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Mechtild Gilzmer (Berlin)



Testimonianza femminile: Liana Millus Erinnerungen Il fumo di Birkenau und I ponti di Schwerin. Ein Beitrag zur italienischen Holocaust-Literatur aus weiblicher Perspektive



Female Testimony: Liana Millus Memories Il fumo di Birkenau and I ponti di Schwerin. An Essay on the Italian Holocaust-Literature in a Feminine Perspective
Liana Millu was arrested in 1944 because of her engagement in an Italian resistance movement and sent to Auschwitz as she was a Jew. After the war she published different autobiographical writings which witness of the internment in a specific way. Liana Millu shows us that there where differences in the way men and women were treated and that they also suffered in a particular way of the internment system and the confrontation with dead, violence and destruction. In her testimony Il fumo di Birkenau Liana Millu uses a specific form: instead of telling us one memory she lets talk different women. She hereby generalizes the experience of women and distinguish it from those of men, especially in the treatment and the specific role of body and sexuality. Confronted to metaphysical doubting and the question of how to survive after such an barbaric experience, Liana Millu insists on the importance of testimony. Comparing her writing with those of other interned resistants (Germaine Tillion, Jorge Semprun) we discover the imminence of poetry which seem to emerge from the unconscious in situation of extreme danger.


Ihre Wege als KZ-Häftlinge in Deutschland haben sich 1944 in der Mark-Brandenburg möglicherweise gekreuzt. Hätte der Zufall sie tatsächlich zusammengebracht, so wäre den beiden Frauen der Gesprächsstoff sicher nicht ausgegangen. Die Rede ist von Germaine Tillion, französische Ethnologin, und Liana Millu, italienische Journalistin, die beide während des Zweiten Weltkriegs in ihren Heimatländern Widerstand gegen den deutschen Besatzer leisteten. Beide wurden durch einen Spion verraten, der sich in ihr Widerstandsnetz hinein geschmuggelt hatte. Liana Millu, die 1914 in Pisa geboren wurde, schloss sich gleich nach dem Einmarsch der Deutschen im Jahr 1943 der Resistenza an; ebenso spontan und unmittelbar begann die sieben Jahre ältere Germaine Tillion 1940 ihre Aktivitäten in Frankreich.

Liana Millu, deren Erinnerungen an Deportation und KZ-Haft im folgenden Text im Zentrum stehen werden, gehörte der Gruppe "Otto" an, die nach ihrem Begründer, dem Genueser Arzt Ottorino Balduzzi benannt worden war. Sie arbeitete vorwiegend als Nachrichtenkurier. Nachdem die faschistischen Rassengesetze in Italien im September 1938 eingeführt worden waren, entließ man Liana Millu, die als Grundschullehrerin in Volterra südlich von Pisa gearbeitet hatte, sofort aus dem Schuldienst. Sie schlug sich als Erzieherin und Gouvernante durch. Bei ihrer Entscheidung für die Resistenza spielte ihre jüdische Herkunft wie sie immer betont jedoch keine Rolle. Ihre Motivation beruhte auf einer tiefen humanistischen Grundüberzeugung und auch dies teilt sie mit Germaine Tillion. Es ist weder ein politischer noch ein religiöser Glaube, der ihr moralische Richtschnur war, sondern das, was sie "fede laica" nennt:




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[...] ogni volta che mi capita di parlare, la mia testimonianza, insisto sul fatto che dove c'è una forza potente e brutale tesa senza requie a distruggere l'essere umano badiamo bene, nell'anima primo ancora che nel corpo dove c'è una simila forza, l'unico modo per resistervi rimanendo umani è avere una controforza, è difendersi con l'armatura morale di una fede. (Millu 1993)

Darunter versteht sie den Glauben an die Menschheit und an den menschlichen Geist, eine innere Haltung, die ihrer Meinung nach überhaupt nur das Überleben im KZ ermöglichte: "La fede laica faceva nella mente, nell'anima, un baluardo, un bunker, inviolabile alla brutalità e alle abiezioni che circondavano, un rifugio dove conservare l'idea, il concetto di tutte quelle cose che illuminano la vita civile, che rendono la vita 'civile' (ebd. : 11)."

