyse du genre" (223), wobei sie neben publizierten literarischen Werken auch wenig bekannte Archiv-Dokumente aus dem Fonds Elsa Triolet-Aragon berücksichtigt. Wenn Triolet in ihren öffentlichen Diskursen eher moderat feministische Positionen bezieht, so nimmt sie sich in ihren privaten Notizen kein Blatt vor den Mund – Efthymiou fördert hier eine Reihe anti-patriarchalischer Preziosen ans Licht: "J'ai fini par considérer l'homme comme l'ennemi héréditaire" (zit. ebd.); "Je déteste le fascisme, les antisémite (sic), les hommes, parce que je hais tous ceux qui profitent de leur force pour humilier, pour piétiner des êtres humains" (zit. 226). Triolet, "[o]bservatrice perspicace de la société sexuée de son temps" (223), durchschaut die künstliche Produktion weiblicher Inferiorität ebenso wie die gesellschaftliche Fiktion männlicher Suprematie ("il y a longtemps que je ne reproche à l'homme que de se croire supérieur. Et qu'il ne l'est pas", zit. 224), spottet über anatomie-fixiertes männliches Überlegenheitsdenken ("Pourquoi est-ce si merveilleux et enviable que d'avoir des testicules; une idée d'homme", zit. ebd.), träumt von einem "métissage des sexes" (225) und zeigt sich fest davon überzeugt, "que le sexe n'est point le fondement de la différence intellectuelle" (224). Triolet, als Verfechterin eines 'individuellen' Feminismus (226) jeglicher Form künstlicher Geschlechtertrennung (Stichwort: 'Frauenliteratur') ebenso wie Frauenvereinigungen aller Art ("ces 'harems'", ebd.) entschieden abgeneigt, mokiert sich über die Institution einer eigenen 'Frauenseite' in Zeitungen und Zeitschriften13 – es käme schließlich auch niemand auf die Idee, eine "page de l'homme" einzurichten (225). Efthymiou betont, wie sehr Triolet – quasi in Vorwegnahme späterer Diskussionen um Geschlechtergerechtigkeit im öffentlichen Diskurs – in ihren Schriften auf Präsenz und Sichtbarkeit der Frauen achtet und in diesem Sinne auch "une déficience de la langue française au regard de la visibilité des sexes" (ebd.) konstatiert: "En français l'humanité se compose d'hommes […]" (zit. ebd.).




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In Gislinde Seyberts Beitrag "L'impact du politique dans la création des personnages de fiction dans l'œuvre romanesque d'Elsa Triolet" (237–251) wird die Gender-Frage anhand einiger "étapes paradigmatiques" (248) im Werk Triolets reflektiert; von Le Cheval blanc (1943) – das Porträt der Heldin wird als "un exemple d'Œdipe renversé, de Contre-Œdipe" (238) interpretiert – über Le Premier Accroc coûte deux cents francs (1945, nachträglich mit dem Prix Goncourt 1944 ausgezeichnet) – wie bei Efthymiou (229) wird auch hier die Überschreitung traditioneller weiblicher Geschlechterrollen im Kontext der Résistance thematisiert (249) –, Le Rendez-vous des étrangers (1956) und Le Monument (1957) bis hin zum Roman Roses à crédit (1959), der "une sorte d'émancipation négative" (250) schildert.

Der Abschnitt Études de l'identité féminine dans des œuvres particulières d'Elsa Triolet bietet eine Reihe aufschlussreicher Detailstudien aus genderwissenschaftlicher Perspektive, wobei vielleicht eine etwas ausgewogenere Berücksichtigung verschiedener Werke und Schaffensperioden Triolets wünschenswert gewesen wäre.14 So ist die russische Frühphase der Autorin nur mit einem einzigen Text vertreten (Fraise-des-Bois, 1926); lediglich Delranc-Gaudric geht an anderer Stelle kurz auf Triolets "im Grenzbereich zwischen Reportage, Reiseschilderung und Novelle" (Měšťan 1984: 156) angesiedelten Erstling15 À Tahiti (Na Taiti, 1925), der bereits "un ton nouveau, qui tranche avec la tradition romanesque du XIXème siècle" anschlägt (Delranc-Gaudric: 175), und auf Camouflage (Zaščitnyj cvet, 1928), "sorte de roman-exorcisme" (177), ein. Gerade letzterer Roman – mit dem Triolet sich als "écrivain professionnel" etabliert (178) – wäre von einigem Interesse, was die kontrastive Konstruktion unterschiedlicher weiblicher Identitäten betrifft; auch Colliers (Busy, in Auszügen 1933) wäre aus genderwissenschaftlicher Perspektive eine Untersuchung wert.16 Mehrfach behandelt werden dagegen einige Werke aus Triolets – insgesamt zweifellos viel bedeutenderer – französischer Schaffensphase; dies gilt vor allem für die Trilogie L'Âge de nylon (der Titel spielt auf Sartres L'Âge de raison an, vgl. Hörner 1998a: 165) und ganz besonders deren ersten Teil, Triolets 'Rosenroman' Roses à crédit, dem gleich mehrere Studien exklusiv oder teilweise gewidmet sind.

