Stephanie Wodianka (Rostock) "Claudelaire": Incipit und tabula rasa in Émile Zolas L'ŒuvreZola begins his novel "L'Œuvre", published in 1886, with a significant incipit, in which the famous "Passante" from Baudelaire's sonnet appears to be reversed into its opposite. The article shows that the protagonist Claude is not just to be understood as the alter ego of the painter Cézanne (as it is frequently mentioned in relevant research) but rather as a fictional equivalent of Charles Baudelaire as well. Zola additionally introduces a meta-poetic level of diegesis in the starting pages of this late work which is artistically but not artificially integrated into the threshold zone of the incipit: Zola's incipit is a meta-poetic plea for the art of storytelling, his competence as an author and a manifesto against Baudelaire, whom he tried to push into accelerated cultural oblivion through his novel. Or rather – phrased by Zola's overconfident self-image: By fictively observing the process in his novel, Zola protocols Baudelaire's cultural obliviscence. Im Zentrum dieser Untersuchung steht der Beginn eines Romans von Émile Zola: Das Incipit von Zolas L'Œuvre. Der Roman erschien zunächst zwischen Ende Dezember 1885 und Ende März 1886 im Feuilleton der Zeitschrift Gil Blas, aufgeteilt in 80 Textetappen. Kurz darauf erfolgte im Verlag Charpentier die Gesamtpublikation. Die im April 1886 gedruckte Ankündigung der "Bibliographie de la France" beschreibt und bewirbt den Roman mit folgenden Worten:
Diese zeitgenössische Ankündigung – wahrscheinlich aus der Feder Zolas – ist ein Paratext, der den Lektürebeginn der Leser präformiert. Einfach und packend sei die zu erwartende Geschichte. PhiN 89/2020: 44 Schon die Bezeichnung des Romans als "poignant" spielt auf den stichartigen Schmerz als Affektauslöser an, und die zweimalige Wiederholung des Wortes "passion" ("passion d'une femme", "passion de son art"), und dessen Wiederaufgreifen durch das Prädikat "passionera" rückt den Roman weiter in den diskursiven Kontext von Leidenschaft und Affekt. Ebenfalls zwei Mal fällt in dieser kurzen Romanbeschreibung der Begriff "drame", der nicht nur die Affekt-Isotopie verstärkt 1 sondern auch das Feld der Künste und ästhetischen Genres eröffnet. L'Œuvre erzählt 'dramatisch' vom Kämpfen und Ringen der Kunst und des Künstlers: ein Kampf zwischen den "passions", und ein Ringen mit der "nature". Der angekündigte Roman ist aber nicht nur "drame", sondern auch "tableau", er liefert, so heißt es, ein "tableau de l'art moderne", ein Bild der Kunst der Moderne. Er ist ein Gemälde der modernen Kunst und ruft somit auch deren Gemälde auf, ebenso wie deren Ringen um Anerkennung im Salon bzw. im Salon des Refusés. Dass trotz dieser Nähe zu anderen literarischen Genres (Theater) und Künsten (Gemälde) das Epische im Vordergrund steht, hebt die Ankündigung eindrücklich am Ende des Textes hervor: "Œuvre, d'Artiste, mais oeuvre de romancier": L'Œuvre ist das Werk eines Romanciers, nicht irgendeines Künstlers oder Dichters (hervorgehoben durch "mais"). Es geht um die poetologische Konzeption einer neuen Kunst der modernité ("formule nouvelle") einer neuen Generation ("milieu de la jeunesse"), die unter dem freien Himmel der Großstadt ("plein Paris") ihre impressionistische Inspiration sucht und findet. Zwischen autobiographischem Bekenntnis und kenntnisreicher Biographie stehend ("sorte de Mémoires", „[l'auteur] s'est confessé lui-même", "a raconté quinze ans de sa vie et de la vie de ses contemporains"),2 verspricht die Ankündigung Einblicke in die zeitgenössische bzw. rezente Künstlerszene – sowie die Perspektive des Dichters Zola auf seine Kunst (die Literatur, den Roman) und die anderen Künste und Künstler. Protagonist des Romans ist der Maler Claude Lantier, besessen getrieben