Judith Kittler (Bochum) De Paris à Montélimar – Die Entwicklung des französischen Postwesens zur Zeit von Mme de Sévigné im Spiegel ihrer BriefeDe Paris à Montélimar – The French postal services at the age of Mme de Sévigné reflected in her letters The development and modernization of the French postal system, organized by the surintendant général des postes françaises M. Louvois in the second half of the 17th century, initiated the now famous exchange of letters between the Marquise de Sévigné and her daughter, Mme de Grignan. When Mme de Grignan followed her husband to Provence in February 1671, her mother began to send her letters twice a week to stay in contact despite the great distance between Paris and Provence. During the following twenty-three years the Marquise dutifully continued to write and in turn received her daughter's even more important answers. The following article attempts a detailed discussion of the particularities of the postal system between Paris and Provence, and especially its importance for the exchange between Mme de Sévigné and Mme de Grignan. Many of the Marquises' letters reflect the important role of the well-organized postal system, especially in the numerous terms and passages referring to postal delivery, couriers, time of transport, and the letters themselves. The analysis of some selected terms which appear rather frequently will be supported by the French online text-corpus FRANTEXT and is meant to demonstrate the importance of the modernized French postal system for private correspondence exchange at the end of the 17th century. 1 Einleitung
Schon in diesem Zitat aus einem der ersten Briefe, die Mme de Sévigné von Paris aus an ihre sich auf der Reise in die Provence befindende Tochter Mme de Grignan schreibt, wird deutlich, welche Veränderungen im Bereich des privaten Kommunikationsraumes der Marquise die Abreise der Tochter mit sich brachte. Die Versetzung des Grafen von Grignan in die Provence machte das Verbleiben seiner Frau in der Hauptstadt, und somit in der unmittelbaren Nähe ihrer Mutter, unmöglich. Am 6. Februar 1671, also noch am Tag der Abreise, beginnt nun wohl einer der lebhaftesten Briefwechsel des ausgehenden 17. Jahrhunderts, von dem leider nur die Briefe von Mme de Sévigné an ihre Tochter, allerdings nicht ein einziger der Antwortbriefe erhalten sind. Die Abreise der Tochter und der Wunsch, trotz der großen Entfernung so eng wie möglich mit ihr in Kontakt zu bleiben, hatten weitreichende Auswirkungen auf Mme de Sévignés Gewohnheiten. Während ihre vorhergegangene Korrespondenz mit ihren Cousins und ihren Freunden sich weitgehend innerhalb der Hauptstadt abspielte und sie nur sporadisch Briefe in die Provinz sandte, wurde nun das reibungslose Funktionieren des staatlichen Postwesens zu einer wichtigen Voraussetzung für den Fortbestand des Briefwechsels. Die Briefe der ersten Monate und Jahre der Trennung sind stets durch die Sorge um die Sendungen aus der Provence gekennzeichnet. Der Briefwechsel mit ihrer Tochter wurde für Mme de Sévigné zu ihrem wichtigsten Lebensinhalt und die überwiegend pünktliche Ankunft der Briefe aus der Provence hatte einen starken Einfluss auf ihre Gemütsverfassung und mit zunehmendem Alter sogar auf ihren Gesundheitszustand. PhiN 45/2008: 13 Aus diesem Grund spielte das durch M. de Louvois gerade erst reformierte und bis zum Ende der dreiundzwanzig Jahre (von 1671 bis 1694) andauernden Korrespondenz immer wieder leicht modifizierte französische Postwesen eine immens große Rolle für den berühmten Briefwechsel, was eine kulturwissenschaftliche Betrachtung – die hier einen Schnittpunkt zwischen Literaturwissenschaft und moderner Sprachwissenschaft auf der Basis von Korpora bildet – der Gattung Privatbrief besonders in Bezug auf die postalischen Abläufe, wie zum Beispiel die Beförderung der Briefe, die Verteilung der bureaux de postes innerhalb Frankreichs, den Zustand der routes postales, die Tarife und die Termine für die Beförderung, begründet. Eben jene Reformen des 1668 ernannten Surintendant Général des postes françaises M. de Louvois werden daher hier einführend betrachtet. Im Hauptteil werden dann die Bedeutung des Postwesens und die Regularitäten der Beförderung im speziellen Fall des Briefwechsels zwischen Mme de Sévigné und ihrer Tochter behandelt. Für die Beantwortung der Frage, welche Rolle ein funktionierendes Postwesen für Mme de Sévigné spielte und somit, zu welcher Gelegenheit und wie häufig Mme de Sévigné über die Beförderung, die Kuriere und deren Pünktlichkeit spricht, wurden einige Begriffe der französischen Postterminologie, die augenscheinlich in stetiger Häufigkeit auftreten, ausgewählt und mit Hilfe des Online-Korpus FRANTEXT innerhalb der Korrespondenz abgefragt. Die Ergebnisse werden abschließend innerhalb ihres Kontextes analysiert, um schließlich eine Aussage über die Auswirkungen der Modernisierung des Postwesens nicht nur auf die private Korrespondenz der Mme de Sévigné, sondern auf die gesamte Gattung Privatbrief seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert treffen zu können. 2 Die Entstehung des französischen Postwesens und seine Entwicklung im 17. JahrhundertBis zur Mitte des 15. Jahrhunderts gab es in Frankreich zur Beförderung von Briefen lediglich die Kuriere des Königs. Darüber hinaus erlangte die Universität von Paris die Erlaubnis, Kuriere für die Post ihrer Schüler und Professoren einzusetzen:
PhiN 45/2008: 14 Ein staatlich organisiertes Postwesen, von dem auch Privatleute profitieren konnten, war in Frankreich also noch gänzlich unbekannt. Erst 1464 erließ König Ludwig XI ein achtundzwanzig Artikel umfassendes Edikt (Belloc 1886: 17ff.), das die Gründung eines staatlichen Postwesens nach dem Vorbild des antiken römischen cursus publicus vorsah und mit dem der König hoffte, seine Macht gezielter ausüben zu können. Die Nutzung dieses Systems war allerdings weiterhin allein dem König und seinen Ministern vorbehalten, die durch die berittenen Kuriere über jede Neuigkeit innerhalb Frankreichs schnellstmöglich informiert werden konnten. An jeder Poststation waren vier bis fünf leistungsstarke Pferde stationiert und es wurde das Amt des Conseiller grand Maistre des coureurs de France erschaffen, dem an jeder Poststelle jeweils ein Maistre des coureurs de France unterstand, der die Beförderung der Depeschen logistisch organisierte (Belloc 1886: 18). Charles IX unterstellte 1565 die königlichen Kuriere der uneingeschränkten Autorität des controleur général, und auch seine Nachfolger Henri III, Henri IV und Louis XIII bestätigten in den darauffolgenden Jahren diesen Beschluss (Belloc 1886: 40). Seit dem von Henri III 1576 erlassenen Edikt fiel auch die Beförderung von juristischen Unterlagen, Prozessakten und dergleichen in die alleinige Zuständigkeit der königlichen Kuriere und von diesem Zeitpunkt an wurde ein fester Tag vorgeschrieben, an dem die Kuriere die Post beförderten. Zum ersten Mal war es den Kurieren nun auch offiziell erlaubt, die Post von Privatleuten gegen Bezahlung zu befördern (Belloc 1886: 46).1 2.1 Neuerungen des französischen Postwesens im 17. JahrhundertVom Anfang seiner Regierungszeit im Jahr 1589 bis zu seinem Tod 1610 zeigte Henri IV ein großes Interesse am Postwesen und versuchte es stets zu verbessern und weiter zu entwickeln. In Frankreich war es üblich