Da sie nach ihrer Verhaftung durch die Intervention eines Milizionärs nicht an die Gestapo ausgeliefert, sondern in ein normales Frauengefängnis überstellt wurde, behandelte man sie nicht als Widerstandskämpferin, sondern als Jüdin. Die vermeintliche Rettung vor der Folter durch die Gestapo hatte sie so gegen einen möglichen Tod in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau eingetauscht, wo sie im Mai 1944 ankam. Drei schicksalhafte Schritte bewahrten sie dort vor dem unmittelbaren Tod: "Una sua amica stava marciando nella fila parallela e ad un tratto l'ha chiamata: lei l'ha raggiunta con tre passi, proprio in tempo per evitare una selezione. In quell'instante, infatti, un Kapo aveva abassato il frustino e per chi stava dietro di lei non ci fu alcuno scampo. " (Incontro: 1)

Sie blieb viereinhalb Monate in Auschwitz. Als sich gegen Ende des Jahres der russische Vormarsch in Polen näherte, begannen die Deutschen das Lager zu räumen und Liana Millu wurde nach Malchow, in ein Außenlager des Konzentrationslagers Ravensbrück deportiert. Dort musste sie über ein halbes Jahr in einer im Wald versteckten Waffenfabrik täglich zwölf Stunden für die Rüstungsindustrie arbeiten. Damit war sie zwar dem Vernichtungslager und dem unmittelbar drohenden Tod entkommen, doch ob in Auschwitz oder Ravensbrück: Ziel und Grundprinzip des nationalsozialistischen Lagersystems bestanden in der Vernichtung der Häftlinge unter vorheriger maximaler Ausbeutung ihrer Arbeitskraft. Diese grundlegende Struktur hat die Wissenschaftlerin Germaine Tillion mit ihrem ethnographisch geschulten Blick und ihrem scharfen Verstand unmittelbar nach ihrer Ankunft in Ravensbrück bereits erkannt. Die zahlreichen Aufzeichnungen, die sie dort heimlich machte, dienten ihr später als Grundlage für ihre Studien über Ravensbrück. Vernichtung und Ausbeutung sind die beiden zentralen Elemente der Lager:

Ces deux idées directrices, bénéfice et extermination, étaient les mêmes pour les deux sortes de camps, c'est-à-dire que les condamnés des camps de travail devaient, quand même, être exterminés. Ce sont ces deux idées directrices et parfois contradictoires qui expliquent certaines incohérences apparentes du système. (Tillion 1946: 25)

Liana Millu gehört zu denjenigen, die überlebt haben und die ihre Rettung, ihr Überleben als Vermächtnis verstanden, Zeugnis abzulegen. Und so schrieb sie unmittelbar nach dem Krieg ihre Erinnerungen auf. Il fumo di Birkenau erschien 1947, also zeitgleich mit Primo Levis "Se questo è un uomo" in einem unbedeutenden Kleinverlag (vgl. Levi 1989).




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Beide hatten damals noch keine bemerkenswerte Resonanz. Das änderte sich erst in den 90er Jahren. Inzwischen erschien Liana Millus Zeugenbericht bereits in der 11. Auflage; seit 1997 liegt er auch in deutscher Sprache vor. 1999 kam die Fortsetzung unter dem Titel "Dopo il fumo: sono il numero A 5384 di Auschwitz Birkenau" heraus (vgl. Millu 1999).

Auffällig an ihrem ersten Rückblick in Il fumo di Birkenau ist die Aufspaltung der Erinnerung in eine mehrperspektivische, jeweils weibliche Sicht. Liana Millu zielt darin nicht auf die Betroffenheit durch ihr persönliches Schicksal, sondern beschreibt Situationen, in denen die spezifische Grausamkeit und Entmenschlichung von Auschwitz paradigmatisch erscheinen. In den Geschichten wird das alltägliche Grauen der KZ-Haft an einzelnen Beispielen wie unter einem Brennglas fokussiert. Die Wahl der Kurzgeschichte als Genre für diese Momentaufnahmen unterstützt die Verdichtung wirkungsvoll und legt es gleichzeitig dem Leser nahe, Pausen bei der Lektüre einzulegen und angesichts des Schreckens innezuhalten. Primo Levi verweist in seinem Vorwort sehr zu recht darauf hin, dass alle sechs Erzählungen von spezifisch weiblichen Aspekten des Lebens der Gefangenen im KZ handeln: "Il fumo di Birkenau di Liana Millu è fra le più intense testimonianze europee sul Lager femminile di Auschwitz-Birkenau: certamente le più toccante fra le testimonianze italiane." (Millu 1986: 7) Und in der Tat gehen die Geschichten in besonderer Weise auf die Gefühls- und Lebenserfahrung von Frauen ein und verleihen diesem Zeugnis dadurch seine Einzigartigkeit.