von der Idee einer neuen, impressionistischen Kunst. Er findet keine Anerkennung in den Pariser Ausstellungs-Salons seiner Zeit, immer wieder werden seine Werke zurückgewiesen, selbst im Salon des Refusés wird er zum Gespött, sein impressionistisches Hauptwerk "Plein air", um das sein Streben kreist, wird er niemals fertigstellen. Ihm sind eine Reihe von Künstlerfiguren an die Seite gestellt: Von zentraler Bedeutung ist der Romanautor Sandoz, aber auch Skulpteure und andere Maler sowie Kunsthändler konstituieren den Kunst-Diskurs des Romans. Einerseits als Repräsentanten verschiedener Künste, andererseits als Künstler, die sich wie Claude Lantier im Spannungsverhältnis zwischen künstlerischen Idealen, individuellen Lebensentwürfen und der Ökonomisierung des Kunstmarktes befinden. Nicht zuletzt gewinnt L'Œuvre seine Handlungsdynamik aus dem Verhältnis des Protagonisten Claude zu Christine, einer jungen Frau, die ihm Muse, Modell, Geliebte, Mutter seines kranken Kindes Jacques und schließlich Ehefrau ist. An ihr kristallisiert sich jener in der Romanbeschreibung erwähnte "combat", eine Rivalität zwischen Kunst und Frau, Kunst und Soziabilität, Kunst und Leben. Am Ende des Romans stehen der Freitod Claudes, der sich vor seinem unvollendeten Gemälde erhängt, die fast tote Christine, deren Perspektive allenfalls ein in Demenz siechendes Weiterleben ist. Sohn Jacques ist bereits in der Mitte des Romans gestorben und bietet sich somit auch nicht für eine generationelle Zukunftsperspektive an. Die letzten Worte im Roman haben zwei Künstler, die Dichter Sandoz und Bongrand, die der tristen Beerdigung Claudes auf einem Pariser Friedhof beiwohnen. Der Roman hält bei all dem, was die Ankündigung in der Bibliographie de la France 1886 versprochen hatte: Er "passioniert" und "sticht". PhiN 89/2020: 45 Im Folgenden soll gezeigt werden, dass Zola – nachdem er mit der Ankündigung die ersten Weichen für die Rezeption des Romans gestellt hatte – den Romanbeginn von L'Œuvre signifikant gestaltete. Das ist zwar grundsätzlich für jeden literarischen Text anzunehmen, gilt es doch, die Grenze zwischen zwei Wirklichkeitsebenen zu ziehen, sich zu ihrer Arbitrarität zu positionieren und zugleich zu ihrem Überschreiten einzuladen. Was Andrea del Lungo für Literatur im Allgemeinen postuliert, gilt für naturalistisches Schreiben aber in ganz besonderer Weise:
Zola verstand sein naturalistisches Erzählen als eine 'Naturalisierung' ästhetischer Verfahren, seine utopische Idee vom roman expérimental 3zeugt von einer in Mythisierung umschlagenden Historisierung szientistischer 4 Gesellschafts-Beobachtung, der sich der Dichter – der seinem Selbstverständnis nach das Werk vor den Augen des Erzählers nach vollzogener Versuchsanordnung emergieren lässt 5 – als Protokollant unterwirft. Und dennoch: In L'Œuvre, einem seiner letzten Romane, gibt sich Zola nicht mit dieser Herausforderung zufrieden, sondern er führt eine zusätzliche, metapoetische Diegeseebene ein, die kunstvoll, aber nicht künstlich in die Schwellenzone 6 des Incipit eingebunden wird: Zolas Incipit ist ein metapoetisches Plädoyer für die Erzählkunst, seine Autorkompetenz und, nicht zuletzt, ein Manifest gegen den dem Symbolismus nahestehenden Baudelaire, den er mit seinem Roman beschleunigt ins kulturelle Vergessen zu überführen trachtete. Oder besser – nach dem Selbstverständnis Zolas gesprochen: Mit dem Roman protokolliert der kompetente naturalistische Autor Zola beobachtend das kulturelle Vergessenwerden des inkompetenten Dichters Baudelaire. "A une Passante" in L'Œuvre Wie findet Zola ins Erzählen, wie führt er seine Leser über die Schwelle in seine "histoire simple et poignante" ein? Der Maler Claude Lantier ist der scheiternde Protagonist des Romans, und mit "Claude" beginnt der erste Satz des Romans.
