HARALD KERBER

Zum Begriff der Differenz bei Hegel, Derrida und Deleuze*

 

Ich möchte mich zunächst auf Heidegger und Hegel beziehen. Die Thematik von Identität und Differenz wird bei Heidegger in Auseinandersetzung mit Hegel zum Gegenstand. Es geht um die ontisch-ontologische Differenz von Sein und Seiendem. Dazu setzt sich Heidegger mit dem Anfang der Logik Hegels auseinander. Diesem Anfang gemäß ist bei Hegel das Sein zunächst das "unbestimmte Unmittelbare" (Hegel 1986, 83). Es ist reiner Gedanke und damit Nichts. Sein und Nichts sind unmittelbar identisch. Es gibt, so könnte man sagen, keine Differenz. Diese aber zeigt sich im Werden und im Entstehen und Vergehen. Im übrigen ist der Begriff des unbestimmt Unmittelbaren eine Abstraktion vom Vermitteltsein alles Seienden, wie das in der Wesenslogik dargetan wird. Insofern muß man dann das Werden bei Hegel lesen als die Wahrheit des Seins und Nichts, wo das Sein als aus dem Nichts herkommend verstanden ist und das Nichts aus dem Sein. Ist hier der Umschlag von Sein in Nichts und Nichts in Sein ein quasi unmittelbarer, so ändert sich das schon beim Dasein, wo vom Seienden aus, nämlich der einen Seite von Sein und Nichts die Gegensätzlichkeit von Sein und Nichts ins Spiel kommt. Das Nichts ist dann das je bestimmte Nichts im Verhältnis zu dem je bestimmten Sein als Dasein oder Etwas, von dem es herkommt. Dieser gesamte, man könnte sagen asymmetrische Duktus von Sein und Nichts geht über die Stufen der Seins-, der Wesens- und dann der Begriffslogik. Das Ende der Wesenslogik kulminiert im Begriff der Wirklichkeit, und sie führt über in die Logik des Begriffs. Wirklichkeit, das wird in der Rechtsphilosophie ausgeführt, ist identisch mit Vernünftigkeit. Nur das Vernünftige ist wirklich und das Wirkliche vernünftig. Vernunft aber ist verknüpft mit der doppelten Gestalt des Begriffs als Begriff des Begriffs, dem Sich-selbst-Begreifen. Dieses Sich-selbst-Begreifen ist vorgestellt als die Bewegung des Begriffs, das Sich-von-sich-selbst-Entlassen des Begriffs und das Auf-sich-selbst-Zurückkommen des Begriffs. Es ist, und hierin sind allerdings alle Differenzformen unter dem Gesichtspunkt der Gegensätzlichkeit in die Identität aufgehoben, ein Kreis in Kreisen und repräsentiert in dieser Art eine Selbstgeschlossenheit. Damit generiert die Hegelsche Logik sich aus sich selbst. Sie geht nicht von einem zweifelsfreien Ersten aus, so, wie z. B. Descartes, der über den absoluten Zweifel die absolute Gewißheit im Ich-denke, der res cogitans, gegeben sah. Gerade auch die Hegelsche Logik (wie schon die Phänomenologie des Geistes), ist nicht nur Ausdruck des Zweifels, sondern der absoluten Verzweiflung an jedem festen Halt. Die Dialektik löst alle Positivitäten auf, gelangt aber selbst wieder, so im absoluten Wissen in der Phänomenologie und im Begriff der doppelten Identität in der Logik im Begriff der Idee zu einer zweiten Form von Positivität.

Die Problematik, die sich in der Hegelschen Logik zeigt, ist die Bestimmung der doppelten Negation als Affirmation. Im Affirmativen ist die Dialektik aufgehoben. Das Identische als doppelte Identität, als Identität der Identität und Nichtidentität, setzt die Identität als Aufhebung aller Gegensatzverhältnisse im absoluten Subjekt. Das Subjekt ist identisches Subjekt-Objekt als Subjekt. Diese Subjekt-Objekt-Struktur ist nicht, wodurch das Subjekt erst Subjekt würde und das Objekt erst Objekt, eine Relation von Subjekt und Objekt, gemäß Adorno gegen Husserl: "Denn der Begriff des Subjekts ist sowenig vom Dasein, vom 'Objekt' zu emanzipieren wie der des Objekts von der subjektiven Denkfunktion" (Adorno 1975, 123). Beide befinden sich weder im "bloßen Gegensatz zueinander", noch sind sie identisch im Sinne einer absoluten Subjektivität. Der Rekurs auf ein absolutes Subjekt stellt die Dialektik still. Er ist der geheime Positivismus der Hegelschen Philosophie.

Im Unterschied zu Hegel ist für Heidegger nun die Sache des Denkens statt der Identität "die Differenz als Differenz" (Heidegger 1990, 37). Der Begriff der "Aufhebung", der in der Hegelschen Theorie eine so starke Rolle spielt, ist damit, da er mit dem der Negativität verbunden ist, aufgegeben. Die Thematik von Differenz meint hier ein nachmetaphysisches Denken. Bei Heidegger meint sie eine Kritik an der abendländischen Metaphysik, in welcher die ontisch-ontologische Differenz von Sein und Seiendem zugunsten bestimmter Begriffe vom Seienden geschlichtet worden ist. Die "Differenz zwischen dem Sein und dem Seienden" bleibt unhinterfragt. Die Differenz selber erscheint als das Ungedachte. Von diesem "Ungedachten" aus geht es "in das zu Denkende" als "Vergessenheit der Differenz" (ebd., 40). Das wird an der Hegelschen Logik demonstriert. Sie operiert ja, wie gesagt, mit dem Begriff der Identität von Identität und Nichtidentischem, mit der Aufhebung aller Unterschiede, Aufhebung allerdings im Hegelschen dreifachen Sinne gemeint. Hierin figuriert der Gottesbegriff bei Hegel. Im Sinne Heideggers ist die Hegelsche Philosophie insofern "Onto-Theologie" (ebd., 45), verstanden als "das sich denkende Denken als das in sich kreisende Sein" (ebd., 44). Solche Onto-Theologie, und hier trifft sich Heidegger mit dem gesamten nachmetaphysischen Denken, ist nun "für das Denken fragwürdig geworden" (ebd., 45). Dieses nachmetaphysische Denken ist hier nun aber bei Heidegger - und so auch bei Derrida - ein bloßes Bedenken der Metaphysikgeschichte.

Die ontisch-ontologische Differenz ist doppelseitig, nämlich als Differenz von Sein und Seiendem sowohl im Sinne des Genitivus subiectivus wie des Genitivus obiectivus. Beide, Sein und Seiendes sind in Differenz. Beide erscheinen "je auf ihre Weise aus der Differenz her" (ebd., 55). Die Differenz wird so zunächst als Prinzip begriffen, in welchem es weder eine Vorrangigkeit des Seins noch des Seienden gibt. Dennoch ist aber diese Differenz eine Differenz, die sich an der Verstellung des Seins durch das Seiende auftut. Die Differenz erscheint nicht als bestimmte, sondern sie prägt als universale die Geschichte von Seiendem als die Geschichte von Verstellungen selbst. Für "das Wesen des Seins", sagt Heidegger, gibt es "im Seienden" "nirgends (...) ein Beispiel" (ebd., 58).

Heidegger konzipiert, wie gesagt, das Sein aus der Kritik an der Metaphysikgeschichte. Es ist das Vergessene, das innerhalb von Metaphysik ein Vergessenes bleibt. Das Vergessen meint hier das Vergessen eines Fundierungsverhältnisses, nämlich der Seinsmächtigkeit alles Seienden. Dieses Fundierungsverhältnis überführt die Metaphysik, die sich unter dem Prinzip der Identität als Einheit begreifen läßt, der Relativität. Das Vergessen dieser Differenz von Sein und Seiendem ist ein Vergessen, das nichts vergessen will. Aber in diesem Nichtvergessen des Vergessens steckt das Vergessen der Differenz.

