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Unteroffizier Ulrich Mosbach

Der 22-jährige Unteroffizier der Grenztruppen ertrank in der Elbe. Weshalb er in den Hochwasser führenden Fluss stieg, bleibt rätselhaft.

Mosbach, Ulrich
Bildquelle: BStU

geboren am 21. Juni 1946 in Eisleben

ertrunken am 23. März 1969

Ort des Zwischenfalls: Elbe bei Dömitz (Mecklenburg-Vorpommern)

Ulrich Mosbach hatte bereits einige Berufserfahrungen gemacht, bevor er sich zu einem dreijährigen Wehrdienst bei den Grenztruppen verpflichtete. Nachdem er die Schule in Eisleben mit der 11. Klasse abgebrochen hatte, begann er eine Ausbildung zum Gärtner. Da auch dies ihm nicht zusagte, verdiente er zunächst als Rettungsschwimmer und dann als Produktionsarbeiter im VEB Fischkombinat Rostock seinen Lebensunterhalt. An Bord von DDR-Fischtrawlern fuhr er zu See und kam bis in die Küstengewässer Spaniens, Englands, Kanadas und Dänemarks. Noch bevor er am 1. November 1967 seinen Wehrdienst im Grenzregiment 8 in Grabow antrat, warb ihn die „MfS-Operativgruppe“ im Fischkombinat Rostock als Inoffiziellen Mitarbeiter mit dem Decknamen „Peter“ an. Er berichtete dem MfS später aus seiner Kompanie über „Disziplin- und Wachvergehen“. Die Einschätzungen anderer Stasi-Informanten und die Beurteilungen seiner Vorgesetzten beschreiben Mosbach als einen ehrlichen, zuverlässigen und besonnenen Genossen, der als SED-Mitglied in Diskussionen sachlich den Standpunkt seiner Partei vertreten habe. Nach seiner Beförderung zum Unteroffizier, die am 19. April 1968 erfolgte, ernannten ihn seine Vorgesetzten zum Gruppenführer in seiner Einheit.

Am 21. März 1969 suchte Ulrich Mosbach seinen MfS-Führungsoffizier auf und bat ihn, sich für die Genehmigung seines ihm zustehenden Jahresurlaubs einzusetzen, denn er wolle die freien Tage bei seiner Mutter verbringen. Der Kompaniechef hatte zuvor Mosbachs Urlaubsantrag zunächst zurückgestellt. Am folgenden Abend des 22. März besuchte Mosbach mit seiner ortsansässigen Freundin die Gaststätte „Fritz Reuter“ in Dömitz. Vermutlich ärgerte er sich noch immer über die ausstehende Urlaubsgenehmigung. Jedenfalls benahm er sich sehr auffällig und trank Alkohol in größeren Mengen. Die Serviererin erinnerte sich später, seine Stimmung habe an diesem Abend zwischen Freigiebigkeit und Aggressivität geschwankt. So zog er unvermittelt seine Ausweispapiere aus der Uniform und warf sie zu Boden. Dann behauptete er im geheimen Auftrag zu arbeiten und über drei Uniformen zu verfügen. Schließlich habe er sogar Suizidabsichten geäußert. Mosbachs Freundin wurde aus seinem Gerede nicht schlau und ließ sich gegen 23.45 Uhr nach Hause bringen. Anschließend kehrte der 22-Jährige jedoch wieder in die Gaststätte zurück und trank noch acht doppelte Kognaks. Dann wies der Wirt den betrunkenen Unteroffizier hinaus. Ulrich Mosbach lief nun durch das nächtliche Dömitz. Vor dem Haus, in dem seine Freundin wohnte, verharrte er. Um 1.30 Uhr bemerkte ihn eine Bewohnerin im Hausflur und schickte ihn fort.

In der Kompanie fiel um 6.00 Uhr beim Wecken das Fehlen des Unteroffiziers auf. Der zuständige Staatssicherheitsoffizier vermutete sofort eine Fahnenflucht. In einem Untersuchungsbericht vom 26. März gab sich der Staatssicherheitsdienst deswegen selbstkritisch und räumte ein, „daß uns der Uffz. Mosbach in seinem Charakter und seiner politischen Zuverlässigkeit nicht umfassend bekannt war“. Nun habe er offenbar versucht „nach Westdeutschland fahnenflüchtig zu werden“. Am 29. April 1969, über einen Monat nach Mosbachs spurlosem Verschwinden, entdeckte die Besatzung des DDR-Grenzbootes 108 seine Leiche. Sie trieb zwischen Bohnenburg und Strachau in der Elbe. Die Obduktion ergab, dass er in dem Hochwasser führenden Fluss ertrunken war. Ein „Mitwirken fremder Hand“ konnte nicht festgestellt werden. Das MfS revidierte daraufhin seinen Fahnenfluchtverdacht und kam nun zu dem Schluss, Mosbach müsse volltrunken in das überflutete Elbvorgelände geraten sein, wo ihn die starke Strömung erfasst und fortgerissen habe. Ob diese Version der Todesumstände zutraf oder ob der angetrunkene Unteroffizier eine Verzweiflungstat beging, muss letztlich offen bleiben. Am 3. Mai 1969 marschierten Soldaten der Grenztruppen unter dem Kommando eines Offiziers auf dem Friedhof in Eisleben auf. Ulrich Mosbachs Grablegung erfolgte mit allen militärischen Ehren. (Recherche und Autor: jk)