PhiN 89/2020: 46 Dieser erste Satz erscheint fast etwas überladen, benennt er doch
das sich bewegende Subjekt, den städtischen Bewegungsraum
("Hôtel de Ville") und die nächtliche Uhrzeit ("deux heures
du matin"), in deren Ereigniskontinuum ("passait", "sonnait") ein
Gewitter hereinbricht: "l'orage éclata". Der Roman, so
könnte man sagen, beginnt schlagartig, mit einem Naturereignis,
das den "artiste flâneur" Claude und die Stadt Paris
gleichermaßen überrascht ("brusquement"). Impulsiv –
oder man könnte naturalistisch auch sagen: instinktiv, als panisch
Schutz suchende bête humaine, – flieht Claude vor dem
starken Regen, aufgelöst und verzweifelt rennt er, bis sein Lauf
auf dem Pont Louis Philippe von Atemlosigkeit gebremst und in Reflexion
überführt wird, nämlich über die eigentlich
lächerliche Angst vor dem Regenwasser. Er zwingt sich dazu, die
"prises de la nature" zu überwinden, den Weg langsam fortzusetzen
und dem Wetter mit betonter Lässigkeit ("les mains ballantes") zu
trotzen, ohnehin ist sein Weg nach Hause nicht mehr weit.
Insgesamt drei Mal lässt Zola den Blitz an seinem Romanbeginn zur Erde fahren, und jedes Mal folgt wie hier auf die momenthafte Lichterscheinung eine ekphrastische Stadtbeschreibung, eine Beschreibung der Häuser und Fassaden im Detail, ihrer Plätze, Brücken und Wasser, die dann ebenso plötzlich wieder im Dunkel der Nacht verschwinden ("ténèbres", "tout disparut"). Die zweite Blitzerscheinung schneidet buchstäblich das Wort ab, an dessen Stelle für einen Moment ein Bild tritt, das nach einem Augenblick wieder verschwindet:
PhiN 89/2020: 47 Wie bei einer Gemälde-Betrachtung wird in diesen Erzählpassagen der Blick des Lesers gelenkt, Details der Fassaden, Wassereffekte und Straßenzüge benannt, Farbnuancen und Zwischentöne gesucht. Nicht zuletzt weisen Isotopien von Geometrie und Malerei darauf hin, dass Paris in diesen Licht-Momenten zum Bild erstarrt. Während der erste Blitz den "grand air triste des antiques façades" (Œ: 29) und der zweite Blitz ein "phantastisches" Bild der Stadt zum Vorschein gebracht hatte ("l'apparition violâtre d'une cité fantastique", Œ: 30), lässt der dritte Blitz Paris als "ville tragique dans un éclaboussement de sang" erscheinen, über der der Himmel zusammenbricht: "[…] en face, une complication extraordinaire des choses, tout un monde emplissant l'énorme coulée, la fosse creusée d'un horizon à l'autre. Le ciel s'éteignit, le flot ne roula plus que des ténèbres, dans le fracas de la foudre." (Œ: 31) Das momenthafte Blitz-Bild der Stadt zieht somit Register, die eigentlich der Literatur vorbehalten schienen: großartiger, aber überkommener Klassizismus, ein an die Grenzen der Realität führender Realismus, und blutige Tragödie, an deren Ende nach erfolgtem nouement und dénouement und angesichts der vollzogenen Katastrophe unter tosendem Applaus der Vorhang fällt. Zola geht es offensichtlich mit seinem Romananfang nicht nur darum, eine Erzählung zu beginnen. Es geht ihm um Grundsätzlicheres, um Symbiosen und Konkurrenzen (in) der Literatur als Medium, um ein Erzählen, das die Literatur im Erzählen reflektiert.8 Folgen wir dem