Alle sechs Erzählungen handeln von spezifisch weiblichen Aspekten des Lebens der Gefangenen im KZ, deren Situation aus verschiedenen Gründen noch um einiges schlimmer ist als die der Männer. Wenn Lili, der die Eifersucht ihrer Aufseherin zum Verhängnis wird, von deren Freund, dem deutschen Lagerkapo, als weibliches Wesen wahrgenommen wird, so zeigt sich an diesem Beispiel trotz des tragischen Endes auch das Potenzial und die Überlebensfunktion von (weiblicher) Eitelkeit. "Intanto i suoi begli occhi luminosi dimostrava come un pensiero e un sorriso possono riuscire anche in un Vernichtungslager un campo di annientamento a transformare il numero A 5480 in un fanciulla palpitante e, a momenti, felice." (ebd. : 27) Die Geschichte erinnert an den Bericht eines amerikanischen Offiziers, dem bei der Befreiung des Lagers Bergen-Belsen aufgefallen war, dass sich die überlebenden Frauen mit der gleichen Gier auf Lippenstifte wie auf Lebensmittel stürzten.

In den Mittelpunkt einer jeden Erzählung stellt Liana Millu eine Frau. Da ist Maria, die wider alle Vernunft ihre Schwangerschaft austragen will. Da sind Bruna, die ihren Sohn im benachbarten Quarantänelager entdeckt, und die Russin Zina, die ihr Leben aufs Spiel setzt, indem sie Ivan zur Flucht verhilft, denn er ähnelt ihrem von den Nazis ermordeten Mann. Das Barbarische der Vernichtung wird am Gang der schwangeren Frauen und Mütter in die Gaskammern auf besonders erdrückende Weise ins Bild gesetzt. Nur einmal kann sich eine Frau vor der Gaskammer retten, weil sie in einem jungen SS-Mann den Sohn einer Mutter anspricht. "Maria vom Wunder" wird sie fortan genannt. Zur Sprache kommt auch ein in den meisten KZ-Berichten bisher vernachlässigtes Kapitel spezifisch weiblicher Lagererfahrung: die sexuelle Ausbeutung weiblicher Häftlinge und die Seelenpein, die in der Möglichkeit liegt, sich als Frau das eigene Leben zumindest vorübergehend




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mit dem Körper erkaufen zu können. Die Gewissensqualen der Frauen, die sich auf diesen Handel einlassen, werden im Konflikt zweier Schwestern deutlich gemacht. Die 18jährige Lotti meldet sich zum Puffkommando, weil sie sich gegen den sinnlosen und ungerechten Tod auflehnt. Moralische Einwände lässt sie angesichts der Ausnahmesituation nicht gelten: "In Lager si va a raccogliere i rifiuti nel letamaio, si succhiono gli ossi sputati dagli altri e io dovevo rifiutare la vita perché mi veniva offerta in un piatto sporco?"(ebd.: 142) Ihre todkranke Schwester Gustine verurteilt ihre Entscheidung und sagt sich von ihr los, erklärt sie für tot. Doch die schreckliche Realität von Auschwitz ist, daß Gustine als Rauch über Birkenau aufsteigen wird, während Lotti weiterlebt.

