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Wachtmeister der VP Herbert Liebs

Am 22. Februar 1951 näherten sich mehrere amerikanische Offiziere und vier deutsche Zollbeamte der Demarkationslinie in der Nähe der hessischen Gemeinde Willershausen. Auf einen Versuch der Zollbeamten durch Pfiffe und Gesten Kontakt mit den auf der anderen Seite postierten DDR-Grenzpolizisten aufzunehmen, reagierten diese nicht. Am Tag zuvor war an dieser Stelle der DDR-Grenzpolizist Herbert Liebs von einer amerikanischen Militärstreife erschossen worden.

Herbert Liebs
Bildquelle: BStU

geboren am 11. Mai 1929

erschossen am 21. Februar 1951

Ort des Zwischenfalls: Pferdsdorfer Kopf (Thüringen)

Als 16-Jähriger kam Herbert Liebs mit seinen Eltern aus Ostpreußen nach Schwarzbach bei Gera. Er war das älteste von sechs Geschwistern und trug bis zu seinem freiwilligen Eintritt in die Volkspolizei als Landarbeiter zur Ernährung der Familie bei. Über das, was sich am regnerischen Nachmittag des 21. Februar 1951 an der innerdeutschen Grenze bei der zum Wartburgkreis gehörenden Ortschaft Pferdsdorf zugetragen hat, gibt es mehrere widersprechende Darstellungen. Sicher ist, dass die Volkspolizei Wachtmeister Liebs und Schulz an der Grenze zum Bundesland Hessen Streifendienst hatten, als amerikanische Soldaten das Feuer auf die beiden eröffneten und Herbert Liebs tödlich verletzten.

Schulz sagte später aus, dass sie auf westlicher Seite einen Jeep gesehen hatten und sich näher zur Grenze begaben, als plötzlich ein Schuss gefallen sei, der Liebs traf. Er sei gestürzt und habe noch gesagt „mich hat‘s erwischt“. Danach hätten sich sieben bis acht Amerikaner in langen Regenumhängen genähert, worauf er sich vorsichtshalber in gebückter Haltung zurückzog, um Hilfe zu holen. Schulz korrigierte seine Aussage sechs Tage später und gab an, er sei am Tag des Geschehens zu verwirrt gewesen. Möglicherweise seien auch zwei Schüsse gefallen. Er und Liebs hätten sich in diesem Moment an der Straßenböschung etwa zwei Meter auf DDR-Gebiet befunden.

Volkspolizist Joachim Fienhold, der sich in der Nähe aufhielt und gegen 16.40 Uhr zwei Schüsse gehört hatte, lief in Richtung Grenze. Er sagte hernach aus, sein Kamerad Schulz sei ihm völlig aufgelöst entgegengekommen. Er habe ihm deswegen als erstes den Karabiner abgenommen und sich dann weiter in Richtung Grenze bewegt. Dort habe er etwa vier bis fünf Meter auf DDR-Territorium sechs oder sieben amerikanische Soldaten gesehen, die sich an etwas zu schaffen machten. Er habe dann einen gezielten Schuss auf diese Gruppe abgegeben und einen zweiten auf den mit laufendem Motor in der Nähe wartenden Jeep. Die Soldaten hätten sich daraufhin in den nahen Wald auf der Westseite zurückgezogen, der Jeep sei in Richtung Willershausen davon gefahren. Kurz darauf seien zwei vollbesetzte Jeeps aus dem Wald gekommen und ebenfalls in Richtung Willershausen gefahren.
Er habe dann den verletzten Liebs reglos am Boden liegen sehen und sei in das nahegelegene Haus eines Lehrers gelaufen, um Hilfe zu holen. Auf dem Weg dorthin traf er wieder auf Schulz. Die beiden ließen sich eine Plane geben, um Liebs abtransportieren zu können. Nachdem Fienhold und Schulz ihn zum Lehrerhaus getragen hatten, wurde sein Tod festgestellt.