Erzählbeginn weiter, so begegnen wir nach dem Flaneur und dem momenthaften Blitz einer dritten Konstituente der poésie de la modernité: der Passante. "Arrivé devant sa porte, une vieille porte rode et basse, bardée de fer, Claude, aveuglé par la pluie, tâtonna pour tirer le bouton de la sonnette; et sa surprise fut extrême, il eut un tressaillement en rencontrant dans l'encoignure, collé contre le bois, un corps vivant." (Œ: 30) Zunächst nur unspezifisch als "lebendiger Körper" von Claude am Hauseingang kauernd wahrgenommen, als bête humaine, die vor dem Unwetter ängstlich zusammengekauert Schutz sucht ("collé contre le bois"), entpuppt sie sich bei näherem Hinsehen als naturalistisches Alter ego ihrer Erscheinung in Baudelaires berühmtem Sonett im Kapitel "Tableaux Parisiens" von Les Fleurs du Mal (1861): als "grande jeune fille, vêtu de noir" (Œ: 30) ihrer Schwester in "A une passante" nicht unähnlich ("longue, mince, en grand deuil" V. 2), aber dennoch deutlich transformiert.9
PhiN 89/2020: 48 Betrachten wir im Vergleich mit Baudelaires Sonett die passante des Incipit von L'Œuvre: Nicht ein majestätisches Wogen und Wiegen ihrer Röcke zeichnet sie aus ("douleur majestueuse, / […] Soulevant, balançant le feston et l'ourlet" (V. 2-4)10, sondern ein Zittern, sie "grelottait de peur" (Œ: 30). Chiastisch verkehrt ist auch das Nichtwissen des lyrischen Ich über die Unbekannte bei Baudelaire: Aus "j'ignore où tu fuis, tu ne sais où je vais" (V. 13) wird bei Zola das "Je ne sais pas où je suis" (Œ: 30) der Unbekannten. Zolas passante ist keine Bewohnerin der anonymen Großstadt Paris, sondern ein Landei aus jenem Vorort Passy, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch ein Dorf und für seine gesetzte, ländliche Idylle bekannt war. Und während Baudelaires Flaneur die in der Anonymität der Masse beobachtende, in der Lichterscheinung scharf sehende aktive Instanz der Szene ist,11 ist der Flaneur Claude "aveuglé" vom Regen; die ausführlichen Beschreibungen des vom Blitz erhellten Paris erfolgen nicht aus seiner Perspektive, sondern aus Perspektive der Passantin: "Ses dilatés parcoururent avec effarement ce coin de ville inconnu, l'apparition d'une cité fantastique."; "cette fois, elle venait de revoir la ville tragique dans un éclaboussement de sang" (Œ: 30, 31). Claude kommt auch nicht auf die Idee, aus den aufgerissenen Augen der Passantin zu trinken ("Moi, je buvais, crispé comme un extravagant, / Dans son œil, ciel livide où germe l'ouragan" (V. 6f.), denn nicht dort "germe l'ouragan", sondern hinter ihm, über der Stadt Paris. Die Unbekannte im Roman Zolas hat nichts vom majestätischen Selbstbewusstsein und dem großartigen Gang ihrer baudelaireschen Schwester, sie ist in ihr Gegenteil verkehrt und kauert zusammengekrümmt (somit "crispé" wie der Flaneur bei Baudelaire) im Hauseingang. Ihr Ziel ist nicht ein diffuses "Ailleurs" (V. 12), sondern das allzu bürgerlich konkrete Passy ("C'est à Passy que je vais.", Œ: 31). Sie verschwindet auch nicht in der Masse, sondern bleibt auf penetrante Weise präsent. Die Straßenbegegnung mit ihr löst nicht den hoffenden Gedanken an die