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Ute Tintemann (Berlin)



Katrin Wippich-Roháková (2000): "Der Spannisch Liebende Hochdeutscher". Spanischgrammatiken in Deutschland im 17. und frühen 18. Jahrhundert. Hamburg: Buske. (= Romanistik in Geschichte und Gegenwart: Beihefte, 2)


Gebrauchsgrammatiken und Lehrwerke für den Fremdsprachenunterricht sind in den letzten Jahren in ihrem Wert nicht nur für die (romanistische) Sprachwissenschaft erkannt worden, da sie nicht nur bemerkenswerte Informationen im Hinblick auf die Sprachgeschichtsschreibung liefern können (vgl. Radtke 1991), sondern darüber hinaus als wichtigste Quelle für die historiographische Erforschung des Fremdsprachenunterrichts gelten (vgl. Finkenstaedt 1992: 241). Umso erfreulicher ist es, daß nach den historiograpisch ausgerichteten Monographien zu Englisch- (Klippel 1994) und Italienischlehrwerken (Gorini 1997) nun auch ein Buch zu den ersten im deutschsprachigen Raum publizierten Spanischlehrwerken für den Fremdsprachenunterricht vorliegt.

In dem als Dissertation entstandenen Buch "Der Spannisch Liebende Hochdeutscher". Spanischgrammatiken in Deutschland im 17. und frühen 18. Jahrhundert analysiert die Verfasserin zehn im deutschsprachigen Raum erschienene Spanischlehrwerke1 für Fremdsprachenlerner, die zwischen 1614 und 1723 herausgegeben wurden.2 Ihre Auswahl begründet die Autorin damit, daß es sich bei dem Werk von 1614 um die erste in Deutschland erschienene Spanischgrammatik handelt, bei der 1723 veröffentlichten um die vorläufig letzte bis zum Erscheinen des nächsten Lehrwerks im Jahre 1777. Durch diese Auswahl ermöglicht die Autorin erstmalig eine kritische Zusammenschau der frühen Publikationsperiode von Spanischgrammatiken in Deutschland.

Eine knappe Beschreibung jedes dieser vom Umfang und der Konzeption her sehr unterschiedlichen Lehrwerke liefert die Autorin im vierten Kapitel ihres Buches: Neben bibliographischen Angaben findet der Leser Informationen zu Umfang, Format, Aufbau und Inhalt der Lehrwerke, indem u.a. deren Inhaltsverzeichnisse wiedergegeben werden. Ergänzt werden diese Angaben durch knappe nützliche Hinweise auf die Biographien der Autoren und auf weitere von diesen verfaßte Sprachlehrbücher.

Der Analyse der Lehrwerke vorangestellt sind drei Kapitel zu deren historischer Situierung. So versucht die Verfasserin im ersten Kapitel, das "Spanienbild zwischen 1500 und 1700" nachzuzeichnen, wobei sie gleichzeitig nach den Motivationen und Zielen einer Beschäftigung mit dem Spanischen fragt. Leider beziehen sich dabei die von der Verfasserin ausgewerteten Quellen und Sekundärtexte hauptsächlich auf das 16. und 17. Jahrhundert, wohingegen das frühe 18. Jahrhundert vollkommen unberücksichtigt bleibt, obwohl drei der von ihr analysierten Lehrwerke nach 1700 erschienen sind.




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Die fehlende Rezeption des Quellenmaterials aus dem 18. Jahrhundert betrifft auch das zweite Kapitel ihres Buches zu den Anfängen des Fremdsprachenunterrichts im allgemeinen und denen des Spanischunterrichts im besonderen, in dem auch die wichtigsten Lehrbuchtypen der Zeit dargestellt werden. Daß es in diesen Jahrhunderten generell eine Phase der Kontinuität in Bezug auf den Fremdsprachenunterricht gegeben hat (vgl. Radtke 1991: 100), setzt die Autorin kommentarlos voraus. Ein Beleg oder zumindest die Nennung dieses Aspekts wäre aber gerade auch im Hinblick auf die Situation des Spanischunterrichts an dieser Stelle notwendig gewesen.

