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Peter Gendolla / Jörgen Schäfer (Siegen)



Vernetztes Probehandeln. Literatur im Zeitalter der permanenten Mutabilität



Testing Actions in Networked Media. Literature in the Age of Permanent Mutability
This essay aims at providing the outline of a new theoretical framework within which literature in computer-based and networked media can be analysed. This seems inevitable since key concepts of traditional aesthetics such as 'author', 'work' or 'reader' which derive from the specific historical communication system based upon the medium of the printed book have proved to be inadequate for the analysis of literature in computer-based and networked media. These texts can only be described as transitory effects of men-machine-men-etc.-communication. We thus claim that the reassessment of some important epistemological categories such as intentionality, i.e. the relation between human intentions and chance operations, performativity/performance and emergence may provide a theoretical foundation for the key question about the specific aesthetic qualities of literature under the conditions of permanent mutability of signifiers.



I

Gibt man das Suchwort "Literatur" in eine Suchmaschine ein, so wird man mit mehreren Millionen Treffern konfrontiert. Es scheint keine literarische Form und keine Gattung, ja keinen Text eines bekannten oder unbekannten Verfassers zu geben, der sich nicht im World Wide Web fände. Das Spektrum reicht von Goethe bis zu Hobbyautoren, die im tradierten Literaturbetrieb niemals eine Gelegenheit zur Veröffentlichung gefunden hätten. Auf den ersten Blick scheinen im Netz der Netze damit die alten Träume von einer Universalbibliothek wahr geworden zu sein, in der das literarische Erbe der Menschheit verwaltet wird.

Zwischen all den eingescannten Texten, deren äußere Gestalt als lineare Zeichenkette sich noch dem Vorbild der Printmedien verdankt, stößt man aber auch auf irritierende literarische und künstlerische Formen, die als "digitale Literatur" (Simanowski 2001), "Interfictions" (Simanowski 2002), "ergodic literature" (Aarseth 1997), "Hyperfiction" (Suter / Böhler 1999), "Literatur im elektronischen Raum" (Heibach 2003) oder eben als "Netzliteratur" den Anspruch erheben, nur in rechnergestützten und vernetzten Medien möglich zu sein.

Auch solche Beispiele gibt es inzwischen zu Tausenden, und doch werden sie von der 'seriösen' literaturwissenschaftlichen Forschung noch weitgehend ignoriert. Für eine große Mehrheit der Literaturwissenschaftler ist Netzliteratur bis heute einfach nur episodisches Bildschirmgeflacker, das in etwa die gleichen Urteile verdiene, wie sie Hugo Friedrich einst über die "sogenannte 'Konkrete Poesie'" gefällt hatte, nämlich nichts als "Wörter- und Silbenschutt" zu sein (Friedrich 1967: 13). Dies ist nicht weiter verwunderlich, denn die Philologie behandelt gewöhnlich abgeschlossene Werke, am besten gar von bereits verstorbenen AutorInnen.1 Noch in einem anderen Sinne scheint es keine Netzliteratur zu geben: Glaubt man den Todeserklärungen zur Netzkunst und Netzliteratur, die kürzlich an so prominenten Stellen wie der Zeit und dem Spiegel platziert wurden, so ist sie nämlich bereits dahin geschieden (Baumgärtel 2002; Petersen / Saltzwedel 2002). Nachdem die Zeit noch 1997 einen Internetliteratur-Wettbewerb ausgeschrieben und damit durchaus beachtete Produktionen wie Susanne Berkenhegers Zeit für die Bombe (1997) provoziert hatte, sollen ästhetische Aktivitäten im Netz nun bereits wieder abgestorben sein.




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Schaut man jedoch genauer hin, dann fällt auf, dass in den 'Todeserklärungen' die aktuellen und sehr vielfältigen Netzprojekte gar nicht beachtet werden: Die Netzkunst und die Netzliteratur sollen tot sein, bevor man überhaupt weiß, was sie hätte sein können. Offensichtlich reagieren Zeitungen und Zeitschriften damit eher auf die Bedrohung ihrer eigenen materiellen Existenz durch elektronische Netze, als dass sie die darin stattfindenden Umbrüche soziokultureller Kommunikationen wahrnehmen, die sich – eine erste These – an Netzliteraturprojekten exemplarisch ablesen lassen. Für Zeitungen und Zeitschriften als bedrohte Arten gehören die Lettern der Literatur auf Papier in Büchern – und fertig! Dies gilt selbst dann, wenn auch ihnen die eigenen Lettern längst als Bits & Bytes codiert aus dem Netz auf die LC-Displays schwärmen und ohne Rechner auch beim Einschwärzen des Papiers gar nichts mehr geht.