Der Lehrer, aus dessen Haus Fienhold und Schulz die Plane holten, äußerte in der Vernehmung durch die Volkspolizei, er habe nach den Schüssen Rufe in akzentfreiem Deutsch gehört, „halt stehen bleiben“. Fienhold wiederum wollte gehört haben „Komm on boy“. In dem Schlussbericht der Volkspolizei-Landesbehörde, Abteilung K., Weimar wurde angegeben, Liebs habe sich zum Zeitpunkt der Schussabgabe sechs bis sieben Meter vor der Demarkationslinie auf DDR-Gebiet befunden. Es wurden Spuren eines zweiten Schusses gesichert, der einen Baum gestreift hatte. Ein Ergänzungsbericht der Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei vom 22. Februar 1951 enthält wiederum die Angabe, dass sich Liebs und Schulz zwei bis drei Meter von der Demarkationslinie entfernt auf DDR Gebiet befanden, als die Schüsse fielen. Die gleiche Dienststelle ergänzte am folgenden Tag, dass bei einer Tatortbesichtigung der Kriminalpolizei Eisenach Blutspuren gefunden wurden, die sich drei Meter von der Demarkationslinie entfernt auf dem Gebiet der DDR befanden.

Der als Rangieraufseher am Grenzbahnhof Wartha tätige Nikolaus Wittich aus dem hessischen Willershausen erklärte hingegen gegenüber der Volkspolizei am 24. Februar 1951, sein Sohn sei am Vorabend aus dem Dorf nach Hause gekommen und habe berichtet, dass ein Volkspolizist an der Grenze bei Pferdsdorf von Amerikanern angeschossen worden sei. „Die Volkspolizisten sollten nach Angaben meines Sohnes auf amerikanischem Gebiet gewesen sein, wo sie von amerikanischen Soldaten angerufen worden wären.“ Sie seien aber nicht stehen geblieben, dann sei auf sie geschossen worden. Auch ein weiterer Eisenbahner, der auf westlicher Seite in Herleshausen wohnte und beiderseits der Grenze zu tun hatte, sagte DDR-Kriminalpolizisten, er habe von einem Zollbeamten gehört, die beiden Grenzpolizisten der DDR hätten sich auf westlichem Gebiet befunden und auf Zurufe nicht reagiert. Einer habe sich fallenlassen und etwas mit seinem Gewehr gemacht, worauf die amerikanischen Soldaten geschossen hätten.

Im September 1963 stellen DDR-Grenzer am Ort des Geschehens eine Tafel mit der Inschrift auf, hier sei Herbert Liebs von „amerikanischen Söldnern“ ermordet worden. „Die Mörder werden ihrer gerechten Strafe nicht entgehen.“ Darauf reagierte die für den Zollgrenzdienst zuständige Oberfinanzdirektion Frankfurt (Main) mit einer Stellungnahme für die Grenzaufsichtsbeamten, damit Fragen von Grenzbesuchern „richtig beantwortet werden können“. Nach Darstellung der Oberfinanzdirektion Frankfurt (Main) soll ein amerikanischer Soldat am 21. Februar 1951 von einem Jeep aus mit dem aufgebauten Maschinengewehr Zielübungen auf eine Streife der DDR-Grenzpolizei gemacht haben. „Als der US-Jeep sich wieder von der DL entfernte, gab der US-Streifenangehörige, ein Neger, aus dem MG mehrere Feuerstöße ab und verletzte den Grepo-Wachtmeister Liebs tödlich.“

Die Junge Welt brachte vom 7. Juli bis zum 8. August 1981 „zum 20. Jahrestag der Maßnahmen vom 13. August 1961“ unter der Überschrift „Gefallen im Kampf für den Frieden“ eine Serie mit Porträts von 22 DDR-Grenzern heraus, die im Grenzdienst ums Leben gekommen waren. Über Herbert Liebs hieß es dort, er sei während einer Grenzstreife „heimtückisch umgebracht“ worden. (jos.)