Ewigkeit als letzten Möglichkeitsraum aus ("Ô toi, je j'eusse aimée" (V. 14)), sondern endet mit einer apokalyptischen Szene: Sintflut in Endzeitstimmung "(Le ciel s'éteignit […]. ‚Oh! Mon Dieu! C'est fini...Oh! Mon Dieu!", Œ: 31). Statt der mondänen Dame wird bei Zola entsprechend der Gottvater angerufen. Der Zufall flüchtiger Begegnung ist in Baudelaires berühmtem Sonett das bestimmende ästhetische Moment, das für die poésie de la modernité steht. In Zolas Roman wird der Zufall als problematisches, die Erzählung der Unbekannten unglaubwürdig machendes und behinderndes Moment expliziert: "Il avait la méfiance de la femme: cette histoire d'accident, de train en retard, de cocher brutal, lui paraissait une invention ridicule." (Œ: 30f.) PhiN 89/2020: 49 Zola transformiert 'seine' passante somit noch in einer weiteren Weise: Sie ist der Ausgangspunkt einer den Romanbeginn geradezu dominierenden metapoetischen Reflexion. Während Baudelaires zufällig in der Anonymität der Masse erblickte Unbekannte aus dem momenthaften Blick des lyrischen Ich gerät und in die Ewigkeit verschwindet, beginnt die aufgrund der allumfassenden Dunkelheit aus dem Blick geratene passante bei Zola ("obscurité complète", Œ: 33) eine stockende kurze Erzählung, die ihre 'zufällige' Strandung vor der Tür des Künstlers erklärt. Diese Erzählung der jungen Frau bleibt ein Fragment, weil ihr ausgerechnet der Blitz, der die Bilderscheinungen und Ekphrasen auslöst, das Wort abschneidet (Œ: 43). Ihre gescheiterte, weil unglaubwürdige und abgebrochene Erzählung stellt ihre ganze Existenz in Frage, sie scheint als Figur der gescheiterten Erzählung existenziell bedroht: "C'est fini… Oh! Mon Dieu! Que vais-je devenir?" (Œ: 31). Diese Erwartung des Endes wird von Claude wiederum mit einem Entschluss beendet: "[…] il finit par dire: En voilà assez, montons … Vous coucherez chez moi." (Œ: 32) – Er weiß, wie es weitergeht. Zur Architektur des Erzählens Was folgt, ist eine metapoetische Darstellung der von jedem Romancier zu bewältigenden Schwierigkeit, seine Leser in den Bann seiner Fiktion zu ziehen. Nach dem nächsten, vierten Blitz ("Mais un éclair l'éblouit encore", (Œ: 32) folgt keine Ekphrasis, sondern absolutes Dunkel: Die schwere Eingangstür schließt sich hinter Claude und der sich dem Vorschlag eigentlich widersetzenden jungen Frau, diese– und nicht etwa alle beide – ist nun umgeben von völliger Dunkelheit und im wörtlichen Sinne im Dunklen über das, was kommt: "La lourde porte s'était refermée, elle se trouvait sous un vaste porche, dans une obscurité complète." (Œ: 32) Diese Dunkelheit ist der Hintergrund, vor dem das Erzählen anhebt, so wie das Licht das Bild zutage gebracht hatte. Die zufallende Eingangstür markiert den fiktionalen Innenraum in Abgrenzung zur extraliterarischen Wirklichkeit, ein Schwellenübertritt ist erfolgt, die Orientierung in der fiktionalen Innenwelt ganz im Sinne der Diffusität dieser Incipit-Zone noch aber nicht ganz vollzogen.12 Claude erfüllt in den folgenden Passagen eine Doppelfunktion: Er ist Künstlerfigur, die einer Unbekannten Obdach gibt, und er ist Repräsentant des Erzählers und des