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Besser lesen
Wer effizient lesen kann, spart viel Zeit und versteht besser,
um was es geht
von Dirk Engelhardt
Wie lange werden Sie benötigen, um diesen Artikel zu lesen? Zwei
Minuten, drei Minuten, vier? Und vor allem: Wie viele der Fakten,
die in dem Artikel vorkommen, werden Sie nach zwei Stunden noch
parat haben? Die Informationslawine rollt, täglich höher und
schneller, und als Nicht-Analphabet tut man gut daran, die
Lesefertigkeit, die man normalerweise im zarten Schulalter erwarb,
den Gegebenheiten des digitalen Zeitalters anzupassen.
"Hinderliche Lesegewohnheiten", die oft auf das in der
Grundschule antrainierte Lesen zurückgehen, sind zum Beispiel das
"Subvokalisieren", also das lautlose Mitsprechen, welches die
Lesegeschwindigkeit enorm verringert. "Regression" steht für das
unbewußte Zurückspringen im Text, was ebenfalls die
Lesegeschwindigkeit verringert und das Leseverständnis meist nicht
mal erhöht. Dann wäre da noch die mangelhafte Fixierung des Blicks,
die den Leser zu oft "anhalten" läßt, um Wörter oder gar nur
einzelne Silben zu fokussieren.
200 bis 250 Wörter schafft der durchschnittliche Leser
üblicherweise pro Minute, das menschliche Gehirn kann aber 800 (!)
Wörter pro Minute erfassen. Unausgelastete Kapazitäten warten also
auf "Futter". Diese Unterversorgung ist übrigens auch ein Grund,
warum Leser manchmal in Tagträume geraten, an mangelnder
Konzentration leiden, oder den Inhalt einzelner Passagen oder ganzer
Seiten total "vergessen".
Unter den zahlreichen Kursen für besseres Lesen ist Stan Rogers
aus Australien mit seinem "Improved Reading" der Marktführer. Seit
30 Jahren werden rund um den Erdball Kurse nach seiner Theorie
unterrichtet, mehr als zwei Millionen Menschen haben daran bereits
teilgenommen. In Deutschland bietet das "Improved Reading Center
Germany" die Kurse seit drei Jahren an. Firmen wie IBM, Telekom, die
Deutsche Bank, Daimler-Chrysler oder BertelsmannSpringer schickten
ihre Mitarbeiter zum Lesetraining. Die Reaktionen sind überwiegend
positiv. "Nicht nur die Erkenntnis, daß man zu wesentlich mehr fähig
ist, als man denkt oder gelernt hat, sondern auch die Methode, wie
Sie dies in kürzester Zeit vermittelt haben, spricht für dieses
Training. Ich werde versuchen, meine beiden Kinder früh genug mit
dieser Technik zu konfrontieren", sagt etwa Steven Hondelink von der
Deutschen Bank AG aus Frankfurt am Main, die den Kurs von nun an
intern anbieten will. Auch Mitarbeiter eines großen
Automobilkonzerns waren des Lobes voll: "Alle Teilnehmer haben ihre
Lesefähigkeit verbessert. Die Kursbewertung durch die Teilnehmer
zeigte zu 88 Prozent die Noten "exzellent" und "sehr gut". Alle
Teilnehmer würden den Kurs ohne Einschränkung weiterempfehlen", sagt
Susanne Hentzschel von Daimler Chrysler Services aus Stuttgart.
Die Versprechungen des Kursanbieters aus dem hessischen Eppstein
hören sich in der Tat verlockend an: um sagenhafte 340 Prozent soll
laut einer Studie der Freien Universität Berlin die Leseeffektivität
im Durchschnitt steigen. Die "Leseeffektivität" wird dabei aus dem
Zusammenspiel von Lesegeschwindigkeit und Leseverständnis berechnet.
In Berlin leitet Friedrich Hasse die Kurse in Improved Reading in
deutscher Sprache. In der Gruppe befinden sich ein knappes Dutzend
Lesefreudige, die auf schnelleres Lesen hoffen. "Ich möchte mehr
Freizeit haben, um öfter ins Freibad zu gehen" sagt Holger
Sieverding, nach seinem Grund für die Teilnahme befragt. Till
Schwarze hat einen Gutschein für den Kurs von seiner Chefin in der
Buchhandlung bekommen. Die Studentin Alice Lamprecht hat für ihr
Studium in Literatur und Soziologie "Berge" zu lesen und möchte
schneller durchsteigen.
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