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Unteroffizier Manfred Alte

Die Gefreiten Helmut Fittkau und Siegfried Tilscher wurden bei einem Reparatureinsatz an den Sperranlagen von Unteroffizier Manfred Alte ermordet. Nach begangener Tat erschoss sich Alte mit seiner Maschinenpistole. Der Grund für seine Tat ist ungeklärt.

Manfred Alte
Bildquelle: BStU

geboren am 3. Mai 1940 in Hapersdorf (Schlesien), heute Twardocice

Suizid nach Mord an zwei Kameraden am 17. April 1963

Ort des Zwischenfalls: nahe Eisfeld (Thüringen)

Der Postendienst an der thüringisch-bayerischen Grenze bei Eisfeld verlief für den Gefreiten W. am 17. April 1963 ohne besondere Vorkommnisse. Nur in der Mittagszeit hatte er drei MPi-Salven gehört, ihnen aber keine Bedeutung zugemessen. Tatsächlich starben in diesem Augenblick drei Soldaten.

Unteroffizier Manfred Alte, der Gefreite Helmut Fittkau und der Gefreite Siegfried Tilscher von der Kompanie Steudach hatten an diesem Tag den Auftrag, den Bruchschaden, den eine Drahtsperre durch einen Sturm erlitten hatte, zu beheben. Sie bekamen bis 18.00 Uhr Zeit, die Instandsetzungsarbeiten an der Straße zwischen Heid und Rottenbach zu beenden. Noch in der Kompanie hatte Manfred Alte gesagt, das wäre nicht zu schaffen, doch dann behauptete er, sie würden schon bis Mittag fertig sein – „Großmaul“, mögen Fittkau und Tilscher gedacht haben. Wie zur Versöhnung brachte Alte dafür einen Kasten Bier mit zum Dienst. Wie hatte er den durch die Kontrollen bekommen? Zu Manfred Alte hielt man besser Distanz. Man munkelte, dass er für die Stasi arbeitete. Einmal hatte ein Soldat einen Bericht über die örtliche Gastwirtschaft gefunden, man würde dort Westsender hören. Unterschrieben war der Text mit „Walter Beyer“, es war die Handschrift von Alte. Tatsächlich war Alte von 1958 bis zu dieser zufälligen Enttarnung unter diesem Decknamen für das MfS tätig. Ein andermal wurde in seinem Spind eine Luftpistole entdeckt; um Zieltraining zu betreiben, versuchte er sich zu rechtfertigen. Der Unteroffizier galt als Waffennarr, er leitete im Auftrag des Kompaniechefs auch einen „Schießzirkel“ der Gesellschaft für Sport und Technik (GST).

An der Drahtsperre angekommen, stellten die Angehörigen fest, dass zwei Holzpfähle in der Zaunanlage ersetzt werden mussten. So gut es ging machten sie sich daran einen Baum zu fällen und zurechtzuschlagen. Handwerker war nur Siegfried Tilscher, der jüngste unter ihnen. Er hatte Schlosser gelernt, bevor er am 25. August 1961 zum Grenzdienst eingezogen wurde - am gleichen Tag wie Helmut Fittkau, der vorher bereits der Partei beigetreten war. Helmut Fittkau und Manfred Alte hätten von ihrer Ausbildung her Kollegen sein können, beide waren Traktoristen. Doch Alte hatte sich schon mit 17 Jahren freiwillig zur Grenzpolizei gemeldet, 1960 folgte dann die Beförderung zum Unteroffizier. Lag vor ihm eine militärische Karriere oder litt er unter dem Grenzdienst? Vom Ausgang kehrte Alte oft spät und betrunken zurück; er habe in letzter Zeit einen trübsinnigen Eindruck gemacht, sagte der Kantinenwirt später aus. Nun hockte er auf dem Boden und notierte etwas auf die Rückseite einer Fotografie, die einen seiner Freunde zeigte. Vorher hatte er Fittkau und Tilscher aufgefordert, sich vom Bier zu nehmen. Er selbst hielt sich zurück. Als es Mittag wurde hatten sie bei der Arbeit schon 22 Flaschen geleert. Da griff Manfred Alte nach seiner MPi, zielte auf die beiden Gefreiten und begann zu feuern.

Weil Manfred Alte, Helmut Fittkau und Siegfried Tilscher nach 18.00 Uhr nicht zur Kompanie Steudach zurückgekehrt waren, wurde ein Suchtrupp zum Grenzabschnitt an der Straße Heid-Rottenbach geschickt. Dieser fand die Gefreiten zwei Meter jenseits der Drahtsperre mit tödlichen Schussverletzungen dicht nebeneinander auf dem Rücken liegend. Acht Meter von ihnen entfernt lag Manfred Alte, er hatte sich selbst getötet. Dass alle Schüsse aus der MPi des Unteroffiziers abgegeben worden waren und die Waffe anschließend für einen absoluten Nahschuss verwendet wurde, ergab die ballistische Untersuchung. Fragen warf die Notiz Altes auf der Rückseite jener Fotografie auf. Darin hieß es: „Ich kann das Leben nicht mehr mitmachen. Es fing schon Zuhause an. Als ich auf Befehl das Lehrverhältnis aufgeben mußte. Alles mußte ich auf Befehl ausführen. Auch die Frauen habe ich sozusagen zugeteilt bekommen. Weil sie wußten wie ich veranlagt bin.“ Sodann verwies er auf „27 Mann“ aus dem Grenzabschnitt, die ihn „rächen“ würden. Eine solche Gruppenbildung konnte von den zehn Stasiinformanten in der Kompanie jedoch nicht festgestellt werden. So kam die Morduntersuchungskommission Suhl zu dem Schluss, dass der Unteroffizier ein „verbrecherischer Psychopath“ gewesen sei. Seine Witwe erklärte gegenüber den Untersuchungsbehörden, dass Manfred Alte nicht „aus moralischen Erwägungen aus dem Leben schied, sondern daß hier andere Gründe vorgelegen haben müssen“. (Recherche: MS, ST, jk; Autor: jk)