geworden, dass sich Reisende an bestimmten Orten, die an den Hauptverkehrswegen lagen, Pferde oder Kutschen leihen konnten, um ihr Gepäck oder auch Post transportieren zu lassen, und im Jahr 1602 vergrößerte der König die Anzahl dieser relais noch und unterstellte sie dem controleur général, der auch für die Organisation der Briefbeförderung zuständig war. Die Bevölkerung wurde schnell zum Nutznießer dieser neuen Konkurrenzsituation, in der sich von nun an die universitären Kuriere sowie die Kuriere des Königs mit den Kutschern der relais befanden, welche auch einen großen Einfluss auf die Schnelligkeit und die Pünktlichkeit der Beförderung hatten. Man hatte folglich gleich drei Möglichkeiten, seine private Post zu verschicken, welche dem französischen Postwesen in diesen Jahren eine erste Blütezeit bescherten, in der der König selbst sich immer wieder dafür einsetzte, dass die Kuriere, wem sie auch unterstanden, pünktlich bezahlt wurden (Belloc 1886: 55). Unter der Herrschaft von Louis XIII war es besonders Kardinal Richelieu, der sich für die Organisation und Verbesserung des Postwesens einsetzte. Belloc führt sogar an, dass es Richelieu war, der den Grundstein für die moderne Post legte:
PhiN 45/2008: 15 Um der unbemerkten Einreise fremder Reisender und Kuriere einen Riegel vor zu schieben, ließ der König auf Anraten Richelieus das Verleihen von Pferden und Kutschen an jedermann verbieten, der sich nicht an die erste Poststelle wandte um einen Pass zu erhalten und der sich abseits der Hauptverkehrsstraßen fortbewegte (Belloc 1886: 61). Obwohl die Post durch das Edikt von 1576 schon immens an Zuverlässigkeit hinzu gewonnen hatte, genügte dies aber noch lange nicht, um die staatliche Post zu einem weit verbreiteten Massenkommunikationsmittel zu machen, auf das sich die Bevölkerung wirklich verlassen konnte, da die Kuriere immer noch sehr unregelmäßig ihre Reisen antraten. Deshalb begann man ab 1622 in Paris, Lyon, Bordeaux, Toulouse und Dijon sogenannte courriers ordinaires einzusetzen, die an bestimmten Tagen ihre Reise begannen und auch an festgesetzten Tagen ihr Ziel erreichten. In den angeführten Städten wurden außerdem Büros eingerichtet und Angestellte für die Annahme und Verteilung der Briefe sowie für die Kontrolle des erhaltenen Portos eingesetzt. Diese Maßnahmen trugen zwar schnell dazu bei, dass die Bevölkerung das Beförderungssystem sehr viel stärker nutzte, aber auch die Ausgaben des Général des postes für die Unterhaltung der bureaux de postes und die Anzahl an Kurieren und Pferden stiegen an, so dass 1627 ein neuer Post-Tarif in Kraft trat: Die Beförderung von einfachen Briefen von Paris nach Lyon kostete nunmehr 2 Sols (Belloc 1886: 62). 1629 ersetzte der König das Amt des Général des postes durch die drei neuen Ämter des Surintendant Général des postes, des Surintendant Général des relais und des Surintendant Général des chevaucheurs de l'écurie (die auch von einer einzigen Person ausgeübt werden konnten) und legte die Summe von 3000 Livres pro Jahr als Bezahlung für jedes dieser Ämter fest. Im Jahr darauf wurde jeweils ein maitre des courriers und ein contrôleur provincial, die vom Surintendant général ausgewählt wurden und für die Organisation der Verteilung zuständig waren, an die Spitze der bureaux de postes gesetzt, und auch die Anzahl der Poststationen wurde von fünf auf zwanzig erhöht.2 Man konnte nun zweimal pro Woche seine Briefe verschicken und die Kuriere waren dazu verpflichtet, eine Poststation pro Stunde zu erreichen.3 Schon zu Beginn seiner Regierungszeit im Jahr 1643 ließ Louis XIV in den bureaux de postes drei neue Ämter einrichten, die contrôleurs, peseurs und die taxeurs de lettres et paquets, um den maitre de postes und die Kuriere selbst zu entlasten. Die Aufgaben der drei neuen Postmitarbeiter lagen vor allem im Empfang und im Wiegen der Briefe, die die Kuriere ablieferten, um das Porto bestimmen zu können und um sie dann an ihre Empfänger verteilen zu können.4 Außerdem registrierten sie die Briefe, die abgesendet wurden, und nahmen die Beschwerden der Kunden entgegen (Belloc 1886: 80). Bis zum Jahr 1650 gab es in Paris bereits vier Poststationen, von denen aus die courriers ordinaires an bestimmten Tagen in die verschiedenen Provinzen gingen: in der Rue aux Ours, vor dem Portal von St. Eustache, am Marché Neuf und das Hauptpostamt in der Rue Saint-Jacques. Von letzterem aus steuerten die Kuriere jeweils einmal in der Woche Barcelona, Rom, Genf, Dijon, das Languedoc, die Gascogne und die Provence sowie zweimal in der Woche Bourges, Lyon, Metz, Nancy, Bordeaux und Nantes an. Im Jahr 1653 wurden dann überall in der Hauptstadt Briefkästen aufgestellt, damit die Pariser Bevölkerung nun nicht mehr nur mit den Provinzen und dem Ausland per Post korrespondieren konnte, sondern auch innerhalb der Stadt. Diese neue Erfindung wurde sofort sehr gut angenommen, da man nicht mehr auf private Boten zurückgreifen musste und einfach den Namen und die Adresse auf den mit port payé beschrifteten Briefumschlag (den es neuerdings in vielen verschiedenen Formen zu kaufen gab) schreiben musste, damit der Brief seinem Empfänger zugestellt wurde (Belloc 1886: 85f.). PhiN 45/2008: 16 2.2 M. de Louvois als Surintendant Général des postes françaises (1668–1691)Der 1641 geborene François Michel Le Tellier, marquis de Louvois wurde 1668, d.h. mit 27 Jahren, vom König offiziell zum Surintendant Général des postes françaises ernannt. Inoffiziell hatte er die Verantwortung für dieses Amt aber schon sieben Jahre früher übernommen. Der Surintendant Général und seine Mitarbeiter waren für die Leitung, das Funktionieren und die allgemeine Kontrolle des Postwesens zuständig. Außerdem hatte Louvois es sich zum Ziel gesetzt, das Monopol der staatlichen Post auszuweiten und gegen die anderen Organisationen, wie zum Beispiel die Universitäten, vorzugehen, die an der Beförderung von Privatbriefen verdienten (Vaillé 1951: 10ff.). In der Zeit vor seinem Amtsantritt war es üblich, dass die maîtres de poste der einzelnen Poststationen die Kuriere daran hinderten, während der Nacht weiter zu reiten und sich weigerten, ihnen neue Pferde zur Verfügung zu stellen, so dass diese die Nacht in den Stationen verbringen mussten und erst bei Tagesanbruch ihre Reise fortsetzen konnten. Dies führte natürlich zu immensen Verzögerungen bei der Beförderung und zur Unzufriedenheit der Kunden, die auf ihre Briefe warteten. Eine der ersten Amtshandlungen Louvois' war daher ein Edikt vom 7. Februar 1669, das die maîtres de poste dazu verpflichtete, den courriers ordinaires zu jeder Tages- und Nachtzeit neue Pferde zur Verfügung zu stellen und das ihnen verbat, die Kuriere, unter welchem Vorwand auch immer, auf zu halten (Belloc 1886: 133). Die wohl wichtigste Veränderung in Bezug auf die französische Post unter Louvois war jedoch mit Sicherheit die Verpachtung des Postwesens auf bestimmte Zeit an einen Generalpächter ab dem Jahr 1672. Von diesem Zeitpunkt an wurde die Post zu einer wichtigen Einnahmequelle für den Staat, da die Pächter nicht nur die Pacht, sondern auch einen Großteil der Gewinne in die Staatskasse einzahlen mussten. Der erste Generalpächter des französischen Postwesens war M. Lazare Patin, dessen Pachtvertrag 1676 gegen die jährliche Pachtsumme von 1,2 Millionen Livres noch einmal verlängert wurde (Belloc 