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Heinz Delvoigt

Am 7. November 1971 gegen 16.30 Uhr hörten zwei Grenzsoldaten der 7. Grenzkompanie Groß Thurow im Bereich ihrer Nachbarposten Schüsse. Sie lösten Grenzalarm aus und die Alarmgruppe der Kompanie eilte zum Ort des Geschehens. Dort entdeckten sie 300 Meter von der Grenze entfernt die Grenzposten Heinz Delvoigt und Klaus Bäckler tot am Straßenrand.

geboren am 14. Juni 1947 in Berlin

erschossen am 7. November 1971

Ort des Zwischenfalls: Nahe Groß-Thurow (Mecklenburg-Vorpommern)

Die Untersuchung des Vorfalls ergab, dass sich Heinz Delvoigt und Klaus Bäckler gegenseitig erschossen hatten. Sie sollen sich zuvor aufrecht stehend mit ihren MPi‘s Kalaschnikow in der Hand gegenüber gestanden haben. Delvoigt habe seine Ausrüstungsgegenstände einschließlich Koppel und Mütze abgelegt und nur noch seine MPi umhängen gehabt. Er habe vermutlich eine tätliche Auseinandersetzung mit seinem Postenführer Bäckler begonnen, mit dem er erstmals eingesetzt war. Bei Bäckler wurden bei der Obduktion leichte Hämatome an Nase und Stirn festgestellt. Beim Schusswechsel habe Bäckler mit dem Rücken zur Grenze, Delvoigt mit dem Gesicht in Richtung Grenze gestanden. Es könne also sein, dass er fahnenflüchtig werden wollte und Bäckler, der dies verhindern wollte, zunächst tätlich angriff. Bäckler habe zur Abwehr des Angriffs vermutlich einen Warnschuss abgegeben. Danach kam es aus etwa 7,50 Meter Entfernung zum Schusswechsel. Bäckler gab zehn Schüsse auf Delvoigt ab, von denen ihn neun trafen. Delvoigt wurde in stehender Haltung getroffen, nur der tödliche Herzschuss traf ihn in gebückter Haltung. Delvoigt gab auf Bäckler fünf Schüsse ab, von denen ein Herztreffer den sofortigen Tod herbeiführte.

Heinz Delvoigt war von Beruf Maschinenschriftsetzer. Delvoigt war bei seiner Mutter aufgewachsen, da die Eltern geschieden waren. Er hatte keinen Kontakt zu seinem Vater. Er wohnte mit seiner Frau und seinem Kind in Berlin-Friedrichshain. Von Nachbarn wurde er „als ein sehr ruhiger und stets hilfsbereiter Mensch charakterisiert.“ Er habe im Wohnhaus anderen Mietern bei Reparaturen geholfen und fiel dabei als handwerklich geschickt auf. Seit Mai 1971 diente er bei den Grenztruppen. Sein früherer Ausbilder aus dem Grenzausbildungsregiment beschrieb ihn als höflich und zurückhaltend. Er habe bei ihm „ein gutes politisches Wissen und einen klaren Klassenstandpunkt“ festgestellt. In die FDJ-Gruppe habe er seine Fähigkeiten als Schriftsetzer für die Agitationsarbeit eingebracht. Delvoigt wurde von Zeugen als sehr sensibel beschrieben. Die Militärärzte diagnostizierten bei ihm eine erblich bedingte Herzschwäche, weswegen er keine körperlich stark belastenden militärischen Übungen ausführen sollte. Die Untersuchungsführer der Stasi stellten im Nachhinein fest: „Von Beginn an gefiel ihm der Dienst in der NVA nicht, da er dadurch von seiner Familie, an der er sehr hing, getrennt war.“ Delvoigt liebte seine drei Jahre alte Tochter über alles. „Er versuchte mehrmals als gesundheitlich untauglich entlassen zu werden.“ Am 29. August 1971 bat Delvoigt in einer Eingabe um Entlassung aus dem Wehrdienst. Bei einer dreitägigen Untersuchung in der Militärmedizin Bad Saarow wurden keine gesundheitlichen Gründe für eine Dienstunfähigkeit festgestellt. Im September/Oktober 1971 verschlechterten sich die Beziehungen zu seiner Frau, die einen anderen Partner gefunden hatte und sich scheiden lassen wollte. Nachdem ihm seine Frau den Scheidungswunsch mitteilte, sei er laut einer Zeugenaussage sehr verzweifelt gewesen und habe mehrere Stunden geweint. Auch habe er geäußert, dass das Leben für ihn keinen Sinn mehr habe. (jos.)