Die Thematik der Differenz bei Derrida nun verdankt sich, neben dem Rückgang auf Heidegger, nicht unwesentlich der Auseinandersetzung mit der Linguistik von de Saussure, auf den ich, bevor ich auf Derrida eingehe, kurz zu sprechen kommen will.

Zunächst ist vielleicht wichtig zu sagen, daß nach de Saussure die "Sprache (...) eine Übereinkunft" ist und "die Natur des Zeichens, bezüglich dessen man übereingekommen ist", "indifferent" ist (de Saussure 1967, 12). Zeichen haben keinen repräsentationalen Charakter und die Sprache ist "nicht eine Funktion der sprechenden Person" (ebd., 16), sondern hat sozialen Charakter. Nach de Saussure vereinigt das sprachliche Zeichen "nicht einen Namen und eine Sache, sondern eine Vorstellung und ein Lautbild" (ebd., 77). Also ist das Zeichen das "Ganze" von Signifikantem und Signifikat. Zwischen der Bezeichnung und dem Bezeichneten gibt es eine nur beliebige Beziehung. Insofern ist das sprachliche Zeichen als solches selber "beliebig" (ebd., 79). Es ist kein Symbol für eine Sache. Diese Beliebigkeit ist sozial, d. h. sprachlich vermittelt. Sie ist ein "ererbtes Produkt" (ebd., 84).

Daran hängt einerseits die Unveränderbarkeit des Zeichens. Seine Beliebigkeit wird hingenommen. Gerade weil das Zeichen beliebig ist, sagt de Saussure, "gibt es für dasselbe kein anderes Gesetz (also keine immanente Vernünftigkeit, H. K.) als das der Überlieferung" (ebd., 87). Das Zeichen ist nun aber andererseits gerade wegen seiner Beliebigkeit auch veränderlich. Es pflanzt sich in der Zeit fort. Solche Veränderungen und Umgestaltungen sind nach de Saussure Ausdruck einer "Verschiebung des Verhältnisses zwischen dem Bezeichneten und der Bezeichnung" (ebd., 88). Dieser Begriff der Verschiebung wird dann für Derrida und Deleuze, allerdings in einer anderen Weise, relevant. Das Verhältnis von Bezeichnung und Bezeichnetem wird Schritt um Schritt verrückt. Die "Beliebigkeit" des Zeichens bringt nach de Saussure "theoretisch die Möglichkeit mit sich, jede beliebige Beziehung zwischen der lautlichen Materie und den Vorstellungen herzustellen" (ebd., 89), und so führen beide Elemente des Zeichens "ihr eigenes Leben in einem übrigens unbekannten Verhältnis" (ebd., 89f). De Saussure kommt dann im einzelnen auf den Unterschied der Einheit des Zeichens in seiner Doppeltheit zur Unterscheidung von Vorstellung und Sprachlaut zu sprechen, sowohl von der Vorstellung wie vom Lautbild her, wodurch genauer erklärt wird, was mit der Verschiebung gemeint ist. Darauf kann ich hier nicht gesondert eingehen. Die Vorstellung ist jedenfalls abhängig von der Stellung des Lautbildes im sprachlichen System und nicht das Lautbild von der Vorstellung. Die Verschiebungen ergeben sich aus der je veränderten Stellung der Lautbilder in Hinsicht auf die Vorstellungen, die durch sie innerhalb eines sprachlichen Systems artikuliert werden, nicht aber durch den von der Sprache unabhängigen Wechsel der Vorstellungen in Hinsicht auf ihre lautliche Artikulation. Es ist schon hier das Spiel der Signifikanten, das dann für den Neostrukturalismus so entscheidend wird. Insgesamt gilt für de Saussure: "Obgleich Bezeichnetes und Bezeichnung, jedes für sich genommen, lediglich differentiell und negativ sind, ist ihre Verbindung ein positives Faktum" (ebd., 144).

Diese Art des Denkens nun, in der es kein vorgängiges Objekt mehr gibt, das nach Ausdruck verlangt, ist z. B. von Adorno als positivistisches kritisiert worden. "Die entschlossene Trennung, die den Wortverlauf als zufällig und die Zuordnung zum Gegenstand (hier bei de Saussure "Vorstellung", H. K.) als willkürlich erklärt, räumt mit der abergläubischen Vermischung von Wort und Sache auf" (Adorno 1984, 187f). Der Name benennt danach nicht mehr etwas, sondern "verwandelt sich in willkürliche und handhabbare Bezeichnungen" (ebd., 188).

Im Unterschied zu Adorno, der sich an einem zwanghaften Begriff der Identität zugunsten des Nichtidentischen, das hier seine Unterdrückung erfährt, abarbeitet, ist das Prinzip der Differenz dagegen im Neostrukturalismus gleichsam total. Das zeigt sich vorbildhaft bei Derrida.

Derrida akzeptiert die Arbitrarität der Zeichen, wie sie von de Saussure diskutiert wird, rekurriert aber diesem gegenüber, der die Sprache vor der Schrift favorisiert, auf die Schrift selbst und wirft de Saussure ein noch Verhaftetsein im metaphysischen Denken vor, wobei er gleichzeitig nicht, wie de Saussure (und zuvor Hegel), das phonetische Alphabet als höchste Form von Schrift meint, sondern Schrift davon abgekoppelt sehen will.

Bei de Saussure sind Sprache und Schrift "zwei verschiedene Systeme von Zeichen". Das letztere stellt das erstere nur dar. Aber es nimmt "mehr und mehr die Hauptrolle für sich in Anspruch" (de Saussure 1967, 28). Und so mißt man der Darstellung eine größere Wichtigkeit bei als den "Zeichen selbst". Das ist für de Saussure ein geläufiger "Irrtum" (ebd., 29). Die Autorität der Schrift gegenüber der Sprache läßt sich für ihn dadurch erklären, daß sie als ein "festes Objekt" erscheint. Das Visuelle schiebt sich vor das Akustische. Für de Saussure prägt sich so das Schriftbild "auf Kosten des Lautes" ein. Und ergo: "Man vergißt zuletzt, daß man sprechen lernt, ehe man schreiben lernt und das natürliche Verhältnis ist umgedreht". - Das könnte man in etwa als Verdinglichung bezeichnen -.

Demgegenüber rangiert für Derrida, auch in der Ontogenese, die Schrift vor dem Sprechen. Die Vorrangigkeit des Sprechens vor der Schrift muß für ihn Ausdruck einer Intentionalität und behaftet mit einem ontologischen und subjekttheoretischen Charakter sein, den er z. B. an der Sprechakttheorie von Austin kritisiert. Für de Saussure aber maßt sich die Schrift "eine Bedeutung an, auf die sie kein Recht hat" (ebd., 30).

Für Derrida meldet sich in der Hierarchie von Malen über die Keil- zur Buchstabenschrift ein Ethno- bzw. Logozentrismus an, eine "Metaphysik der phonetischen Schrift" (Derrida 1994, 11), die er verwirft. Hierarchische Denkstile sind für ihn einlinig und ursprungstheoretisch. Es geht ihm um die Dekonstruktion bestimmter Verhältnisse zwischen "gesprochenem Wort und Schrift" (ebd., 14), wonach sich die Differenzthematik in der Schrift selbst auftut. Bisher, so schien es gemäß Derrida, war es so, als wäre die Sprache "eingesäumt vom unendlichen Signifikat, das über die Sprache hinauszugehen schien" (ebd., 16). Dieses unendliche Signifikat hat vorsprachigen Charakter, es ist als das "inkonsistente Doppel eines höheren Signifikanten, den Signifikanten des Signifikanten" (ebd., 17) zu fassen. Das meint z. B. das absolute Subjekt Hegels als Einheit der Einheit und Nichteinheit von Subjekt und Objekt. Hier ist die Schrift noch die "Hilfsform der Sprache". Das Verhältnis zwischen beiden dreht sich bei Derrida um. Im Vorrang der Schrift vor der Sprache, die letztlich an einen Subjektbegriff gebunden ist, der alles überspinnt, steckt selber der Gedanke der Differenz, ausgedrückt im Ausdruck "différance", der weder ein bestimmtes Wort noch einen Begriff meint. Der Gedanke der Differenz entzündet sich hier nicht mehr wie bei Adorno an einer Kritik an einem Begriff von Identität, in welcher das Nichtidentische als aufgehoben gedacht wird, wie bei Hegel, sondern er nimmt Abschied vom Begriff der Identität als einer solchen.

