Der Arbeitskreis Psychologie und Postmoderne

Von Thomas Khurana & Birgit Müller


1. Ein Arbeitskreis im Zwischen: Orte, Arbeitsweisen, erste Fragen

Der Arbeitskreis Psychologie und Postmoderne, der seit 1995 an der FU Berlin existiert, lebt nicht von einem festen Auftrag oder einem fixierten Forschungsprogramm, sondern von den Kontakten und Arbeiten seiner Teilnehmerinnen und Teilnehmer und mithin auch von ihren Bezügen zu anderen Institutionen wie Zeitschriften (Psychologie und Geschichte, Psychologie und Gesellschaftskritik), Aktionsgruppen (Foucault-Tribunal) sowie diversesten anderen Praxis-, Forschungs- und Lehreinrichtungen, über die Referentinnen und Referenten für die Vorträge des Colloquiums sowie Partner und Anregungen für weitere Veranstaltungen gewonnen werden. Dabei ist dem Arbeitskreis in diesen Kontakten Offenheit und Vielgestaltigkeit ein Anliegen, da er nicht als Hauptaufgabe akademische Absetzung und Profilierung verfolgt, sondern vielmehr das Interesse hat, Zwischenräume auszuloten, Heterogenes in Kontakt und mithin Neues in Gang zu bringen.

Der Arbeitskreis stellt ein grundsätzlich offenes Arbeitsforum dar, dessen allgemeine Zielsetzung, dessen konkrete Projekte und dessen Arbeitsform nur durch die Teilnehmenden selbst Konturen gewinnen können. Der Arbeitskreis ist dabei in erster Linie das Gremium, das die Planung und Gestaltung des Colloquiums Psychologie und Postmoderne leistet. Dieses Colloquium will ein Forum sein, in dem jene Figuren, die dem postmodernen Diskussionsfeld zugerechnet werden, ein wesentlicher Bezugspunkt sind für die Reflexion und Ausarbeitung psychologischer Fragen. Das hier gemeinte postmoderne Diskussionsfeld läßt sich indexikal umreißen durch die Nennung solcher Richtungen wie der narrativen Psychologie und des sozialen Konstruktivismus (Davis, Gergen, Harré, Scheffer, Shotter, Vaasen usf.), der (neo)pragmatistischen Philosophie und Psychologie (James, Rorty), der strukturalen und poststrukturalistischen Psychoanalyse (Lacan, Derrida, Deleuze/Guattari), der poststrukturalistischen feministischen Diskussion (Butler), der Philosophie der Differenz (Deleuze, Derrida, Lyotard), der Macht- und Diskursanalyse (Foucault) und nicht zuletzt der Theorie der Postmoderne selbst (Lyotard).

Gezielt wird mit den Vorträgen des Colloquiums auf eine offene Diskussion und entsprechende Bewegung, die den Veranstaltungen den Charakter des Werkstattgesprächs geben. Es geht mithin nicht darum, eine distinkte akademische Richtung zu konturieren und zu verteidigen, eine Schule postmoderner Psychologie zu begründen und darzustellen. Es handelt sich vielmehr um die Erschließung eines neuen und offenen Diskussionsfeldes, dem unausgeschöpfte Reflexions- und Theoriepotentiale zugetraut werden.