Svetlana Maires Beitrag "Fraise-des-Bois ou l'expression des tendances féministes d'une société" (255–269) bietet jedenfalls als einziger in diesem Band eine ausführliche Analyse eines Werkes aus Triolets russischer Zeit. Maire liest Fraise-des-Bois (alias Zemljanička, so der Spitzname der autobiographisch inspirierten Protagonistin), "roman autobiographique" (268), als Schlüsseltext (258), wobei die Feststellung, dass Triolet hier einen "pacte autobiographique" im Sinne Lejeunes mit ihren Lesern abschließe (262f.), jedoch auf einem literaturtheoretischen Missverständnis beruht.17 Auch dieser Text problematisiert bereits "Le sujet de la place de la femme dans la société" (265), wobei Maire vor allem das im Roman überaus präsente Thema 'Prostitution' hervorhebt: Über die Figur der Prostituierten werde hier nicht zuletzt "la femme à la lisière des deux siècles" reflektiert (267).




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Thomas Stauders Studie "L'identité féminine fragmentée et multiple dans Bonsoir, Thérèse ou Comment lire Elsa Triolet avec l'aide de Jacques Derrida, Elisabeth Lenk et Luce Irigaray" (271–293) beginnt mit einem erneuten Versuch, mögliche Aspekte der Thematik des Gesamtbandes abzugrenzen, wobei hier nicht die inhaltliche Analyse,18 sondern die Untersuchung von Triolets Werk – hier konkret des Romans Bonsoir, Thérèse – hinsichtlich eventueller "attributs d'une supposée 'écriture féminine'" im Zentrum steht (271). Der Begriff einer écriture féminine bleibt freilich etwas vage; der Autor bezieht sich einerseits auf die entsprechende poststrukturalistische Theoriebildung, vollzieht andererseits aber wieder einen fragwürdigen Kurzschluss zwischen 'écriture féminine' und 'sexe féminin' ("je souhaiterais découvrir quelle caractéristique du style de ce roman de 1938 peut être considérée comme typique pour le sexe féminin", ebd.). Der Text enthält etliche feine Beobachtungen zur Spezifik dieses "formal avancierten Montageroman[s]" (Hörner 1993: 163)19 mit seinen metanarrativen Elementen, seiner heterogenen, a-linearen Struktur, seinen Strategien der (De-) Konstruktion eines multiplen, instabilen narrativen Subjekts, wobei die Argumentation allerdings dort problematisch wird, wo all diese Phänomene um jeden Preis auf eine enigmatische "mentalité spécifiquement féminine" zurückgeführt werden (30). In Bezug auf die Traumpoetik etwa, die das zweite Kapitel des Romans ("Paris qui rêve") prägt, merkt der Autor selbst an, dass sich ein literarisch versierter Leser hier wohl an die "activités des surréalistes parisiens" erinnert fühlen werde und versucht sein könnte, Parallelen zu Bretons Nadja oder Aragons Le Paysan de Paris herzustellen, wobei dieser Ansatz jedoch sogleich verworfen wird: "[…] il semble plus plausible de chercher l'origine de cette vision irrationnelle du monde dans la conscience féminine de la narratrice, qui perçoit la réalité de manière spécifique" (275).20

Elisa Borghino beschäftigt sich in "L'identité féminine dans Les amants d'Avignon d'Elsa Triolet" (295–303) mit einem der berühmtesten Texte Triolets aus der Zeit der Okkupation, veröffentlicht unter dem Pseudonym 'Laurent Daniel' (eine Hommage an die Résistants Danièle und Laurent Casanova, vgl. Smiley 2000: 158). Ausgehend von ihrer Lektüre der Amants als "une étape de sa quête de femme et d'écrivain" (302) betont auch Borghino, dass Triolets Werk in Abgrenzung gegenüber dem "féminisme beauvoirien" (295) eine "Différence positive de la femme" (302) postuliere. Unter Verweis auf Madeleine Braun, die bei Triolet schon jene ungewöhnliche "alliance de ce regard viril et de ce clin d'œil féminin" (zit. 298) hervorgehoben hatte, wird besonderes Augenmerk auf das komplexe Spiel der Blicke in diesem Text gelegt, wobei die Gender-Rollenverteilung etwas zu klischeehaft interpretiert ("la partie féminine d'Elsa vit et la masculine regarde et écrit"), Triolet mit ihrer Heldin etwas zu unbesorgt gleichgesetzt wird ("Sa Juliette, c'est elle sans doute […]", ebd.).21