Für Derrida wird die "Extension des Begriffs Sprache (...) grenzenlos". Die Sprache ist nicht identisch mit einer bestimmten Schrift. Insofern gibt es auch – ursprungstheoretisch gesprochen - keine erste Schrift, und die Schrift ist, da sie sich von einer jeweiligen Sprache löst, nicht mehr ein Supplement für das gesprochene Wort. Alles hat Supplement-Charakter. Insofern plädiert Derrida für "eine neue Logik des 'Supplements'". Die an der phonetischen Sprache orientierte "Ökonomie" (ebd., 18f) des "‘Sich-im-Sprechen-Vernehmens‘" (ebd., 19), die auf Aristoteles zurückgeht aber auch den Kreisgedanken bei Hegel betrifft, wird kritisiert. Diese Thematik hat nach Derrida "während einer ganzen Epoche die Geschichte der Welt (...) und (...) sogar die Idee der Welt" (ebd., 19) beherrscht und alle entsprechenden binären Konstruktionen.

So wird z. B. im Sinne des reinen Differenzgedankens die Binarität von Transzendentalität und Empirie bei Kant dekonstruiert. Solche Dekonstruktion wird aber nicht selber gesellschaftstheoretisch und –kritisch eingeholt, sondern als Kritik an der Zweiwertigkeit der überkommenen Epistemologie überhaupt dargestellt. Die Transzendentalität, das einheitsstiftende Subjekt, das Ich-denke, das nach Kant alle meine Vorstellungen soll begleiten können, wird nicht, wie z. B. im Begriff der Wertvergegenständlichung, auf eine Gesellschaft zurückgeführt, in der, wie Marx formuliert, es der Wert selbst ist, der als "das übergreifende Subjekt eines (...) Prozesses" erscheint, "worin er Geldform und Warenform bald annimmt, bald abstreift, sich aber in diesem Wechsel erhält und ausreckt" (Marx 1962, 169).

Für Derrida löst sich im Gedanken der Schrift der Präsenzgedanke (den er auch und gerade noch bei Husserl vorfindet) generell auf. Die radikalisierte Schrift "stammt nicht mehr aus einem Logos". In ihr zeige sich die "Dekonstruktion aller Bedeutungen, deren Ursprung in der Bedeutung des Logos liegt" (Derrida 1994, 23). Für ihn haftet an der überkommenen logozentrischen Differenz die von Sinnlichem und Intelligiblem. Das Intelligible - das Signifikat - verweist auf einen "absolute(n) Logos" (ebd., 28), so z. B. im Mittelalter auf Gott. Das Sinnliche, der Signifikant, ist nur der Ausdruck des Intelligiblen. Solches erstreckt sich dann bis zum modernen Subjektbegriff, der gleichsam die Intelligibilität gegenüber allen seinen sinnlichen Äußerungsformen ist.

Für Derrida ist, ähnlich wie für Heidegger, die Metaphysikgeschichte als Geschichte des Logozentrismus bzw. der Onto-Theologie und damit einer Geschichte des Zeichens, das sich auf ein bestimmt gesetztes Bezeichnetes bezieht, die - so seit Nietzsche - Geschichte des Nihilismus. Im Unterschied zu seiner Einschätzung Nietzsches sieht er aber bei Heidegger in gewisser Weise noch den Logozentrismus am Werke, indem bei der ontisch-ontologischen Differenz letztlich doch auf das Sein als dem Ersten im Verhältnis zu allem Seienden rekurriert wird. "Das Wort ‚Sein'" wird, obwohl nach Heidegger der Sinn von Sein nicht im Wort und auch nicht im Begriff von Sein liegt, dann doch zu einem "'Urwort'" (ebd., 39). Obwohl die "'Stimme des Seins'" bei Heidegger schweigsam, d. h. a-phonetisch ist. Heidegger sei so in die Metaphysik "eingeschlossen" und übersteige sie "zugleich" (ebd., 41).

Für ihn, Derrida, hat der Sinn von Sein die Form eines "unerhörten Sinn(s)" als "signifikante Spur". Hier nistet die différance als Produktion des Differierens. Das a ist hier stimmlos und différance ist ein reines Kunstwort. Die différance ist so weder ein Wort noch ein Begriff und repräsentiert insofern keinen "'Ursprung'" (ebd., 44). Der Ausgang von der différance versteht sich als Dekonstruktion. Diese hat nach Derrida, ähnlich wie Hegel sich in die Kraft seines Gegners stellen will und wie Heidegger das in bezug auf Hegel tut und in dem Sinne, was Adorno unter immanenter Kritik versteht, "von innen her zu operieren, sich aller subversiven, strategischen und ökonomischen Mittel der alten Struktur zu bedienen".

In diesem Kontext wird z. B. gegen Hegel argumentiert, daß dieser die Schrift zugunsten der Sprache erniedrige. Die Schrift erscheine als "Selbstvergessenheit (...) Entäußerung", man könnte sagen Entfremdung bzw. Verstellung im Sinne de Saussures, als das "Gegenteil (...) der Erinnerung" (ebd., 45) im Zu-sich-selbst-Kommen des Geistes. Gibt es bei Hegel den Begriff der Aufhebung, der so gedacht ist, daß die Substanz Subjekt werden soll, so verschwindet dieser Gedanke in der Polikontexturalität der reinen Schrift. Die "nicht-phonetische Schrift zerbricht den Namen" als Einheit seiner selbst und seines anderen, so bei Hegel den Ausdruck Gott. Die nicht-phonetische Schrift beschreibt dagegen "Relationen, nicht Benennungen" (ebd., 47). Dieser Gedanke der Relation, der sich ja z. B. auf die Relation von Subjekt und Objekt beziehen könnte, bzw., so nach Adorno, auf die Relation von Geist und Gegebenem, wodurch Dialektik als negative konkret ausgetragen würde, ist hier nur im Sinne eines allgemeinen Begriffes von Verschiebungen und Aufschiebungen des Signifikanten eingeführt. Die Vorrangigkeit des Objekts, die jeden materialistischen Einspruch gegen die idealistische Kategorie der Aufhebung motiviert, wird darin nicht thematisch. Ist für Derrida, im Rekurs auf das Ende der Phänomenologie des Geistes, der "Horizont des absoluten Wissens (...) das Erlöschen der Schrift im Logos, die Resumtion der Spur in der Parusie, die Wiederaneignung der Differenz" (ebd., 48), so wird das z. B. nicht zugunsten eines Erfahrungsbegriffs eingeklagt (wie z. B. in der Hermeneutik bei Gadamer), wo es eine Offenheit gegenüber der Unreduktibilität der Sphäre des Objekts im Verhältnis zum aneignenden Subjekt gibt, sondern, wie Welsch es ausdrückt, zugunsten einer "Hermeneutik" der "Signifikantenketten" (Welsch 1995, 261). Derrida betont allerdings im Sinne seiner eigenen Orientierung an der Differenz, daß Hegel gegenüber dem Gedanken der doppelten Identität auch "der Denker der irreduziblen Differenz" (Derrida 1994, 48) sei.