Dabei sind die Colloquien, die es dazu in den vergangenen Jahren gegeben hat, eben ein Mittel um diese Diskussion in einem öffentlichen Rahmen zu führen. Potentiell aber sind auch andere Formen denkbar, um eben diesem Ziel näher zu kommen: Podiumsdiskussionen, Literatur- und Theorie-Performances, schriftliche Beiträge aus dem Arbeitskreis oder dem Colloquium usw. Die Wege, wie die Diskussion zu führen ist, abzuwägen und zu realisieren, ist die Aufgabe des Arbeitskreises. Deutlich ist dabei, daß es in keiner Weise eine Verpflichtung auf die Form des expliziten fertigen Vortrags geben soll. Dozenten, Graduierte wie Studierende sollen für Vorstellung ihrer eigenen Arbeiten gewonnen werden und der Schwerpunkt mehr auf dem gemeinsamen Gespräch als auf akademischer Positionierung liegen. Der Arbeitskreis soll eine Plattform bieten für Themen und Formen, die Bewegungen und Brüche ins diskursive Spiel bringen und Unterwerfungen unter festgefügte Theoriegehäuse meiden. Es geht dem Arbeitskreis darum, die Zwischenräume zu erkunden in Eindeutigem, Festgeschriebenem, in tradierten Texten, zwischen den Disziplinen. Der Diskurs der Postmoderne soll in den der Psychologie hineingelangen, in dem er bislang keinen Platz hatte. Während andere Fachgebiete wie z.B. die Literaturwissenschaft, Philosophie, Informationswissenschaften, Kulturwissenschaft sich eher den "postmodernen Herausforderungen" (vgl. Psychologie und Gesellschaftskritik, 1992, Heft 63/64) widmeten, gab und gibt es für die Psychologie einen Nachholbedarf, der um so schwerer wiegt, da zentrale Gegenstände des Faches von diesen Herausforderungen direkt betroffen sind.

Die Fragen, mit denen der Arbeitskreis 1995 begann, Psychologie und Postmoderne in Kontakt zu bringen, gruppierten sich zu drei assoziativen Feldern:

(1) Postmoderne als Zeitdiagnose

(2) Postmoderne als Kritik an den Universalitätsansprüchen der Moderne

(3) Postmoderne als (Denk-) Stil

Zu was diese drei Felder von Fragen Anlaß gaben, zeigen die in den Berichten aus dem Colloquium Psychologie und Postmoderne Berichten aus dem Colloquium Psychologie und Postmoderne zusammengefaßten Beiträge.



2. Zum Status des Begriffs Postmoderne

Einen Arbeitskreis mit dem Titel Psychologie und Postmoderne zu überschreiben, stellt unweigerlich vor die Frage, was das eigentlich sein soll, diese sogenannten Postmoderne - und mehr noch, ob dieser Term "Postmoderne" überhaupt geeignet erscheinen kann als ein Leitbegriff. Die Veröffentlichungen zum Begriff der Postmoderne sind mittlerweile Legion. Die Anzahl hat ein überschaubares Maß längst überschritten und erlaubt nur noch selektive Zugriffe auf die Frage nach dem Status dieses Begriffs. Da aber andererseits die Redundanz der Bestimmungen, Argumente und Stellungnahmen ebenso beträchtlich ist, verurteilt ein selektiver Blick in die Textbestände nicht unbedingt zu Beliebigkeit.

Für den selektiven Blick (vgl. dazu das Literaturverzeichnis), den wir auf die Diskussion um den Begriff legen, zeigt sich, daß der Begriff von Anfang an durch eine eigentümliche Verbindung von hoher Verbreitung wie Attraktivität einerseits und gleichzeitiger scharfer Kritik andererseits ausgezeichnet war. Dabei insistierte J.F. Lyotard, der den Begriff zuallererst in die philosophische und gesellschaftstheoretische Debatte eingebracht hatte (Lyotard, 1982), durchaus nicht auf dem Begriff als Leitvokabel für die ihn interessierenden gesellschaftlichen Entwicklungen und deren philosophisch-theoretische Korrelate, sondern machte seine Distanz zu dem Begriff deutlich und schlug alternative Formulierungen wie "die Moderne redigieren" (Lyotard, 1988) vor. Diejenigen, die sich der Postmoderne zurechneten, taten dies meist mit diskret ironischem oder distanzierendem Gestus: Man fand sich selbst in einer "sogenannten Postmoderne" wieder oder bekundete die Zugehörigkeit zu einem Feld, das der Postmoderne von - wie immer präzisierten oder im Dunkel gelassenen - anderen zugerechnet wurde. Es handelt sich im Grunde nur in Ausnahmefällen um eine emphatische Kategorie, die zum Ausrufen eines neuen Programms dient: die Plädoyers für den aktiven Übergang in die Postmoderne sind selten. Dies natürlich mit gutem Grund, da die emphatische Verkündung eines zukünftigen intellektuellen Programms in dieser Form ein sehr progressivistischer, ja: moderner Gestus wäre. Zum "postmodernen" Gestus gehört vielmehr die Distanznahme, die Position einer Beobachtung zweiter Ordnung, eine ironische Skepsis gegen emphatische und heroische Programme und ein Abschied von teleologischen Geschichtskonzeptionen und den entsprechenden utopischen Vorstellungen.