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Carolle Gagnon widmet ihren Beitrag der Untersuchung von "Corps de la fête et corps de la guerre dans les Cahiers enterrés sous un pêcher d'Elsa Triolet" (305–318); der genannte Text, ebenso wie die Amants d'Avignon in Triolets goncourt-gekröntem Band Le Premier Accroc coûte deux cents francs22 enthalten, gewinne seine ästhetische "unité", wie unter Berufung auf Theorien Boris Ėjchenbaums gezeigt wird, "par la perspective du point de vue de la narratrice" (32). Historisch-politische Themen werden hier über Repräsentationen vor allem weiblicher Körperlichkeit reflektiert; die Autorin unterstreicht die Modernität dieses als "patchwork" angelegten Textes (308), der mit seiner Affinität zur Technik der écriture automatique formal wie thematisch nicht zuletzt in der Tradition des Surrealismus zu situieren ist (309).

Andrea Duranti fokussiert in "Elsa Triolet: une vie étrangère" (319-334) vor allem den Roman Le Rendez-vous des étrangers (1956), der, "analyse complète de la phénoménologie de l'étrangeté" (325), eine ganze Reihe symbolischer Repräsentanten des 'Fremdseins' Revue passieren lässt, wobei Duranti die allgemein hohe Frequenz 'marginaler' Figuren und die Ambivalenz dieser "extranéité sociale" im Werk Triolets hervorhebt (321). Er reflektiert aber auch die Facetten der 'Fremdheit' im Leben der Autorin selbst, deren mehrfach marginaler Status ("communiste, juive, intellectuel [sic] et, last but not least, femme", 319) ihre "sensibilité littéraire" entscheidend geprägt habe – in der Tat sind diverse Statements Triolets zum Thema 'Frauen' und 'Feminismus' zweifellos auch vor dem Hintergrund ihrer "condition d'étrangère" (ebd.) zu betrachten, worauf auch Trouvé in seinem Beitrag hinweist (100). In ihrer Préface au mal du pays, der Re-Edition des Romans im Jahr 1967 vorangestellt, spürt Triolet dem Phänomen der 'Fremdheit' mit seinen philosophischen wie seinen etymologischen Implikationen nach: "Un étranger, une étrangère, c'est toujours, au moins, étrange. J'ai même songé, jadis[,] à écrire quelque chose qui s'appellerait: Étrange étrangère" (zit. 319). Aufschlussreich sind die Überlegungen über 'Weiblichkeit' und/als 'Marginalität' in Triolets Werk, die Duranti im Anschluss an Diana Holmes (French Women's Writing, 1848–1994, Vol. 4 [1996]) unternimmt ("the sense of exile in Triolet's work is also gendered", wie Holmes festhält; zit. 321); verzichtbar, aber verzeihlich sind die etwas gekünstelten Bezüge zum Schicksal der "Euro-musulmans" (329) oder slawischer Arbeitsmigrantinnen der Gegenwart (332), die der Autor in mehreren Passagen herstellt, um die Aktualität von Triolets Reflexion über das 'Fremde' zu illustrieren.




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Anne-Marie Reboul untersucht in "La femme et le combat entre l'âge de pierre et l'âge de nylon dans l'œuvre d'Elsa Triolet" (335–353) die Trilogie L'Âge de nylon, die ganz "sous le signe d'un progrès problématique" steht (34); der titelgebende Nylon wird zum "symbole de l'aliénation" einer modernen Konsumgesellschaft (ebd.). An den drei Romanen Roses à crédit (1959), Luna-Park (1959) und L'Âme (1963) analysiert Reboul – ein weiteres Mal unter Verweis auf Madeleine Braun – die Gender-Ambivalenz des hier inszenierten 'doppelten' Blicks auf den weiblichen Körper; sie zeigt, wie sich im Lauf des Zyklus eine eigenartige "déréalisation" oder "dématérialisation" der Frau vollzieht (349). Reboul widersteht erfolgreich der Versuchung, Triolets Werk um jeden Preis in einem feministischen Diskurs zu verorten: "Il faut pourtant se rendre à l'évidence, aucun discours féministe […] aucun écho d'une quelconque querelle du féminisme n'apparaît dans ce cycle" (341).