1886: 134). Die Einführung dieses Pachtverhältnisses bedeutete somit auch die Aufteilung der Verantwortung auf nunmehr zwei Personen: den Surintendant Général und den Fermier Général. Der Surintendant musste dafür Sorge tragen, dass die im Pachtvertrag festgelegten Regelungen und Bestimmungen im Interesse der Öffentlichkeit eingehalten wurden und kontrollierte außerdem die Finanzen des Postwesens. Des Weiteren setzte der Surintendant die Tarife fest und führte Verhandlungen mit ausländischen Postsystemen über die Beförderung der Briefe ins Ausland. Der Generalpächter war insbesondere für die konkrete Durchführung der Beförderung zuständig. Er unterhielt die Poststellen, wählte das Personal aus und war stets darum bemüht, die Einnahmen der Post zu vergrößern (Vaillé 1951: 30f.). PhiN 45/2008: 17 Im Jahr 1676 wurden dann die Tarife noch einmal erhöht, so dass sich die Preise nun gemäß der Entfernung zwischen Absender und Empfänger berechneten (Belloc 1886: 118f.). Die Sendungen waren nun in vier verschiedene Kategorien eingeteilt: den einfachen Brief, den Brief im Briefumschlag, den doppelten Brief und das Paket. Die Beförderung eines Briefes von Paris nach Aix-en-Provence kostete zu diesem Zeitpunkt beispielsweise 5 Sols (Vaillé 1951: 50f.). Damals war es noch üblich, dass der Empfänger das Porto bezahlte, daher konnten die Absender in den größeren Städten für ihre Briefe in die Provinzen auch schon die Briefkästen nutzen. Wenn ein Absender allerdings den Wunsch hatte, seinen Brief vorher zu frankieren, so musste er den Brief mitsamt dem Geld zum bureau de poste bringen, wo das Geld dem Kurier mit auf den Weg gegeben wurde und am Ankunftsort abgerechnet werden konnte. Meistens wurde auf dem Briefumschlag der Herkunftsort des Briefes vermerkt, um es den Postangestellten am Ankunftsort zu erleichtern, den Preis aufgrund der Entfernung zu berechnen. Sobald die Kuriere in den Poststationen angekommen waren, öffneten die dort arbeitenden Angestellten die Briefpakete, um sie zu wiegen und im nächsten Schritt zu sortieren. In nur wenigen großen Städten wurden die Briefe dann von Postboten direkt an die Empfänger überbracht. Ansonsten mussten die Empfänger in die Poststelle kommen, um ihre Briefe abzuholen und das Porto zu bezahlen (Vaillé 1951: 92f.). Louvois war während seiner gesamten Amtsszeit darauf bedacht, das Postwesen im Ganzen zu verbessern, d.h. die regelmäßige und schnelle Beförderung der Briefe zur vollkommenen Zufriedenheit der zahlenden Kundschaft zu gewährleisten. Auf seinen Wunsch wurden die Kuriere der wichtigsten Poststrecken von 1670 an zweimal pro Woche auf den Weg geschickt, um dem großen Briefaufkommen und den Wünschen der Kundschaft gerecht zu werden. Die Kuriere selbst mussten sich an einen straffen Zeitplan halten, da sie nicht nur zu einer bestimmten Zeit ihre Reise antreten mussten, sondern auch pünktlich an jeder einzelnen Poststation erwartet wurden. Daher war es ihnen, sobald sie auf ihrem Pferd saßen, auch verboten, ihre Reise zu unterbrechen.Wer diesen Regeln zuwider handelte und sich verspätete, musste mit einer Geldstrafe rechnen. Die letzte Leerung der Briefkästen musste zwei Stunden vor der festgelegten Abreisezeit der Kuriere durchgeführt werden, damit die Kuriere ihre Vorbereitungen treffen konnten und die Briefe sortiert und aufgeteilt werden konnten. So wurden die Briefkästen zumindest in Paris jeweils um zwölf Uhr mittags und um zehn Uhr abends geleert, damit die Kuriere um zwei Uhr mittags sowie um Mitternacht losreiten konnten (Vaillé 1951: 107f.). An all diesen Maßnahmen, die der Marquis de Louvois während seiner Amtszeit zur Verbesserung des Postwesens traf, wird deutlich, dass er ein strenges Regiment führte und so die Regelmäßigkeit und die Schnelligkeit bei der Beförderung von Privatbriefen erhöhte: PhiN 45/2008: 18
Die französische staatliche Post war erstmals seit ihrem Bestehen zu einem verlässlichen und viel genutzten Kommunikationsmittel geworden, das es den Briefeschreibern ermöglichte, die räumliche Distanz besser als je zuvor zu überbrücken. 3 Die Rolle des Postwesens für Mme de Sévignés KorrespondenzDie Ernennung Louvois' zum Surintendant des postes fand zufällig etwa elf Monate nach der Hochzeit von Mme de Sévignés Tochter mit dem Grafen von Grignan und einen Monat nach der Ernennung des Grafen zum königlichen Repräsentanten in der Provence statt. Die Trennung von Mutter und Tochter im Jahr 1671 und der Wunsch, dennoch in engem Kontakt zu bleiben, machte ein regelmäßiges und funktionierendes Postwesen unentbehrlich, da die Beauftragung privater Kuriere durch Louvois' Monopol verboten war und dies bei der großen Anzahl von Briefen auch Unsummen verschlungen hätte. Es ist daher nicht zu viel gesagt, wenn Roger Duchêne behauptet, dass erst die Maßnahmen Louvois' dazu geführt haben, dass sich dieser berühmte Briefwechsel entwickeln konnte: "C'est grâce à elle [la poste sûre fonctionnant] que les lettres à Mme de Grignan ont été ce qu'elles sont, un échange de lettres envoyées et reçues à jours fixes" (Duchêne 1992: 283). Die wichtigsten Neuerungen und damit die Voraussetzungen für den regelmäßigen Briefwechsel der beiden Frauen waren einerseits die zweimal wöchentliche Beförderung der Briefe ab 1671 und andererseits die Eröffnung des Postbüros in Montélimar bei Grignan im Jahr 1670 (Duchêne 1992: 285). Ab Februar 1671 schrieb Mme de Sévigné also in der Regel zwei Briefe pro Woche an ihre Tochter und erhielt meistenfalls auch zweimal pro Woche die Antwortbriefe. 3.1 Etappen und postalische Regularitäten der KorrespondenzWie schon erwähnt, ist der erste Brief der Korrespondenz zwischen Mme de Sévigné und Mme de Grignan auf den 6. Februar 1671 datiert. Der letzte Brief, den Mme de Sévigné an ihre Tochter schreibt, ist vom 10. Mai 1694. Die gesamte Korrespondenz kann darüber hinaus in verschiedene Etappen eingeteilt werden, da sie zum einen durch Mme de Grignans Aufenthalte in Paris (1674 / 75 und 1680–1688) und zum anderen durch Mme de Sévignés Aufenthalte in Grignan (1690–1691 und 1694–1696) unterbrochen wurde. Hinzu kamen die Aufenthalte Mme de Sévignés bei ihrem Sohn in Les Rochers in der Bretagne (1671, 1674 / 75, 1680, 1684 / 85, 1689 / 90), die für einen unregelmäßigeren Briefwechsel sorgten, als dies von Paris aus möglich war (Duchêne 1992: 286). PhiN 45/2008: 19 Wenn Mme de Sévigné in Paris war, konnte sie ihre Briefe zweimal pro Woche, und zwar mittwochs und freitags, in die Provence verschicken (Duchêne 1992: 286). Dieser Rhythmus wurde 1672 aufgrund des Krieges zwischen Frankreich und Holland für die Dauer von ungefähr drei Jahren unterbrochen, während der die Briefe montags und freitags in die Provence gesendet wurden. Als Mme de Grignan 1675 in die Provence zurückreiste, war man schon wieder zum gewohnten Rhythmus zurückgekehrt, der bis zum Ende der Korrespondenz beibehalten und 1680 noch durch einen dritten Kurier am Montag erweitert wurde. Wie aus der Tabelle im Anhang ersichtlich, erreichten die Briefe, die Mme de Sévigné mittwochs schrieb, nach sechs Tagen, also am Dienstag der darauffolgenden Woche, Aix-en-Provence und kamen weitere sechs Tage später, am Montag der übernächsten Woche, in Montélimar bei Grignan an und brauchten somit im besten Fall insgesamt zwölf Tage, um ihr Ziel zu erreichen. Die gleichen Beförderungsbedingungen galten auch für