Klaus-Jürgen Bruder

 

Die Verdrängung der Frage nach dem Sinn - Psychotherapie und der Diskurs der Macht

Klaus-Jürgen Bruder


Wir erleben gegenwärtig (März 2011) den Zusammenbruch der bisher bestehenden Sicherheiten und Verbindlichkeiten, die Erosion der Selbstverständlichkeiten, die Auflösung der „schon immer“ gültigen Gewissheiten, das Zerbröckeln auf allen nur denkbaren Ebenen, der Ziele und des Horizontes, in dem und wofür wir gearbeitet, gestrebt, uns gesehnt haben, das Schwinden des Sinnes dessen was wir tun.

Während dieser Text hier entsteht, kämpfen im fernen Japan die dem Tode geweihten Helfer ihren verzweifelten Kampf gegen den unerbittlichen Fortgang der Selbst-Zerstörung des dritten Reaktorkerns von Fukushima. Zum zweiten Mal werden die japanischen Inseln von jenem Unheil erschüttert, mit dem die Atom-Energie sozusagen die Bühne der Geschichte betreten hatte. Damals war die Bombe über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen worden, kam wörtlich „von oben herab“, über die schutzlose Bevölkerung. Dieses Mal war sie bereits vor Ort gestanden, sie musste nur noch gezündet werden, sich selbst entzünden. Die Japaner selbst haben sie dort hingestellt, niemand hat sie ihnen aufgezwungen.

Die Japaner? Was sollte das für einen Sinn haben? Sich selbst die Waffen der Zerstörung ihres Lebens und ihrer Lebensgrundlagen bereit zu stellen? Nein, das war nicht der Sinn gewesen, weshalb die Japaner den Reaktor aufgestellt hatten. Der Sinn war im Gegenteil, Produktivität, Leben, Wohlstand, Fortschritt zu schaffen, mit dem Strom, den der Reaktor, alle Reaktoren, 60 an der Zahl, herstellen sollten. Die Atomphysik – die gefeierte Königin der Wissenschaften – hatte Schach gespielt. Dass diese Technologie so gefährlich sein kann, das „wusste niemand“!

Wirklich nicht? War man nicht gewarnt – durch den nicht weniger verheerenden „Unfall“ von Tschernobyl? Nein, das waren ja „die Russen“ gewesen, die konnten die Technologie ja nicht beherrschen. Und Harrisburg? War das auch in Russland? Nein! „Man“ wusste, was geschehen könnte – und trotzdem? Es ist sinnlos, zu fragen, warum, solange es das „trotzdem“ gibt.

Vielleicht sollten wir nicht fragen, warum haben die Japaner das gemacht? Bei uns gibt es ebenso genügend Macher, die „weiter so“ fordern, ohne dass sie Japaner wären. Worin liegt der Sinn dieses unbeirrten und unbeirrbaren „weiter so!“? Nicht nur in der Atomfrage, in der Frage der Regelung der Finanzmärkte ebenso wie in der der Armut, des Hungers, der Krankheiten, der Kriege.

Im März 2006 hatten sich Psychotherapeuten aller Richtungen und Schulen in Bonn versammelt, um ihr „Unbehagen“ über die Verdrängung der Frage nach dem Sinn zu artikulieren, und zwar der Verdrängung innerhalb der „(Psychotherapie-)Kultur“. Im Einladungstext zu dieser Versammlung hieß es sinngemäß: Wir beobachten in der Psychotherapie eine Verengung des Denkens auf naturwissenschaftlich orientierte Ansätze. Sinnverstehende, einem humanistischen Menschenbild verpflichtete psychotherapeutische Traditionen haben hierin keinen Platz. Sie sollen inhaltlich, politisch und ökonomisch verdrängt und ausgegrenzt werden. [i]

Damit ist eigentlich schon alles gesagt: Verdrängung der Frage nach dem Sinn – das ist tatsächlich der „Sinn“ dieser Verdrängung sinnverstehender psychotherapeutischer Verfahren (und Traditionen). Diese Frage nach dem Sinn soll nicht mehr gestellt werden. Naturwissenschaften stellen diese Frage nicht. Die Übertragung der naturwissenschaftlichen Sichtweise, ihres methodologischen Vorgehens, ihrer Ergebnisse auf Psychotherapie führt deshalb zum Ausschluss der Sinnfrage.

Ist das der „Sinn“ der naturwissenschaftlichen Verfahren? Zunächst: die Erklärung des Psychischen durch naturwissenschaftlich erfassbare Prozesse i.S. der Neurophysiologie ist ein – erkenntnistheoretisch – unsinniges Projekt. Biologie und Psychologie sind zwei verschiedene „Sprachspiele“ – wie Habermas (2005, 170) zutreffend festhält. Sie konstruieren unterschiedliche Gegenstände mit unterschiedlichen Methoden.

Das Psychische: das Erleben, Verhalten, Denken, Fühlen, Wollen usw. des (menschlichen) Subjekts ist nicht auf die Ebene biologischer, neurophysiologischer Prozesse zu reduzieren. Es ist dort nicht abbildbar, nicht wiederzufinden (Bruder-Bezzel & Bruder 2004). Keineswegs ist in Frage zu stellen, dass dem Psychischen biologische Prozesse parallel laufen. Nur: die Vorstellung, die biologischen seien die Erklärung der psychischen ist vollkommen naiv.

 

I. Biologie und Psychologie: zwei verschiedene „Sprachspiele“

Wie stellt sich der Gegenstand der beiden Wissenschaftsbereiche dar? Auf der Ebene der Biologie, der Neurophysiologie führt Manfred Velden (2005) überzeugend vor Augen, dass allein die dort zu erwartenden Zahlengrößen möglicher Beziehungen nicht gestatten, ein Verständnis selbst der Hirnfunktionen zu erwarten – „auch in 1000 Jahren nicht“ – wie John Eccles (1993) von ihm zitiert wird. Milliarden von Synapsen, von denen jede tausende von möglichen Verbindungen zu anderen besitzen, in denen Information auf vielfältige, nicht eindeutige Weise transportiert werden, lassen bereits von der Seite der Biologie die Erforschung scheitern. Versuche, Psychisches evolutionsbiologisch zu erklären, seien eher als „adaptive storytelling“ (Rose, Lewontin & Kamin, 1984) einzuschätzen.

Hinzu kommt, dass die Methoden der Naturwissenschaften: die (ver)objektivierende (externe) Beobachtung – nicht übertragbar ist auf das subjektive Erleben, Denken, Fühlen, Wollen, nicht einmal auf das Verhalten von (menschlichen) Individuen. Es gibt im psychischen keine allgemein gültigen „Gesetze“ (des Verhaltens usw), denn dieses ist höchst individuell, ständigem Wandel unterworfen, der vor allem kulturell und gesellschaftlich bedingt ist. Was es dort gibt, sind „Normen“, Vereinbarungen, Übereinkünfte – wenngleich sie dem einzelnen oft nicht als Übereinkünfte erscheinen, weil er an ihrem Zustandekommen nicht beteiligt gewesen war, sondern als Faktizität, oder Zwang, oder gar Gewalt.

