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Rolf Kailuweit (Freiburg)



Juan Cuartero Otal (2003): Cosas que se hacen: Esquemas sintáctico-semánticos agentivos del español. Frankfurt: Peter Lang.



Die Dissertation des in Leipzig lehrenden Hispanisten Juan Cuartero Otal widmet sich der Klassifizierung agentiver Verben des Spanischen. Sie knüpft dabei auf der Grundlage des europäischen Strukturalismus allgemein und der Valenztheorie im Besonderen an den Ansatz der syntaktisch-semantischen Schemata an, der in Spanien von Valerio Báez San José begründet worden ist. Dieser Ansatz ist nun nicht nur einem internationalen Fachpublikum kaum bekannt, er stellt auch innerhalb der spanischsprachigen Linguistik bestenfalls eine von mehreren Möglichkeiten dar, sich der Problematik der syntaktischen und semantischen Beschreibung von Verben zu nähern. Cuartero Otal beschränkt die theoretische Fundierung seiner Arbeit weitgehend auf eine Auseinandersetzung mit Báez und dessen Schülern, deren Ansätze er und seine Schüler sich darauf beschränken, durch Abstraktion aus einem Korpus von Äußerungen, in denen ein bestimmtes Verb erscheint, dessen Grundvalenz, verstanden als eine reduzierte Anzahl notwendiger Komplemente, zu bestimmen. Cuartero Otal betont dagegen nicht nur die Schwierigkeit, im Einzelnen notwendige von nicht-notwendigen Komplementen abgrenzen zu können, sondern auch die Wichtigkeit, die Kompatibilität von Komplementen zu untersuchen, die offenbar nicht zur Grundvalenz eines Verbs gehören:

También interesa saber, aunque esa información no pertenezca al nivel de su esquema básico, si la estructura argumental de un núcleo dado es compatible con un complemento de tipo instrumental, con una cláusula final, con un benefactivo, con complementos locales que indican origen, meta etc. (26)

So kommt er zu einer Bestimmung des syntaktisch-semantischen Schemas als einer Repräsentation eines verbalen Kerns und seiner argumentalen und nicht-argumentalen, aber spezifischen Komplemente, wobei Argumente und Nicht-Argumente gleichermaßen als von textspezifischen und lexikalisch-referenziellen Inhalten abstrahierende Variablen gefasst werden: alguien, algo, algún lugar, algún momento, algún tiempo, algún modo etc. Kombiniert mit einem Verb und ergänzt durch Präpositionen stehen diese Variablen für die syntaktischen Funktionen Subjekt, direktes und indirektes Objekt, Präpositionalobjekt, Adverbial und Attribut, die wiederum spezifisch für jedes Verb eine bestimmte semantische Funktion ausdrücken.

Dies führt, um ein einfaches Beispiel zu geben, etwa zu folgender Klassifizierung des Verbs jugar: Das Schema alguien juega con algo entspricht syntaktisch der Klasse der objektlosen Verben und semantisch der Klasse Ag(ens) + V + Instrum(ent).

Um zu seinen Klassen zu kommen, geht Cuartero Otal streng semasiologisch vor. Auf der Grundlage der Schemata vom Typus alguien juega con algo bestimmt er die syntaktischen Funktionen und fragt nach deren möglichem semantischen Gehalt. Aus diesem Vorgehen ergibt sich die Gliederung des zentralen Teils der Arbeit: Die Kapitel 3–8 sind jeweils einer syntaktischen Funktion und deren möglichen semantischen Werten gewidmet. Da die syntaktische Funktion selbst erst einmal definiert und abgegrenzt werden muss, entstehen äußerst lesenswerte kleine Abhandlungen, in denen Cuartero Otal den Erkenntnisstand der traditionellen




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und strukturalistischen spanischen Grammatik referiert und durch valenztheoretische Überlegungen ergänzt (siehe hierzu auch Kailuweit 1993). Bei der Bestimmung der semantischen Werte, die die einzelnen syntaktischen Funktionen annehmen können, greift Cuartero Otal punktuell auch in fruchtbarer Weise auf die internationale Diskussion zurück, etwa bei der Abgrenzung von agentiven und nicht-agentiven Subjekten. So wertvoll die detailreiche Erörterung der vier, Cuartero Otal zufolge für das Subjekt einschlägigen semantischen Merkmale agentivo ±, afectado ±, causativo ± und experimentador ± ist, verkennt Cuartero Otal allerdings, dass die Funktion des Subjekts gerade darin besteht, semantisch neutral, d.h. mit allen erdenklichen semantischen Merkmalen kompatibel zu sein (deshalb ist sie auch als die einzige rein syntaktische Funktion bezeichnet worden (cf. Van Valin / LaPolla 1997). So überrascht es nicht, dass Cuartero Otal Subjekte findet, die durch eines der vier Merkmale gekennzeichnet sind und ferner, dass bei vielen Subjekten zwei der Merkmale in Kombination treten. Die These, dass es jedoch unmöglich ist, drei Merkmale zu kombinieren, ist bei genauerer Betrachtung nicht überzeugend. Geht man einmal davon aus, dass die Merkmale causativo + und experimentador + grundsätzlich miteinander inkompatibel sind (man verursacht nicht seine eigenen Gefühle), so stellt sich doch die Frage, warum Cuartero Otal die Kombinationen agentivo +, afectado +, causativo + und agentivo +, afectado +, experimentador + ausschließt. Hatte er überzeugend dafür argumentiert, dass alguien se corta el pelo als agentivo –, afectado +, causativo + zu verstehen ist, da man sich in der Regel die Haare schneiden lässt und es nicht selbst tut, so stellt sich doch die Frage, warum alguien se corta las uñas nicht als agentivo +, afectado +, causativo + zu verstehen ist und alguien se mira el ombligo als agentivo +, afectado +, experimentador +. Sich die eigenen Nägel zu schneiden oder seinen Bauchnabel zu betrachten, erscheint weder ausgeschlossen noch ungewöhnlich.