Dominique-Joëlle Lalo ("Le retour à l'origine dans Roses à crédit d'Elsa Triolet", 355–375) konzentriert sich auf den ersten Roman der Trilogie, den sie aus einer von Freud, Lacan und Klein inspirierten psychoanalytischen Mischperspektive liest – dies mit viel Sinn fürs (inter)textuelle Detail, wobei manche Interpretationen freilich ein wenig forciert wirken: Wo die Ratte zum Phallus (356), die Badezimmerlampe zum Symbol des "bon sein" nach Melanie Klein (360) wird, fühlt man sich versucht, den Übervater höchstpersönlich zu zitieren, der bekanntlich geneigt war, eine Zigarre manchmal auch einfach für eine Zigarre zu halten. Im Übrigen entgeht auch diese Studie nicht der klassischen Versuchung psychoanalytischer Textinterpretationen, fiktive Romanfiguren zu 'analysieren', als handle es sich nicht um literarische Konstrukte, sondern um reale Menschen auf der sprichwörtlichen Couch ("Nous avons avancé que Martine présentait une prédisposition à la mélancolie. Certaines caractéristiques de cette affection se repèrent dans le texte", 367), wobei die Autorin immer wieder in einen (gelegentlich leicht selbstparodistisch anmutenden) psycho-diagnostischen Jargon verfällt, der Romanheldin etwa "alternance de calme et de fébrilité qui fait songer à la psychose maniaco-dépressive" (369) oder eine generalisierte orale Regression attestiert: "Le mouvement régrédient s'accentue. Martine retourne au stade oral par des accès de boulimie, comblement de son vide affectif" (373).

Graziella-Fotini Castellanou beschäftigt sich in "Le progrès au féminin, le progrès au masculin dans l'œuvre d'Elsa Triolet: Roses à crédit" (377–387) ein weiteres Mal mit ebendiesem Roman: Der Text wirft, wie sie feststellt, "la question fondamentale des rapports entre l'homme et son désir de bien vouloir se laisser séduire par la modernité" (377) auf, wobei die Protagonisten – eine zusehends dem pathologischen Konsumrausch verfallende junge Frau, die den modernen Komfort "comme une païenne" anbetet (zit. 385), und ihr Ehemann, "un scientifique romanesque" (zit. 379) – für radikal unterschiedliche Konzepte von 'Fortschritt' stehen: "Le progrès de Martine est incarné dans la 'néo-matérialité' […] tandis que le progrès de Daniel est incarné dans la science" (ebd.).




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Edith Perrys "Portrait de Blanche Hauteville en Galatée" (389–400) wendet sich mit Luna-Park wieder dem zweiten Teil der Nylon-Trilogie zu. Die Heldin des Romans, heroische Fliegerin ("De nos jours, Icare était femme et c'était très bien ainsi", zit. 389) und insofern vermeintlich "une figure emblématique de la femme moderne", wird hier vor dem Hintergrund des Pygmalion-Mythos reinterpretiert: "L'image d'Icare est proposée et même imposée par l'homme […] de sorte que cette image se subordonne à celle d'un Pygmalion à la parole cruellement performative" (ebd.). Perry zeigt, wie sich die im Roman nur indirekt präsente weibliche Hauptfigur mit dem sprechenden Namen Blanche in einem "jeu kaléidoscopique" auflöst (390), zur bloßen 'Fiktion' der sie umgebenden Männer wird ("La femme est une fiction de l'homme"), womit dieser Text "un discours androcentré et pétrificateur" reinszeniert und zugleich subvertiert (398). In diesem Zusammenhang reflektiert sie auch das "portrait de Blanche en Pygmalion", das Aragon in seinem Roman Blanche ou l'oubli (der explizit auf Triolets Text reagiert) entwirft (391).

Marjolaine Vallin analysiert "L'identité de la narratrice dans Les Manigances" (401–415); bei diesem Werk, 1962 erschienen, in den Œuvres Romanesques Croisées allerdings signifikanterweise unter dem Motto "conversation avec soi-même" neben den frühen autobiographisch inspirierten Text À Tahiti gestellt (411), handelt es sich um einen weiblichen 'Künstlerroman' mit dem ironischen Untertitel Journal d'une égoïste. Die vorgeschlagene biographische Lesart (die Protagonistin versuche hier "ce qu'Elsa Triolet n'a jamais réussi: se libérer de l'emprise masculine en quittant son mari et en ayant un domaine artistique en propre", 413) scheint etwas reduktionistisch, wobei Vallin selbst daran erinnert, dass Triolet jegliche autobiographische Interpretation ihrer Werke dezidiert abgelehnt habe (412). Auch hier hat die Leserin es mit einer im Grunde unfassbaren, widersprüchlichen 'Weiblichkeit' zu tun, wobei dem Verwirrspiel der (Geschlechts-)Identitäten die formale Grenzüberschreitung entspricht: "Le flottement générique de l'œuvre redouble […] le flou identitaire de la narratrice […]" (410).

