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Brigitte von Kistowski

Am 13. August 1975 um 4:30 Uhr starb Brigitte von Kistowski im Kugelhagel bulgarischer Maschinenpistolen. Sie wurde von fünfundzwanzig Kugeln aus Kalaschnikows getroffen.

Brigitte von Kistowski
Bildquelle: Stefan Appelius

geboren am 23. Oktober 1947 in Holzweißig (heute Ortsteil von Bitterfeld-Wolfen), Sachsen-Anhalt

erschossen am 13. August 1975

Ort des Zwischenfalls: bulgarisch-griechisches Grenzgebiet bei dem Dorf Tschala

Brigitte von Kistowski war nach ihrer Scheidung eine Beziehung mit ihrem ebenfalls geschiedenen Schulfreund Klaus Dieter Prautzsch eingegangen. Das Paar lebte gemeinsam mit Brigittes kleinem Sohn in einer bis dato unbewohnbaren Altbauwohnung in Leipzig, die sie selbst renoviert hatten. Im Sommer 1975 reisten die beiden jungen Leute mit einem Motorrad (Typ MZ ETS 250 Trophy Sport) zum Urlaub in die Volksrepublik Bulgarien. Ihren Sohn hatte Brigitte von Kistowski zuvor bei ihrer Mutter in Holzweißig abgegeben.

Bei ihrer Reise nach Bulgarien begleitete Steffen Benkert, ein Arbeitskollege von Klaus Dieter Prautzsch, das Paar. Er war ebenfalls mit einem Motorrad unterwegs. Steffen Benkert bezweifelt im Rückblick, dass seine Freunde mit der Absicht nach Bulgarien fuhr, von dort aus in den Westen zu fliehen: „Ich habe von den beiden nie ein Sterbenswörtchen von Flucht gehört.“ Brigitte von Kistkowski sei weder mit ihrem Leben in der DDR unzufrieden gewesen, noch hätte sie ihren kleinen Sohn freiwillig zurückgelassen, meint auch Benkerts damalige Verlobte und heutige Ehefrau.

Nachdem sie von Rumänien über die Grenzübergangsstelle Vidin mit einer Donaufähre nach Bulgarien eingereist waren, fuhren sie zunächst in das Rila-Kloster, einer berühmten und bei Touristen beliebte Sehenswürdigkeit in Südwest-Bulgarien. Hier trennten sich am 26. Juli 1975 ihre Wege. Während Brigitte von Kistowski und Klaus Dieter Prautzsch an die südliche Schwarzmeerküste wollten, fuhr Steffen Benkert nach Varna, um dort seine Verlobte zu treffen, die mit dem Flugzeug nach Bulgarien gereist war.

Anschließend blieben Brigitte von Kistowski und Klaus Dieter Prautzsch fast drei Wochen zu einem Badeurlaub auf einem Campingplatz an der südlichen Schwarzmeerküste. Warum sie am Ende ihrer Ferien von dort aus nicht die direkt in Richtung Rumänien fuhren, ist unklar. Belegt ist nur, dass sie in der Ortschaft Dospat, am 12. August 1975 gegen 20 Uhr mit dem Motorrad in eine Personenkontrolle der Bulgarischen Grenztruppen gerieten. Die Ortschaft befindet sich zwar im Sperrgebiet zur griechischen Grenze, ist aber noch etliche Kilometer von Griechenland entfernt. Nach Aktenlage soll Prautzsch mit seinem Motorrad vor den Grenzern geflüchtet sein.

Das Motorrad von Klaus Prautzsch gelangte einige Monate später zurück nach Bitterfeld. Es wies abgesehen von ein paar Kratzern und dem gebrochenen vorderen Teleskoprohr keine Beschädigungen auf. Denkbar wäre, dass Brigitte von Kistowski und Klaus Dieter Prautzsch – entgegen der Darstellung des MfS – gar nicht geflohen sind, sondern in Dospat verhaftet wurden. Sicher ist nur, dass die beiden nach ihrer Festnahme in ein Militärobjekt gebracht wurden. In jeder Grenzwache gab es Zellen, in die verhaftete Flüchtlinge vor ihrem Weitertransport Richtung Sofia eingesperrt wurden.

Zum weiteren Ablauf des Geschehens ist nur bekannt, dass die Leichen Brigitte von Kistowskis und Klaus Dieter Prautzsch‘s bereits am 14. August 1975 im Sofioter Militärkrankenhaus obduziert und anschließend durch den DDR-Konsul Kurt Spörl im Gerichtsmedizinischen Institut identifiziert wurden. Danach erfolgte auf Anordnung des Leiters der Hauptabteilung Konsularische Beziehungen im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) der DDR, August Klobes, auf dem Friedhof Bakarena Fabrika in einem Vorort von Sofia ihre Beisetzung noch bevor ihre Angehörigen überhaupt vom Tod der beiden jungen Leute unterrichtet worden waren. Einige Monate später wurden beide Leichen exhumiert und in verzinkten Kisten in die DDR zurückgeflogen. Vorausgegangen waren Gespräche der Mütter beider Opfer mit dem kurz zuvor neu ernannten DDR-Botschafter in Sofia, Manfred Schmidt. Den Ausschlag gab vermutlich der Umstand, dass Brigitte von Kistowskis Mutter, Hannelore Kurzweg, ein langjähriges überzeugtes SED-Mitglied war.

Brigitte von Kistowski und Klaus Dieter Prautzsch fanden ihre letzte Ruhestätte auf dem Friedhof in Holzweißig. (App.)