Bei Derrida ist, wie gezeigt, im Ausdruck der différance mitgesetzt, daß es sich hierbei nicht mehr um die "Opposition zwischen dem Sensiblen und dem Intelligiblen" handelt, sondern es ist eine Bewegung "der différance (mit a) zwischen zwei différences oder zwischen zwei Buchstaben" (Derrida 1988, 31). Es gibt insofern keine Gegenwärtigkeit. Ein Denken in Ordnungen, der Ausgang von Axiomen, Postulaten und Definitionen ist so nicht vorstellbar. Es geht vielmehr um Zerstreuung und Verschiebung, Dissemination, Temporisation und Temporalisation, ein "Zeit-Werden des Raumes und Raum-Werden der Zeit". Différance in diesem Sinne meint einen "Prozeß von Spaltung und Teilung, dessen konstituierte Produkte und Wirkungen die différents oder die différences wären" (ebd., 34). Das ist weder ein rein aktiver noch passiver Prozeß, weder die Tätigkeit eines Subjekts noch ein Erleiden durch ein Objekt. Die "Temporisation-Temporalisation" geht in diesem Sinne nicht mehr "im Horizont des Anwesenden" (ebd., 36) auf. Die Bewegung des Bedeutens ist dabei nur möglich, wenn, wie Derrida sagt, sich "jedes sogenannte 'gegenwärtige' Element, das auf der Szene der Anwesenheit erscheint, sich auf etwas anderes als sich selbst bezieht". Es enthält das Merkmal des vergangenen Elements an sich und läßt sich selber durch seine "Beziehung zu einem zukünftigen Element aushöhlen". Hierin steckt der Gedanke der Spur, die sich niemals, und das heißt im Sinne einer vollen Gegenwärtigkeit, realisieren ließe durch ihr Verschwinden. Das, was Gegenwart - ob als reine Gegenwärtigkeit, vollendete Vergangenheit oder vollendete Zukunft - sein könnte, als Bei-sich-selbst-Sein des Elements in seinem Anderssein, wird aufgelöst durch das Immer-anders-Sein im Selbst-Sein. Und also: "Ein Intervall muß es (das Element, H. K.) von dem trennen, was es nicht ist, damit es selbst sei, aber dieses Intervall, das es als Gegenwart konstituiert, muß gleichzeitig die Gegenwart von sich selbst trennen, und so mit der Gegenwart alles scheiden, was man von ihr her denken kann, das heißt in unserer metaphysischen Sprache, jedes Seiende, besonders die Substanz oder das Subjekt" (ebd., 39). Es geht um Verhältnisse des Unterscheidens und Aufschiebens. Im einzelnen handelt es sich hierbei darum, "daß einer der Termini als différance des anderen erscheint, als der andere, in der Ökonomie des Gleichen unterschieden/aufgeschoben (différé), das Intelligible als von dem Sinnlichen sich unterscheidend (différant), als aufgeschobenes Sinnliches (différé); der Begriff als unterschiedene/aufgeschobene - unterscheidende/aufschiebende Intuition (différée - différante); die Kultur als unterschiedene/aufgeschobene - unterscheidende/aufschiebende Natur (différée - différante); jedes Andere der Physis - techne, nomos, thesis, Gesellschaft, Freiheit, Geschichte, Geist etc. - als aufgeschobene Physis (différée) oder als unterscheidende Physis (différante). Physis in différance" (ebd., 43). - Die Gleichheit zeigt sich im Unterschied. Durch den Unterschied, der nie aufgehoben werden kann, gibt es immer eine Verschiebung in Hinsicht auf die Gleichheit, die nie erreicht werden kann. Das Eine spricht für das Andere und das Andere für ein Anderes. Das Andere bleibt im Einen das Andere.

Diese Struktur nun wird hier zu reinen Quantitäts- und "Kräftedifferenzen" naturalisiert. So wird z. B. auch Freuds Theorie des Unbewußten interpretiert. Sie ist für Derrida "eine Theorie der Chiffre (oder der Spur) und zugleich eine Energetik". In diesem Sinne ist zu verstehen, wenn Derrida sagt, daß "alle Begriffsgegensätze, die das Freudsche Denken prägen, (...) sämtliche Begriffe als Momente eines Umweges in der Ökonomie der différance aufeinander" (ebd., 44) beziehen, so z. B. Lust- und Realitätsprinzip. Statt der Herstellung von Gegenwärtigkeit geht es hier um einen "nicht wieder gutzumachende(n) Verlust von Gegenwart, irreversible(n) Verschleiß von Energie", um (im Sinne Batailles) den Prozeß einer "rückhaltlose(n) Verausgabung" (ebd., 45). Für Derrida schiebt sich unter einem Begriff reiner Energetik das Unbewußte an sich selbst auf, unterscheidet sich von sich selbst, "webt sich aus Differenzen und entsendet Repräsentanten" (ebd., 46). Das Unbewußte ist nicht, wie auch Deleuze zu zeigen versucht, differenzlos. Der Primat des Signifikanten äußert sich gegenüber einem einheitsstiftenden Bewußtseinsbegriff gerade hier. Verschiebung und Verdichtung werden sprachtheoretisch begriffen, und zwar, so z. B. bei Lacan, in dem Sinne, daß man es bei der Verschiebung um "das Übergehen von einem zum anderen Signifikanten" und bei der Verdichtung um die "Substitution eines Signifikanten durch einen anderen" (Welsch 1995, 281) zu tun hat. Derrida kritisiert aber Lacan darin, daß er noch "phallozentrisch und überdies logozentrisch, phonozentrisch und präsenzgebunden" (ebd., 284) geblieben sei.

Es gibt eine "Struktur der Nachträglichkeit" als einer "'Vergangenheit', die nie anweste und nie anwesen wird" (Derrida 1988, 46), d. h. "nie gegenwärtig war". D. h. das Sein des Seienden, so wie auch zunächst im Sinne Heideggers, entzieht sich. Die Differenz von Seiendem und Sein bleibt. Die Differenz der Differenz selber, die différance "ist nicht". Aber in Hinsicht auf die Frage nach dem Sinn von Sein setzt sich Derrida, wie schon kurz gezeigt, von Heidegger ab. Als solches wäre es als "in seinem Verborgenen gedacht oder gesagt" geworden. Das impliziert aber, wie auch immer, Gegenwärtigkeit. Demgegenüber ist "die différance auf eine gewisse und äußerst sonderbare Weise 'älter' als die ontologische Differenz oder als die Wahrheit des Seins". Die Spur, bzw. die différance, hat "keinen Sinn" und "ist" (ebd., 47) nicht. Sie erscheint nicht. "Als stets differierende stellt die Spur sich nie als solche dar. Sie erlischt, wenn sie auftritt, wird stimmlos, wenn sie ertönt, wie das a, wenn es sich schreibt, seine Pyramide in die différance einschreibt".

Für Heidegger ist, wie Derrida zitiert, "'die Seinsvergessenheit (...) die Vergessenheit des Unterschiedes des Seins zum Seienden'" (ebd., 48). Das "Vergessene der Metaphysik" ist danach "verschwunden, ohne eine Spur zu hinterlassen. Selbst die Spur des Unterschiedes ist untergegangen", als "Verschwinden der Spur der Spur" (ebd., 49). Aber Heidegger formuliert, und hier setzt die Kritik von Derrida an Heidegger im Sinne der différance ein: "'Der Unterschied des Seins zum Seienden kann jedoch nur dann als ein vergessener in eine Erfahrung kommen, wenn er sich schon mit dem Anwesen des Anwesenden enthüllt und so eine Spur geprägt hat, die in der Sprache, zu der das Sein kommt, gewahrt bleibt'" (ebd., 50). Die différance selbst nun bleibt dagegen zwar "ein metaphysischer Name", aber sie als solche, die nach Derrida noch "'älter'" ist als das Sein, "hat keinen Namen in unserer Sprache". Es gibt für sie keinen Namen, "selbst nicht den der différance". Es werden nur "nominale Effekte bewirkt", wodurch dann "der nominale Effekt 'différance' selbst herbeigeführt" (ebd., 51) wird. Statt, im Namen zusammengefaßt, einer "verlorenen Heimat des Denkens", gibt es nur (und das auch bei Deleuze, H. K.) die reine "Bejahung" der Ursprungslosigkeit als "Spiel (...), als Lachen und als Tanz", so wie Nietzsche seinen Zarathustra auftreten läßt. Gibt es keinen "einzigartigen Namen" (ebd., 52), keine Ursprünglichkeit, so gibt es auch keine Hoffnung.