Diese beiden Ablehnungen unseres obskuren Gegenstands lassen sich als Ausdruck einer gewissen professionellen Ignoranz leicht vernachlässigen. Ebenso wenig sollen uns im Folgenden die unzähligen Beispiele von 'Literatur im Netz' interessieren: Als 'Literatur im Netz' betrachten wir literarische Texte, die als lineare Zeichenketten auf dezentralen vernetzten Computern abgelegt werden. Von solchen Veränderungen ist vor allem der Literaturbetrieb betroffen – vom Buchhandel über die Bibliotheken bis hin zur Literaturkritik und Literaturwissenschaft. An den Positionen und Relationen der eingegebenen 'literarischen' Daten ändert die elektronische Datenverarbeitung hier jedoch nur wenig: Die Server werden lediglich als andere Speicher und das Netz als anderer Distributionskanal genutzt. Dies tangiert kaum die besondere Ästhetik – im Sinne von aisthesis, Wahrnehmung der Wahrnehmung –, wie sie in den tradierten Medien und Präsentationsformen von Literatur auch schon stattfinden konnte.

Mit einer Einschränkung: Die Kombination von digitaler Speicherung und Vernetzung schlägt bereits den Bogen zu den wesentlich gravierenderen Veränderungen, von denen im Folgenden die Rede sein soll. Dadurch, dass im World Wide Web gespeicherte Informationen dezentral verwaltet werden, ist jedes Datenbit nur an einer einzigen Stelle gespeichert und kann jederzeit verändert werden. Unter diesen Bedingungen einer "permanenten Mutabilität" ist jede Lektüre ein einmaliges Ereignis. Ob ein Text noch ein zweites Mal in der gleichen Fassung gelesen werden kann, ist nicht gesichert, denn ein "Datenabruf bietet nicht mehr als eine Momentaufnahme des permanent wandelbaren Datenflusses" (Chaouli 2001: 68).

Dieser knappe Hinweis mag genügen, um anzudeuten, dass bereits die vergleichsweise unspektakulär wirkenden Veränderungen im 'Sozialsystem Literatur' auch Auswirkungen auf das 'Symbolsystem Literatur' haben. Unser Hauptinteresse gilt jedoch literarischen Formen, die ohne Rechner und Netze nicht auskommen. Erfüllen sie traditionelle Kriterien für literarische Qualitäten – oder entwickeln sich ganz neue Maßstäbe? Wenn Literatur als Differenz, 'Interdiskurs' oder 'Probehandeln' zu allen übrigen soziokulturellen Kommunikationen, Diskursen und Handlungen begriffen werden kann, dann bildet auch Netzliteratur, so unsere These, ein solches 'Testfeld' für sich gegenwärtig anbahnende soziokulturelle Entwicklungen, die in anderen – auch wissenschaftlichen – Formen noch nicht registriert werden.




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II

Genau dies jedoch stellen einige Kritiker – und zwar sind wir nun bei den berufeneren Mündern – in Frage. Sie formulieren ihre Vorbehalte ausgerechnet gegen jene literarischen Aktivitäten, die von Enthusiasten lange Zeit als qualitativer Sprung der Literatur aus den Büchern ins Reich des Universalmediums Computer gefeiert wurden, nämlich gegen die auf den prinzipiell unbegrenzten Verknüpfungsmöglichkeiten von Hypertext-Technologien aufsetzenden Hyper- oder Cyberfictions. Von Hyperfictions erhofften sich Theoretiker wie George P. Landow in den frühen neunziger Jahren, dass nun endlich die alte Idee der Welt als einem einzigen Buch, das noch dazu von allen geschrieben wird, verwirklicht werde und sich damit eine global vernetzte kollektive Dichtergesellschaft formieren könne (Landow 1992).

Aus der vielfach geäußerten Kritik an solchen Utopien wählen wir zwei Positionen aus, die durchaus paradigmatisch als Pole eines gesamten kritischen Feldes verstanden werden können. Der erste Pol wird am klarsten von Florian Cramer besetzt: "Warum es zuwenig interessante Netzdichtung gibt", heißt einer seiner einschlägigen, im Netz platzierten und mit den entsprechenden Beispieladressen versehenen Artikel (Cramer 2000). Die zweite Position ist neuerlich von Michel Chaouli ausformuliert worden: Die "gegenwärtig vorliegenden Angebote digitaler Literatur", so Chaouli, seien einfach nur dürftig, weil jede literarische Imagination bzw. der 'andere' ästhetische Zustand, den wir gewöhnlich als "Fiktion" beschreiben, geradezu strukturell oder systematisch verhindert werde (Chaouli 2003).