In ihrer autobiographischen Erzählung I ponti di Schwerin (Millu 1978) ist die Autorin der Vermittlung von Geschichte aus weiblicher Perspektive treu geblieben. Elmina, die Erzählerin, gehört zu jenen Überlebenden, die nach der Evakuierung der Konzentrationslager und der Befreiung wie Strandgut auf den Landstraßen Mitteleuropas zurückgeblieben sind und die sich nur noch mit letzter Kraft in die Freiheit schleppen. Der Fußmarsch zur "Brücke in Schwerin", wo britische Soldaten für den Weitertransport sorgen sollen, wird für Elmina zu einer Reise in die Vergangenheit, die Brücke zum Symbol für den Übergang in ein neues Leben. Die langersehnte, mühsame Heimkehr wird begleitet von Kindheitserinnerungen, in denen sie sich ihrer Identität vergewissert. Obwohl der Fußmarsch in Wirklichkeit kaum länger als eine Woche gedauert hat, erscheint er in Millus Beschreibung endlos. Die Gefühle bei ihrer Befreiung vergleicht sie mit der Euphorie, die sie empfand, als sie als junges Mädchen ihr Elternhaus verließ. Wie ein roter Faden ziehen sich die Begrenzungen und Deformationen, die mit ihrer Rolle als Frau verbunden sind, durch den Strom der Bilder, von denen sie heimgesucht wird. Sexueller Missbrauch, ungewollte Schwangerschaft, Abtreibung, gefühlsmäßige Ausbeutung und Unterdrückung durch Männer, das sind einige der zentralen Erinnerungen, die ihr der schmerzhafte Rückblick aufdrängt. Nur die glückliche Zeit mit ihrem Geliebten, der ebenfalls verhaftet wurde, bildet eine Ausnahme. Doch Elmina ahnt, dass sie ihn nie mehr wiedersehen wird. Wie von unsichtbaren Furien getrieben, bahnt sie sich ihren Weg in die Freiheit. Der Fußmarsch nach Schwerin gerät zu einem Gang durch die Unterwelt, bei dem feindliche Mächte zu besiegen und zahlreiche Gefahren zu bestehen sind. Die Deutschen, denen Elmina begegnet, reagieren mit reflexhafter Abwehr. Hartherzig verweigern sie die nötige Hilfe und murmeln ein "das haben wir nicht gewusst" beim Anblick der eintätowierten Nummer. Als Elmina von Birkenau erzählt, ziehen sich Täter auf ihr Selbstmitleid zurück. "Wir haben auch zu leiden gehabt. Oh, was haben wir gelitten! " Ganz andere Reaktionen zeigt Willem, der Holländer, dessen Frau durch die Deutschen umkam und der selbst im KZ war. Er kann und will die Deutschen nicht hassen, denn "der Hass auf etwas Unrechtes könne zutiefst unrecht sein". Überhaupt gehört die Beschreibung der Begegnung von Elmina und Willem zu den eindrücklichsten und intensivsten Passagen des Buches. Die schonungslose Beschreibung der zärtlich-hilflosen sexuellen Begegnung der beiden, die zwischen Tod und Leben schweben, spiegelt eine ungewohnt offene, krude und zugleich rührende Menschlichkeit. Ebenso ungewöhnlich und neu wie diese Beschreibung sind manche Bilder, mit denen Gefühle veranschaulicht werden.




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Die Verletzung, die Elmina als Kind erfahren hatte, als die Lehrerin ihr Judentum vor der Klasse zur Schau stellte, fasst die Autorin in das Bild eines verschrumpelten und zerknitterten Nylonhemdes.

Da die Lektüre von dem Spannungsbogen lebt, mit dem Elmina und damit auch die Leser dem Erreichen der Brücke entgegenfiebern, stellt sich angesichts des abrupten Endes Frustration ein. Das Ziel wird zwar erreicht, doch es entspricht nicht den hochgesteckten Erwartungen. In dieser Enttäuschung bahnt sich bereits die Unmöglichkeit der Überwindung der Vergangenheit an. Denn die Erfahrung von Auschwitz, von diesem Zivilisationsbruch, dem "spartiacque che da solo determina un 'prima' e un 'poi'" (Millu 1993), wurde im wörtlichen und im übertragenen Sinne in die Körper der Opfer eingeschrieben. Bei Liana Millu provoziert die Konfrontation mit dem "véritable attentat contre l'homme" so charakterisiert Germaine Tillion den Zivilisationsbruch, der Auschwitz in ihren Augen darstellt (vgl. Tillion 1946 : 13) eine tiefgreifende Wandlung von der überzeugten Atheistin zur Agnostikerin: "E stato detto che nessuno usci dai lager come vi era entrato, ed è vero, io entrai atea e ne sono uscita agnostica. " (Millu 1993) Dabei spielte die "acquisizione del senso del mistero", eine zentrale Rolle. Dieses Rätsel der menschlichen Existenz hat sich ihr in Auschwitz offenbart: Das unerhörte Nebeneinander von unbeschreiblicher Grausamkeit und poetischer Schönheit, wie es sich ihr an einem ganz 'normalen' Sonntag im Lager zeigt:

Non pensavo a nulla, però mi sentivo affascinata, come se dalle lontane montagne mi raggiungesse qualcosa; e capivo che io ero sì all'ombra dei crematori, ma oltre la pianura e oltre le montagne c'era ancora qualcosa. Insomma, era per me evidente il senso del mistero. Forse in quella domenica cominciò a cambiare il mio animo. (ebd.)

Diese Offenbarung, "il mistero", drängt sich mit der poetischen Kraft des Wortes ins Bewußtsein, lange vergessene Gedichtzeilen kommen unvermittelt aus den Tiefen des Gedächtnisses an die Oberfläche. An die Stelle des abwesenden Gottes, tritt die Poesie: "L'unico rifugio per trovare conforto era la menta, ricuperando dalla memoria dei versi che magari non si ricordava nemmeno di avere studiato, di aver conosciuto." So auch die Gedichtzeile: "Uomini, pace / sulla prona terra / troppo è il mistero". (ebd.: 2)

Von der Überwältigung durch solche lyrischen Stoßgebete, Reaktionen auf die übermäßige physische und psychische Anspannung, berichten auffälligerweise auch andere ehemalige Häftlinge. So z.B. Jorge Semprun, der die Agonie des Soziologen Maurice Halbwachs in Buchenwald in seinen autobiographischen Erinnerungen beschreibt:

Alors, dans une panique soudaine, ignorant si je puis invoquer quelque Dieu pour accompagner Maurice Halbwachs, conscient de la nécessité d'une prière, pourtant, la gorge serrée, je dis à haute voix, essayant de maîtriser celle-ci, de la timbrer comme il faut, quelques vers de Baudelaire. C'est la seule chose qui me vienne à l'esprit. (Semprun 1994: 37)




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Es sind ebenfalls Verse von Baudelaire, die Germaine Tillion im Delirium einfallen:

Et je me souviens moi-même , ayant la diphtérie et le délire, avoir d'abord été hantée par deux vers de Baudelaire: [...] Emporte-moi, wagon, enlève-moi, frégate / Ici, la terre est faite de nos pleurs [...]. (Tillion 1946: 17)

Im Angesicht des tausendfachen und alltäglichen Sterbens stellt sich die Frage nach dem, was 'danach' kommt mit unausweichlicher Unerbittlichkeit. Die Versuchung, sich in den Glauben an ein Jenseits und die Existenz eines Gottes zu flüchten, ist gerade in dieser Situation groß. Doch Liana Millu beschließt: "da sola ho camminato, da sola devo continuare a camminare" (Millu 1993). Für ihr Leben und ihre Verarbeitung des Holocaust akzeptiert sie keinen falschen Trost. Und genau diese Wahrhaftigkeit spiegelt ihre "testimonianza".


Bibliographie

Incontro con la scrittrice Liana Millu: "Sono il numero A 5384 di Auschwitz." [http://www.liguria.lafragola.kataweb.it/genova/medie/lombardo-campomorone/
story43548.html, 1.6.2007]

Levi, Primo (1989): Se quest'è un uomo. Turin: Einaudi. [1947]

Millu, Liana (1978): I ponti di Schwerin. Poggibonsi: A. Lalli.

Millu , Liana (1986): Il fumo di Birkenau. Firenze: Giuntina. [1947]

Millu, Liana (1993) [http://www.ucei.it/gionodellamemoria/2004/2b20.html, 23.4.2004] = Auszug aus: Martini, Carlo Maria u.a. (1993): Chi è come te fra i muti. Mailand Garzanti.

Millu, Liana (1999): Dopo il fumo: sono il numero A 5384 di Auschwitz-Birkenau, hg. v. P. Stefani. Brescia: Morcelliana.

Semprun , Jorge (1994): L'écriture ou la vie. Paris: Gallimard.

Tillion , Germaine (1946): "A la recherche de la vérité", in: Editions de la Braconnière. Les Cahiers du Rhône. Neuchâtel, Ravensbrück.