Die Versuche innerhalb der Psychologie, den naturwissenschaftlichen Charakter ihrer Disziplin zu sichern, scheitern am Gegenstand: der fehlenden Allgemeingültigkeit der „Subjektivität“. Mangelnde Reflexion dieses Fehlens, mangelnde Reflexion des Charakters des Gegenstands der Psychologie, führt, wie Velden zeigt, zu einer trial & error Haltung: Korrelationen zwischen Phänomenen zu berechnen, bzw. deren Signifikanz, ohne Sinn (und Verstand). Rozeboom (1960, S. 417) diagnostizierte “fundamentales Missverstehen des Wesens rationalen Schließens“, d.h. mit Instrumenten zu arbeiten, die naturwissenschaftlich völlig unbrauchbar sind: die wichtigste Fehlerquelle liegt bereits darin, dass übersehen wird, dass die Höhe der Signifikanz von der Größe der Stichprobe abhängig ist.

Das Gleiche gilt für die Übernahme von Modellen und Theorien aus den Naturwissenschaften. Diese können in die Psychologie lediglich in metaphorischem Sinne übertragen werden, d.h. wieder: in einem Prozess diskursiver Verständigung eingebracht, (wo sie – wiederum diskursiv vermittelte – Wirkung entfalten können). Naturwissenschaftliche Erklärungen im Bereich der Psychologie haben den Charakter von Metaphern, von als-ob-Vergleichen, die in der Interaktion mit anderen erst als brauchbar angenommen werden (können) oder verworfen.

Das Argument der unermesslichen Zahl von möglichen Zusammenhängen auf der biologischen Ebene gilt gewiss auch – in vergleichbarem Ausmaß – auf der Ebene des Psychischen. Nur gibt dies keine Grundlage für die leichtere Herstellung von Beziehungen zwischen Biologie und Psychologie ab. Auf der Ebene des Psychischen wird allerdings das Problem nicht brisant, weil wir dort Möglichkeiten (entwickelt) haben, damit umzugehen, die wir auf der biologischen Ebene, auf der Ebene der Synapsen prinzipiell nicht haben: die Möglichkeit der Verständigung zwischen Meinungen, Hypothesen, Interpretationen, den Austausch von Äußerungen, Sätzen, Satzformationen, Diskursen und Diskursarten, Intuition und Empathie im Alltag – eben die diskursive Verständigung über Sinnfragen, deren Austausch – statt der verobjektivierenden Formulierung experimentell überprüfbarer Sachverhalte, bzw. Hypothesen.  

Auf der Ebene der jeweiligen Wissenschaften – im Unterschied zu deren Gegenstandsbereichen – finden wir diese Dimension des Sinns: der Interpretation und Deutung, der diskursiven Verständigung, und zwar im Austausch von Forschungsergebnissen, selbst in den Naturwissenschaften. Knorr-Cetina geht sogar soweit, diese als Gegenstands-konstituierend anzunehmen. Das würde bedeuten: die Verdrängung der Fragen nach dem Sinn, die Verdrängung der Gegenstands-konstituierenden Rolle des Diskurses ist auch in den Naturwissenschaften eine tatsächliche Verdrängung.

Die Übertragung der Naturwissenschaften (naturwissenschaftlichen Verfahren wie Orientierung) auf die Psychotherapie führt also in doppelter Weise zur Verdrängung dessen, was die Wissenschaft konstituiert, ihren Gegenstand wie ihre Methoden, zum Ausschluss der Sinnfrage.

 

II. Die kausal-deterministische Sichtweise verstellt den Blick auf die psychologischen Zusammenhänge

Was aber sind in der Psychotherapie naturwissenschaftliche, naturwissenschaftlich orientierte Verfahren? Verhaltenstherapie? Sicher nicht, wenngleich diese den Anspruch haben mag, naturwissenschaftlich zu sein. Pillen? Natürlich ist das Geben (und Nehmen) von Pillen ein sozialpsychologischer Vorgang, eingebettet in die Beziehung zwischen Arzt und Patient und damit der Deutung und der (Miß)verständnisse des Sinns offen – ebenso wie in der Verhaltenstherapie. Aber aus einer naturwissenschaftlich orientierten Haltung heraus wird diese Beziehung ausgeblendet. Die Wirkung wird der Pille selbst zugeschrieben, die – als Ergebnis der Anwendung naturwissenschaftlicher Forschung – in einen ebenso naturwissenschaftlich gedachten (erforscht gedachten) Zusammenhang des Organismus eingreift. Andere Verfahren, chirurgische z.B. wie Operieren berühren Psychotherapie nur am Rande.

Es ist die kausal-deterministische Sichtweise der naturwissenschaftlichen Orientierung, die den Blick auf die (sozial)psychologischen Zusammenhänge verstellt – nicht nur des Gebens und der Wirkung der Pille: der Arzt, der Pillen bei „Depression“ verschreibt, reflektiert (meist) nicht, dass er dies innerhalb einer Beziehung tut, in der die Frage nach Sinn und Bedeutung des Tuns eine Rolle spielt und dass hinter dem Leiden des Patienten ebenso eine Bedeutung, ein Sinn steckt, – sondern die kausal-deterministische Sichtweise verstellt damit zugleich den Blick auch auf die therapeutische Wirkung der Beziehung, des Gesprächs – nicht nur in der Psychotherapie. Auch in der Psychotherapie ist das Gespräch, genauer: das Sprechen des Patienten in Anwesenheit des Therapeuten, das Zentrum der heilsamen Beziehung. Das Besondere des psychotherapeutischen Gesprächs besteht nach Jürgen Hardt und Mathias Hebebrand (2006) im „Überschreiten“ des alltäglichen Umgangs mit psychischem Leiden, es ist die „regelhafte Übersetzung“ des Alltagsverstehens der seelischen Störung. Deshalb kann Velden auch von einer Dehumanisierung des Menschenbildes (S. 125) in der Folge der kausal-deterministischen Sichtweise der in der Psychologie sprechen. Man könnte nun dies als (bloßen) Effekt dieser Verdrängung der „humanistischen“ Psychotherapien sehen. Aber man tut nicht Unrecht, wenn man diese Verdrängung in einen größeren Zusammenhang stellt.

 

III. Die Rolle der Medien und der Pharma-Industrie

Sicher: nicht nur die Ärzte, die Patienten selbst haben die Frage nach dem Sinn (ihrer Beschwerden) selbst bereits verdrängt, kommen ebenfalls mit einem anderen Bewusstsein, wenn sie nach der Pille fragen. Sie gehen lieber und lange Zeit zum Arzt, bevor sie sich zur Psychotherapie bereit finden. Und jeder Therapeut kann ein Lied davon singen, wie schwierig es ist, die Patienten wieder von den Pillen herunter zu bekommen.