Für Adorno, um dessen Denkansatz noch einmal mit dem von Derrida zu konfrontieren, der ebenso wie Derrida die Metaphysikgeschichte kritisiert, gibt es dennoch, gerade gegen das Identitätsprinzip gewandt, den Rekurs auf den Namen als Ähnlichkeitsbeziehung zwischen Denken und Gedachtem. Der Name, das Individuelle, tritt an die Stelle des Begriffs und des absoluten Subjekts. Für Derrida (wie auch Deleuze) zeigt sich in solchem Denken aber noch die alte Metaphysikgeschichte selbst. Im übrigen meint die Darstellung der Differenz unter dem Gesichtspunkt der Identität bei Adorno die Differenz als negative, die als Widerspruch unter der Voraussetzung des mit der Identität gesetzten Widerspruchsfreiheitsprinzips auftritt, während die Neostrukturalisten aber positiv von derselben im Unterschied zur Identität ausgehen.

In noch dezidierterer Weise als Derrida tritt für Deleuze Differenz an die Stelle von Identität, Negation, Repräsentation, Subjekt und Gott. Es geht um Wiederholung und Differenz. Wiederholung hat nicht den Charakter der Allgemeinheit. In einer solchen (und das kritisiert auch Adorno) gibt es eine Ordnung der Ähnlichkeiten und Äquivalenzen. Die Wiederholung macht die Differenz zu dem deutlich, was wiederholt wird. Aber dieses, was wiederholt wird, ist schon selber eine Wiederholung im Verhältnis zu einem anderen, das wiederholt wird. So gibt es keine Einheit, keine Gleichheit. Alles was ist, geschieht durch Verschiebung ohne ein Letzt- bzw. Erst-Verschobenes. Wiederholung geschieht aus dem Willen, so nach Nietzsche. Und es sind die kleinen Differenzen, die sich im Tagebuch des Verführers bei Kierkegaard zeigen. Deleuze bezieht sich auf Zarathustras Imperativ gegen die Allgemeinheit des Sittengesetzes bei Kant, nämlich: "Du sollst, was immer Du willst, so wollen, daß Du auch dessen ewige Wiederkunft willst" (Deleuze 1992, 22). Die Wiederkunft meint keine Wiedererinnerung, keine Anamnesis im Sinne Platons und wie sie dann eigentlich auch (siehe Kojève) die Philosophie Hegels prägt. Wiederholung hat nichts mit einem reinen Ich zu tun und Ich meint Gedächtnis, das alles umfaßt. Wiederholung wäre hier "Pseudo-Wiederholung der besonderen Fälle" (ebd., 23). Wiederholung hingegen unter dem Gesichtspunkt der Differenz meint als Zweites "nicht ein zweites Mal" dasselbe "sondern das Unendliche, das von einem einzigen Male ausgesagt wird, die Ewigkeit, die von einem Augenblick, das Unbewußte, das vom Bewußtsein ausgesagt wird, die n-te Potenz".

Diese Denkfigur findet sich in etwa, allerdings ohne den Rekurs auf das Unbewußte, auch bei Adorno, und zwar sowohl gegen die Einerleiheit des Sich-Wiederholens von Einzelfällen unter einem Oberbegriff, wie im subsumtionslogischen Denken, was schon Hegel an Kant kritisierte, wie aber auch gegen die Hegelsche Identität, wonach das Unendliche in Hinsicht darauf, daß jedes Endliche sein eigenes Unendliches an sich selbst hat und so über sich hinausgeht, affirmativ im Sinne eines geschlossenen Kreises gedacht ist. Und ähnlich wie Adorno formuliert Deleuze: "Hegel ersetzt das wahre Verhältnis zwischen Singularem und Universalem in der Idee durch das abstrakte Verhältnis zwischen dem Besonderen und dem Begriff überhaupt" (ebd., 26).

Schon Marx hatte zugunsten des dem Begriff vorausgesetzten Konkret-Allgemeinen der gesellschaftlichen Verhältnisse die Selbstbewegung des Begriffs bei Hegel kritisiert. Das Besondere wird in ihr, wie Adorno zeigt, seiner Besonderheit entkleidet. Bei Hegel ist nun aber gegen jedes ursprungsphilosophische Denken die Kategorie der Vermittlung zentral. Solche Vermittlung läuft bei ihm zwar auch auf eine zweite Unmittelbarkeit in der Bewegung des Zu-sich-selbst-Kommens des Begriffs hinaus, die schon in der Ununterschiedenheit von Sein und Nichts am Anfang der Logik ihr fundamentum in re hat, aber sie meint doch erst einmal, daß jedes Ding mit seinem eigenen Unterschied einhergeht und eben Vermittlung die Kategorie ist, in der die Unterschiedenen, ohne daß der Unterschied preisgegeben wird, aufeinander bezogen sind, dann allerdings aber auch in einer höheren Einheit aufgehoben werden. Gerade bei Adorno wird nun diese Kategorie wichtig zur Erklärung der Vermittlung des Objekts durch das Subjekt, das als Vermittelndes schon vermittelt sein muß, wodurch das Objekt dem Subjekt vorausgesetzt bleibt. Demgegenüber gehen die Neostrukturalisten nun aber wieder relativ zur Feier der reinen Unmittelbarkeit über, der reinen Gegebenheit des je Wiederholten. Deleuze formuliert gegen Hegel: "Man muß erkennen, wie Hegel das Unmittelbare entstellt und verfälscht, um auf diesem Unverständnis seine Dialektik zu begründen und die Vermittlung in eine Bewegung einzuführen, die nur mehr die seines eigenen Denkens und der Allgemeinheiten dieses Denkens ist. Die spekulativen Abfolgen ersetzen die Koexistenzen, die Gegensätze überdecken und verbergen die Wiederholungen". Solche Form der Koexistenz ist, unbesehen der Richtigkeit der Kritik am Spekulativen der Hegelschen Philosophie, Positivität. Das Verständnis der Marxschen Theorie erfolgt entsprechend gegenüber dem Begriff des Gegensatzes bei Hegel unter positiv-differenztheoretischen Gesichtspunkten. Nicht, so wird gegen Hegel formuliert, "die Differenz setzt den Gegensatz voraus, sondern der Gegensatz die Differenz; und weit davon entfernt sie aufzulösen, (...), entstellt und verfälscht der Gegensatz die Differenz" (ebd., 77f).

Differenz, das ist hier die Quintessenz, läßt sich nach Deleuze "nicht auf den Widerspruch reduzieren" (ebd., 78). Und somit wird dann auch die "Macht des Negativen" bei Hegel kritisiert. So drückt sich dann für Deleuze im Rückgang auf die strukturalistische Interpretation der Marxschen Theorie durch Althusser im Begriff der abstrakten Arbeit bei Marx die Form von reinen "Differenzialverhältnissen zwischen differentiellen Elementen aus: Produktion und Eigentumsverhältnisse, die sich nicht zwischen konkreten Menschen, sondern zwischen Atomen errichten, die Träger von Arbeitskraft oder Vertreter des Eigentums sind" (ebd., 237). Das Ökonomische wird für Deleuze zu "Varietäten" dieser "Differenzialquotienten" (ebd., 239). Die immanente Widersprüchlichkeit des Kapitalverhältnisses wird reduziert auf eine "differentielle Virtualität", die durch bestimmte "Aktualitätsformen" überdeckt werde. Es sei nichts anderes als "die Gesamtheit der Probleme, die sich einer gegebenen Gesellschaft stellen, das synthetische und problematisierende Feld dieser Gesellschaft" (ebd., 238) - was immer das heißen mag.