Jean-Pierre Montiers Beitrag "Identité féminine et figure d'auteure chez Elsa Triolet, dans Le grand jamais, Écoutez-voir et La mise en mots" (417–430), drei Spätwerken der Autorin gewidmet (resp. 1965, 1968 und 1969 erschienen), argumentiert die 'Weiblichkeit' der Texte Triolets auf Basis der eigenen subjektiven Intuition: "Lisant, subjectivement, ces trois œuvres […] j'ai bien le sentiment de lire une prose de sensibilité féminine, mais rien ne me permet de matérialiser cette intuition […]" (417), verweist unter Berufung auf Béatrice Didiers L’Écriture-femme (1981) auf jenen "certain accent", an dem man von einer Frau – ob nun Triolet oder Colette – verfasste Texte erkennen könne (419). Notfalls kann hier – ausgehend von der mehr als problematischen Prämisse, dass weibliche Autorschaft prinzipiell 'markiert' sei – auch die Abwesenheit spezifisch 'weiblicher' Merkmale zum paradoxen Beweis dafür werden, dass man es eben mit "une écriture cherchant, systématiquement, à effacer les signes de la féminité qui pourraient y affleurer" (417) zu tun habe. Als typisches Element einer 'weiblichen' Poetik wird etwa "la pente de la confusion ou de la fusion entre roman et autobiographie" (421) genannt – wobei Trouvé freilich im selben Band anhand seiner Analyse der Œuvres Romanesques Croisées zeigt, dass diese Tendenz bei Aragon ausgeprägter ist als bei Triolet (106). Wenn Montier weiters "un usage particulier du registre du merveilleux poétique" als Kennzeichen 'weiblicher' Texte identifizieren zu können glaubt, muss er selbst eingestehen, dass sich dergleichen gewiss auch in der 'männlichen' Literatur häufig finde; jedoch: "on n'est pas dans la même perspective que dans Nadja ou Le Paysan de Paris" (422) – die Frage, worin der prinzipielle Unterschied besteht, wird der neugierigen Leserin allerdings nicht beantwortet. Dafür darf Letztere aber feststellen, dass die "littérature 'masculine'" (ebd.) im Gegensatz zur saloppen Rede vom "roman féminin" (424) sehr wohl der ihren Status als Literatur tout court schützenden Anführungszeichen bedarf.23




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Insgesamt kann dieser qualitativ recht heterogene Band – der von einigen Kürzungen bzw. auch von der Elimination einiger Redundanzen profitiert hätte24 – jedoch als aufschlussreiches Dokument der Triolet-Rezeption gelten; neben den angesprochenen Schwachpunkten enthält er eine Reihe durchaus gelungener Studien und leistet jedenfalls einen anerkennenswerten Beitrag zur 'Wiederentdeckung' einer Autorin, deren Werk eine kritische Relektüre jenseits der poetischen Verklärung und der politischen Stigmatisierung verdient.


Bibliographie

Balachova, Tamara (2000): "Le double destin d'Elsa Triolet en Russie (Documents des Archives moscovites)", in: Gaudric-Delranc, Marianne (Hg.): Elsa Triolet. Un écrivain dans le siècle. Paris: L'Harmattan, 93–101.

Delranc-Gaudric, Marianne (2011): "Elsa Triolet dans la Résistance: l'écriture et la vie", in: Site Équipe de Recherche Interdisciplinaire sur Elsa Triolet et Aragon (ÉRITA) [http://www.louisaragon-elsatriolet.org/spip.php?article403, 12.01.2012]

Gaudric-Delranc, Marianne (1991): D'Эльза Триоле à Elsa Triolet. Les quatre premiers romans d'Elsa Triolet et le passage du russe au français [Thèse]. Paris: INALCO.

– (1998): "L'accueil critique des premiers romans d'Elsa Triolet en Union soviétique", in: Recherches croisées Aragon / Elsa Triolet 6, 13–36.

– (2000) (Hg.): Elsa Triolet. Un écrivain dans le siècle (Actes du colloque international, 15–17 novembre 1996, Maison Elsa Triolet-Aragon, Saint-Arnoult-en-Yvelines). Paris: L'Harmattan.

Hörner, Unda (1993): Das Romanwerk Elsa Triolets. Im Spannungsfeld von Avantgarde und Sozialistischem Realismus. Essen: Die Blaue Eule.

– (1998a): Elsa Triolet und Louis Aragon. "Die Liebenden des Jahrhunderts". Berlin: Rowohlt.