Die Vormachtstellung der naturwissenschaftlichen Orientierung ist also nicht nur durch die Ärzte den Patienten nahegebracht, sondern sie ist ein Phänomen des allgemein verbreiteten Denkens. Insofern gehen naturwissenschaftlich orientierte Psychotherapie und Erwartung der Patienten konform. Woher diese Konformität?

Aus allen Kanälen aller Medien schallt sie uns entgegen: die Sinnfrage sei unsinnig, es gehe vielmehr darum, das richtige Mittel, die richtige Behandlung gegen die Krankheit einzusetzen. Es sei „unsinnig, nach der Mutter, der Geschichte, der Vergangenheit zu fragen“, ebenso unsinnig sei es, nach den gegenwärtigen Verhältnissen der Beziehung, der Arbeit des gesellschaftlichen Zusammenhalts zu fragen (wie Borwin Bandelow, Psychiater in Göttingen in einem Bericht in der taz vom 25.11.05, S. 18 über den Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde „DGPNN“ in Berlin zitiert wurde). Es komme darauf an, die Mechanismen und Funktionsweise des – seelenlosen – Körpers, einzelner Organe, bzw. des Gehirns zu kennen und dann das richtige Mittel einzusetzen.

Dass es uns aus allen Kanälen entgegen dröhnt, erzeugt diese (gesellschaftliche) Konformität. Die Interessen, die dahinter stecken, denen die Medien das Sprachrohr geben, sind die der Industrie, in aller erster Linie der Pharma-Industrie: die Vertreter der Pharma-Konzerne saßen bei allen Besprechungen der Gesundheitsreform mit am Tisch.

Dass die Pharma-Industrie ein Interesse daran hat, ihre Produkte zu verkaufen und nicht Psychotherapie befördert, die solche Produkte nicht braucht, ist einleuchtend. Dass die Medien sich dafür zur Verfügung stellen, ist schon weniger einsichtig, aber inzwischen reichlich bekannt (Bourdieu 1996, Chomsky 2002). Die Medien sind ja nicht das, wofür sie sich ausgeben und wofür wir sie halten: sie informieren uns nicht unabhängig, sondern im Interesse derer, über die sie berichten (zu informieren vorgeben). Sie sind deren Botschafter, die bei uns für diese werben und das können sie nur, wenn sie ihre Unabhängigkeit demonstrativ behaupten. Sie betreiben Werbung für die Pharma-Industrie, nicht nur indem sie direkt für deren Produkte werben, sondern zugleich indirekt durch ihre Berichterstattung über Krankheit und Gesundheit, Medizin und Heilung, indem sie die naturwissenschaftlichen (oder Pseudo- naturwissenschaftlichen) Erklärungen verbreiten und so den allgemeinen Konsens über Sinn und Naturwissenschaft herstellen.

Mit naturwissenschaftlichen Argumenten sind die ökonomischen Interessen der Industrie, vor allem der Pharma-Industrie besser zu vertreten als mit humanwissenschaftlichen. Das naturwissenschaftliche Denken ermöglicht, Erfolgsnachrichten zu verkünden. Es fasziniert, indem es den Wirkmechanismus (der Pille) plausibel zu „erklären“ vermag und gleichzeitig den Humanwissenschaften den Boden zu entziehen versucht: indem es durch die (Berichte über die) Forschung in Genetik, Neurowissenschaften usw. den Menschen als nichts anderes erscheinen lässt, als ein nach naturwissenschaftlichen Gesetzen funktionierendes Labor, oder Computer. Noch vor unserem subjektiven Entschluss, etwas zu tun, habe das Hirn sich bereits dafür entschieden (Libet, Gleason, Wright & Perl 1983; Roth 2003). Wenn wir diese Hirnaktivität selbst (direkt) beeinflussen – was die Naturwissenschaft als Möglichkeit verspricht – brauchst Du Dir keine überflüssigen Gedanken zu machen, kannst Du Dir die Frage nach dem Sinn der Symptome sparen, die Frage nach ihrer Bedeutung, nach Deiner Biographie und Deinen Plänen und (Zukunfts-) Ängsten.

Das ist sogar das Entscheidende: die Behauptung, alles naturwissenschaftlich erklären zu können – natürlich mit dem Versprechen, diese Erklärung unmittelbar oder in nächster Zukunft therapeutisch umsetzen zu können: der Speck, mit dem man die Mäuse fangen möchte.

 

IV. Störungsspezifische Behandlung und Fallpauschale

Diese „Botschaft“ erreicht uns, wirkt sich aus auf das Bewusstsein der Bevölkerung, geht in die Gesetzgebung (zur Gesundheitsreform) ein, selbst in das Denken der Therapeuten. Auch über die Therapeuten wird die naturwissenschaftliche Orientierung in die Psychotherapie eingeführt. Die Therapeuten versprechen sich von dieser Forschung eine – naturwissenschaftliche – Bestätigung ihrer Konzepte. Eine Auswirkung auf ihre Verfahren ist wohl eher nicht zu erwarten: wohl kein Therapeut wird sich „direkt“ an die Hirnströme seiner Patienten anschließen [ii] , er wird wohl nicht auf die Vermittlung von Sprache und Deutung verzichten wollen. Aber indirekt wird die naturwissenschaftliche Orientierung auch über diesen Weg eingeführt.

Wenngleich die Argumente gegen die naturwissenschaftliche Orientierung in den Humanwissenschaften bekannt und nicht neu sind – Habermas fühlt sich „ins 19. Jhd. zurückversetzt“ (2005, S. 155), zwingen die Neurowissenschaften die Therapeuten trotzdem, sich mit ihren Versprechungen und Behauptungen auseinanderzusetzen. Diese Auseinandersetzung können die Therapeuten nicht leisten – als Laien auf dem Gebiet. Sie nimmt ihnen gleichwohl die Zeit und Kraft für ihre eigentlichen Aufgaben, lenkt sie von ihren Problemen ab.

 

Eine besonders problematische Auswirkung im Bereich der Diagnostik ist die damit verbundene Möglichkeit, die Vergütung durch die Kasse - über die „störungsspezifische“ Diagnose-Ziffer - an eine sogen. „Fallpauschale“ zu koppeln, d.h. die Höhe der Vergütung von Art und Menge der tatsächlich erbrachten Leistung zu entkoppeln. Diese Möglichkeit wird seit 1996 zur Vergütung einzelner definierter medizinischer Leistungen – beispielsweise Blinddarm- und andere Operationen - in Krankenhäusern angewendet. Der Fallpauschalen-Katalog 2009 [iii] umfasst aber auch psychische „Krankheiten“ und „Störungen“: „Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei psychischen Krankheiten und Störungen“; „Psychiatrische Behandlung“; „Schizophrene, wahnhafte und akut psychotische Störungen“; „Schwere affektive Störungen, Angststörungen oder andere affektive und somatoforme Störungen“; „Ess-, Zwangs- und Persönlichkeitsstörungen und akute psychische Reaktionen oder psychische Störungen in der Kindheit“; „Alkohol- und Drogengebrauch und alkohol- und drogeninduzierte psychische Störungen“.