Zudem eignet sich die Postmoderne nicht besonders für eine emphatische Verkündung, da die Vokabel "Postmoderne" in vielen frühen und prominenten Verwendungen eine vor allem diagnostische Bedeutung hatte: Es ist das, was im Moment in den entwickeltsten Wissensgesellschaften der Fall ist, es ist das, was geschieht und nicht etwas, das man sich anschickt, aktiv und selbsttätig herbeizuführen.

Die Verwendung des Terms für den Titel des Colloquiums entsprach diesen Verwendungen als diagnostische Vokabel, wie als distanzierte, gleichsam in zweiter Hand verwandte Beschreibung eines Feldes von neueren Arbeiten der Geistes- und Sozialwissenschaften. Die das Colloquium näher angehende Frage ist dabei, ob "Postmoderne" nun genau in diesem Moment die beste Sigle ist, um diese diagnostizierte Lage und das gewünschte Feld von Texten anzuzeigen. Es fällt auf, daß in der Soziologie die Beschreibung der gegenwärtigen Kultur und Gesellschaft als Postmoderne eher an Boden verliert: Niklas Luhmann, der nie den Begriff der Postmoderne für die Beschreibung der gegenwärtigen Gesellschaft selbst in Anspruch genommen hat, lehnte in seinen letzten Arbeiten diese Begriffsoption zunehmend deutlich ab (vgl. nur Luhmann, 1997, Kap.5, XXIII) und betonte die strukturelle Kontinuität, die die Gesellschaft, die man eine moderne nennen kann, als funktional differenzierte in den letzten Jahrhunderten hatte. Er trifft in seiner Diagnose dabei viele Züge, die sonst in postmodernen Diagnosen vorkommen, macht selbst Parallelen in seinen theoretischen Grundentscheidungen zu Lyotard (bezüglich des Widerstreits), Derrida (in bezug auf die Differenz- und die Kommunikationstheorie) und Deleuze (in bezug auf die biserielle Sinntheorie) aus, lehnt aber genau die Rede von der Postmoderne ab, da es auf der strukturellen Ebene keinen Epochebruch gebe. Auch andere Autoren, die durchaus die Rede von der postmodernen Gesellschaft pflegten, schwenken jetzt auf die Rede von einer "zweiten Moderne", wie sie im Umfeld von U. Beck üblich ist, ein. Andere Diagnosen stellen ganz abseits dieser Ausdrucksdimension auf Begriffe wie Globalisierung, Informationsgesellschaft o.ä. ab, um die allgemeine Lage zu charakterisieren, fern von einem Bezug auf die Kontinuität oder Diskontinuität gegenüber einer Epoche der Moderne. Interessant ist hier, daß trotz der großen Differenzen dieser Soziologien in Sachfragen, sie in der Begriffsentscheidung, die gegenwärtige Gesellschaft nicht als postmoderne zu designieren, übereinkommen. Eine Ausnahme ist allenfalls Zygmunt Baumann, der auch in einem neueren Buch Postmodernity and ist discontents (1997) an dem Terminus festhält.