Für Cramer kennen und beherrschen die selbsternannten Netzpoeten schlicht ihr Handwerk, sprich: die Algorithmik und Programmierung, nicht weit genug. Daher, so sein Einwand, trieben sie schlichte Zettelkastenpoesie, die auch ohne Rechner schon möglich war: "Statt den Computer selbst zu programmieren und Text generieren zu lassen, [...] nutzt der Großteil der neueren 'Netzliteratur' den PC mit seiner vorinstallierten Software nur als vernetztes Bildschirmlesegerät" (Cramer 2001: 112). Originäre Netzliteratur wäre für Cramer eine Literatur, die den Sinn ihrer Sätze und die Verfahren ihrer Produktion auf eine neue, nämlich rechner- und netzspezifische Weise reflektieren oder integrieren würde. Eine solche Literatur müsste neben den fertigen Texten auch den besonderen Prozess ihrer Steuerung und Verschaltung durch die Technologie der Textverarbeitung erfahrbar machen, gleichsam als momentane Erhellungen einer rechnergestützten Einbildungskraft. Die Vorbilder solcher Poesie entdeckt Cramer in den Avantgarden des 20. Jahrhunderts, die – von Dada bis hin zur Konkreten Poesie oder den frühen Rechnerpoesie-Experimenten der Oulipo-Gruppe – ebenfalls ihre Verfahren als Kunst reflektiert hatten. In der Gegenwart findet er Ansätze einer solchen Kunst auf der (technischen) Höhe unserer Zeit beispielsweise in den Projekten des ASCII Art Ensemble, das in Deep ASCII (1998) die pornographischen Bewegtbilder und den Quellcode vertauscht. Damit werden auf eine witzige Weise technische und imaginäre 'Quellen' der (obszönen) Imagination verschaltet und so die Entstehung und Produktion von Imaginationen als (auch) bio- oder neuro-technische Codierungsprozesse sichtbar gemacht. Weitere Beispiele sind die Arbeiten von Alan Sondheim, bei dem "sich das Textbearbeitungsprogramm, mit dem es geschrieben wurde, [...] selbst" bedichtet (Cramer 2001: 117) oder die so genannte Perl Poetry, bei welcher der lesbare Text zugleich Code enthält – und die Gedichtzeilen eines anonymen Liebesgedichts also ironischerweise "auch in der ersten Person zu ihrer Prozessierung" (Cramer 2001: 121) sprechen. Für Cramer nutzen diese Formen im Gegensatz zu Hyperfiction-Utopien "das Internet nicht eben simpel als Expansion anderer Medien", sondern reflektieren es mit seinen eigenen Mitteln, als "minimalistische" und "skeptische" Kunst, welche "Störungen, Inkompatibilitäten und Fehlcodierungen" (Cramer 2001: 122) als integrale Momente ihrer Poetik begreift.2




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Bilden für Cramer eher die 'kleinen Formen' der programmiertechnisch versierten Autoren mit ihrer prozessualen Ästhetik den Horizont, vor dem er die übrige Netzliteratur für irrelevant erklärt, so orientiert sich Chaouli eher am 'großen Werk'. Ihn interessiert "vor allem die Frage, wie das digitale Medium jene Leistung vollbringt, die für die meisten Leser den Kern der Literatur ausmacht, nämlich die Fähigkeit, komplexe fiktive Welten zu entwerfen." An den Ansprüchen eines "tief sitzenden und überall anzutreffenden Bedürfnis[ses] der Menschen, sich gegenseitig erfundene Geschichten zu erzählen", scheitern die "meisten furchtbar langweilig[en]" (Chaouli 2003: 6) aktuellen Netzversuche. Für Chaouli werden ausgerechnet jene als Interaktivität gepriesenen Möglichkeiten, die es in den über Rechner und Netze laufenden Kommunikationen erlauben sollen, prinzipiell immer verändernd eingreifen zu können, zum größten Hindernis für gelungene literarische Kommunikationen. Gerade weil der User an irgendeiner Stelle in Hyperfictions wie Berkenhegers Zeit für die Bombe nicht wisse, warum er denn einen bestimmten der angebotenen Links und nicht einen anderen anklicken solle, werde er dauernd aus dem anderen, imaginären Zustand, in den ihn die möglichen Erzählstränge zu ziehen versuchen, wieder heraus geworfen und bleibe in "Ratlosigkeit" vor dem Monitor hocken:

Hohe Kommunikativität macht eine ausgesprochen schlechte Voraussetzung für Literatur aus, zumal für eine erzählende Literatur, die uns in fiktive Welten führt. Selbst die technisch anspruchslose mündliche Erzählung verlangt eine äußerst künstliche kommunikative Situation: Jemand spricht, und alle anderen halten still. Damit Kunst stattfinden kann, muss die Kommunikation, so scheint es, ungleich verteilt werden: Einige erzählen, schreiben, schauspielen, tanzen, andere lauschen, lesen, schauen zu. […] Erst wenn der Rücklaufkanal eingestellt (zumindest stark eingeschränkt) ist, erst wenn der Kommunikationsteilnehmer sich in die Rolle des passiven Empfängers zurückzieht, kann er aktiv werden und sich 'seine eigenen Gedanken' zur Kunst machen. […] Steigende Interaktivität impliziert schwindende Lesefreiheit (Chaouli 2003: 10f.).

Die in diesen Positionen formulierten Einwände lassen sich nicht mehr so einfach beiseite schieben. Man könnte ihnen zwar die literarhistorische Blickverengung vorwerfen. Das Beharren Cramers auf Brüchen, Rekursionen und Selbstreflexivität der ästhetischen Verfahren zieht seinen Honig aus den diversen Avantgarden des 20. Jahrhunderts: aus Montage, Collage und Happening, aus den kurzen Lichtblitzen in konkreter und visueller Poesie, Lettrismus, Concept-, Mail- oder Copy-Art. Chaoulis Vorbild liefert der große Roman, in den der Leser abtauchen kann, um dort ein zweites Leben zu führen, womöglich ein vollkommeneres, jedenfalls ein in sich geschlosseneres als das langweilig reguliert-zufällige Alltagsleben. Ob er dabei notgedrungen in eine Art Duldungsstarre verfallen muss – getreu dem Motto: "jemand spricht, und alle anderen halten still" –, ob dies schon immer, auch in oralen Kulturen, die entscheidende ästhetische Erfahrung ausgemacht hat und ausmacht, sei einmal dahingestellt.