Die „Fallpauschale“ ist das Projekt, das Psychotherapie zentral betreffen wird, und zwar durch den unmittelbaren Zusammenhang, der zwischen Krankheitsbild, Symptom einerseits und Behandlungsart und Dauer andererseits behauptet wird.

Dieser Zusammenhang ist nicht zwingend, im Gegenteil: die naturwissenschaftliche Orientierung führt zur Annahme eines solchen Zusammenhangs, z.B. mit der Vorstellung, Angstkrankheiten seien am effektivsten mit dieser, Depressionen dagegen mit einer anderen ganz bestimmten Therapie-Form, mit bestimmter Stundenzahl und Frequenz, entsprechend den Vorgaben eines Manuals zu behandeln, usw. (s. Frohburg 2006)

Diesem Denken versuchten die Psychoanalytiker mit der Unterscheidung von symptomatischer und psychodynamischer Diagnostik zu begegnen, aber wie wir am Beispiel des Nachgebens der DGPT, aus Rücksicht auf den Datenschutz eine einheitliche Diagnose(ziffer) für alle Störungsformen zu verwenden (F 48.9) sehen, befindet sich dieser Widerspruch bereits auf dem Rückzug.

Diagnostik ist – jedenfalls innerhalb der Psychotherapie – gewiss kein naturwissenschaftliches Verfahren, sondern eine – soziale – Entscheidung, auf einem Kontinuum von Verhaltens- und Erlebensdimensionen einen qualitativen Schnitt einzuführen, der die beiden Hälften des Kontinuums in zwei qualitativ unterschiedene Klassen von Symptomen aufteilt.

Die Fallpauschale wird die Psychotherapie mehr verändern, als alles andere, weil sie in die Psychotherapie selbst eingreift, vermittelt über den zur („Störungsspezifischen“) Diagnostik verpflichteten Therapeuten. Die Symptomorientierung wird gestärkt, ein verengtes Bild von Heilung und psychischer Gesundheit befördert. Es werden alle entscheidenden Dimensionen der therapeutischen Haltung über Bord geworfen durch die Fokussierung auf das Symptom, die Haltung des Therapeuten wird gezielter, dem Erzählen des Patienten wird nicht mehr der zu seiner Entfaltung notwendige Raum gegeben, die Freiheit von Assoziieren und frei-schwebender Aufmerksamkeit wird zerstört.

Die Fokussierung auf die „sogen. „Störung“ ist die Kehrseite der Propagierung einer „verfahrensübergreifenden“ Psychotherapie – hinter der sich doch wieder nur der „imperialistische“ Anspruch einer einzigen Therapieform verbirgt, die sich als die alleinige „wissenschaftliche“, weil empirisch überprüfte darzustellen versucht: die Verhaltenstherapie. So Schulte, der „jede empirisch geprüfte Form von Psychotherapie zur Verhaltenstherapie“ erklärte (zit.n. Kächele & Strauß 2008, S. 409f.), oder Linden, der 2007 vorgeschlagen hatte, der Verhaltenstherapie überhaupt das Etikett „evidenzbasierte Therapie“ zu reservieren (S. 149).

Diesem Ansinnen widerspricht zwar das im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit erstellte „Forschungsgutachten zur Ausbildung von Psychologischen PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen“: „Ohne eine Berücksichtigung der unterschiedlichen wissenschaftstheoretischen und –methodischen Hintergründe der verschiedenen Verfahren und des jahrzehntelang erworbenen Erfahrungswissens in einem spezifischen Verfahren kann eine Übernahme verfahrensfremder Bausteine allerdings zu einem Professionalisierungsverlust führen“ (Strauß et al. 2009, S. 371).

Damit wird aber zugleich die (an sich sinnvolle) Verlegung der Ausbildung an die Universitäten problematisiert, denn diese würde - angesichts der ungleichen Repräsentanz der unterschiedlichen Verfahren an den Universitäten, speziell der massiven Überrepräsentiertheit der Verhaltenstherapie und der entsprechenden Unterrepräsentiertheit der Psychoanalyse – von anderen Verfahren ganz zu schweigen – die universitäre Ausbildung unter dem Etikett einer „verfahrensübergreifenden“ Ausbildung auf eine Ausbildung in Verhaltenstherapie reduzieren. Diese Tendenz ist bereits in dem Modellvorhaben der Techniker Krankenkasse „Qualitätsmonitoring in der ambulanten Psychotherapie“ realisiert, in dem die innerhalb der Verhaltenstherapie entwickelten Qualitätsmerkmale und -Kriterien in die Überprüfung der Qualität der anderen Therapieverfahren übernommen werden. (s. Sasse 2010).

Andererseits entspricht dieser „Imperialismus“ durchaus vorhandenen Anforderungen an die Psychotherapie, und zwar solchen, die aus der in der Folge der „Gesundheitsreformen“ entstandenen „Gesundheitswirtschaft“ kommen, wie Jürgen Hardt und Ulrich Müller (2009) darlegen: dort in der Gesundheitswirtschaft gehe es nicht mehr darum, Kranke zu versorgen und zu behandeln, Mitmenschen, die Hilfe und Unterstützung brauchen, sondern dort „wird das Produkt Gesundheit hergestellt, verwaltet und gehandelt, um es für möglichst alle kostengünstig auf dem Markt bereit zu halten“ (S. 275). Die Behandlungsrealität ist dem System (der „Gesundheitswirtschaft) in ihrer Sinnhaltigkeit fremd (S. 274). Aber: dieses „gibt alleine die Logik des Denkens vor, sie entwickelt die Sprache, der sich auch die Therapeuten bedienen müssen, […] Zugleich werden im aufgezwungenen Gebrauch der administrativ/ökonomischen Sprache das Denken der Therapeuten und somit langfristig auch die Behandlungspraxis verformt“ (S. 274).

 

Das Symptom, auf das sich die „störungsspezifische Diagnostik stürzt, ist aber erst nur die Eintrittskarte, die der Patient vorweist und die „Symptomfreiheit“ tritt häufig relativ bald in der Therapie ein, wenn der Patient genügend Vertrauen gefunden hat, das Symptom fallen lassen zu können und sich dem zuzuwenden, was er, auch mit Hilfe des Symptoms, verdrängt hatte, was ihn aber grundlegend belastet. Folgte man der Symptom-orientierten Diagnostik, so wäre dann die Therapie zu Ende, wenn sie beginnen sollte. Vom Therapeuten als Diagnostiker und Behandler wird ein Wissen verlangt, das er gar nicht hat. Denn Therapie, psychoanalytische zumal, ist ein – begleiteter – Weg ins Ungewisse, Unbewusste.

Vor diesem Weg haben viele Patienten Angst. Deshalb klammern sie sich an ihre Symptome und deshalb greifen sie zur Pille, die verspricht die Symptome zum Verschwinden zu bringen – ohne die Gefahr, das dunkle Ungewisse sichtbar werden zu lassen. Daher die naturwissenschaftliche Orientierung, die in der Pille sich materialisiert und die dem Therapeuten das Wissen zuschreibt, dass alles in seinen kontrollierbaren Grenzen gehalten werden kann – der Weg, die Frage nach dem Sinn der Symptome nicht stellen zu müssen.