G. Vattimo (1997) hat die neue Reserve gegen den Postmoderne-Begriff - die sich nicht nur auf die Soziologie erstreckt, sondern sich ebenso in Philosophie, Literatur- und Kulturtheorie verbreitet hat, ja schon längst in der (Pop)Kultur angekommen ist (in den Dogma-Filmen, dem vermeintlichen neuen Realismus britischer Kunst und Dramatik, der herumspukenden neuen Ernsthaftigkeit und der mittlerweile zum Losungswort gemachten Songzeile Jarvis Cockers "Irony is over") - so zu erklären versucht, daß die übermäßige, inflationäre Verwendung des Begriffs ihn entwertet und viel von seiner Attraktivität genommen habe. Das wäre vor allem dann ein ernstzunehmender Anlaß, auch über die Ersetzung des Begriffes im Titel des Colloquiums nachzudenken, wenn es sich nicht nur um eine bloße Verschiebung akademischer Mode handelte, sondern wenn die Überbenutzung des Begriffes auch seine Extension stark vergrößert und ihn mithin unscharf gemacht hätte. Das wichtigste Kriterium ist so gesehen das Vermögen des Begriffes, eine gesellschaftliche Lage und ein akademisches Feld hinreichend trennscharf zu markieren. Hier nun ist für das Colloquium wegen seines Einzugskreises die im Feld psychologischer Theorien und Praktiken bekannte Verwendungsweise des Begriffes "Postmoderne" von vorrangiger Bedeutung - und eben hier scheint der Begriff die markierende Funktion, die in Soziologie, Philosophie und Kulturtheorie nicht mehr zweifelsfrei ist, behalten zu haben: Konstruktivistische psychologische Theorien, narrative Ansätze, Lacansche Psychoanalyse, poststrukturalistische Feminismen, subjektkritische Entwürfe scheinen klarerweise mit der Marke "Postmoderne" verknüpft zu sein und erwartbar, wenn man ein Colloquium "Psychologie und Postmoderne" überschreibt. Folglich ist in diesem spezifischen Kontext, für dieses an Psychologie geknüpfte Diskussionsforum das Beibehalten des Titels zu empfehlen.

Zugleich verpflichten die begrifflichen Verschiebungen, die den Begriff Postmoderne in den letzten Jahren allgemein begleitet haben, zu einem distanzierten und vermittelten Verhältnis zu dem Begriff, den man aus pragmatischen Gründen, aber nicht um seiner selbst willen, wahrt. Das spiegeln auch Beiträge im Colloquium selbst, die oft lange und gewundene Darstellungen des Begriffs und seiner Verwendungsweisen enthalten (vgl. nur K.-J. Bruder in den BCPP, Heft 1) und zeigen, daß unter Postmoderne sehr vieles und sehr Diverses verhandelt wird. Vergröbernd lassen sich die diversen Fragerichtungen, die durch die Konfrontation dieses vielgestaltigen bis konfusen Begriffes der "Postmoderne" und der Disziplin Psychologie entstehen, auf drei unterschiedlichen Ebenen ansiedeln, die die Bemühungen des Arbeitskreises und des Colloquiums bestimmen. Diese wollen wir hier abschließend kurz anzeigen:

(1) Korrelieren von bestimmten psychischen Organisationsweisen und den Merkmalen einer postmodernen Kultur: Verwendet man das Wort der Postmoderne als eine Art Epochebezeichnung, so ist damit offenkundig jene Epoche angezeigt, die der Moderne und den ihr korrelierenden Vorstellungen von aufgeklärten rationalen Subjekten nachfolgt. Es existieren dann die unterschiedlichsten Theorien über die Merkmale dieser nachmodernen Epoche, die sich zum Beispiel durch den Verlust von "metarécits" (Lyotard, 1982) auszeichnet, die als universelle Erzählungen das Ganze einer Kultur befassen konnten. Eine andere Diagnoserichtung, die oft unter der Vokabel "zweite Moderne" (Beck) firmiert, legt nahe, daß sich diese Epoche durch ein Abklingen von stabil orientierenden sozialen Differenzierungen (über Schichten, Klassen, Berufsgruppen, lokale Gebundenheit) auszeichnet und statt dessen ein hohes Maß an Individualisierung, an Mobilität und Diversität in den Lebensläufen sich einzeichnet, während die Ökonomie sich mehr und mehr global organisiert, die Politik sich jenseits von links und rechts in diversesten Subpolitiken artikuliert und Risiko zur gesellschaftlichen Leitkategorie wird. Eine dritte Variante postmoderner Gesellschaftsdiagnosen erkennt in der Postmoderne ein Zeitalter der Simulation (Baudrillard), der Medieninnovationen, in dem die Mensch-Maschine-Schnittstellen zu den entscheidenden Bereichen werden und mithin die anthropologische Zentrierung aufgegeben werden muß. Man könnte noch weitere neuere soziologische Theorien (etwa Luhmanns Systemtheorie) anführen, die sich oft nicht selbst als postmodern designieren, aber in diesem Feld diskutiert werden.