die Briefe, die Paris am Freitag verließen und Montélimar demnach am Mittwoch der übernächsten Woche erreichten. Von Les Rochers aus wurden die Briefe während der gesamten Zeit mittwochs und sonntags abgeschickt (Duchêne 1992: 286). So konnte Mme de Sévigné auch weiterhin zwei Briefe pro Woche schreiben, die dann jeweils dienstags und freitags in Paris eintrafen und von dort aus mittwochs und freitags nach Aix geschickt wurden. Was die Briefe vom Sonntag betraf, stellte die schnelle Weitersendung in die Provence kein Problem dar, da sie, wenn sie dienstags rechtzeitig in Paris ankamen, vom Mittwochs-Kurier mitgenommen werden konnten. Bei den Briefen, die mittwochs aus der Bretagne abgeschickt wurden, kam es jedoch häufiger zu Verspätungen, da die Briefe zwar am Freitag in Paris eintrafen, jedoch meist erst nachdem der Freitags-Kurier bereits in die Provence aufgebrochen war, so dass sie erst am Mittwoch der darauffolgenden Woche, und dann zusammen mit den Briefen vom Sonntag, in die Provence geschickt werden konnten. Im besten Fall stellten Mme de Sévignés Aufenthalte in der Bretagne also eine zeitliche Verzögerung von zwei Tagen dar und ihre Briefe erreichten Grignan nach etwa fünfzehn Tagen. In manchen Fällen dauerte es aber fast drei Wochen, was natürlich auch die Ankunft der Antwortbriefe enorm verzögerte, worüber Mme de Sévigné sich oft beschwerte (Duchêne 1992: 299). Aus diesem Grund empfand sie ihre Reisen in die Bretagne auch als eine "absence sur une absence" (Duchêne 1992: 300) und hatte das Gefühl, sich auf diese Weise noch weiter von ihrer Tochter zu entfernen:
Die Aufenthalte in Les Rochers waren somit immer hauptsächlich vom sorgenvollen Warten auf die Antwortbriefe aus der Provence gekennzeichnet. An der großen Anzahl der Briefe, die die beiden Frauen in den Jahren von 1671 bis 1694 ausgetauscht haben, wird deutlich, dass nur wenige Briefe auf der langen Reise der Post-Kuriere verloren gegangen sind und nicht ihr Ziel erreicht haben. Mutter und Tochter waren auf ein funktionierendes Postwesen angewiesen, um trotz der großen Entfernung kommunizieren zu können: "communiquer malgré l'absence" (Duchêne 1992: 90). In der Korrespondenz zwischen Mme de Sévigné und Mme de Grignan werden erstmals die Möglichkeiten des modernen Postwesens voll ausgeschöpft, so dass die Briefe ein fortgeführter und nie auf Dauer unterbrochener Dialog zwischen Mutter und Tochter sind. PhiN 45/2008: 20 3.2 Paris, Les Rochers und Montélimar – Schreiben, Warten und EmpfangenVon Beginn des Briefwechsels an hat Mme de Sévigné jede Möglichkeit wahrgenommen, ihrer Tochter Briefe zu schicken, und als 1688 noch ein dritter wöchentlicher Kurier für die Strecke Paris-Aix eingesetzt wurde, bemühte sie sich, drei Briefe pro Woche zu schreiben: "La marquise a toujours pris un soin extrême de tirer le meilleur parti des possibilités de la poste, s'empressant après 1688 d'envoyer trois lettres aux jours prescrits" (Duchêne 1992: 286). Sogar wenn sie auf Reisen war, sorgte die Marquise dafür, dass der Rhythmus, so gut es ging, eingehalten wurde und rechnete meist genau aus, wohin sie ihre Briefe schicken musste, damit sie Mme de Grignan möglichst zeitnah erreichten (Duchêne 1992: 287). Die Briefe an ihre Tochter wurden für Mme de Sévigné mehr und mehr zum Lebensinhalt und so begann sie ihre Briefe oft schon einen Tag, bevor sie sie verschicken konnte, und entschuldigte sich für diese "lettres d'avance" ("J'abuse de vous, ma chère bonne; j'ai voulu aujourd'hui me permettre cette lettre d'avance; mon coeur en avoit besoin, [...]") (MdS Ib: 306). Die Briefe spendeten der Marquise Trost, da sie durch sie das Gefühl hatte, ihrer Tochter näher zu sein. Deshalb behielt sie ihren Rhythmus von zwei Briefen pro Woche auch in Les Rochers bei, obwohl sie wusste, dass ihre Tochter aufgrund der oben beschriebenen postalischen Regularitäten meist beide Briefe gleichzeitig erhielt. In der Hoffnung, dass die Post vielleicht doch rechtzeitig in Paris ankommen könnte, um in die Provence weitergeschickt zu werden, verwarf sie ihr Vorhaben, sich auf einen Brief pro Woche zu beschränken: "Enfin, ma bonne, je m'en vais vous écrire deux fois la semaine; je doutois que les lettres du mercredi pussent arriver assez tôt pour partir le vendredi pour la Provence; nous verrons; rien n'est impossible à mon petit ami de la poste" (MdS Ib: 306). Eine noch größere Bedeutung als ihre eigenen Briefe hatten aber die Antwortbriefe ihrer Tochter für die Marquise: "Car Mme de Sévigné n'a pas écrit pour écrire, mais pour qu'on lui écrive. Elle ne se contentait pas d'envoyer des lettres à sa fille; elle était également à l'affût de ses réponses [...]" (Duchêne 1992: 293). Es dauerte im besten Fall vierzehn Tage um eine Antwort auf die Briefe aus Paris zu erhalten (Duchêne 1992: 298). Zwischen 1671 und 1688 kamen die Briefe von Mme de Grignan meist montags morgens und mittwochs abends in Paris an, so dass Mme de Sévigné von montags bis mittwochs Zeit hatte, um auf den Brief vom Montag zu antworten. Meistens wartete sie aber noch den Brief vom Mittwoch ab, um auch diesen zu beantworten, bevor sie ihren eigenen Brief zur Post bringen ließ und so den Dialog fortführte: PhiN 45/2008: 21
Der Mittwoch war für die Marquise der "jour de la grande dépêche" (MdS II: 90), was dazu führte, dass die Briefe, die sie freitags verschickte, meistens um die Hälfte kürzer waren als die vom Mittwoch, da sie in ihnen meist nur Alltägliches schrieb: "Le mercredi je fais réponse à vos deux lettres; le vendredi je cause sur ce qui se présente" (MdS II: 312f.). Wenn Mme de Sévigné in Les Rochers war, änderte sich auch dieser Rhythmus, da sie, aufgrund von Verzögerungen bei der Weiterversendung von Paris in die Bretagne, die beiden Briefe ihrer Tochter am Freitag erhielt. Dies veranlasste sie während ihrer Aufenthalte in der Bretagne immer wieder dazu, sich in ihren Briefen vom Mittwoch über diese Unzulänglichkeit zu beschweren: "Je suis méchante aujourd'hui. Je voudrois qu'il fût vendredi pour avoir une de vos lettres, et il n'est que mercredi: voilà sur quoi on ne sait que me faire" (MdS Ib: 384). An diesem Zitat wird deutlich, dass das Warten auf die Post und der Erhalt der Briefe aus der Provence von Anfang an die Gemütslage der Marquise bestimmten:
Die enge Bindung zu ihrer Tochter und die Trauer über deren Umzug in die Provence führten dazu, dass diese Korrespondenz zum wichtigsten Lebensinhalt für die Marquise wurde. Ab 1671 lebte Mme de Sévigné sozusagen im Rhythmus der ankommenden und abreisenden Postkuriere. Ihr Alltag war vom ständigen Warten, der Freude über die Nachrichten ihrer Tochter und der Enttäuschung über die Verspätungen der Post bestimmt. 3.3 Postterminologie in den Briefen der Mme de SévignéDie Reformen des französischen Postwesens im 17. Jahrhundert hatten dazu geführt, dass die Post zum einzigen funktionierenden Kommunikationsmittel für Mme de Sévigné und Mme de Grignan wurde. Die Post ermöglichte es den beiden Frauen, die Jahre der Trennung durch einen regelmäßigen Briefwechsel, oder besser einen fortgeführten schriftlichen Dialog zu überbrücken. Mme de Sévignés Gedanken kreisten stets um die Briefe, die sie selbst in die Provence schickte, vor allem aber um die Antwortbriefe ihrer Tochter, um deren Beförderung und um die Pünktlichkeit oder die Verspätungen der Kuriere. In vielen Briefen ist die Rede davon, dass sie entweder die Briefe ihrer Tochter pünktlich oder wider Erwarten noch nicht erhalten hat. Sie beschwert sich über die Verspätungen der Post oder lobt die Kuriere und ihre "amis de la poste", die dafür sorgten, dass sie den Kontakt zu ihrer Tochter trotz der großen Entfernung aufrecht erhalten konnte. PhiN 45/2008: 22 Auch andere Begriffe und Bezeichnungen, die die Beförderung, die Verpackung, kurz die Organisation des Postwesens betreffen, finden regelmäßig Eingang in ihre Briefe. Im Folgenden werden einige dieser Begriffe ausgewählt und mit Hilfe des Online-Korpus FRANTEXT innerhalb der von Roger Duchêne herausgegebenen digitalisierten Version der Korrespondenz von Mme de Sévigné abgefragt, um fest zu stellen, wie oft diese Begriffe im Laufe des Briefwechsels vorkommen und wann sie bevorzugt benutzt werden. Diese Nachweise der von Mme de Sévigné benutzten Postterminologie sollen Aufschluss darüber geben, welch große Bedeutung die Post für den hier behandelten berühmten Briefwechsel hatte. Zunächst wird die Auswahl der verschiedenen Begriffe gemäß ihres Auftretens in der Sekundärliteratur getroffen, woraufhin zunächst einige allgemeine Informationen über das Online-Korpus FRANTEXT gegeben werden, um dann das Suchverfahren näher zu erläutern. In einem zweiten Schritt werden die Häufigkeit und die Verteilung der relevanten Beispiele ausgewertet, und schließlich werden jeweils einige Beispiele für die einzelnen Begriffe innerhalb ihres Kontextes analysiert. 3.3.1 Auswahl der Termini tecnici und Suche mit Hilfe von FRANTEXT5Die Auswahl der Termini erfolgte in erster Linie aufgrund pragmatischer Gesichtspunkte: Wie wurden die Briefe bezeichnet und mit welchen Begriffen wird auf das Versenden der Briefe oder auf das Postwesen selbst referiert? Die ausgewählten Begriffe traten darüber hinaus alle in der Sekundärliteratur auf, so dass zu erwarten war, dass auch alle Begriffe mindestens einmal in der Korrespondenz von Mme de Sévigné vorkommen. Zusätzlich zu den Substantiven, die das Postwesen und seine Logistik betreffen, wie "poste", "postillon", "courrier", "(courrier) ordinaire" oder "paquet" wurden auch Verben wie "envoyer", "recevoir", "mander" und "attendre" in die Liste der zu suchenden Begriffe aufgenommen.6 Des Weiteren wurde noch das Syntagma "ami de la poste" gesucht. Für die Suche der Begriffe innerhalb der Sévigné-Korrespondenz wurde das 1992 von der Organisation ATILF (Analyse et Traitement informatique de la langue française) erstellte Online-Korpus FRANTEXT benutzt, das ursprünglich nur als ein Hilfsmittel für die Redakteure der Wörterbuchartikel des TLF (Trésor de la langue française) gedacht war. Es handelt sich bei FRANTEXT um ein 4000 französischsprachige Texte umfassendes Korpus, mit dessen Hilfe man innerhalb dieser Texte Abfragen in unbegrenztem Umfang durchführen, sich Wortlisten erstellen und die Texte konsultieren kann. Die darin enthaltenen Texte stammen aus den letzten fünf Jahrhunderten und sind zu achtzig Prozent literarisch und zu zwanzig Prozent wissenschaftlich. PhiN 45/2008: 23 Bevor man jedoch eine Abfrage in FRANTEXT durchführen kann, muss man zunächst sein eigenes "corpus de travail" festlegen, welches in diesem Fall die von Roger Duchêne von 1972–1978 in drei Bänden herausgegebene Version der Korrespondenz von Mme de Sévigné ist. Daraufhin erscheint unter "lancer une recherche dans le corpus de travail" eine Suchmaske, in die man die zu suchenden Begriffe (bei einer einfachen Suche als "séquence 1") eingeben und sich die Ergebnisse mit genauer Angabe der Seite anzeigen lassen kann. Da die ausgewählten Verben nur selten in ihrer Infinitiv-Form vorkommen, wurde für diese Abfrage eine Liste aller möglichen gebeugten Formen des jeweiligen Verbs automatisch (unter Angabe des Infinitivs bei "créer une liste de mots") erstellt, welche man dann in die Suchmaske eingeben kann, so dass alle Formen des Verbs gesucht werden. Bei den Verbformen schien es ratsam, diese jeweils in Verbindung (also innerhalb desselben Satzes) mit einem Substantiv zu suchen, wobei das Substantiv (hier "lettre" oder "nouvelles") als "séquence 2" definiert wird. 3.3.2 Häufigkeiten und Kontext-Analyse der auftretenden BegriffeDie Ergebnisse der Abfragen sind in Tabelle 3 im Anhang zusammengefasst. Die Abfragen ergaben in allen Fällen deutlich mehr Ergebnisse, als dies aus der Tabelle ersichtlich ist, da nur diejenigen Ergebnisse, die für diese Arbeit relevant sind, Erwähnung finden. Als relevante Ergebnisse wurden solche Beispiele gewertet, die sich in den Briefen Mme de Sévignés an ihre Tochter finden und nicht etwa solche, die die Briefe an andere betreffen. Außerdem mussten die Beispiele auch nach ihrer semantischen Kohärenz zum Thema dieser Arbeit sortiert werden. Die Wörter "poste" und "ordinaire" sind hierfür gute Beispiele, da sich unter den Ergebnissen auch Belege für jeweils eine andere grammatikalische Form oder Bedeutung des Wortes, wie "le poste", 'die Stelle' oder "ordinaire" im Sinne von 'gewöhnlich', fanden. Im Folgenden werden für jeden der Begriffe die Häufigkeit und die Verteilung auf die Dauer des Briefwechsels angegeben, woraufhin dann einige aussagekräftige Beispiele aufgeführt werden. posteFür den Begriff "la poste" wurden insgesamt 105 relevante Beispiele gefunden, so dass der Begriff die zweithöchste Häufigkeit aufweist. Ein besonders häufiges Vorkommen kann man vor allem in den Jahren 1671, 1672, 1675 und 1680 feststellen. Mme de Sévigné erwähnt die Post als Organisation also relativ häufig und dies meistens in Verbindung mit Erklärungen allgemeiner postalischer Regularitäten und etwaiger Verspätungen. Darüber hinaus lobt sie die Post auch an einigen Stellen und bewundert deren reibungsloses Funktionieren. Die Häufung des Begriffes in den oben genannten Jahren spricht dafür, dass die Marquise sich besonders zu Beginn der Korrespondenz, nach der zweiten Abreise ihrer Tochter in die Provence und kurz vor ihrer Heimkehr 1680, besonders viele Gedanken um die Beförderung der Briefe und die Regelmäßigkeit der Post machte. Dies lässt auch auf ihre allgemeine Gefühlslage in dieser Zeit schließen: Zu Beginn musste sich der Briefwechsel erst "einspielen", so dass Mme de Sévigné besonders ungeduldig auf die Nachrichten ihrer Tochter wartete und sich noch unsicher war, ob diese ihr in derselben Regelmäßigkeit schreiben würde wie sie selbst. PhiN 45/2008: 24 Die Briefe von Mme de Sévigné an ihre Tochter geben ein ständiges Wechselbad der Gefühle mit Schuldzuweisungen und Bewunderung für die Post wieder, woran man erkennen kann, welch große Bedeutung sie für die Marquise hatten. Besonders deutlich wird dies an zwei Beispielen aus dem Jahr 1675. Mme de Sévigné befindet sich nach dem Besuch ihrer Tochter in Paris nun in Les Rochers und muss feststellen, dass die Ankunft der Briefe aus der Provence verzögert wird: "Voici un étrange égarement, car je veux dire simplement que la poste me retient vos lettres un ordinaire, parce qu'elle arrive trop tard à Paris, et qu'elle me les rend au double le courrier d'après" (MdS II: 170). Wenige Seiten später kann man die Wut auf die Post erkennen, die ihr ihre Briefe 'vorenthält', die sie gerade zu diesem Zeitpunkt, nach der erneuten Abreise der Tochter, am nötigsten braucht: "Je veux me prendre à la poste de tout, quoique