Im Kern jedoch geht es um zwei einander auf den ersten Blick entgegen gesetzte Ideale: Auf der einen Seite der ästhetische Augenblick, auf der anderen das vollkommene, sprich: vollkommen abgeschlossene Werk mit Anfang, Mitte und Ende, bei dem man nichts wegnehmen oder hinzufügen darf, schon gar keinen banalen User-Einfall. Dies wird deutlich, wenn man diese Positionen tatsächlich als zentrale Faszinationspunkte oder -knoten nimmt, von denen aus der selbe kritische Einwand, es gebe keine interessante Netzliteratur, formuliert wird. Betrachtet man die Geschichte der Literatur nämlich versuchsweise als permanente Bewegung vom einen Pol zum anderen, in der das große Werk auf einen Nunc-stans-Moment – den Kairos, die Parusie, die Epiphanie, die Implosionen der Zeit – zielt (vgl. Mecke 1990), während die 'Kunst-als-Verfahren'-Poesie diesen Moment statt in einem großen komplexen Bogen nur auf einen Schlag, in einem kurzen, nichtsdestotrotz hochreflexiven Bruch von Ganzheitserwartungen inszenieren will, so erscheint die formulierte Kritik an den real existierenden Netzliteraturen durchaus berechtigt...




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III

Bevor wir diese Urteile mit einigen bekannten Kategorien konfrontieren, wollen wir zunächst zwei für unsere Argumentation wichtige Voraussetzungen einführen. Computernetzwerke erzeugen nicht nur technische Verbindungen zwischen mindestens zwei räumlich entfernten Computern, sondern auch soziale Verbindungen zwischen Nutzern. Mit dem Soziologen Manuel Castells lassen sich Netzwerke als "offene Strukturen" beschreiben, die "in der Lage [sind], grenzenlos zu expandieren und dabei neue Knoten zu integrieren, solange diese innerhalb des Netzwerkes zu kommunizieren vermögen" (Castells 2001: 528). Insofern ist aus einer kulturwissenschaftlichen Perspektive jede bloß informatische Beschreibung von Netzwerken eine zwar notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung, um die aktuellen Netzprozesse zu analysieren. Die Netzwerklogik geht von Homologien zwischen verschiedenen Komponenten aus, die in unsere Überlegungen mit einbezogen werden müssen. So können – erstens – Organismen und psychische Systeme selbst als neuronale Netzwerke beschrieben werden, die – so veranschaulicht dies beispielsweise der Hirnforscher Wolf Singer – aus internalisierten Repräsentationen der Außenwelt, also aus gespeicherten Inhalten, in einem "kombinatorischen Spiel" prädiktive Modelle generieren können (Singer 2003: 84), die sie über verschiedene Medien externalisieren, in verschiedenen Materialien speichern und über verschiedene Kanäle übertragen können. Sie sind damit – zweitens – unablässig in unterschiedlichsten Konstellationen in ein äußerst dynamisches soziales Netzwerk eingebunden. Das für die Entwicklung der Literatur in den uns bekannten Formen erfolg- und folgenreichste Modell dieser Externalisierung von mentalen Prozessen ist sicherlich das Zusammenwirken der Codierung in Schriftzeichen mit der Speicherung und Vervielfältigung durch den Buchdruck, dem Vertrieb über den kapitalistischen Markt – bzw. konkret: mit Fahrzeugen über Verkehrswege – und der Lektüre durch den in diese Buchkultur sozialisierten Leser. Dieses äußerst voraussetzungsreiche soziale und technische Netzwerk der "Gutenberg-Galaxis" verändert sich gegenwärtig durch den Einsatz von rechnergestützten und vernetzten Medien in einer nur ansatzweise absehbaren Art und Weise.

Dies betrifft die tradierte Trias 'Autor' – 'Werk' – 'Leser', an der wir zwar festhalten, aber eben nur als Horizonte! War diese Trias für alle Kulturen von jeher nicht ohne ihre Medien (Oralität, Schrift, Buch etc.) zu denken, so lässt sich Netzliteratur ohne die Referenz auf ihre medientechnischen und medien-'semiologischen' Bedingungen nicht beschreiben, geschweige denn verstehen. In die Prozesse zwischen Autor und Leser – also vor, während und nach der Produktion, Übermittlung und Rezeption dieser 'Literatur' – gehen in verschiedensten Formen und auf diversen Niveaus 'Programmierungen' (Textverarbeitung, Protokolle, Browser etc.) ein, d.h. automatische Transkriptionen des intendierten und realisierten Textes, die nicht bloß sein 'Design', sondern vielmehr auch seine Semantik verändern.

Wir hoffen damit, eigentümliche Begrenzungen vieler bisheriger Arbeiten, die sich mit literarischen Prozessen in Netzen auseinandergesetzt haben, vermeiden zu können – nämlich vor allem:

  • dass literarische Prozesse nach wie vor unkritisch auf Einfälle und Konstruktionen von Autoren zurück geführt werden;
  • dass beteiligte technische Systeme bzw. Medien weiterhin als bloße Transportkanäle für literarische Botschaften positioniert werden, in denen Sprachzeichen lediglich gespeichert und übertragen werden können.