– (1998b): Die realen Frauen der Surrealisten. Simone Breton, Gala Éluard, Elsa Triolet. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

Měšťan, Antonín (1984): "Elsa Triolet in der russischen Literatur", in: Wiener Slawistischer Almanach, Bd. 14, 153–165.

Robel, Léon (2000): "Un destin traduit: La Mise en mots d'Elsa Triolet", in: Gaudric-Delranc, Marianne (Hg.), Elsa Triolet. Un écrivain dans le siècle. Paris: L'Harmattan, 19–32.

Saint Bris, Gonzague/Vladimir Fédorovski (1996): Russische Musen. Hamburg: Kabel [Les Égéries russes, Paris: Lattès, 1994].

Smiley, Amy (2000): "Représentation et Résistance. Les Amants d'Avignon et le 'réel' de la femme", in: Gaudric-Delranc, Marianne (Hg.): Elsa Triolet. Un écrivain dans le siècle. Paris: L'Harmattan, 147–163.

Triolet, Elsa (1969): La Mise en mots. Genève: Albert Skira (Les sentiers de la création).

Trouvé, Alain (2006): La Lumière noire d'Elsa Triolet. Lyon: ENS Éditions.




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Anmerkungen

1 In einem 1994 – also nicht eben in grauer präfeministischer Vorzeit – erschienenen populärwissenschaftlichen Werk mit dem unheilverkündenden Titel Les Égéries russes (dt. Russische Musen) wird Elsa Triolet etwa als "junge Frau, die aus der Kälte kam" (Saint Bris/Fédorovski 1996: 181) vorgestellt – und die, schon als Jugendliche ahnend, "daß es nicht ihr Schicksal war, eine eigene Berufung zu leben, sondern sich vollständig durch den geliebten Mann zu verwirklichen", endlich "mit vierzig ihren Troubadour" fand (ebd.: 171): "und Elsa treibt ihren Geliebten in die russischen Arme der Stalinisten, bis er Gedichte schreibt, die aus ihm den Sänger der GPU machen" (ebd.: 172).

2 "[...] la figure légendaire d'Elsa est partiellement responsable de l'effacement de la femme écrivain. [...] La Muse ne saurait écrire", wie Trouvé das Problem auf den Punkt bringt (2006: 7).

3 Die Autorin selbst war sich bewusst, wie sehr sie für viele ihrer Zeitgenossen Projektionsfläche – Idol oder Feindbild – war; vgl. dazu ihr karikaturales Schwarz-Weiß-Selbstporträt in La Mise en mots (Triolet 1969: 50).

4 Trouvé spricht von Triolets "apparente simplicité", ihrer "fausse transparence, source de bien des malentendus" (2006: 195). "Mes mots ne sont ni codés ni truqués [...] J'écris en clair. Je reste dans l'immédiatement déchiffrable, au premier degré", wie die Autorin selbst ihr literarisches 'Programm' erläutert (Triolet 1969: 66ff.).

5 "Triolet frequently cannibalized her diaries for her novels", wie Elizabeth Klosty Beaujour in Alien Tongues. Bilingual Russian Writers of the 'First' Emigration (1989) schreibt (zit. Hörner 1993: 153).

6 In La Mise en mots – Aragons Formulierung nach 'le roman de l'écriture' (zit. Robel 2000: 29) – wird im Rahmen einer Reflexion über verschiedene Lesertypen der auf möglichst pikante biographische Aus- und Einblicke kaprizierte Leser als besonders unerfreuliche Erscheinung vorgestellt: "un juge d'instruction, un détective privé ou un assermenté qui essaye de prendre l'auteur la main dans le sac" (Triolet 1969: 51).

7 In Écoutez-voir lässt Triolet, einigermaßen selbstironisch, einen Clochard verkünden: "Simone de Beauvoir, c'est plus beau qu'Elsa Triolet!" (zit. Hörner 1993: 118).

8 Nicht selten legt Triolet ihren literarischen Figuren recht extrem anmutende Statements rund um das Thema 'Weiblichkeit' in den Mund, aus denen keinesfalls einfach auf entsprechende Positionen der Autorin rückzuschließen ist, auch wenn sich hier autobiographisch begründete Obsessionen widerspiegeln mögen – so etwa das Trauma der unerfüllten Sehnsucht nach Mutterschaft: "Une femme qui n'a pas d'enfants est un monstre, dans le genre d'un hermaphrodite", erklärt die Protagonistin der Novelle Le Destin personnel (zit. Eychart: 215).