 

V. Die Allianz von Psychoanalyse und Neurowissenschaften in der Negation der Willensfreiheit

Wir können darin eine gesellschaftlich allgemeine Haltung erkennen, nach dem Sinn dessen, was wir tun, was uns begegnet und widerfährt, nicht zu fragen. Ist diese Haltung nicht „konsequent“, angesichts der herrschenden Unsinnigkeit eines immer größeren Teils unseres Lebens, seiner gesellschaftlichen Regelung? Ist es nicht unsinnig, dass immer mehr Menschen keine Arbeit finden, von der sie leben können und gleichzeitig die Arbeitszeit verlängert wird? Ist es nicht unsinnig, dass immer mehr gesellschaftlicher Reichtum vergeudet wird, in Produkten, an die wir zwar gewöhnt sind, deren Wert aber immer mehr lediglich in ihrer Neuheit besteht, während auf der globalisierten Erde täglich Millionen an Hunger sterben müssen?

An diesem Unsinn, dieser Sinnlosigkeit nicht zu verzweifeln, erfordert ungeheure Energien an Verdrängung, um die Sinnfrage nicht aufkommen zu lassen. An dieser Verdrängung arbeiten die Medien und PR-Agenturen, die gleichzeitig das Geschäft der Unternehmen, der Pharmaindustrie besorgen, die uns die Mittel der Verdrängung zur Verfügung stellen.

Die Wirkung dieser ihrer Reklame für die naturwissenschaftliche „Therapie“, für die Pillenindustrie, die Pharmakonzerne geht also über den unmittelbaren – behaupteten – Zusammenhang von Naturwissenschaft und Therapie hinaus. Und dies nicht als „Neben“wirkung, sondern als durchaus beabsichtigte wenn man bedenkt, dass die Feier der Erfolge der Naturwissenschaften, der Gehirnforschung, der Genetik, sich vornehmlich dem Bereich von Willens- und Entscheidungsfreiheit zuwendet (Möhlenkamp 2008), dass pseudophilosophische Diskussionen vom Zaun gebrochen werden, mit der triumphalistischen Botschaft: “die Willensfreiheit habe keine naturwissenschaftliche Erklärung“.

„Schlecht für die Naturwissenschaften“ – müssten wir sagen, könnten wir sagen, wenn wir cool genug blieben, Naturwissenschaft als lediglich ein anderes Sprachspiel zur Kenntnis zu nehmen und nicht als eine „grundlegendere“ Wissenschaft, eine, die die Psychologie fundieren würde.

Sprachspiele haben es an sich, dass nicht das eine dem anderen übergeordnet werden kann (aus epistemologischer Perspektive; s. Lyotard 1983) – dass es vielmehr eine Frage der Hegemonie, des hegemonialen Anspruchs ist, wenn ein Sprachspiel das andere dominieren möchte, wie das gegenwärtig mit dem Anspruch der Biologie oder Neurowissenschaften der Fall ist, Probleme der Psychologie, der Psychotherapie, der Philosophie zu lösen, Antworten geben zu können. Manfred Velden spricht deshalb von „Biologismus“ als spekulativer Deutung biologischer Ergebnisse, die diese zu einem Weltbild überhöht, das die Biologie lediglich als Grundlage benützt für ihren Angriff auf die Willensfreiheit (Velden, S. 142 ff).

Und die Philosophen antworten auf diese Herausforderung mit der Unterscheidung zwischen dem „Raum der Gründe“ und dem der Ursachen (Sellars, 1997). Die Frage nach den Gründen verbiete einen Determinismus, den die Frage nach den Ursachen durchaus erlaube. Der Handelnde sei dann frei, wenn er wolle, was er als Ergebnis seiner Überlegung für richtig halte, hält Habermas fest. Als Unfreiheit erfahren wir nur einen von außen auferlegten Zwang, der uns nötigt, anders zu handeln, als wir nach eigener Einsicht handeln wollen.

Indem Habermas an dem Unterschied (der Erfahrung) von Unfreiheit gegenüber Freiheit festhält und diesen Unterschied auf das Vorhandensein bzw. Fehlen eines „von außen auferlegten Zwangs“ zurück bindet, also auf Unterschiede im „außen“, weist er die neurobiologische Widerlegung der Willensfreiheit zurück. Aber der philosophische Rekurs auf die „Erfahrung“, mit der Habermas gegen die Neurobiologen argumentiert, reicht allerdings nicht aus. Dieser kann dem Argument der „Selbsttäuschung“ nicht begegnen, mit dem die Biologisten die („Erfahrung“ der) „Willensfreiheit“ „widerlegen“. Denn: Wir erfahren auch einen „inneren“ Zwang als Unfreiheit, und wir erleben nicht jeden äußeren Zwang als Zwang, Beschränkung unserer Freiheit.

Die philosophische Stoßrichtung gegen den neurobiologischen Reduktionismus wird von der „Erfahrung“ nicht bestätigt; die „Erfahrung“ ist kein Argument gegen die Neurowissenschaften, im Gegenteil, die Neurowissenschaftler drehen das Argument der Philosophen einfach um. Sie bestreiten: den Status des Bewusstseins als unabhängig – von Kräften „Jenseits des Bewusstseins“. Die philosophische Kritik stellt sich selbst ein Bein mit ihrem Rekurs auf die „Erfahrung“, sie bereitet dem Biologismus selbst den Weg, indem sie diese Dimension „Jenseits des Bewusstseins“ den Biologisten überlässt.

„Jenseits des Bewusstseins“: das Feld der Psychoanalyse: das „Unbewusste“. Die philosophische Kritik meint ohne die Dimension des Unbewussten auszukommen, versucht „mit dem Rücken zum Unbewussten voranzuschreiten“ (Foucault 1966/1971, S. 477).

Im Gegensatz dazu haben die Biologisten verstanden, sich der Allianz der Psychoanalyse zu versichern, in dem sie behaupten, sie würden “die Entdeckung Freuds bestätigen“ – und die Psychoanalyse, bzw. die ihre ersten Vertreter und Wortführer in dieser Debatte waren ihnen dankbar (s. Hüther 1997; Leuzinger-Bohleber, Mertens & Koukou 1998; Starobinski, Grubrich-Simitis & Solms 1999). Mittlerweile haben sich Gegenstimmen erhoben (vgl. Bock et al. 2005; Buchholz 2005, 2009; Lehmkuhl & Lehmkuhl 2008). Zugleich sind die Neurowissenschaftler selber kleinlauter geworden (s. Elger et al. 2004). Doch es gibt sie immer noch, die unbeirrt daran festhalten, dass „die biologischen Mechanismen“ die „mentale Aktivität erklären“ (Beutel 2009, S. 384). Doch ist das „Unbewusste“ der Hirnforscher wirklich das der Psychoanalyse?