je ne comprenne rien à l'excès de ce dérèglement, et espérer demain de vos nouvelles" (MdS II: 180). Diese Zitate stellen einen deutlichen Kontrast zu dem überschwänglichen Lob im Brief vom 20. Oktober 1675 dar: "Nous ne pouvons nous lasser d'admirer la diligence et la fidélité de la poste" (MdS II: 136). paquetDie Korpusabfrage nach dem Wort "paquet" ergab 80 relevante Belege und auch hier kann man in einigen Jahren, wie 1671 mit zwanzig Belegen, eine besondere Häufung des Begriffs feststellen. In den meisten Belegen taucht der Begriff in Satzkonstruktionen wie "je fais mon paquet chez ...", "je vais fermer mon paquet ..." auf, woran man erkennen kann, dass Mme de Sévigné "paquet" Synonym für "lettre" (in Singular oder Plural) benutzt. Meistens leitet die Marquise mit der Erwähnung des "paquet" den Schluss ihres Briefes ein, oder teilt ihrer Tochter dadurch mit, bei wem sie gerade zu Gast ist. In einigen Fällen erwähnt die Marquise auch, wohin sie ihr "paquet" adressiert hat, damit es ihre Tochter auch bestimmt erreicht: [...] j'ai adressé mon dernier paquet à Saint-Germain, à Montélimar, de sorte qu'à moins qu'il ne l'envoie promptement à Aix, vous serez un ordinaire sans en recevoir, et c'est ma faute [...]" (MdS Ib: 673). Mme de Sévigné ist immer darauf bedacht, dass ihre Sendungen ihre Tochter auch erreichen und es ist nahezu eine Katastrophe, wenn doch einmal etwas verloren geht, besonders wenn es sich um die Antwortbriefe aus der Provence handelt. In vier aufeinanderfolgenden Briefen aus dem Jahr 1676 bedauert sie mit fast demselben Wortlaut den Verlust eines dieser Pakete: "[...] je crois qu'il pourrait bien être dans ce paquet perdu du 25, dont je suis encore très affligée" (MdS II: 426), "Je suis toujours très fâchée de mon paquet perdu" (MdS II: 428), "Je suis toujours affligée de mon paquet perdu" (MdS II: 430), "J'aurais moins de regret que cette lettre fût perdue par cette raison que ce gros paquet du 25, que je regrette encore" (MdS II: 432). Auch hier wird deutlich, wie wichtig die Briefe ihrer Tochter für Mme de Sévigné waren und wie sehr ihre Gedanken und ihr Lebensalltag um ein funktionierendes Postwesen kreisten. PhiN 45/2008: 25 ordinaireFür den Begriff "l'ordinaire", eine Abkürzung für "courrier ordinaire", ergaben sich 35 relevante Ergebnisse. Auch hier liegt, wie für den Begriff "poste", eine Häufung des Wortes in den Jahren 1671, 1675 und 1680 vor. In den meisten Fällen handelt es sich um Äußerungen wie "Vous ne m'avez point écrit le dernier ordinaire;" (MdS II: 545) oder "Je n'en [des lettres] ai point reçu le dernier ordinaire [...]" (MdS Ib: 277). Auch als die Marquise die Unregelmäßigkeit bemerkt, die sich durch ihren Aufenthalt in Les Rochers ergibt, erwähnt sie den "ordinaire": "Voilà qui est réglé, ma très chère: je reçois deux de vos lettres à la fois, et il y a un ordinaire où je n'en ai point de vous" (MdS II: 174). Besonders bezeichnend sind aber die folgenden Beispiele aus den Jahren 1680 und 1684, da an ihnen die besondere Bedeutung der Briefe ihrer Tochter und damit der regelmäßigen Sendungen, für die "ordinaire" als Synonym gebraucht wird, deutlich werden. Das erste Beispiel zeigt außerdem die Reaktion anderer auf Mme de Sévignés Sorge um ihre Briefe aus der Provence:
Auch wenn Mme de Sévignés Umfeld stets versuchte, sie zu beruhigen, wenn sie in großer Sorge auf die Briefe ihrer Tochter wartete, hatten diese Bemühungen offensichtlich wenig Erfolg. Sie zählte die Tage von einem Brief zum anderen und rechnete sich schon, wenn sie ihre Briefe verschickte, aus, wann sie die Antwort darauf erhalten würde. Die Sehnsucht nach den Neuigkeiten aus der Provence und der Fortführung des Dialogs war so groß, dass die Marquise die Wartezeit zwischen zwei "ordinaires" oft als unendlich empfand: "Quelquefois je trouve une longueur infinie d'un ordinaire à l'autre, et je ne reçois vos lettres qu'en tremblant" (MdS III: 158). courrierDie Abfrage des Begriffes "courrier" ergab 26 relevante Belege, also weniger als bei dem Wort "ordinaire". Die beiden Begriffe werden von Mme de Sévigné im Übrigen niemals zusammen benutzt, wie es aufgrund der Begriffsbildung durch die Post selbst zu erwarten wäre. Hinzu kommt, dass die Marquise den Begriff "courrier" manchmal als Antonym zu "poste" benutzt, was darauf schließen lässt, dass sie mit "courrier" einen privaten Kurier meint, wie im folgenden Beispiel: "Je vous ai écrit ce matin, ma bonne, par le courrier qui vous porte toutes les douceurs et tous les agréments du monde pour vos affaires de Provence, mais je veux encore écrire ce soir, afin qu'il ne soit pas dit qu'une poste arrive sans vous apporter de mes lettres" (MdS Ib: 416). Mme de Sévigné wollte also trotz des königlichen Kuriers, der Briefe zu ihrem Schwiegersohn transportierte und der auch in seltenen Fällen ihre Briefe mitnahm, nicht auf die Briefe per Post verzichten, damit der Rhythmus der Korrespondenz nicht durcheinander geriet. Sie sah den königlichen Kurier wohl eher als eine gute Gelegenheit an, ihrer Tochter drei Briefe in der Woche zu schicken. Im Jahr 1675, während ihres Aufenthaltes in der Bretagne, benutzt sie den Begriff "courrier" aber auch um den Postkurier zu bezeichnen. Das folgende Beispiel zeigt, dass sie sich aufgrund der postalischen Unregelmäßigkeit Gedanken darüber macht, ob der Kurier wohl für die Verspätung verantwortlich ist, die dazu führte, dass die Briefe aus der Provence sie zu spät in Les Rochers erreichten: "Je ne sais pas si c'est que le courrier les laisse, comme il fait quelquefois, ou s'il est arrivé trop tard pour qu'on les ait pu mettre le mercredi à la poste de Bretagne" (MdS II: 154). PhiN 45/2008: 26 Ein paar Tage später wird dieser Zweifel von einem Bekannten ausgeräumt, der Mme de Sévigné mitteilt, dass es aufgrund des schlechten Wetters zu Verzögerungen bei der Briefzustellung gekommen war: "Dubut me mande que cela vient du mauvais temps et que le courrier de Provence n'arrive plus assez tôt pour que votre paquet soit mis avec celui de Bretagne" (MdS II: 168). recevoir + lettreDurch die hohe Anzahl (117) relevanter Ergebnisse bei der Abfrage des Syntagmas "recevoir + lettre" wird deutlich, dass Mme de Sévigné den Briefen aus der Provence eine viel größere Bedeutung beimaß, als ihren eigenen. Gleich im ersten Jahr der Korrespondenz benutzt sie die Begriffsverbindung 27-mal, um ihrer Tochter sozusagen den Empfang der Briefe zu "quittieren". Auch in den folgenden Jahren lässt die Häufigkeit der Erwähnung kaum nach. Meist handelt es sich um Äußerungen wie "Je reçois présentement votre lettre [...]" (MdS Ib: 214) oder "J'ai reçu, ma bonne, votre lettre du [...]" (MdS Ib: 397) oder "Je n'ai point reçu votre lettre" (MdS Ib: 518). In diesem Zusammenhang wird das Zitat, das am Beginn dieser Arbeit steht, erneut interessant: "[...] quand on est fort éloigné, on ne se moque plus des lettres qui commencent par 'j'ai reçu la vôtre', etc." (MdS Ia: 195). Erst wenn Sender und Empfänger sehr weit voneinander entfernt sind, ist es sinnvoll, dem anderen mit zu teilen, wann man dessen Brief erhalten hat und ob man ihn erhalten hat. Genauso fordert Mme de Sévigné ihre Tochter dazu auf, ihr mit zu teilen, ob sie alle Briefe erhalten hat: "[...] ayez soin de me mander si vous les avez reçues [...]" (MdS Ia: 195). Die Unsicherheit der Straßen und die