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Passkontrolleur Eberhard Kolditz

Durch eine Sturmböe aus dem Gleichgewicht gebracht stürzte der Passkontrolleur Eberhard Kolditz im Bahnhof Marienborn gegen einen ausfahrenden Zug. Er erlitt schwere Kopfverletzungen.

Kolditz, Eberhrad
Bildquelle: BStU

geboren am 27. Januar 1947 in Naumburg

verunfallt im Dienst am 27. November 1984

Ort des Zwischenfalls: Grenzbahnhof Marienborn (Sachsen-Anhalt)

Erst nach einer Augenoperation im Alter von drei Jahren konnte Eberhard Kolditz einigermaßen sehen. Die damalige Prognose fiel schlecht aus. Der Zustand seiner Augen würde sich ab dem 30. Lebensjahr schrittweise verschlechtern. Der gelernte Bergbaufacharbeiter gehörte seit dem 9. November 1971 der SED und seit dem 15. August 1972 deren Staatssicherheitsdienst an. Von 1972 bis 1977 arbeitete Kolditz in der Passkontrolleinheit am Grenzübergang Marienborn. Zunächst kontrollierte er am Autobahnübergang Fahrzeuge im Transitverkehr. Er verursachte dort mehrfach Abfertigungsfehler und ließ Reisende passieren, die in den Fahndungsbüchern standen. Er selbst führte die Vorkommnisse auf seine physische Überlastung zurück. Dienstliche Beurteilungen beschrieben ihn als „sehr ruhig, sehr nervös und vergeßlich“. Der medizinische Dienst stellte bei einer Untersuchung fest, dass Kolditz auf dem einen Auge nur 20 Prozent und auf dem anderen 80 Prozent Sehstärke besaß. Außerdem litt er nach eigenen Angaben unter Konzentrationsschwierigkeiten. Im Juni 1977 erfolgte deswegen seine Versetzung vom Dienstbereich Autobahnkontrolle zur Eisenbahnkontrolle in Marienborn. Kolditz war mit einer Lehrerin verheiratet, das Ehepaar hatte zwei Kinder.

Im Abschlussbericht des Staatssicherheitsdienstes vom 29. November 1984 hieß es in dürren Worten: „Der Mitarbeiter der PKE Marienborn, Kolditz, Erhard, wurde auf dem Grenzübergangsbahnhof Marienborn vom Steuerwagen erfaßt und schwer verletzt. Er erlitt schwere Schädelverletzungen linksseitig, hervorgerufen durch einen Anprall an den beim Steuerwagen vorn rechts angebrachten Rangiergriff. Der Geschädigte ist am 27.11.1984 seinen Verletzungen erlegen. Der Zug fuhr aus dem Bahnhof Marienborn aus und befuhr den Gleisbereich in zulässiger Geschwindigkeit von etwa 35 km/h. Bei der Annäherung gab der Triebfahrzeugführer Achtungssignal. Als er sich dem Geschädigten auf etwa 5 m genähert hatte, sah er plötzlich, wie diese Person in Richtung seines Fahrzeuges schwankte. Zum Zeitpunkt des Geschehens herrschten starke Sturmböen, wodurch eine Bewegungsänderung des Verunfallten ausgelöst werden konnte.“ Die Medizinische Akademie in Magdeburg stellte am 30. November 1984 den Totenschein für Eberhard Kolditz mit der Todesursache „schweres Schädel-Hirn-Trauma“ aus.

Der Ehefrau wurde zunächst mitgeteilt, dass ihr Ehemann während seines Dienstes einen Unfall erlitt und sich schwer verletzt in der Medizinischen Akademie Magdeburg befindet. Einzelheiten zum Unfallhergang und zu anderen Details wurden zunächst nicht mitgeteilt. Auf Nachfrage schloss sie die Möglichkeit eines Suizids aus. (Recherchen: MS, ST; Autor: jos.)