9 Wenn Triolet 1949 anlässlich eines Kongresses der Union des Femmes Françaises den Status der Mutterschaft und die ideologische Mission der Kindererziehung glorifiziert, so handelt es sich weniger um einen unreflektierten 'Mutterkult' denn um einen Versuch, der kommunistischen 'Parteilinie' entsprechend ihre "philosophie égalitaire sur les sexes derrière une rhétorique rassurante car reproduisant les lieux communs de la propagande maternaliste et naturaliste" zu camouflieren (233). Ähnlich ist ihr Schweigen über Le Deuxième Sexe nicht unbedingt aus prinzipieller ideologischer Gegnerschaft und/oder persönlicher Rivalität zu erklären – war Beauvoirs Werk von kommunistischer Seite doch bereits als "un produit de la décadence bourgeoise" verdammt worden (vgl. Sylvie Chaperon, Les années Beauvoir [2000], zit. ebd.).

10 "Triolet propagiert eine formal avantgardistische Sprache, die sie selbst nicht anwendet", fasst Hörner die Problematik zusammen (1993: 64). Andererseits betont Trouvé durchaus auch eine gewisse "parenté avec le Nouveau Roman", von der etwa Luna-Park zeuge (2006: 197). Neben der konventionellen Ästhetik ihrer 'Thesenromane' sollte man jedenfalls nicht übersehen, dass Triolet auch einige formale Experimente wagt: so Écoutez-voir, von der Autorin als "roman imagé" konzipiert (vgl. dazu Triolet 1969: 106ff.) – und im Figaro in einer Rezension mit dem Titel "Des photos de poubelles pour un roman" verrissen (vgl. Hörner 1993: 24); in La Mise en mots skizziert Triolet auch das Projekt eines 'Musik-Romans' mit dem Titel Opéra (Triolet 1969: 118f.).

11 Vgl. dazu auch Trouvés Intervention im Rahmen des Kolloquiums Elsa Triolet. Un écrivain dans le siècle: "Pourquoi dans ce colloque qui a un aspect scientifique, cet écrivain (Elsa Triolet) est-il encore appelé par son prénom? [...] Imaginons un instant un colloque sur M. Yourcenar, où on dirait 'Marguerite'!" (vgl. Gaudric-Delranc 2000: 287 [Résumé des débats]).

12 Vgl. dazu auch Hörners Reflexion zu Triolets Werk: "[...] die weibliche Perspektive in einer patriarchalisch organisierten Welt erscheint a priori als die 'andere', die utopische und damit fiktionale Perspektive" (1993: 150).

13 Als Journalistin hatte sie eine Zeitlang die zweifelhafte Ehre, selbst eine solche zu betreuen: Unter der Überschrift "Je n'ai rien à me mettre" erteilte Triolet alias 'Prune' Modetipps und Ratschläge in Herzensangelegenheiten (vgl. Hörner 1998a: 93, 1998b: 161).

14 Allgemein wäre es von Interesse, im Sinne einer komparatistisch erweiterten Reflexion Aspekte auch der russischen Triolet-Rezeption – in der Emigration wie in Sowjetrussland – etwas stärker zu berücksichtigen, die oft ein aufschlussreiches Korrektiv zum französischen Blick auf Triolet darstellt: Wurde Triolet in Frankreich als angebliche stalinistische Agentin etc. diskreditiert, so wurde sie in der Sowjetunion vielmehr als ideologisch unzuverlässig betrachtet und indirekt beschuldigt, Aragon davon abzuhalten, sich mit ganzer Kraft für die kommunistische Sache zu engagieren (vgl. Balachova 2000: 101). Auf die indifferente bis ablehnende Haltung der russischen Emigrationskritik Triolet gegenüber (Triolet, aufgrund ihres Naheverhältnisses zu pro-sowjetischen Avantgardisten von Anfang an verdächtig, vollzieht mit Bonsoir, Thérèse endgültig jenen literarischen Sprachwechsel, der in Emigrationskreisen oft geradezu als 'Verrat' betrachtet wurde) geht Maire in ihrem Beitrag (257) kurz ein; aber auch die sowjetische Rezeptionsgeschichte Triolets verdient einige Aufmerksamkeit (vgl. dazu Gaudric-Delranc 1998). Der Sprachwechsel Triolets ist nicht zuletzt auf die immer schwieriger werdenden Publikationsbedingungen in der Sowjetunion zurückzuführen ("[...] c'est l'interdiction de Colliers qui devait amener Elsa à franchir le pas d'une langue à l'autre et à écrire pour nous, Français", erklärt Aragon [zit. Měšťan 1984: 158]); später reagiert Triolet, mittlerweile als französischsprachige Autorin etabliert, verärgert darauf, dass die sowjetische Kritik ihre Vorgeschichte als russische Schriftstellerin ignoriert, "comme si je n'avais jamais écrit de livres russes" (zit. Balachova 2000: 97), bzw. sie in der Sowjetunion doch wieder vor allem in ihrer Eigenschaft als Partnerin Aragons hofiert, publiziert und rezensiert wird (vgl. ebd.).