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Wir meinen jedoch, dass diese Konzeption von Handlungsrollen im Literatursystem mit dem Einsatz von rechnergestützten und vernetzten Medien kollabiert. Will man die spezifischen Eigenheiten von literarischen Kommunikationen in diesen Medien verstehen, so muss von verteilten Generierungen und wechselseitigen Anschlüssen zwischen 'Autoren', 'Werken', 'Lesern' ausgegangen werden. Wir erweitern entsprechend die genannte Trias um den medientechnischen – oder 'maschinellen' – Aspekt und teilen Netzliteratur grob in drei Kategorien:

  • Kooperationen mehrerer Autoren übers Netz, d.h. Mensch-zu-Mensch-Kommunikationen, durch die Schreiben und Lesen zu parallelen Handlungen am gleichen 'Material' werden;
  • automatische Generierung von Lyrik, Erzählungen etc. durch Poesiemaschinen;
  • Kooperationen eines oder mehrerer Autoren mit Programmen, wobei der kreative Prozess zunehmend von anonymen, aber in die literarischen Prozesse integrierten Schritten erweitert, unterbrochen, moduliert oder konterkariert wird.

Auch diese Kategorien sind jedoch für eine literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Netzliteratur noch zu allgemein. Sie können genauso zur Charakterisierung nicht-literarischer Kommunikationen dienen, sagen also noch wenig darüber aus, ob sich die spezifische ästhetische Differenz, die literarische Texte in tradierten Medien auszeichnet und von funktionalen Textgattungen unterscheidet, auch unter den veränderten medialen Bedingungen ausmachen lässt. Daher ist eine weitere Vorüberlegung nötig: Wir betrachten Literatur als einen Kommentar, der die diversen Medialisierungsprozesse – von äußeren Ereignissen für interne Wahrnehmungs-, Verarbeitungs- und Speicherungsprozesse und vice versa – begleitet. Versteht man Literatur in diesem Sinne als eine Art Re-Internalisierung des Vergesellschaftungsprozesses in die Einzelkörper bzw. als internes Austesten und Durchspielen der Konsequenzen der Veräußerung der Physis ins Soziale, so betreibt sie als eine Kunstform, die von vornherein nur mit diskreten alphanumerischen Zeichen arbeitet, von Anfang an die Virtualisierung der äußeren Welt, sprich: die Erzeugung einer zweiten, spielerischen, potentiellen Wahrnehmungsdimension.


IV

Schauen wir uns also einige – eigentlich klassische – ästhetische Kategorien an, die uns hilfreich erscheinen, um das sich wandelnde Verhältnis von 'Autor', 'Werk' und 'Leser' zu analysieren.


Intentionalität vs. Zufall

In seiner Philosophie des Zufalls von 1967 beschreibt der polnische Science-Fiction-Autor Stanislaw Lem den kreativen Prozess des Schriftstellers – wohlgemerkt als eine Art Werkstattbericht über das Verfassen einer ganz traditionellen linearen Erzählung. Die "'Absicht'" – schon Lem setzt dies in Anführungszeichen – liege "gewissermaßen halbwegs zwischen der ständigen 'Problematik' des Schriftstellers und dem 'konkreten Thema' des Werks" (Lem 1990 : 80). In der 'Absicht', so Lem, stecke "eine Vielzahl möglicher Strukturen, und die Auswahl der konkreten Struktur, die dann gewählt wird, hängt teilweise vom Zufall ab" (Lem 1990: 81). Zwischen den genannten Polen wirkt also ein indeterminierter und rekursiver Prozess, der erst "nachträglich rationalisiert wird" (Lem 1990: 81). Noch einmal Lem: Das Werk ist "anfangs so sehr indeterminiert, dass es im Grunde nur eines der Elemente einer Klasse darstellt, die alle potentiellen 'Lösungen' des Problems umfasst, und welches der Elemente dieser Klasse ('virtueller Werke') tatsächlich verwirklicht wird, weiß man im Voraus nicht. Die reale Umwelt der Bioevolution legt nämlich ebenso wie die 'geistige Umwelt' der Kreation nur bestimmte Randbedingungen fest, in welche die – evolutionäre oder kreative – 'Realisation' 'hineinpassen' muss" (Lem 1990: 83).




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Was diese Bemerkung in unserem Kontext interessant macht, sind zwei Beobachtungen, die sich aus der Beschreibung des über den naturwissenschaftlichen Wissensstand seiner Zeit stets bestens informierten Stanislaw Lem ableiten lassen. Zum einen deckt sich Lems Bericht mit aktuellen neurobiologischen Theorien zur Emergenz kreativer Prozesse. Wolf Singer etwa beschreibt Kreativität als Effekt von hirninternen Netzwerkprozessen, die anschließend nach außen gekehrt werden, sich ausweiten, andere Gehirne in Kommunikationen verwickeln und dabei in der Lage sind, "neue Systeme von fast beliebiger Komplexität hervorzubringen" (Singer 2002: 221) – u.a. eben solche, die wir als Literatur bezeichnen.