Geschwindigkeit der Kuriere, die von den Wetterbedingungen abhingen, machten die Erwähnung einer "Banalität" zu einer Voraussetzung für einen funktionierenden und regelmäßigen Briefwechsel. In vielen Fällen teilte Mme de Sévigné ihrer Tochter auch das Ankunftsdatum des Briefes mit, um sie über den Beförderungszeitraum zu informieren, damit diese ungefähr wusste, wann sie mit den Antwortbriefen ihrer Mutter zu rechnen hatte. Die folgenden Beispiele zeigen sowohl die große Freude, die Mme de Sévigné jedesmal bei der Ankunft der Briefe ihrer Tochter empfand, als auch die übermäßige Sorge und Enttäuschung, wenn ein Brief verloren gegangen war. Schon in ihrem ersten Brief an Mme de Grignan erklärt sie, dass deren erste Nachricht ihr in ihrer unendlichen Trauer Trost verschaffte: "Le soir, je reçus votre lettre, qui me remit dans les premiers transports, [...]" (MdS Ib: 150). Sie erklärt des Öfteren, dass die Freude, die die Briefe aus der Provence in ihr auslösten, nicht mit Worten zu beschreiben sei: "J'ai reçu vos deux lettres avec une joie qu'il n'est pas aisé d'expliquer dans une lettre" (MdS Ib: 263) und "J'ai reçu et baisé votre lettre, et lu vos tendresses avec des sentiments qui ne s'expliquent point" (MdS Ib: 574). Im folgenden Beispiel verdeutlicht die Marquise ihre Freude über den erhaltenen Brief durch die Doppelung der Adjektive "bonne", "aimable" und "petite", mit denen sie ihre Tochter anredet und die sie wie Glieder einer Kette abwechselnd aneinanderreiht: "Je reçus hier à Livry, ma très bonne petite bonne aimable petite aimable, votre lettre, un peu après que la mienne fut partie" (MdS II: 572). Andererseits 'lässt sie ihrer Traurigkeit freien Lauf', wenn sie entdeckt, dass einer ihrer Briefe verloren gegangen ist: "J'ai bien envie que vous ayez reçu le joli éventail que je vous ai envoyé, mais je ne puis du tout comprendre d'où vient la perte de ma pauvre lettre" (MdS Ib: 476). Der verlorengegangene Brief wird hier sogar durch das Adjektiv "pauvre" personifiziert. Die Briefe sind für Mme de Sévigné wie Freunde, die ihr Trost spenden und deren Verlust sie schmerzt. PhiN 45/2008: 27 mander + nouvellesDie Korpusabfrage nach dem Syntagma "mander + nouvelles" ergab 57 relevante Belege. Eine Häufung des Begriffes liegt in den Jahren 1671, 1675 und 1680 vor. In den meisten Fällen fordert Mme de Sévigné mit dieser Begriffsverbindung ihre Tochter dazu auf, ihr zu schreiben, so dass es zu immer wiederkehrenden Sätzen wie "Mandez-moi toujours bien de vos nouvelles [...]" (MdS Ib: 308) kommt. Andererseits kündigt sie ihrer Tochter so auch an, wenn sie ihr Neuigkeiten mitteilen will: "Je vous manderai des nouvelles de tout" (MdS II: 562). Die Marquise bittet ihre Tochter immer wieder inständig darum, sie über ihre Gesundheit zu informieren: "Je vous conjure, ma fille, de me mander sincèrement des nouvelles de votre santé, de vos desseins, de ce que vous souhaitez de moi" (MdS Ib: 237). Sie ist auf die Neuigkeiten aus der Provence angewiesen, um Ruhe zu finden und um ihrer Tochter antworten zu können. Nur wenn ihre Tochter ihr in derselben Regelmäßigkeit schreibt, wie sie ihr, kann der Briefwechsel funktionieren und eine Fortführung ihres Dialoges werden. Daher bittet sie sie auch, ihr alles zu schreiben, da nichts zu unbedeutend sei: "Mandez-moi toujours extrêmement de vos nouvelles: rien n'est petit, rien n'est indifférent" (MdS II: 23). envoyer + lettreFür die Begriffsverbindung "envoyer + lettre" ergaben sich 57 relevante Belege, die besonders häufig in den Jahren 1671, 1675/76 und 1680 auftreten. Meist informiert Mme de Sévigné ihre Tochter mit Hilfe dieses Syntagmas, dass sie ihr Briefe, die sie von anderen erhalten hat ("Je vous envoie la lettre de M. De Pomponne;" (MdS II: 226)), oder die andere an ihre Tochter geschrieben haben ("Voilà une lettre de Monsieur D'Uzès, que je vous envoie" (MdS Ib: 309)), mitschickt. Oft schickt die Marquise die Briefe ihrer Tochter auch an ihre Freunde, um sie ihnen zu zeigen ("J'ai écrit à M. De Pomponne et n'ai pas manqué de lui envoyer deux feuilles de votre lettre" (MdS Ib: 496)), oder informiert Mme de Grignan darüber, dass sie Briefe, die die Comtesse an andere schrieb ebenfalls gelesen hat ("Ne le grondez point de m'avoir envoyé votre lettre: elle était admirable") (MdS II: 169). Es wird deutlich, dass im Umfeld der Marquise ein reger Austausch über die Briefe ihrer Tochter herrschte. Über die Briefe anderer tauschte sie sich außerdem gern mit ihrer Tochter aus, um deren Meinung zu erfahren. PhiN 45/2008: 28 attendre + lettre/sDie Korpusabfrage nach der Begriffsverbindung "attendre + lettre/s" ergab insgesamt 30 relevante Belege, von denen 28 allein in den Briefen der Jahre 1671, 1675 und 1676 vorkommen. Im ersten Jahr ihrer Korrespondenz wartete Mme de Sévigné besonders ungeduldig auf die Briefe ihrer Tochter, so dass sie dies auch immer wieder erwähnt. Sie zweifelt nicht daran, dass ihre Tochter ihr geschrieben hat, wie sie sagt, und ist sich sicher, dass sie Briefe erhalten wird: "Je suis assurée qu'il me viendra des lettres (je ne doute point que vous ne m'ayez écrit), mais je les attends, et je ne les ai pas" (MdS Ib: 163). Die Marquise selbst spricht von der übergroßen Ungeduld, mit der sie auf die Briefe wartet, die für sie aber Ausdruck der Gefühle für ihre Tochter ist: "Je suis toujours tout à vous, et j'attends le vendredi, oú je reçois vos lettres, avec tant d'impatience digne de l'extrême amitié que j'ai pour vous" (MdS Ib: 314). Selbst die Tage, an denen sie keine Briefe erwartet, sind für sie damit ausgefüllt, auf die nächsten Briefe zu warten: "Vous dites une chose bien vraie, et que je sens tous les jours, c'est que les jours qu'on n'attend point de lettres ne sont employés qu'à attendre ceux qu'on en reçoit" (MdS Ib: 730). Die Briefe ihrer Tochter sind ihre einzige Freude ("J'attends vos lettres comme la seule joie de mon esprit;") (MdS II: 240), weil ihre Tochter so weit von ihr entfernt lebt und nicht bei ihr sein kann: "J'attends ici de vos lettres avec bien de l'impatience, et pour vous écrire, ma bonne, c'est mon unique plaisir, étant loin de vous" (MdS II: 296). In den Jahren der Trennung von ihrer Tochter lebte die Marquise zusehends immer mehr nur von einem Brief aus der Provence zum nächsten. Dieser Briefwechsel und das Warten, Antworten und Verschicken wurden zu ihrem Lebensinhalt. postillon und ami de la posteDiese beiden Begriffe treten zwar nur selten innerhalb der Korrespondenz auf, sind aber bezeichnend für die Empathie, die Mme de Sévigné der Post und den Kurieren entgegenbrachte. Ein Beleg für den Begriff "postillon" zeigt deutlich, welch großen Einfluss die Ankunft des Kuriers auf die Stimmung Mme de Sévignés hatte und wie dankbar sie der Post war, dass diese es ihr ermöglichte, mit ihrer Tochter in Kontakt zu bleiben. Auf ihrer Rückreise von Les Rochers nach Paris war sie eigens zur Post nach Laval gekommen, um nachzufragen, ob ein Brief für sie angekommen sei. Im gleichen Augenblick kommt der Kurier angeritten und übergibt ihr, schweißgebadet, einen Brief ihrer Tochter:
PhiN 45/2008: 29 Mme de Sévigné berichtet hier detailgetreu und überschwänglich von der Ankunft des Postillons, der ihr die sehnsüchtig erwarteten Briefe bringt. Besonders eindrucksvoll wird die Beschreibung durch das das Öffnen des Briefumschlages nachahmende, lautmalerische frast, frast, das auch die Ungeduld der Marquise verdeutlicht. Von Beginn der Korrespondenz an hat Mme de Sévigné sich bemüht, einen Vertrauten im Hauptpostamt in Paris zu finden, der sich persönlich darum kümmerte, dass sie die Briefe ihrer Tochter erhielt und dass ihre Briefe sicher in die Provence gelangten. Diesen Postangestellten nannte sie dann ihren "(petit) ami de la poste". Dieser hatte die Aufgabe, Briefe, die an sie gerichtet waren, ihrem Lakaien persönlich zu übergeben, den sie zur Post schickte, wenn die Kuriere dort eintrafen: "J'ai si bien fait que j'ai rétrouvé un petit ami à la poste, qui prend ma lettre, et la donne à mon laquais, que j'y envoie quand le courrier arrive" (MdS Ib: 501). Wenn der Postangestellte einmal verhindert war, führte dies dazu, dass Mme de Sévigné keine Briefe erhielt: "Mon petit ami de la poste ne se trouva point hier à l'arrivée du courrier, de sorte que mon laquais ne rapporta point mes lettres" (MdS Ib: 516). Im Jahr 1675 hatte die Marquise den alten "ami de la poste" M. Dubois durch einen neuen Verbündeten ersetzt, der sich noch intensiver um ihren Briefwechsel kümmern sollte: "Vous devez bien croire que je vous manderai l'adresse de mon nouvel ami de la poste; il sera plus fidèle que Dubois, et nous aurons deux fois la semaine de vos nouvelles" (MdS II: 35). Auch hier wird deutlich, wie sehr Mme de Sévigné auf das funktionierende Postwesen vertraute, da es die einzige Möglichkeit bot, mit ihrer Tochter zu kommunizieren. 4 SchlussbemerkungenDas französische Postwesen war besonders während des letzten Drittels des 17. Jahrhunderts durch den Einsatz des Surintendant Général des postes francaises M. de Louvois stetig verbessert worden. Einige Posthistoriker sehen in diesen Maßnahmen, die die Post regelmäßiger, pünktlicher und schneller machten, den Beginn des modernen Postwesens, das erstmals kundenorientiert und effizient arbeitete. Mme de Sévignés Korrespondenz mit ihrer Tochter ist wohl eines der ersten und eindrucksvollsten Beispiele für die Veränderung und Erweiterung des privaten Kommunikationsraumes mit Hilfe einer reibungslos funktionierenden und staatlich organisierten Beförderung von Privatbriefen. Durch die Trennung der beiden Frauen im Jahr 1671 und die große räumliche Entfernung, die von nun an zwischen ihnen lag, war ein Kontakt und damit die Kommunikation zwischen Mutter und Tochter nur noch durch die Versendung von Briefen möglich. Noch zehn Jahre zuvor wäre ein solch reger Austausch über die für damalige Verhältnisse immense Entfernung zwischen Paris und der Provence nicht möglich gewesen. PhiN 45/2008: 30 Anhand der hier untersuchten Beispiele für den Gebrauch von Postterminologie in den Briefen von Mme de Sévigné ist deutlich geworden, dass sich ihre Gedanken häufig um die Beförderung der Briefe, die Organisation der Post und die Verzögerungen bei der Ankunft der Briefe aus der Provence drehten und dass sie fast in jedem Brief in irgendeiner Weise auf diese Dinge Bezug nahm. Bei den meisten Begriffen, die innerhalb der Korrespondenz untersucht wurden, ist ein besonders häufiges Auftreten in den Jahren 1671, 1675 und 1680 fest zu stellen. Hierbei handelt es sich in den ersten beiden Jahren um die Zeit nach der Abreise ihrer Tochter, in der sich der Briefwechsel erst einspielen musste und in der die Trauer über die Trennung sie besonders sehnsüchtig auf Nachricht von ihrer Tochter warten ließen. Im Jahr 1680 endete die insgesamt längste Zeit der Trennung, da Mme de Grignan für acht Jahre nach Paris zurück kehrte. Auch in diesem Jahr, also kurz vor dem Wiedersehen, spricht Mme de Sévigné ausgesprochen häufig über die Beförderung der Briefe, was wiederum der Sehnsucht nach einem Wiedersehen mit ihrer Tochter Ausdruck verleiht. Auch wenn sie sich oft über die langen Wartezeiten, die sich durch wetterbedingte Verzögerungen ergeben, beschwert, so weiß sie doch die Regelmäßigkeit und die Geschwindigkeit der Kuriere zu schätzen und vertraut dieser modernisierten Organisation über dreiundzwanzig Jahre ihren Briefwechsel, oder besser den Kontakt und den Dialog zu ihrer Tochter an. Die Post war gegen Ende des 17. Jahrhunderts in Frankreich zu dem Massenkommunikationsmittel geworden, das es bis zur Erfindung des Telefons im 20. Jahrhundert bleiben sollte. Nur mit Hilfe dieser Organisation war es möglich, auch große räumliche Entfernungen zu überbrücken und trotzdem in ständigem Kontakt zu bleiben. Die Modernisierung des Postwesens hatte daher eine Blütezeit der Gattung Privatbrief zur Folge und Mme de Sévignés Korrespondenz mit ihrer Tochter ist sicherlich das erste prägnante Beispiel dafür, dass der Brief von jedermann als nähesprachliches Medium zur Kommunikation zwischen Verwandten und Freunden genutzt werden konnte. PhiN 45/2008: 31 5 AnhangTabelle: Postterminologie – Häufigkeit und Verteilung
BibliographieQuellenATILF (1992): "Base textuelle FRANTEXT". [http://www.frantext.fr, 25.08.2007] MdS Ia = Gérard-Gailly, Emile de (Hg.) (1953): Madame de Sévigné, Lettres I. Paris: Gallimard. PhiN 45/2008: 32 MdS Ib = Duchêne, Roger (Hg.) (1972): Madame de Sévigné: Correspondance I (1654–juillet 1675). Paris: Gallimard. MdS II = Duchêne, Roger (Hg.) (1974): Madame de Sévigné, Correspondance II (juillet 1675–septembre 1680). Paris: Gallimard. MdS III = Duchêne, Roger (Hg.) (1978): Madame de Sévigné, Correspondance III (septembre 1680–avril 1696). Paris: Gallimard. SekundärliteraturBelloc, Alexis (1886): Les postes francaises: recherches historiques sur leur origine, leur développement, leur législation. Paris: Librairie de Firmin-Didot. Duchêne, Roger (1992): Madame de Sévigné et la lettre d'amour. Paris: Klincksieck. o.V. (o.J.): "Denier tournois", in: Münzen Lexikon. [http://www.muenzen-lexikon.de/lexikon/d/pd045.html, 22.08.2007] Vaillé, Eugène (1951): Histoire générale des postes francaises: Louvois, surintendant général des postes (1668–1691). Bd. 4. Paris: Presses Universitaires. Anmerkungen1 Die Tarife für die Beförderung der Briefe und Sendungen waren wie folgt festgelegt: 10 Deniers tournois (frz. Denare) für einen Brief inkl. des Portos für den Antwortbrief; 15 Deniers tournois für ein Paket von 3 oder 4 Briefen und 20 Deniers tournois für ein Paket mit einem Gewicht von über einer Unze. Die damalige französische Währung war das Livre tournois, das frz. Pfund, das sich in Sols (Schillinge) und Deniers (Denare) wie folgt unterteilte: 1 Livre = 20 Sols; 1 Sol = 12 Deniers; 1 Livre = 240 Deniers; Ein Livre entspräche im Wert ungefähr 8 Euro (vgl. http://www.muenzen-lexikon.de/lexikon/d/pd045.html). 2 Es gab fortan Poststationen in Paris, Toulouse, Orléans, Soissons, Tours, Poitiers, Bourges, Bordeaux, Limoges, Montpellier, Riom, Dijon, Lyon, Grenoble, Aix, Nantes, Rouen, Calais, Metz und Moulins. 3 Im Winter mussten sie die nächstgelegene Poststelle innerhalb von eineinhalb Stunden erreichen. 4 Ein einfacher Brief kostete inzwischen 4 Sols; ein Kilogramm Brot kostete ungefähr zur gleichen Zeit 3 Sols. 5 http://www.frantext.fr (Zur Nutzung von FRANTEXT benötigt man ein Abonnement. Der Zugriff auf FRANTEXT ist in der Regel von Universitätsbibliotheken aus möglich.) 6 Es wurde hier bewusst darauf verzichtet, das Wort "lettre" zu suchen, da man hierbei eine zu große Menge von Ergebnissen erwarten durfte, die wenig aussagekräftig gewesen wäre. |