Auf diese Weise, durch einen reinen differenztheoretischen Begriff von Virtualität und Aktualität von Problemen und ihren möglichen Lösungen wird dann auch der Marxsche Satz interpretiert, daß sich die Menschheit immer nur solche Aufgaben stellt, die sie lösen kann. Für Deleuze tritt deshalb "die Kategorie der Differenzierung im Innern einer sozialen Mannigfaltigkeit (Arbeitsteilung) im Kapital an die Stelle der Hegelschen Begriffe von Gegensatz, Widerspruch und Entfremdung" (ebd., 262). Es wird hier a) der Unterschied zwischen dem Problem des Aufeinanderfolgens der Produktionsepochen und der Struktur des Kapitals nicht thematisiert und b) das gesamte Problem des Verhältnisses der idealistischen Philosophie zur bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft sowie c) nicht der Unterschied des Entfremdungs- bzw. Verdinglichungsbegriffes bei Hegel und Marx. Das Kapitalverhältnis selbst erscheint unter dem Gesichtspunkt positiv-differentieller Verhältnisse als ein Verhältnis impliziter Bejahung.

Deleuze geht auf das Problem zwischen Begriff und Inhalt des Begriffs ein, wenn er betont, daß sich die Prädikate, sozusagen als besondere Eigenschaftszuschreibungen, "als Momente des Begriffs" bewahren "und (...) im Subjekt" "wirken", "dem sie sich zuschreiben". Bei Hegel wird dieses Problem in der Begriffslogik dadurch gelöst, daß sowohl das Subjekt eines Satzes wie seine Prädikate jeweils im Verhältnis zueinander eingegrenzter und weiter sind und so über das je singuläre Urteil hinausgehen, was dann zum Begriff des Begriffs, dem identischen Subjekt-Objekt führt. Das System als ganzes hat nicht mehr den Charakter einer Urteilsstruktur. Das sieht Deleuze ähnlich in bezug auf Hegel, wenn er sagt, daß der "unendliche Begriffsinhalt (...) das Erinnern und die Rekognition, das Gedächtnis und das Selbstbewußtsein" ermöglicht. Das ist dann für ihn, ähnlich wie schon für Derrida im Phänomen der Sprache, ein repräsentationales Denken. Die begrifflichen Differenzen sind hier in der universellen Vermittlung aufgehoben. Dagegen setzt Deleuze, daß empirisch je nach unterschiedlichem Satzsubjekt ein- und dasselbe Prädikat eine je unterschiedliche Valenz annimmt und andererseits doch unveränderlich bleibt. Und genau deshalb ist nach ihm "der Inhalt des Begriffs unendlich". In Klassifikation gibt es hingegen sog. "künstliche Blockierung(en)" (ebd., 28). Sie widerstreiten dem inhaltlichen Vorgang der Veränderung des Prädikats je nach dem Satzsubjekt. Demgegenüber geht Deleuze im Sinne der Offenheit der Unendlichkeit von einer sog. "natürlichen Blockierung des Begriffs" aus. Sie verweist nach ihm auf eine "Dialektik der Existenz". Diese Dialektik hat den Charakter, daß es im Begriff eine Identität gibt, die in der Existenz als Wiederholung erscheint. Und genau diese natürliche Blockierung bildet für den Begriff "eine echte Wiederholung in der Existenz, anstatt eine Ähnlichkeitsordnung im Denken" (ebd., 29), wie bei den Klassifikationen. Gegenüber dem Begriff und begrifflichen Differenzen sind nun für Deleuze nicht-begriffliche innere Differenzen gerade das, von dem er, ähnlich wie schon Derrida, ausgeht. Sie prägen "die Figuren der Wiederholung" und "Raum und Zeit sind selbst Medien der Wiederholung" (ebd., 30). Das Ego, wenn man denn davon ausgeht, sanktioniert immer nur das schon Vergangene, ohne es, ähnlich wie bei Derrida, zu einem Gegenwärtigen erheben zu können. Jedes "Produkt" ist "bereits als vergangen gedacht und wiedererkannt" (ebd., 31).

Für Deleuze sind nun "das Diskrete (Kant, H. K.), das Entfremdete (Hegel, H. K.), das Verdrängte (Freud, H. K.) (...) die drei Fälle von natürlicher Blockierung, die den Nominalbegriffen, den Naturbegriffen und den Freiheitsbegriffen entsprechen". In allen drei Fällen aber, so betont er, beruft man sich auf "die Form des Identischen im Begriff", auf die Form desselben in der Repräsentation, um der Wiederholung gerecht zu werden. Die Begriffslosigkeit in der Wiederholung und damit die begriffslose Differenz sollen hier im Sinne einer "indifferente(n) Differenz" in der Einheit des Begriffs geschlichtet werden. Die Wiederholung erscheint in allen drei Fällen als defizitär, negativ. "In allen" drei Fällen "wiederholt dasjenige, was wiederholt, nur dadurch, daß es nicht 'begreift', sich nicht erinnert, nicht weiß oder kein Bewußtsein besitzt". Blockierungen müssen hier - und zwar begrifflich - aufgelöst werden. Demgegenüber meint Deleuze: "Aber die natürliche Blockierung bedarf selbst einer überbegrifflichen positiven (!) Kraft, die sie und mit ihr zusammen die Wiederholung zu explizieren vermag".

Deleuze kommt innerhalb dieses Kontextes in Hinsicht auf den dritten Fall auf "Jenseits des Lustprinzips" von Freud zu sprechen und zeigt auf, daß hiernach "der Todestrieb als ursprüngliches positives Prinzip für die Wiederholung namhaft gemacht" (ebd., 33) werde. Bei Freud ist es die Thematik der Rückkehr ins Anorganische und die Gegensätzlichkeit von Eros und Thanatos, wo der Eros nur ein Umweg im Verhältnis zum Bedürfnis des Zurücksinkens ins Anorganische ist. Hier sei vielleicht an Marcuse erinnert, der in seinem Buch: "Triebstruktur und Gesellschaft" zu zeigen versucht, daß der Todestrieb sich einer bestimmten destruierenden Realität, einem bestimmten Realitätsprinzip verdankt gegenüber einem möglichen anderen, das solche destruktiven Züge nicht mehr produziert. Die Neostrukturalisten hingegen gehen von einem einlinigen Verhältnis von Realitäts- und Lustprinzip aus und verlassen diese Konstruktion mit dem mittleren Freud in Hinsicht auf die Thematik von Eros und Thanatos, wobei der Thanatos aber im Unterschied zu Freud "zum positivsten", zu einem "transzendental Positiven" wird.