Dies leitet über zu unserem eigentlichen Thema: Lems Beschreibung des kreativen Prozesses zwischen einem Einzelhirn und seiner Umwelt3 weist schon 1967 auf aktuelle Beschreibungen der übers WWW vernetzten Hirne voraus, die auch weiter mit jener Absicht kommunizieren, in eine andere, zweite Welt zu gehen, die wir – vielleicht bloß, weil uns eine treffendere Bezeichnung noch fehlt – Literatur nennen. Nur dass diesmal wirklich niemand nur schreibt und andere nur lesen, wie dies in der Welt der Fiktionen der Fall war, die Chaouli vor Augen schwebt. Im Netz beginnt die Welt der Simulationen, und das heißt: Die Entwürfe, in denen sich ästhetische Intentionen – in kurzen Poesien oder langen Erzählungen – realisieren, werden in einem vielfach rückgekoppelten Prozess zwischen Menschen-Maschinen-Menschen-Medien-Menschen-Programmen usw. verhandelt. Und von "Prozess" kann man in diesem Zusammenhang durchaus auch im juristischen Sinne sprechen: Wer spricht hier eigentlich verantwortlich wovon? Steht am Ursprung eines Satzes oder eines ganzen Textes noch der spontane oder absichtsvolle menschliche Einfall, oder haben wir es bereits mit automatisch nach festen Zufallsregeln generierten Zeichenketten zu tun?

Dies schließt an eine lange Tradition der nicht-intentionalen Werkgenese an, die man bei Raimundus Lullus beginnen lassen kann, die über den Barock, die klassischen Avantgarden wie Dada und Surrealismus, über Oulipo und Fluxus bis in die Gegenwart der computergenerierten Poesie führt, wie sie z.B. Günter Gehls Poetron (o.J.) repräsentiert. Der Autor = Programmierer der Software determiniert durchaus intentional (mit den gemachten Einschränkungen) das Programm, das schließlich – nicht mehr kontrollierbar, weder vom 'Autor' noch vom 'User' – aus einer Zeichenfolge nach Regeln eine andere Zeichenfolge generiert, also flüchtige Materialisierungen auf dem Interface, die man zwar, wenn man will, als 'fertiges' Werk ausdrucken kann, die jedoch schon beim nächsten Reset durch neue Zeichenfolgen ersetzt werden.


Performanz

Damit wären wir bei der Performanz, unserer zweiten Kategorie. Aus Austins Sprechakttheorie wissen wir, dass performative Äußerungen Tatsachen schaffen, dass 'etwas sagen' identisch ist mit 'etwas tun'. Uwe Wirth hat kürzlich zwei verschiedene Formen der performativen Rahmung von Texten im Netz zu differenzieren versucht: Er unterscheidet zwischen der "editorialen" Rahmung durch den 'Autor', 'Editor', 'Webmaster' – oder wie immer sich die Initiatoren von Netzliteraturprojekten nennen – und der "parergonalen" Rahmung durch das Programm, das gleichsam von 'innen her' explizit 'Performativa' (Sprechakte) ausführt, Programmbefehle, die auf der Benutzeroberfläche eine Performance bzw. eine Inszenierung erscheinen lassen. Literatur in rechnergestützten Medien hat es also mit verschiedenen Sprachebenen zu tun, die in einem neuartigen Verhältnis der programmierten Performanz zueinander stehen.




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Der in Programmiersprachen geschriebene Steuercode kontrolliert die verborgenen algorithmischen Rechnerprozesse, welche den auf der Benutzeroberfläche dargestellten transitorischen Text hervorbringen und in seinem 'Verhalten' steuern:

Die Benutzeroberfläche ist Performance – graphischer Zierrat. Was an der Oberfläche […] erscheint, entpuppt sich auf der Ebene der Quellcodes, der Scripte und der Protokolle als explizit performative Folge von 'conventional procedures', die entweder korrekt oder gar nicht ausgeführt werden. Während hier auf verschiedenen Ebenen die elektrisch und illokutionär in Kraft gesetzten Befehlsfolgen vollzogen werden, erscheinen die Resultate dieser ausgeführten Performativa als ikonische Performance an der Benutzeroberfläche, deren Wahrnehmungsbedingungen durch die iterative Bildwiederholungsfrequenz der Graphikkarte und die dissipative Materialität des Zeichenkörpers determiniert ist (Wirth 2002: 428).

Diese programmierte Performanz bricht mit grundlegenden epistemologischen Modellen: Unsere tradierte Vorstellung der Semiose geht davon aus, dass jeder Codierung eines Sprachzeichens ein kognitiver Prozess vorausgeht, sprich: dass der Signifikationsprozess von der Referenz zum Signifikat zum Signifikanten verläuft und die Referenz sich vom Empfänger einer Botschaft nur in umgekehrter Richtung wieder rekonstruieren lässt. Genau an dieser entscheidenden Stelle sorgen Rechnertechnologien für eine entscheidende Modifikation des triadischen Zeichenmodells, indem sie die Signifikanten bearbeitbar machen und instantane Rückkopplungen zwischen den Positionen dieser Trias ermöglichen. Etwas wird nicht mehr als Nachahmung oder Kopie konzipiert, sondern entsteht aus einem Algorithmus, dessen mögliche Realisation oder gar Materialisation zunächst noch beliebig ist. Seine 'Re'-ferenz, die nicht bloß semantische, sondern auch die ganze pragmatische Zuschreibung in einem definierten Kontext, über die sich eine Kommunikationsgemeinschaft in einem Mediensystem verständigt und über die sie mit einer Sprache gewissermaßen einen Grundvertrag abschließt, ist noch nicht bekannt und muss daher erst noch gefunden werden. In den Worten des Autors/Programmierers und Medientheoretikers John Cayley:

The flickering signifier […] emerges when code is allowed, as I say, its proper place and function: when the composed code runs. As it runs, the code is not the text, it is not a set of (non-sequential) links in a chain of signifiers; the code is what makes them flicker, what transforms them from writing as record of static or floating simultaneities into writing as the presentation of atoms of signification which are themselves time-based (they are not what they are without their flickering transformations over time, however fleeting these may be) (Cayley 2002).


Emergenz

Was als Resultat eines solchen für unsere Sinne nicht mehr wahrnehmbaren, vom Programmcode gesteuerten Prozessierens von digitalen Signifikanten schließlich auf den Benutzeroberflächen erscheint, unterscheidet sich fundamental von den abgeschlossenen, in Speichermedien dauerhaft fixierten 'Werken', wie wir sie beispielsweise aus Büchern kennen. Stattdessen haben wir es mit flüchtigen Materialisierungen eines ergebnisoffenen Prozesses zu tun. Es tauchen also Phänomene auf, die sich – aus dem Material, den beteiligten Elementen, den vorausliegenden Strukturen etc. – nicht vorhersagen lassen. Sie werden gegenwärtig quer durch die Disziplinen unter dem Begriff der Emergenz diskutiert. Dies geschieht wohl nicht von ungefähr zu einer Zeit, in der immer weniger stabile Daten über immer komplexere Transformationsregeln zu immer weniger vorhersagbaren Resultaten führen – eben dadurch, dass Daten global vernetzt und prozessiert werden.




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Zur Veranschaulichung natürlicher Emergenz kann man sich hier etwa das chemische Beispiel Amalgam vor Augen halten, das jedem aus der Zahnarztpraxis wohlbekannt ist – zumindest bis zur Einführung weniger gesundheitsschädlicher Stoffe: Quecksilber und Kadmium ergeben hier eine Substanz, deren Qualität in den Eigenschaften der Ausgangsstoffe noch nicht vorhanden war. Oder das ewige Beispiel des Umschlags von Quantität in Qualität aus der Dialektik Hegels, an das sich jeder 68er-Demonstrant verzweifelt erinnerte, wenn wieder einmal eine Übermacht gut gerüsteter Polizisten auf ihn einschlug, dass 10 oder 63 oder 99 Reiter eben nur eine bestimmte Anzahl Reiter darstellen, aber 100 Reiter eine Schwadron bilden, und diese dann ganz andere Feinde in die Flucht zu schlagen vermöge...

Die Beispiele aus der Natur wie aus der Kultur ließen sich häufen. In der gegenwärtigen Situation ist wichtig, wie Natur und Kultur auf immer weiteren Feldern interferieren oder zur Interferenz gebracht werden, wie also in der Kopplung oder Verschaltung von naturgesetzlich determinierten mit kulturell konstruierten Prozessen Phänomene auftreten, die es so weder in der Natur noch in der Kultur bisher gab, Emergenzen eben. Wenn ins Genom von Bakterien, Pflanzen oder Tieren artfremde Gensequenzen eingeschleust werden, die dort ohne Biotechnologie in 12 Millionen Jahren nicht hineingelangt wären, so ergibt dies erstens Resultate, die, dem Prinzip von Versuch und Irrtum folgend, zunächst emergent sind und erst allmählich kontrolliert verlaufen. Zweitens ist bereits in dieser 'Kooperation' von Natur und Kultur, Genom und Biotechnologie ein selbst emergentes Verfahren am Werk, dessen einzelne Schritte keineswegs immer kausal aufeinander folgen oder sich determiniert ergeben, sondern vielmehr von Schritt zu Schritt von den beobachteten (un-)erwarteten Reaktionen, bereits definierten Algorithmen, aber genauso gut von plötzlichen Einfällen der Beteiligten abhängen. Der Grad der 'Intentionalität' der Wissenschaftler wie der 'Autonomie' der Natur wird sukzessive aufgeweicht:

Die neue [...] hält sowohl am Begriff des 'Subjekts' als auch an dem des 'Objekts' fest, räumt aber dem Subjekt keine uneingeschränkte Autonomie und den Objekten einen gleichsam 'aktiveren' Status ein als im Subjekt-Objekt-Paradigma der philosophischen Tradition (Gumbrecht 2003: 38).

Eben solche Grenzverletzungen, welche die immer noch recht festen Dichotomien irritieren, werden in den literarischen Experimenten der Netzliteratur geradezu systematisch durchexerziert. 'Menschliche' Intention, maschinelle Programmierung und 'natürliches' Ereignis werden in Formen oder Verfahren miteinander verschaltet, deren Ergebnisse vollkommen bewusst 'emergent konstruiert' sind, ganz beabsichtigt nicht-erwartet sein sollen.