Im dritten Kapitel "Traditionen spanischer Grammatikographie" geht Wippich-Roháková auf wichtige Werke der frühen spanischen Grammatikographie ein und untersucht deren Positionen zum Ursprung des Kastilischen, zur Sprachenvielfalt auf der Iberischen Halbinsel, zur Frage nach der sprachlichen Norm und vor allem zur "Übertragung der am lateinischen entwickelten grammatischen Kategorien auf die Volkssprache Spanisch" (41). Die Verfasserin zeigt, daß die meisten Grammatiker den klassischen acht partes orationis lediglich den Artikel als weitere Wortart hinzugefügt haben. Nach einer Analyse von exemplarischen Aussagen der einzelnen Grammatiker zu diesen Wortarten kommt sie zu dem Schluß, daß diese hauptsächlich bemerkenswerte und überaus heterogene Erklärungen im Hinblick auf das Nomen (v.a. zu den Kasus und zur Deklination), zu den Pronomen, zum Verbalsystem und zur Syntax gemacht haben (80). Die Ergebnisse dieses Kapitels bilden die Grundlage für die eigentliche grammatikographische Analyse der Sprachlehrwerke, die die Verfasserin im fünften und siebten Kapitel ihres Buches vornimmt.

Im fünften Kapitel "Die Lehrwerke in der grammatikographischen Tradition" greift die Autorin die Fragestellungen aus dem ersten Teil des dritten Kapitels wieder auf und analysiert diese anhand entsprechender Äußerungen in den Lehrwerken. Wippich-Roháková arbeitet heraus, daß sich die Lehrbuchautoren im Gegensatz zu den "Klassikern" nicht mit der sprachlichen Vielfalt auf der Iberischen Halbinsel auseinandersetzen, Fragen zur sprachlichen Norm nur punktuell behandeln und sich nur vereinzelt zum Ursprung bzw. zur Entwicklung des Spanischen äußern.

Im siebten und letzten Kapitel ihres Buches nimmt die Verfasserin eine ausführliche inhaltliche Analyse der grammatischen Beschreibungen in den von ihr untersuchten Spanischlehrwerken vor, und zwar anhand der im zweiten Teil des dritten Kapitels als relevant herausgearbeiteten Bereiche Nomina, Pronomina und Verba. Exemplarisch werden die relevanten Äußerungen der Lehrbuchautoren hierzu zusammengestellt und vergleichend analysiert, und zwar das Nomen hinsichtlich der Kategorien Genus und Kasus und das Pronominalsystem.




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Am ausführlichsten ist von der Autorin das Kapitel zum Verb ausgeführt worden, denn auch in den Lehrwerken ihres Korpus nehmen die Ausführungen hierzu den meisten Raum ein. So befaßt sie sich mit dem Tempussystem und den Modi, der Darstellung unpersönlicher Formen, periphrastischer Konstruktionen sowie der Typologie der Verben, wobei die Verfasserin ihre Ergebnisse bezüglich der Einteilung der Tempora in Form von Tabellen präsentiert (171f., 179f.). Abschließend widmet sie sich der Darstellung der Syntax in den Lehrwerken; sie arbeitet heraus, daß diese "mehr die Ebene des Syntagmas als die des Satzes betreffen" (201) und deshalb in Anlehnung an Priscian Fragen der Wortstellung, der Konkordanz und der Rektion behandeln. Allerdings enthalten nur wenige Lehrwerke des Korpus ein Syntaxkapitel, so daß sich die Analyse der Verfasserin vor allem auf die Grammatik von Cramer (1711) konzentriert. Dieses dreibändige Werk bildet insgesamt einen Schwerpunkt ihrer Analyse, da es sich um "die umfassendste Darstellung der spanischen Sprache" handele, "die in Deutschland im 17. und frühen 18. Jahrhundert erschienen ist" (213).

Am Ende ihrer Analyse kommt die Autorin zu dem Ergebnis, daß es zum einen hinsichtlich der von ihr untersuchten Aspekte eine große Übereinstimmung zwischen den Lehrbuchautoren und den "Klassikern" der frühen spanischen Grammatikographie gebe. Zum anderen würden in den Lehrwerken bezüglich ihrer praktischen Ausrichtung bestimmte Aspekte der Grammatik stärker berücksichtigt werden, die dem Muttersprachler normalerweise keine Schwierigkeiten bereiteten, so zum Beispiel die Erläuterung des Tempussystems und die Unterschiede im Gebrauch von ser und estar sowie von tener und haber.