Freud hatte tatsächlich damit geliebäugelt, das Unbewusste in den biologisch-physiologischen Prozessen zu fundieren. Die heutige Allianz von Psychoanalyse und Neurowissenschaften greift also einen alten Traum Freuds auf: die „Neuronen“-Theorie des Entwurfs von 1895 wäre der Bezugspunkt.

Doch damit ist nicht viel über die Angemessenheit gesagt, diesen Traum in der Realität bestätigen zu wollen, im Gegenteil, dieser Wunsch wäre dem Habermas´schen Urteil des „szientifischen Selbstmissverständnisses“ zuzurechnen – es sei denn, man interpretierte Freuds „Neuronen“-Theorie“ wie Derrida (1966): nicht als Programm zur Untersuchung der tatsächlichen Struktur und Prozesse auf der Ebene der Neuronen und Synapsen, sondern als Metaphorik.

Dass es diese Neuronen nicht gibt, die Freud postulierte, muss ihm selbst klar gewesen sein, folgt man Derridas Argumentation. Und damit muss Freud die Unmöglichkeit klar gewesen sein, die Prozesse des Unbewussten auf der Ebene der Neurowissenschaft abzubilden. Wie andere, allerdings spätere Äußerungen Freuds erkennen lassen, war er sich im Gegenteil des „konstruktivistischen“ Charakters seiner theoretischen Annahmen bewusst (Freud 1937), wenn er seine Metapsychologie als „unsere Mythologie“ bezeichnete.

Die empirische Basis der Psychoanalyse war auch bei Freud keineswegs die Untersuchung auf der Ebene der Neuronen-Prozesse, sondern das Gespräch mit dem Patienten. Darin erhielten die Metaphern ihren Stellenwert und ihren Sinn. „Bestätigung“ kann die Psychoanalyse also nicht erhalten durch Ergebnisse von Untersuchungen, die außerhalb des psychoanalytischen Gesprächs durchgeführt wurden.

Aber die Allianz mit der Psychoanalyse ist vielleicht für die Neurowissenschaften sinnvoll. Natürlich kann auch die Psychoanalyse die Neurowissenschaften ebenso wenig „bestätigen“, wie umgekehrt die Neurowissenschaften die Psychoanalyse. Der „Sinn“ der Allianz liegt für die Neurowissenschaften auf einer anderen Ebene.

Die Übertragung der psychoanalytischen Konzepte in die Neurowissenschaften übergeht die unterschiedliche empirische Basis ihrer Gewinnung. Außerhalb dieser empirischen Basis (des psychoanalytischen Gesprächs) verändert sich der Status und die Funktion, ja die Gültigkeit der psychoanalytischen Konzepte und Konstruktionen. Sie sind nicht länger Deutungen im psychoanalytischen Sinn – Deutungen, die der Patient bestätigen muss: und zwar durch die „Fortsetzung des Gesprächs“, durch Produktion neuer Einfälle, wozu auch das Nein gehört, der Widerstand. Sie sind vielmehr etwas anderes, abhängig, bestimmt durch die Struktur, die Diskursform, in der sie auftreten, in die sie eingeführt werden. Sie sind “Argumente“ in einem Meinungsstreit, bzw. werden als solche benützt, die zugleich ihre Überzeugungskraft daher gewinnen (sollen), dass sie aus einem anderen Bereich stammen, mit der Behauptung versehen, dass anderswo das selbe gefunden worden sei – was wiederum nur behauptet werden kann, wenn man die unterschiedliche empirische Basis leugnet.

Für die Neurowissenschaften liegt der Sinn der Allianz mit der Psychoanalyse darin, einen Verbündeten zu haben, für ihren Kampf gegen die Willensfreiheit. Auch die Psychoanalyse hält nicht allzu viel von der Willensfreiheit: das Bewusstsein, das Ich, ist für sie der “dumme August“. Ihr Argument: das „Unbewusste“. Wenn man das Unbewusste der Psychoanalyse biologistisch „bestätigt“, dann hat man ein festes Band zwischen beiden.

Hier schließt sich der Kreis: die wechselseitige Bestätigung von Psychoanalyse und Neurowissenschaft – suggeriert durch die Verleugnung, dass ihre Gültigkeit an eine jeweils andere, je unterschiedliche empirische Basis ihrer Gewinnung gebunden ist – findet ihren „Sinn“ im Bestreiten der Willensfreiheit – der „Sinn“, die Botschaft des neurowissenschaftlichen Diskurses. Die Frage nach dem Sinn (meiner Entscheidung) –  die Frage, mit der das Individuum die Therapie aufsucht – sie braucht nicht gestellt zu werden, denn es gibt keine Freiheit der Entscheidung.

 

VI. Ablenkung von der Frage nach dem Sinn

Aber die Negierung der Willensfreiheit vor dem Gerichtshof der Naturwissenschaft schielt nicht nur auf die Therapie, sondern zugleich auch – bzw. in 1. Linie – auf das alltägliche Bewusstsein und die alltägliche Erfahrung: die Erfahrung, dass wir tatsächlich in der Freiheit unserer Entscheidung eingeschränkt sind, dass wir uns tatsächlich die Frage nach dem Sinn der Regelung unseres Alltags, unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens stellen können, immer mehr zu stellen uns gedrängt sehen: die Frage nach dem „Sinn“ einer Verteilung der Arbeit, die immer mehr Arbeitslosigkeit produziert (Sozialabbau), die Frage nach dem Sinn des ständig wachsenden ungeheuren Reichtums bei gleichzeitig wachsender Armut (Ziegler 2005).

Dass wir nicht mehr fragen, welchen Sinn macht die ökonomische Orientierung auf privaten Profit, statt auf gesamtgesellschaftlichen Nutzen? – vom Nutzen für den Einzelnen ganz zu schweigen, und erst recht von den Kosten des privaten Profits für die Allgemeinheit. Diese Frage wird nicht mehr gestellt, sie wird - mit der Frage nach dem Sinn - durch die naturwissenschaftliche Orientierung in der Diskussion über Therapie wie außerhalb ausgeschlossen, indem diese naturwissenschaftliche Orientierung eine naturwissenschaftliche Erklärung anbietet, eine Erklärung, die selbst die Gründe für Armut, Arbeitslosigkeit und Sinnleere in unserer „Natur“ zu finden behauptet (wie z.B. Lynn & Vanhanen 2002 in den „genetisch“ bedingten Intelligenzunterschieden - was in der Zwischenzeit von Sarrazin aufgegriffen worden ist: s. Müller 2010, Lieb 2010, Zander 2010, Heitmeyer 2010, Wagner 2011a & b, Darsow 2011, Bahners 2011).