V

Wie gesagt: Die Konsequenzen der von uns nur angerissenen Prozesse lassen sich bislang bestenfalls erahnen. In den real existierenden Netzliteratur- bzw. Netzkunst-Projekten wird – wenn auch zaghaft, die Kompetenzen sind eben noch begrenzt – mehr miteinander verschaltet als poetisch gestimmte Menschen und Tools. Ohne Rücksichten auf Kunst-, Medien- oder Systemgrenzen werden alle Codierungen 'entleert' – das eben erlaubt ja die Digitalisierung der unterschiedlichsten Codierungen aus verschiedenen Medien- und Materialzusammensetzungen – und in Rechner und Netze 'gesaugt'. Als was es dann wieder erscheint, ob als Klang, Bild oder Text, ist prinzipiell offen. Das Netz selbst, sprich: die darin untrennbar operierenden Cluster von Menschen, Medien und Programmen erstellen gegenwärtig den Gesamtentwurf soziokultureller Kommunikationen.




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Hinter diesen Prozessen wirkt zwar keine böse Matrix mit kannibalischen Gelüsten, aber sie lassen sich auch nicht mehr auf sauber zu unterscheidende Systeme, Subsysteme und Operationen zurückführen. Statt dessen haben wir es mit zufällig/intentional emergierenden Hybriden aus Zeichenketten zu tun, die ihre Referenz erinnern und zugleich eine andere erzeugen, indem sie Kommunikations- als Produktionsprozesse steuern – in einer noch recht wenig aus- oder gar zu Ende gedachten Ausweitung der Sprechakttheorie, nämlich als weitreichendes Spiel performativer Akte: Jemand spricht, schreibt, tippt – und etwas geschieht, macht Musik, unterschreibt Verträge, befiehlt, handelt...


Im Text erwähnte Netzkunst bzw. Netzliteratur

ASCII Art Ensemble (1998): Deep ASCII. [http://www1.zkm.de/~wvdc/ascii/java/, 24.2.2004]

Berkenheger, Susanne (1997): Zeit für die Bombe. [http://ourworld.compuserve.com/homepages/berkenheger/index1.htm, 24.2.2004]

Gehl, Günter (o.J.): Poetron. [http://www.poetron-zone.de/poetron/p41/posteu.html, 24.2.2004]


Bibliographie

Aarseth, Espen J. (1997): Cybertext: Perspectives on Ergodic Literature. Baltimore: Johns Hopkins UP.

Baumgärtel, Tilman (2002): "Absturzkünstler. Nach dem Ende der Dotcom-Ära steckt auch die Internet-Kunst tief in der Krise", in: Die Zeit 49/2002 [http://www.zeit.de/2002/49/Netzkunst, 24.2.2004].

Breidbach, Olaf (1995): "Innere Repräsentationen – oder: Träume ich meine Welt", in: Michael Fehr / Clemens Krümmel / Markus Müller (Hg.): Platons Höhle. Das Museum und die elektronischen Medien. Köln: Wienand, 208–229.

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Castells, Manuel (2001): Das Informationszeitalter, Bd. 1: Die Netzwerkgesellschaft. Opladen: Leske + Budrich.

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Anmerkungen

1 Wir bemühen uns jedenfalls, dies zu ändern: In neueren Lexika wie dem Metzler Lexikon Kultur der Gegenwart (Schnell 2000) sowie dem Metzler Lexikon Medientheorie und Medienwissenschaft (Schanze 2002) haben wir Einträge zu "Computerlyrik", "Hyperfiction", "Interaktive Literatur", "Poesieprogramme" und "Netzkunst/Netzliteratur" platziert.

2 Insofern rekurriert er tatsächlich auf einen eigentlich ganz traditionellen Literaturbegriff, wie er sich in jedem Brockhaus findet: "Die ältere Schreibweise 'Litteratur' verweist auf lat. litteratura (von littera = Buchstabe, in gleicher Weise gebildet wie griechisch Grammatik aus gramma = Buchstabe) und bedeutete ursprüngl. 'Buchstabenlehre', 'Kunst des Lesens u. Schreibens', seit hellenist. Zeit dann auch 'Deutung dichter. Schriften' (vgl. z.B. bei Quintilian, 1. Jh. n. Chr.: L. = richtiger Sprachgebrauch und Dichtererklärung). Das Wort L. ist in der dt. Sprachgeschichte erstmals belegt 1571 bei Simon Roth ("Ein teutscher Dictionarius") im Sinne von 'Schrift', 'Schriftkunst', 'Schriftgelehrsamkeit'. In der Bedeutung 'Wissenschaft', 'Gelehrsamkeit' wird es bis ins 18. Jh. verwendet, erst danach wird es eingeengt auf (bedeutsame) Schriftwerke. Bes. seit den 60er Jahren wird der L.begriff wieder in umfassenderem Sinne (jede Art schriftl. Kommunikation) diskutiert." (Brockhaus 1982)

3 Hierin ähnelt Lems Beschreibung durchaus aktuellen Konzepten neuronaler Entwurfsprozesse, vgl. Breidbach (1995).