Mit sprachdidaktischen Aspekten setzt sich die Verfasserin im sechsten Kapitel ihres Buches auseinander. Anhand einer Untersuchung der Vorworte zu den einzelnen Sprachlehrwerken zeigt sie beispielsweise, daß die jeweiligen Lehrbuchautoren versucht haben, ihre Leser vom Nutzen des Sprachenlernens im Allgemeinen und vom Erwerb des Spanischen im Besonderen zu überzeugen. Darüber hinaus befaßt sich die Autorin mit den Äußerungen der Lehrbuchautoren zu methodischen Fragestellungen und zum Aufbau der Lehrwerke. Ihre Ausführungen hierzu fallen sehr knapp und zum Teil auch für den Leser wenig befriedigend aus. So wäre es an dieser Stelle sinnvoll gewesen, ausführlicher auf die Konzeption der einzelnen Lehrwerke einzugehen und zum Beispiel grundsätzliche Unterschiede zwischen dem als Dialog konzipierten Lehrwerk von Moratori (1723) und der dreibändigen in lateinischer Sprache verfaßten Grammatik von Cramer (1711) herauszuarbeiten. Auf diese Weise hätte man wichtige Erkenntnisse über implizite methodische Ideen der Lehrbuchautoren beispielsweise bezüglich der Darbietung des Stoffes gewinnen können.

Im Hinblick auf den anvisierten Adressatenkreis der Lehrwerke stellt die Verfasserin abschließend nochmals fest, daß die Lehrwerkautoren bei ihren Lesern sowohl grammatisches Grundwissen als auch Latein- und weitere Fremdsprachenkenntnisse voraussetzen (212). Dies hätte gerade auch hinsichtlich der im ersten Kapitel gemachten Beobachtung der Verfasserin, daß insbesondere im Nürnberger Raum Kaufleute eine bevorzugte Zielgruppe für den Spanischerwerb waren (7), die eben häufig nicht über solche Kenntnisse verfügten, zumindest hinterfragt werden sollen.




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Trotz der genannten Unzulänglichkeiten ist dieses Buch lesenswert. Vor allem die grammatikographische Analyse der Spanischlehrwerke im fünften und siebten Kapitel, die den Schwerpunkt des Buches darstellt, ist inhaltlich sehr überzeugend. Präzise, prägnant und mit einer Fülle wichtiger und interessanter Einzelbeobachtungen wird der Leser in die Darstellung der Grammatik in frühen Spanischlehrwerken eingeführt. Auch deren Kontrastierung mit den "Klassikern" der spanischen Grammatikographie ist im Hinblick auf ihre Zielsetzung gut gelungen. Außerdem ist das Buch klar formuliert und somit sehr gut lesbar. Umso ärgerlicher ist es, und zwar vor allem für den Leser, der sich gezielt über eines der von der Autorin behandelten Lehrwerke informieren will, daß am Ende des Buches weder ein Personen- noch ein Sachregister existiert.



Bibliographie

Finkenstaedt, Thomas (1992): "Nachwort. Aufgeklärter Positivismus. Probleme einer Geschichte des Fremdsprachenunterrichts", in: Fremdsprachenunterricht 1500–1800. Hg. von Konrad Schröder. Wiesbaden, 237–244.

Gorini, Umberto (1997): Storia dei manuali per l'apprendimento dell'italiano in Germania (1500–1900). Frankfurt a.M., Berlin, Bern.

Klippel, Friederike (1994): Englischlernen im 18. und 19. Jahrhundert. Die Geschichte der Lehrbücher und Lehrmethoden. Münster.

Radtke, Edgar (1991): "Französische und italienische Gebrauchsgrammatiken des 17. und 18. Jahrhunderts", in: Zur Geschichte der Grammatiken romanischer Sprachen. Hg. von Wolfgang Dahmen, Günter Holthus et. al. (Hgg.). Tübingen, 95–110.



Anmerkungen

1 Mit dem Begriff "Grammatik" wurden bis zum Ende des 18. Jahrhunderts auch diejenigen Sprachlehrwerke bezeichnet, die über eine Darstellung der Grammatik hinaus andere Texte, d. h. Gesprächs- und Briefsammlungen, Wörterverzeichnisse etc. enthielten (vgl. Klippel 1994: 59).

2 Folgende Lehrwerke werden von der Autorin analysiert: Heinrich Doergangk: Institutiones in lingvam hispanicam (1614), Juan Angel de Sumaran: Newes Sprachbuch (1623), Marcos Fernandez: Instruction espagnole accentvee (1647), Stephan Barnabé: Vnterweisung Der Spanischen Sprach (1657), Nicolás Mez de Braidenbach: Gramatica, o instruccion española y alemana (1666), Christian Gottfried Reinhardt: Der Spannisch Liebende Hochdeutscher (1696), Juan de Sottomayor: Llave capital (1706), Matthias Cramer: Grammatica & syntaxis linguae hispanicae (1711), A. F. K.: Teutsch-Spanischer Und Regul=mäßiger Sprach=Zeiger (1712), Antonio Moratori: Instruccion fundamental (1723).

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