Die „Argumente“, mit deren Hilfe die ökonomischen Interessen der (Pharma)Industrie und Neurowissenschaft sich unsere Zustimmung zu gewinnen versuchen, stellen zugleich eine Antwort auf die gegenwärtige Situation dar: ein Versuch, die Zukunfts- (und auch die Gegenwarts)Ängste von immer mehr Menschen zu entkoppeln von den Angst machenden Lebens- und Arbeitsbedingungen, von drohender Arbeitslosigkeit, Erwerbslosigkeit, Unsicherheit des Alters und der medizinischen Versorgung, und diese statt dessen auf Bedingungen unserer „Natur“ zurückzuführen und an diese zu binden.

Dies ist tatsächlich der „Sinn“ des Biologismus, des naturwissenschaftlichen Diskurses menschlicher Situation, gesellschaftlicher Probleme: diese beunruhigenden Fragen nach dem Sinn abzulenken von den gesellschaftlichen Bedingungen der Macht und umzulenken auf die Macht unserer „Natur“.

 

VII. Reden über die Natur – Schweigen über die Macht

In dieser Perspektive ist der Biologismus ein Diskurs der Macht. Er schiebt eine „Macht der Natur“ vor die „Macht der Mächtigen“, der Menschen in ihren Verhältnissen. Er trägt zu ihrer Affirmation bei, indem er uns „Argumente“ bietet, die uns zur Zustimmung bewegen sollen, indem er die Macht unbewusst macht, hinter den Phantasmen, die er vor die Macht schiebt, verschwindet lässt (Bruder 2004, 2009, 2011).

Das war es, woran der Philosoph unbeholfen in Kategorien der Erfahrung festhalten wollte: die Tatsache, dass es „Zwang“ gibt, der „von außen auferlegt“ ist: Herrschaft, hinter der die Macht sich zugleich verbirgt. Unbeholfen, weil er im Rekurs auf die Erfahrung übersieht, ausblendet, dass wir diese Macht, nicht immer „erfahren“, bzw. dass wir sie nicht immer als „von außen auferlegt“ erfahren. Die Macht wirkt (auch) ohne im Bewusstsein registriert zu werden, sie wirkt „unbewusst“ (Bruder 2005a). Die Macht, die unser Denken, Wahrnehmen, Fühlen und Handeln bestimmt – gegen unseren Willen und hinter dem Rücken unseres Bewusstseins – ist nicht (nicht nur) unsere – biologisch fassbare – „Natur“, sondern auch unsere soziale, gesellschaftliche. Die gesellschaftlichen Kräfte, die uns lenken, sind (ebenso) unbewusst, wie unsere organische „Natur“ (Bruder 2005c). Dieses Unbewusste den Biologisten zu überlassen, befördert ihren Diskurs, und damit den Diskurs der Macht.

In diesem Diskurs wird also nicht nur die Frage nach dem Sinn der Symptome ausgeschlossen, sondern zugleich die nach dem Sinn der „Ursachen“. Und zwar nicht nur dem individuellen Sinn (der Ursachen), dem Sinn, den das Individuum den Ursachen gibt, sondern dem gesellschaftlichen. Es wird nicht nur geleugnet, dass wir sinnproduzierende Wesen sind, dass wir Antworten auf die Frage nach dem Sinn brauchen, um als Individuen zu überleben, dass alles, was wir tun, unter einem Sinnhorizont von uns (nur) getan werden kann und deshalb auch an alles, was uns begegnet, die Frage nach dessen Sinn gestellt wird, nach der Verursachung und deshalb auch nach dem Sinn gesellschaftlicher Zustände.

Wir geben dem, was uns begegnet einen Sinn, weil wir „verstehen“ wollen was läuft und was Sache ist, ebenso wie wir unsere Antwort auf das, was uns widerfährt in einem Sinn-Horizont entwerfen, weil unsere Antwort bereits den Sinn (des Widerfahrenden) gedeutet haben muss, um eine „sinnvolle“ Antwort sein zu können.

Wir sind in der Zuschreibung von Sinn frei, in dem Sinn, dass unsere Antwort wie unsere Deutung individuell sind. Allerdings haben wir diese Freiheit der Sinn-Produktion nur als Gattungswesen, als „anthropologische Ausstattung“, jedoch nicht in derselben Weise und Umfang als konkrete Individuen (mit je unterschiedlicher gesellschaftlicher Position und Ressourcen).

Als einzelne konkrete Individuen sind wir durchaus nicht frei, jeden beliebigen Sinn zu erfinden – ohne als „verrückt“ zu gelten, ausgeschlossen zu werden, unserer Freiheit beraubt. Die Freiheit der Gattung realisiert sich in der Gebundenheit des einzelnen an – wenngleich offensichtlich durchaus Gattungskompatible – soziale Vorgaben. Was gesellschaftlich als sinnvoll definiert ist, bestimmt auch die individuelle Sinn-Produktion. Den gesellschaftlichen „Sinn“ nicht zu erfüllen, ist deshalb nicht nur gesellschaftlich wertlos, sondern auch individuell.

Arbeitslosigkeit ist das – in unserer Gesellschaft – eindrücklichste Beispiel (Hunger, vor Hunger sterben zu müssen in anderen Regionen). Dieses Beispiel zeigt: individuell wertvoll, weil gesellschaftlich wertvoll, ist: sich bis zur Erschöpfung ausbeuten zu lassen, sich bis zur Selbstverleugnung unterzuordnen. Wer das nicht tut, ist nicht wertvoll, produziert keinen Wert, ist (wie die Diskussion über Arbeitslose zeigt) aus der Gemeinschaft der Wertvollen, weil Wertschaffenden ausgeschlossen.

Der Diskurs der Macht, der durch die Medien vermittelte herrschende Diskurs, zeichnet sich dadurch aus, dass er das nicht so (offen) formuliert, ausspricht, sondern verdeckt, dass er den Zusammenhang umdreht, die Ursache zur Folge verdreht, die Folge zur Ursache. Nicht: Wer keinen Wert produziert ist (deshalb) nicht wertvoll, sondern weil er nicht wertvoll ist, produziert er keinen Wert. Die gesellschaftlichen Bewertungen werden zur Folge der psychologischen erklärt, die psychologischen werden zum Grund der gesellschaftlichen gemacht (Bruder-Bezzel 2005).

Deshalb spricht dieser Diskurs der Macht auch nicht von Ausbeutung und Unterordnung – weder diejenigen, die Ausbeutung und Unterordnung verlangen, tun dies, noch diejenigen, die sich unterordnen und ausbeuten lassen (müssen) – sondern von: „Autonomie“ und „Selbstverwirklichung“. Boltanski & Chiapello (1999) sahen darin einen „neuen Geist des Kapitalismus“. Dieser habe Autonomie und Selbstverwirklichung, Authentizität und Kreativität in sich aufgenommen, als Versprechen, die er zu erfüllen vorgibt, aber zugleich auch als Forderung an die einzelnen, kreativ sein zu müssen, sich selbst verwirklichen zu müssen. Als Forderung auch an denjenigen, der dazu keine Möglichkeit hat, weil er gar keinen Arbeitsplatz hat. Sein Ausschluss aus der „Gemeinschaft der Wertvollen“ wird ihm selbst zur Last gelegt. Die Tatsache, dass er keinen Arbeitsplatz hat, wird zur Folge seiner Unfähigkeit erklärt, sich ausbeuten zu lassen und sich unterzuordnen. Sein Protest, sein Versuch, Würde und Wert zu behaupten, findet im gesellschaftlichen Sinn-Horizont keine Resonanz, keinen Platz. Im gesellschaftlichen Sinnhorizont kommt Arbeitslosigkeit nicht vor – nicht als gesellschaftliches Problem, sondern als individuelles, im gesellschaftlichen Sinnhorizont ist der Besitz eines Arbeitsplatzes stillschweigend vorausgesetzt.