Solche Gesellschaftsdiagnosen bieten insgesamt Anlaß zur Überlegung, welche psychischen Prozesse, Strukturen und Organisationsweisen (sowie welche theoretische und praktische Psychologie) solchen gesellschaftlichen Formationen und Forderungsprofilen entsprechen mag. Was heißt es zum Beispiel persönlichkeitspsychologisch, einen extrem wandlungsreichen Lebenslauf mit unzähligen Brüchen und ohne Orientierung an einer Normalbiographie zu führen. Läßt sich die Person angemessen über Eigenschaften beschreiben und wenn ja über Eigenschaften welchen Abstraktionsgrades? Kann die Person ihre psychische Aktivität auf die Schaffung einer kohärenten, stabilen Identität ausrichten? usw. In dieser Richtung sind bereits Theoretikerinnen und Theoretiker des postmodernen Feldes selbst interessant, wenn sie wie Foucault sich bemühen, die Subjektivierungsweisen, die mit Macht- und Wissensformationen einer Zeit korrelieren, zu charakterisieren.

(2) Verwendung postmoderner Bestimmungsstücke und Theorieelemente in psychologischer Theoriebildung: Im Umkreis der Abschätzung, was es für psychologische Korrelate einer neuen kulturellen oder gesellschaftsstrukturellen Epoche geben mag, ergibt sich also bereits eine zweite Forschungsstrategie: Bestimmungsstücke, Konzepte und Denkfiguren von Theorien der Postmoderne in der psychologischen Theoriebildung und Praxis zu verwenden. Das bedeutet sehr abstrakt zum Beispiel ein Interesse daran, nicht identitätstheoretisch, sondern mit dem Primat von Differenzen zu theoretisieren, sich in einem eher konstruktionistischen wissenschaftstheoretischen Rahmen aufzuhalten statt positivistisch zu agieren, eine Reihe von Konzepten wie Selbstreferentialität, Narrativität, nichtidentische Wiederholung, Performativität, Nachträglichkeit, irreduzible Heterogenität, offene Sinnbegriffe usw. in Betracht zu ziehen.

(3) Reflexion psychologischer Theoriebildung und Praxis als moderne und postmoderne Erscheinung. Erneut Hand in Hand gehend mit den anderen beiden Fragedimensionen ist die Bezugnahme auf Postmoderne auch interessant im Rahmen einer Selbstreflexion psychologischer Theorie und Praxis. Beispielsweise kann man sich auf Foucault berufen, um in den klassischen Formen der Psychologie eine Machttechnik und eine Subjektivierungstechnik des "modernen" Menschen zu sehen. Es ist dann die Frage, welche Rolle der Psychologie heute zufallen könnte (die Rede ist hier oft in Anlehnung an Foucault und Deleuze von einer Beteiligung an der Gestaltung der "Ästhetik der Existenz"), welche Form von Subjektivierung die heutige Psychologie stützen und an welcher Machtformation sie partizipieren könnte. Man reflektiert sich also als heutiger Psychologe und heutige Psychologin selbst als ein Element der "Postmoderne".

Die aufgeworfenen Fragen fordern sich in den Diskussionen des Arbeitskreises und Colloquiums gegenseitig heraus, so daß es immer wieder zu einer wechselseitigen Infragestellung der angeführten drei Bezugsrichtungen (Postmoderne als gesellschaftliche Epoche, als Konzeptualisierungsreservoir, als Reflexionsmedium) kommt, die dann Anlaß gibt zu Umformulierungen, erneuten Abstimmungen und Revisionen. Es ist genau die überdeterminierte und offene Situation, die hier die Möglichkeit bietet, theoretische Impulse sich ausbreiten und entwickeln zu lassen.


 

Literatur

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