15 Ihren ersten literarischen Gastauftritt hatte Triolet, zunächst ohne ihr Wissen, in Viktor Šklovskijs Briefroman Zoo ili pis'ma ne o ljubvi (1923): 7 von 30 Abschnitten darin waren Originalbriefe von Triolet alias 'Alja' – Gor'kij höchstpersönlich zeigte sich von ebendiesen Passagen angetan und ermunterte die Autorin, weiterzuschreiben (vgl. Měšťan 1984: 155 und 162).

16 Der Text, der sich "wie eine spannende Sozialreportage" (Hörner 1998a: 68) liest, dokumentiert nicht nur jene extravagante Epoche im Leben der Autorin, da sie, aus ökonomischen Gründen improvisierte Schmuckproduzentin, mit Musterköfferchen und in Begleitung Aragons durch die großen Pariser Modehäuser zog, sondern weist auch gesellschaftskritische Aspekte auf.

17 Hörner merkt zu Fraise-des-Bois im Übrigen an, wie sehr Autobiographie hier auch "Ausgangspunkt für die Vermittlung durchaus komplexer, geschichtsphilosophischer Einsichten" ist (1993: 96).

18 Am Rande: Es vermag nicht unbedingt zu überzeugen, wenn der Autor "les problèmes des relations entre les femmes et les hommes" unter "les thèmes spécifiquement féminins" einordnet (271) – es will vielmehr scheinen, dass die gesamte Weltliteratur beider- bzw. allerlei Geschlechts recht wesentlich eben davon handelt.

19 Bonsoir, Thérèse ist formal betrachtet von besonderem Interesse als eben jenes Werk Triolets (der Text, Triolets eigener Einschätzung nach eher "une suite de nouvelles vaguement reliées entre elles", wurde auf Wunsch des Herausgebers Denoël als 'Roman' etikettiert, vgl. Triolet 1969: 99), "in dem die ästhetischen Maximen der Avantgarde politischer Eindeutigkeit nicht gewichen sind, so daß man – in ästhetischer Hinsicht – von einer gelungenen Einlösung der politischen Aussage in avantgardistischer Form sprechen kann [...]" (Hörner 1993: 11).

20 Zur Untermauerung dessen, dass die poetischen Strategien dieses Textes nicht im Kontext des Surrealismus zu sehen seien, führt der Autor die Tatsache an, dass die Erzählerin sich sogar von "certains clichés surréalistes" distanziere (275) – was, umgekehrt betrachtet, ja eher davon zu zeugen scheint, dass Triolet die betreffenden Passagen gerade in Auseinandersetzung mit der surrealistischen Ästhetik verfasst, und sei es im Modus der kritischen Distanzierung. Tatsächlich enthält der Roman eine ganze Reihe von Bezügen zum Surrealismus, worauf Stauder auch hinweist; so etwa die Referenz auf jene Vatermörderin Violette Nozière (279f.), die von den Surrealisten eine Zeitlang zur regelrechten Ikone stilisiert wurde (vgl. dazu auch Hörner 1998b: 153f.).

21 Smiley zeigt in ihrer Analyse der Gender-Ambivalenzen dieses Textes ("Le sujet écrivant est donc doublement autre, femme et homme", Smiley 2000: 155), wie die Maskulinisierung der Erzählinstanz kontrastiv die 'Weiblichkeit' der Figur reflektiert (ebd.: 158).

22 Der Titel zitiert die Losung, mit der die Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 angekündigt wurde (vgl. Hörner 1998a: 126 und Delranc-Gaudric 2011).

23 Und um der Pedanterie willen sei zu diesem Beitrag am Rande auch noch angemerkt, dass Fußnoten-Verweise à la "On peut cependant le trouver sur internet." (428) die Ansprüche an wissenschaftliche Quellenangaben nicht restlos zu befriedigen vermögen.

24 Natürlich ohne dass den einzelnen AutorInnen daraus ein Vorwurf zu machen wäre, stellt sich doch die Frage, ob es wirklich notwendig ist, dass bestimmte Schlüsselstellen – die immergleichen 'Highlights' aus Triolets gender-bezogenem Diskurs – jeweils gleich mehrmals ausführlich zitiert werden (so etwa jene mittlerweile nur allzu bekannte Passage über "Les femmes, c'est l'avenir du monde. [...] Pas des amazones [...]" etc., 31, 148, 181, 220, 224, 291, 301f., ohne Anspruch auf Vollständigkeit).