Die Thematik des Todes, das Pyramidale des 'a' in der différance bei Derrida, ist, da sie danach ein 'Nichts' ist, bei Deleuze aber genauer im Unterschied zum Nichts bei Hegel das Eingeklammerte Nicht am Sein meint, immer nur in anderen Gestalten und Rollen, die auf Nichts als der Einheit ihrer selbst verweisen, erfaßbar. Insofern beziehen sich Verkleidungen und Masken, bzw. 'Verschiebungen' nicht auf ein Eigentliches, das in ihnen verkleidet und verschoben bzw. wiederholt wird, sondern sie sind "die inneren genetischen Elemente der Wiederholung selbst". Das ist hier die Struktur des Unbewußten. Im Freudschen Todestriebgedanken sieht Deleuze dagegen noch ein materielles Modell angelegt. Der Tod habe aber "nichts mit einem materiellen Modell zu tun". Der Todestrieb befindet sich nach Deleuze dagegen in einem "spirituellen Verhältnis zu den Masken und Travestien" und Wiederholung ist dann nichts anderes als das, "was sich verkleidet, indem es sich konstituiert, und sich nur insofern konstituiert, als es sich verkleidet". Und "die Masken verdecken nichts, nur andere Masken. Es gibt keinen ersten Term, der wiederholt würde; und noch die Kinderliebe zur Mutter wiederholt andere Lieben, die wir als Erwachsene für andere Frauen empfinden" (ebd., 34). Alles ist ein Simulakrum. Die Frage nach Wahrheit oder Unwahrheit und ihrem möglichen Verhältnis zueinander wird obsolet. Bei Deleuze mündet das in den Gedanken des Rhizoms gegenüber der Baumstruktur, bei Derrida ist es der Gedanke der Spur und des Supplements. Und so gibt es "nichts Wiederholtes, das von der Wiederholung isoliert oder abstrahiert werden könnte, in der es sich bildet, aber auch verbirgt". Diese Verbergung erinnert an Heideggers Sein, sie verweist jedenfalls auf nichts Letztes, ist anti-ontologisch gedacht. Daß nichts verkleidet wird und es nichts gibt, was verkleidet, meint: "Dasselbe Ding verkleidet und ist verkleidet". Es ist ein Vexierspiegel, "das Trugbild ist der Buchstabe der Wiederholung selbst" und "kraft der Verkleidung und der Ordnung des Symbols ist die Differenz in der Wiederholung enthalten". Der Todestrieb selbst ist es, von dem "die Masken und Rollen (...) gespeist werden". Und ergo: "Die Maske ist das wahre Subjekt der Wiederholung".

Sprach Marx, um einen Vergleich zu bemühen, in Hinsicht auf die kapitalistischen Produktionsverhältnisse von den Menschen als Charaktermasken und erklärte er das unter der Maßgabe der Verkehrung von menschlichen und sachlichen Zusammenhängen, so wird genau dieses Verhältnis im Neostrukturalismus positiviert. Und entsprechend heißt es dann auch gegen Freud: "Ich wiederhole nicht, weil ich verdränge. Ich verdränge, weil ich wiederhole, ich vergesse, weil ich wiederhole" (ebd., 35).

Aufklären, Bewußtmachen ist nicht gefragt. Das wird der Metaphysikgeschichte zugeschlagen. Entsprechend hängen Wiederholen und Vergessen zusammen. Dagegen gilt z. B. für Adorno, daß gerade im Identitätszwang, wo nichts vergessen werden soll, Vergessen statthat. Wirkliches Nichtvergessen setzt eine Relation von Vergessen und Nichtvergessen = Erfahrung voraus. Das reine Vergessen aber, und das bezieht sich auch auf die Schrift bei Derrida, ist Verdinglichung. Man braucht nicht mehr zu vergessen, weil man schon vergessen hat.

Die Wiederholung ist ihre eigene Therapie, so in der Übertragung in der analytischen Situation. "Wenn uns" sagt Deleuze, "die Wiederholung krank macht, so werden wir gerade durch sie auch kuriert" (ebd., 36). In der Übertragung wird keine Urszene nachgespielt. Die Kur ist selber "eine Reise zum Grund der Wiederholung". In der Wiederholung drückt sich "das selektive Spiel unserer Krankheit und unserer Gesundheit, unseres Verderbens und unseres Heils" aus. Dadurch wird man "'frei'" (ebd., 37): = Schizoanalyse.

Diese Thematik von Zwang und Freiheit zeigt sich für Deleuze auch beim Künstler. Das Kunstwerk besteht aus ständigen Asymmetrien, Verschiebungen, wo sich ein Exemplar einem anderen akkomodiert und gleichzeitig darüber hinausgeht. Aus diesen immanenten Ungleichgewichten zwischen den Exemplaren ergibt sich dann die gesamte Figur. Es springt bei der künstlerischen Produktion gleichsam immer mehr heraus als in den jeweiligen Exemplaren, den verursachenden Elementen für bestimmte Wirkungen, angelegt war. Es gibt so ein Mehr der Wirkungen im Verhältnis zu den Ursachen. Das ist z. B. anders als im Begriff der Wechselwirkung bei Hegel, wo sich Ursachen und Wirkungen ineinander verschlingen. Die Wirkungen sind infolge der gegenseitigen Versetztheit der Exemplare zueinander nicht in der Ursache beschlossen. Und entsprechend ist für Deleuze in diesem Sinne der "'Mangel an Symmetrie'" der "Ursprung und die Positivität des Kausalprozesses. Er ist die Positivität selbst". Der Mangel an Symmetrie, die Nicht- bzw. A-Symmetrie meint die Verschiebung. Es handelt sich um einen "Prozeß der Signalisierung". "Signal" ist dabei ein System von asymmetrischen Elementen und Ordnungen von disparaten Größen. "Zeichen" nennt Deleuze hier das, "was in einem derartigen System geschieht, was im Intervall aufblitzt". Das Zeichen ist die jeweilige Wirkung als Ausdruck der Asymmetrie und dem Versuch ihrer Aufhebung. Das Zeichen selbst impliziert so "eine innere Differenz". Das geht in Richtung der Arbitrarität des Signifikanten bei de Saussure. Das, was das Zeichen bezeichnen soll, ist selber 'vermittelt' durch das Zeichen, durch seine Verschiebung. Und so hat dieses niemals einen repräsentationalen Charakter.

Es wird dann hier zwischen "zwei Wiederholungstypen" unterschieden, nämlich einem, "der nur die abstrakte Gesamtwirkung betrifft" und einem anderen, der "die Wirkursache" (ebd., 38) meint. Die erste Form der Wiederholung "ist statisch, die andere dynamisch". Beide Wiederholungen hängen zusammen. "Die erste Wiederholung ist" die "Wiederholung des Selben, die sich durch die Identität des Begriffs oder der Repräsentation expliziert; die zweite ist diejenige, die die Differenz umfaßt und sich selbst in der Andersheit der Idee, in der Heterogenität einer 'Appräsentation' umfaßt. Die eine ist negativ, aufgrund des Mangels des Begriffs, die andere affirmativ, aufgrund des Überschusses der Idee. Die eine ist hypothetisch, die andere kategorisch. Die eine ist Wiederholung in der Wirkung, die andere (Nietzsche: Zarathustra, H. K.) in der Ursache. Die eine ist extensiv, die andere intensiv. Die eine ist gewöhnlich, die andere ausgezeichnet und singulär. Die eine ist horizontal, die andere vertikal. Die eine ist entfaltet, expliziert; die andere umhüllt und muß expliziert werden. Die eine ist revolutiv, die andere evolutiv. Die eine besteht aus Gleichheit, Kommensurabilität, Symmetrie; die andere gründet sich aufs Ungleiche, Inkommensurable oder Asymmetrische. Die eine ist materiell, die andere spirituell (...) die eine ist unbelebt, die andere enthält das Geheimnis unseres Todes und Lebens (...) die eine ist eine 'nackte' Wiederholung, die andere eine bekleidete Wiederholung, die sich selbst bildet, indem sie sich bekleidet, maskiert, verkleidet. Die eine besteht aus Exaktheit, die andere entspricht dem Kriterium der Echtheit" (ebd., 42f). Und: Die eine "ist bloß die äußere Hülle, die abstrakte Wirkung", die andere "ist das singuläre Subjekt, das Herz und die Interiorität der anderen, die Tiefe der anderen" (ebd., 43).