Dieses Beispiel macht schon deutlich, dass die Stärken der Arbeit in der klaren und didaktisch wertvollen Aufarbeitung und Darstellung der syntaktischen Funktionen liegen. Was das Semantische betrifft, erscheinen viele Analysen nicht zu Ende gedacht und von daher problematisch. Dies zeigt sich etwa auch bei der Diskussion der verschiedenen Tests, die Cuartero Otal zur Charakterisierung der semantischen Funktionen des Subjekts anführt. So heißt es (49), affizierte Subjekte seien mit ¿Qué le sucede a X? zu erfragen. Als Beispiel führt Cuartero Otal an: algo le pertenece a alguien¿Qué le sucede a X? Que le pertenece a alguien. Dieses Beispiel ist nun äußerst unglücklich gewählt, bedenkt man, dass pertenecer ein prototypisches Zustandsverb ist und somit als Hyponym eines Proverbs vom Typ ‚geschehen’ nicht in Frage kommt. Auch vom Ergebnis her ist es zweifelhaft, ob man das Subjekt eines Verbs vom Typ 'gehören' als von der Verbhandlung affiziert ansehen soll.

Das neunte Kapitel der Arbeit ist von besonderem Interesse, da Cuartero Otal hier nun seine Schemata unter Berücksichtigung der aktuellen internationalen Forschung ordnet. Dabei geht er eingangs auf die Aktionsartendebatte in der Nachfolge Vendlers (1967) ein, um sich dann der Diskussion um die Alternanzen oder Diathesen zu widmen, für die er Levin (1993) und im spanischen Kontext Devís (1993) als Referenztexte anführt. Die Hypothese, die diesen Arbeiten zugrunde liegt, besteht darin, dass Verben, die dieselben syntaktischen Alternanzen bzw. Diathesen erlauben, auch semantisch einheitliche Unterklassen bilden. So wertvoll die Ansätze in diesem Kapitel auch sind, es zeigt sich erneut, dass die semantische Seite nicht zu den Stärken der Arbeit gehört. Bei den so genannten reziproken interaktiven Strukturen z.B. sind zwar alguien convive con alguien und alguien y alguien conviven synonym, nicht aber alguien se acerca a alguien und alguien y alguien se acercan. Der Aktivitätskontrast hinsichtlich des




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präpositional markierten Aktanten wird gerade nicht deutlich, wenn man convivir und acercarse aufgrund ihrer Alternanzähnlichkeiten zusammengruppiert.

In Kapitel 10 schließlich stellt Cuartero Otal seine Klassen in Form von Schemata vor. Dies geschieht leider völlig kommentarlos, so dass die Schemata selbst dann nur schwer zu interpretieren sind, wenn man die vorhergehenden 180 Seiten aufmerksam gelesen hat. Es wäre weitaus fruchtbarer gewesen, die Details jedes Schemas zumindest anhand eines Beispiels zu erörtern, wie es etwa in den Arbeiten der Lexique Grammaire in der Tradition von Maurice Gross (1975) geschieht. Da auch ein Sach- und Verbregister sowie ein Abkürzungsverzeichnis fehlen, dürften die Schemata in dieser unkommentierten Form lediglich dem engsten Kreis von Experten ein nützliches Hilfsmittel sein.

Aufgrund dieser Defizite in der Darstellung verspielt Cuartero Otal die Möglichkeit, mit seiner Klassifizierung einen anschlussfähigen Beitrag an die internationale linguistische Diskussion zu leisten. Die Ergebnisse der Arbeit scheinen letztlich allein für diejenigen formuliert, die bereits mit dem Forschungsansatz der Esquemas sintáctico-semánticos vertraut sind. Dies bestätigt sich auch im Umgang mit der Forschungsliteratur. Andere Ansätze in Spanien werden entweder, wie der heterodoxe Generativismus einer Violeta Demonte, nur punktuell erwähnt oder, wie etwa die Lexikongrammatik eines Carlos Subirats, völlig ignoriert. Angloamerikanische Ansätze, an denen sich die internationale Diskussion orientiert, werden nur sporadisch und unsystematisch zur Unterstützung der eigenen Argumentation herangezogen.

Cuartero Otal leistet anhand des Spanischen einen durchaus interessanten Beitrag zu einer hochaktuellen linguistischen Fragestellung, verortet diesen jedoch nur in Ansätzen in der internationalen Diskussion. Es bleibt zu hoffen, dass er in weiteren Veröffentlichungen diesem Manko abhilft. Wenn die Arbeit in der vorliegenden Form dennoch lesenswert ist, so aufgrund der Erörterung der einzelnen syntaktischen Funktionen in den Kapiteln 3–8. Sie bilden eine gelungene Synthese des Forschungsstandes, der auch unter didaktischen Gesichtspunkten wertvoll ist, stellen aber nicht die eigentliche Forschungsleistung dar, die der Dissertation von Cuartero Otal zugrunde liegt.


Bibliographie

Kailuweit, Rolf (1993): "El sintagma preposicional como elemento nuclear de la oración – un enfoque de la gramática de valencias", in: Verba 20, 255–273.

Gross, Maurice (1975): Méthode en syntaxe. Paris: Hermann.

Van Valin, Robert D. Jr. / LaPolla, Randy J. (1997): Syntax. Structure, meaning and function. Cambridge etc.: Cambridge University Press.

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