So wie im gesellschaftlichen Sinnhorizont Arbeitslosigkeit nicht vorkommt – ebenso wenig wie Ausbeutung und Unterordnung – so auch nicht im individuellen. Auch die Arbeitslosen, diejenigen, denen die Ausbeutung, Unterordnung verwehrt wird, haben andere Sorgen: nämlich zu allererst überhaupt einen Arbeitsplatz zu bekommen, zurück in die Ausbeutung, Unterordnung, Entfremdung zu finden.

Obwohl Ausbeutung, Unterordnung Entfremdung im gesellschaftlichen Sinn-Horizont nicht vorkommen, bleiben die Folgen von Ausbeutung, Unterordnung Entfremdung gleichwohl bestehen, ja, verstärken sich: Boltanski & Chiapello berichten von einem Steigen der (Durkheimschen) Anomie-Indikatoren seit den 70er Jahren: die Beziehungen werden immer kürzer, die Selbstmordrate steigt, ebenso wie der Konsum von Psychopharmaka (S. 454). Unmut, Unzufriedenheit und Leiden breiten sich aus. Boltanski & Chiapello sehen den Grund dafür nicht nur in der zunehmenden beruflichen Unsicherheit und Verelendung, sondern zugleich darin, dass die Menschen „immer geringere Einflussmöglichkeiten auf ihr soziales Umfeld“ haben (S. 452).

Die Anforderungen des „neuen“ Geistes des Kapitalismus erwiesen sich als unerfüllbar, seine Versprechungen sind als Illusionen aufgeflogen. An die Stelle der Sprache der Selbstverwirklichung musste deshalb eine andere treten: die Sprache der ökonomischen „Notwendigkeit“: die „Globalisierung“ verlange die „Reform“ des Sozialstaats, die Zurücknahme der Errungenschaften der gewerkschaftlichen Kämpfe. Die „Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt“ sei „nur durch Reduzierung der Kosten der Arbeitskraft zu erhalten“ lautet die neue Botschaft. Die Verschärfung der Konkurrenz wird zugleich auch nach innen getragen, ins Innere der Gesellschaft: Die neueste Ausgabe der Studie „Deutsche Zustände“, herausgegeben vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung in Bielefeld, stellt eine “deutliche Vereisung des sozialen Klimas” fest, eine „rohe Bürgerlichkeit“ und einen „zunehmenden Klassenkampf von oben“ (Heitmeyer 2010). Dieser bedient sich der Feindbilder der „muslimischen Fundamentalisten“ und “wirtschaftlich Nutzlosen” (s. a. Bruder-Bezzel 2011, Wolf 2011).

Beide, sowohl die Rede von der ökonomischen „Notwendigkeit“, als auch die Verachtung der Ausgeschlossenen sind „Deutungsmuster der sozialen Wirklichkeit“ (Boltanski & Chiapello, 147), die unserem „Handeln und den Strukturen Sinn geben“ sollen (147), eine „Sinn“-Produktion: die Behauptung, den „Imperativen“ der Globalisierung könne „man“ sich nicht entziehen – es sei denn man sei ein „Versager“, ein „Schmarotzer“ oder ein Feind der Gesellschaft, auf jeden Fall als nutzlos und/oder gefährlich aus der Gemeinschaft auszuschließen. Nicht die Sinn-Produktion überhaupt wird abgeschafft, sondern jene (individuelle Sinn-Produktion der Subjekte), die die gesellschaftliche Sinnproduktion in Frage stellen könnte – und damit die Zustimmung zum Diskurs der Macht. Deshalb wird die „naturwissenschaftliche“ Argumentation wichtiger: mit ihrer Hilfe kann die individuelle Sinnfrage als unsinnig abgewiesen werden, ohne die Interessen der Macht offen legen zu müssen – „unsinnig“, weil „wissenschaftlich“ nicht begründbar.

 

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Klaus-Jürgen Bruder, Psychoanalytiker, Professor für Psychologie, Freie Universität Berlin, Arbeitsschwerpunkte: Theorie und Geschichte der Psychologie, Psychoanalyse, Postmoderne.
Herausgeber der Schriftenreihe »Subjektivität und Postmoderne« im Psychosozial-Verlag Giessen. Mitherausgeber der Zeitschrift »Geschichte der Psychologie«
Veröffentlichungen u.a.: Psychologie ohne Bewußtsein. Die Geburt der behavioristischen Sozialtechnologie. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1982; Jugend. Psychologie einer Kultur. (mit Almuth Bruder-Bezzel) München: Urban & Schwarzenberg 1984; Subjektivität und Postmoderne. Der Diskurs der Psychologie. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1993; Monster oder liebe Eltern. Sexueller Mißbrauch in der Familie. (mit Sigrid Richter-Unger) Berlin, Weimar: Aufbau-Verlag 1993, 2. Auflage: Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1997; »Die biographische Wahrheit ist nicht zu haben«. Psychoanalyse und Biographieforschung. Giessen: Psychosozial-Verlag 2003; Kreativität und Determination. Studien zu Nietzsche, Freud und Adler (mit Almuth Bruder-Bezzel). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2004; Lüge und Selbsttäuschung (mit Friedrich Voßkühler). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2009.

Mail: Klaus-Juergen.Bruder ( ät ) FU-Berlin.de



[i] Symposium „Das Unbehagen in der (Psychotherapie-)Kultur. Sinnverstehende Traditionen – Grundlagen und Perspektiven, Bonn 17./18. März 2006

[ii] Es erscheint eher wie eine Karikatur, wenn Grawe (2004) ins Schwärmen kommt: “Aber (beim Neuropsychotherapeuten) kommen zusätzliche Überlegungen hinzu. Vor seinem inneren Auge sieht er die seit langem überaktivierte und deshalb hypertrophierte Amygdala von Frau H. (chronisch depressive Pat.), die selektiv überempfindlich auf emotional negative Situationen anspricht. Sie hat gut entwickelte Verbindungen zum ventromedialen präfrontalen Cortex, dessen Aktivierung mit negativen emotionalen Zuständen verbunden ist… Der Th. ist sich im Klaren: Er muss die Aktivierung dieser hypertrophierten Verbindungen hemmen und die verkümmerten Synapsen im linken präfrontalen Cortex so oft wie möglich aktivieren…“ (zit. n. Beutel 2009, S. 390)

[iii] nachzulesen bei: InEK GmbH – Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus 2007, 2008, 2009, 2010

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