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Sabine Schmidt

Nach der Rückkehr aus dem Urlaub fanden die Eltern Sabine Schmidt am 13. März 1977 in ihrer Berliner Wohnung tot auf. Die 22-Jährige nahm sich das Leben, nachdem ihr die DDR-Behörden eine Ausreise nach West-Berlin verweigert hatten und sich ein geplanter Fluchtversuch nicht verwirklichen ließ.

Schmidt, Sabine
Bildquelle: BStU

geboren am 5. Juni 1954 in Berlin

Suizid Anfang März 1977

Ort des Zwischenfalls: Berlin, Prenzlauer Berg (Berlin)

Sabine Schmidt wuchs als Tochter eines Bäckermeisters und Konditors und seiner Frau, einer gelernten Verkäuferin und Buchhalterin, in Ost-Berlin und Dahlewitz auf. Ihre Eltern führten bis zum Beitritt in die Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) eine eigene Bäckerei im Prenzlauer Berg. Danach zog die Familie nach Dahlewitz, Kreis Zossen. Dort besuchte Sabine Schmidt bis 1965 die Oberschule. Zurück in Ost-Berlin schloss sie ihre schulische Ausbildung 1971 mit der 10. Klasse an der 21. Oberschule Prenzlauer Berg ab und absolvierte eine Lehre als Medizinisch Technische Assistentin (MTA) in der Radiologie der Charité, bei der sie gute Noten erreichte. Hernach arbeitete sie als Röntgenassistentin in der dortigen Unfallröntgenabteilung. Seit 1968 gehörte sie der FDJ an und sang zwei Jahre lang im „Hermann-Dunker-Chor“. Im FDGB nahm sie die Funktion eines „Kulturobmannes“ wahr. Ende 1976 wollte sie aus der Gewerkschaft austreten, wovon sie ein vorgesetzter Arzt abhielt.

Seit Mitte 1975 waren Sabine Schmidt und Jochen F. ein Paar. F. gelang am 28. Mai 1976 die Flucht aus Ost- nach West-Berlin. Seine Freundin wollte ihm folgen und stellte einen Ausreiseantrag. Darin schrieb sie: „Mit wachsendem Alter bildete sich bei mir immer mehr die Überzeugung, daß ich mit den Ansichten und Praktiken dieses Staates niemals übereinstimmen werde. Ich habe die Absicht, mein Leben nach meinen eigenen persönlichen Anschauungen zu gestalten, und deshalb entspricht dieser Antrag meinen reinen persönlichen sowie menschlichen Anschauungen von Freiheit.“ Sie habe den starken Wunsch nicht nur die Bundesrepublik, sondern „noch andere Staaten und andere Menschen kennenzulernen“. Sie betonte weiter, dass die DDR als Mitglied der Vereinten Nationen sowie in „ihrer aktiven Mitarbeit zur Verwirklichung der Menschenrechte in der Welt und der sich daraus ergebenden Verpflichtungen für jeden Staat“ keinen Grund habe, ihren Ausreiseantrag abzulehnen. Doch genau das geschah.

Ihr Freund und eine in West-Berlin lebende Tante versuchten daraufhin, Mittel für ein kommerzielles Fluchthilfeunternehmen aufzubringen. Als ihr Fluchtvorhaben nicht zustande kam, nahm sich Sabine Schmidt das Leben. Das Institut für gerichtliche Medizin der Charité stellte als Todesursache die Einnahme einer Überdosis des Medikaments Kalypnon fest. Zum Zeitpunkt des Todes lag keine Alkoholeinwirkung vor. Ein Offizier des Staatssicherheitsdienstes vermerkte am Ende des Untersuchungsvorgangs zum Todesfall: „Notizen der S. weisen darauf hin, daß geplante Ausschleusungen der S. nicht realisiert wurden.“

Nachdem westliche Zeitungen ausführlich über den Todesfall berichtet hatten, sicherte der Staatssicherheitsdienst die Trauerfeierlichkeit im Krematorium Baumschulenweg und die Urnenbeisetzung in Dahlewitz mit starken Kräften und Inoffiziellen Mitarbeitern ab. Die Trauergäste sollten fotografiert und identifiziert werden. Die Volkspolizei hatte zu verhindern, dass westliche Journalisten sich der Trauerfeier nähern könnten. Für den Fall, dass Sabine Schmidts Freund aus West-Berlin zu den Trauerfeierlichkeiten anreisen würde, plante der Staatssicherheitsdienst seine Festnahme. (jos)

Berichterstattung im Westen Quelle: Axel Springer Unternehmensarchiv