Die erste, nackte Wiederholung verschmilzt mit der Allgemeinheit, die zweite nicht. Diese Allgemeinheit ist aber nur die "Decke" für die innere Wiederholung, die "von einer Differenzordnung affiziert" wird. Dagegen begründet die "Nichtentsprechung von Differenz und Wiederholung (...) die Ordnung des Allgemeinen" (ebd., 44).

Die Thematik der Wiederholung in eins mit dem Vergessen, das in der Differenz steckt, wird exemplarisch dargetan von Luhmann. In Hinsicht auf das Phänomen der Beobachtung, das ein unterscheidendes Bezeichnen unter dem Gesichtspunkt der Zweiseitenform ist, ergibt sich, daß nur das "wiederholbar" ist, was nicht vergessen wird. "Wiederholbar ist", sagt Luhmann, "nicht etwa der Gegenstand, der die Wiederholbarkeit gleichsam erklärt. Wiederholbar ist nur die Operation selbst, und dies nur dank einer rekursiven Vernetzung mit anderen Operationen" (Luhmann 1990, 107). Die Gegenstandskonstitution ergibt sich aus der Rekursivität. Das tangiert dann auch, ähnlich wie bei den Neostrukturalisten, den Zeichenbegriff. Es gibt keinen Zusammenhang von Zeichen und Bezeichnungen, sondern, so nach Luhmann, "eine Struktur der Autopoesis von Kommunikation". Die Thematik der Differenz in der Wiederholung wird darin deutlich, daß Wiederholung "an zeitverschiedenen Stellen, also unter jeweils anderen Umständen erfolgen muß". Man könnte sagen, daß es hier, anders als unter dem Gesichtspunkt des ceteris-paribus-Theorems, immer Verschiebungen gibt. Dennoch bilden sich aber nach Luhmann - und hier im Rückgang auf Heinz von Förster - sog. Eigenwerte heraus. Das wird mit den Ausdrücken "Kondensierung" und "Konfirmierung" eingeholt. Generalisierende Kondensierung heißt "Reduktion auf Identisches". Es wird hier "etwas Bestimmtes zur wiederholten Bezeichnung" herausgezogen. "Die Bedingungen der Wiederholbarkeit müssen als Bedingungen der Selbigkeit, als Bedingungen der Wiedererkennbarkeit und Wiederverwendbarkeit Desselben spezifiziert werden". Bei der Kommunikation sind das Wörter. Aber das Identische muß immer "in einer anderen Situation erfolgen und deren Andersheit einarbeiten. Das geschieht durch die generalisierende Konfirmierung". Das Identische nimmt so immer "neue Sinnbezüge" auf, gewinnt "Bedeutungsfülle" (ebd., 108). Und hier tritt dann bei der wiederholten Bezeichnung "Erinnerung" auf, denn die einzelnen Fälle sind nicht identisch. Identität und Unterschied hängen demnach so zusammen, daß die Identität durch den Unterschied bestimmt ist und nicht umgekehrt. "Der Effekt der Zeit" (ebd., 109), Sequentialität und Rekursivität, sind hierfür maßgebend.

In dieser Art der Wiederholbarkeit werden nun, gerade im Begriff der Rekursivität, die beiden Momente der Wiederholbarkeit, die bei Deleuze unterschieden sind, als auseinander hervorgehend interpretiert. In der Rekursivität steckt dann die Möglichkeit von Erinnerung. Solches ist aber bei Deleuze gerade nicht der Fall, bzw. gilt nur für die Allgemeinheit, die nackte, statische Wiederholung. Diese Unterscheidung zwischen Neostrukturalismus und Systemtheorie rührt m. E. daher, daß der Neostrukturalismus Systeme im Sinne des Begriffs der Negentropie nicht kennt, sondern von einem Begriff dynamischer Energie und hier von Asymmetrisierungen ausgeht.

Die Ordnung des Allgemeinen besteht nach Deleuze, wie dargetan, in der "Nichtentsprechung von Differenz und Wiederholung" (Deleuze 1992, 44). Er bezieht sich hier auf Gabriel Tarde, dessen gesamte Theorie auf Differenz und Wiederholung beruhe. Differenz - bei der inneren Wiederholung - "ist zugleich der Ursprung und das Ziel der Wiederholung". Die differentielle und differenzierende Wiederholung löst "den Gegensatz" ab. Damit ist dann "eine ganz andere Dialektik als die Hegelsche begründet" (ebd., 45, Anm. 16). Eine Differenz ist danach, wie schon gezeigt, gegenüber einer begrifflichen Differenz, die letztlich auf Einheit hinausläuft, "eine innere und doch unbegriffliche Differenz". "Die Differenz befindet sich (wie gezeigt, H. K.) innerhalb einer Idee, obwohl sie außerhalb des Begriffs als Objektvorstellung liegt" (ebd., 45).

Für Deleuze war es "vielleicht der Fehler der Philosophie der Differenz von Aristoteles über Leibniz bis Hegel, daß sie den Begriff der Differenz mit einer bloß begrifflichen Differenz verwechselte, indem sie sich mit der Einschreibung der Differenz in den Begriff überhaupt begnügte" (ebd., 46). Das hatte schon Marx an der Selbstbewegung des Begriffs bei Hegel dargetan, ohne allerdings, wie die Neostrukturalisten, an die Stelle des Widerspruchs einfach die Differenz zu setzen. Die Differenz erscheint bei Hegel nicht am Vorbegrifflichen und die Bewegung der Begriffe hat nicht in ihm ihr fundamentum in re, so daß sie an sich selber gar nicht bestimmt werden kann. Das ist der Idealismus. Das ist bei Deleuze so ausgedrückt: "In Wirklichkeit hat man, solange man die Differenz in den Begriff überhaupt einschreibt, keine singuläre Idee der Differenz und bleibt nur beim Element einer bereits durch die Repräsentation vermittelten Differenz stehen" (ebd., 46f). Das wäre die Identität des Signifikanten und des Signifikats, wie Derrida das nennt. Dagegen gibt es bei den Neostrukturalisten nur singuläre Differenzen und entsprechend Verschiebungen. Aber das ist, wie gesagt, eine neue Positivität. Hier arbeitet sich das Denken nicht am Identitätsprinzip selber ab, wie das bei Adorno geschieht, sondern unterläuft es. Das unterscheidet entscheidend z. B. von einer kritischen Gesellschaftstheorie. Die theoretische Ausgangsorientierung der Neostrukturalisten hat dagegen einen positiv-affirmativen Charakter.




 * Colloquium vom 10. 2. 2000


Literatur

Adorno, Th. W. (1975). Zur Metakritik der Erkenntnistheorie. In: Adorno, Th. W. Gesammelte Schriften, Bd. 5, Frankfurt/M.

Deleuze, G.(1992). Differenz und Wiederholung. München

Derrida, J. (1988). Die différance. In: Derrida, J. Randgänge der Philosophie. Wien

Derrida, J. (1994). Grammatologie. Frankfurt/M.

Hegel, G. W. F.: Wissenschaft der Logik, 2 Bde. In: Hegel, G. W. F.: Werke in zwanzig Bänden, Bd. 5 und 6, Frankfurt/M. [1986]

Heidegger, M.: Identität und Differenz. Pfullingen [1990]

Horkheimer, M., Adorno, Th. W. (1984). Dialektik der Aufklärung. In: Adorno, Th. W.: Gesammelte Schriften, Bd. 3, Frankfurt/M.

Luhmann, N. (1990). Die Wissenschaft der Gesellschaft. Frankfurt/M.

Marx, K.: Das Kapital, Bd. 1. In: MEW, Bd. 23, Berlin [1962]

Saussure, de F.: Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft. Berlin [1967]

Welsch, W. (1995). Vernunft. Die zeitgenössische Vernunftkritik und das Konzept der transversalen Vernunft. Frankfurt/M.

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