Romanciers, der als metapoetische Figur dessen Vorgehen spiegelt. Er wird zur Führungsinstanz, die Sicherheit gibt: "Donnez-moi la main, nous avons la cour à traverser." (Œ: 32) Er nimmt die Unbekannte – und mit ihr uns Leser – an die Hand und führt uns durch eine Architektur der Gehhilfen, die den Weg in die Fiktion erleichtern sollen. Erzählerische Rampen, Treppen, Korridore, Leitern und Stufen müssen wir erklimmen, um in die erzählerische Illusion einzutauchen – eine "Praktik im Raum" im Sinne von de Certeau:13
PhiN 89/2020: 50 Er ist die Leitinstanz, die alle Hürden überwindbar macht: "Prenez la rampe" rät er, "méfiez-vous", "il la prévint" (Œ: 33). Er (Claude, der Erzähler, der Romancier) sucht und findet schließlich seinen (nicht irgendeinen) Schlüssel (zur Wohnung, zum fiktionalen Erzählraum): "Il ouvrit enfin" (Œ: 33). Seine anhaltende Souveränität zeigt er, indem er selbst jetzt noch ein retardierendes Moment zum Wohle des Rezipienten einfügt: "N'entrez pas, attendez. Autrement, vous cogneriez encore." (Œ: 33), bevor dann alles bereit ist: "Entrez donc, ca y est." (Œ: 33). Die so Geführte hat derweil ihr bisheriges Raum- und Zeitgefühl verloren, sie ist dabei, die Wirklichkeit 1. Grades zu verlassen und einen Illusionsraum zu betreten, der sie nicht mehr loszulassen scheint: "Elle soufflait, le cœur battant, les oreilles bourdonnant, achevé par cette montée dans le noir. Il lui semblait qu'elle montait depuis des heures, au milieu d'un tel dédale, parmi une telle complication d'étages et de détours, que jamais elle ne redescendrait." (Œ: 33) Bereitet ist nun eine Platonische Höhle der Imagination, der Wirklichkeit 2. Grades, die sich als Schatten an die Wand wirft: "L'unique bougie pâlissait dans ce grenier, haut de cinq mètres, empli d'une confusion d'objets, dont les grandes ombres se découpaient bizarrement contre les murs peints en gris." (Œ: 33) Noch immer sieht die junge Frau, sehen wir fast nichts ("Elle regarda sans voir, elle ne reconnut rien" Œ: 33), bis ein erneuter Blitz in unmittelbarer Nähe einschlägt und das Dach erzittern lässt ("juste à ce moment, en éclair embrasa le ciel, et le coup de tonnerre suivit de si près, que la toiture sembla se fendre." Œ: 33). Diese Unmittelbarkeits-Erfahrung, die die Mittelbarkeit des Erzählers vergessen lässt, ist der hörbare Startschuss für die Erzählung: Jetzt ist die Diegese geschlossen, der Leser in ihr gefangen: "Et il retourna vers la porte qu'il ferma bruyemment, à double tour" (Œ: 33f.). Der Erzähl-Raum und seine ihm eigene Intimität zwischen Erzähler und Rezipient ist konstruiert ("Là! nous sommes chez nous" Œ: 34). Jetzt ist der Romaneinstieg geschafft – aber: "d'ailleurs, c'était la fin", so lesen wir nun irritiert (Œ: 34). Jeder Erzählbeginn ist eine Schwelle zwischen Ende der Wirklichkeit ersten Grades und Anfang der Fiktion Del Lungo 2003: 31); die Hürde ist genommen, das "d'ailleurs" drückt Leichtigkeit aus, mit der jetzt eine neue Diegeseebene betreten wird, ganz im Gegensatz zum anstrengenden architektonischen Hürdenlauf zuvor. "Il n'y eut plus que des coups éloignés, bientôt le déluge cessa" (Œ: 34): Das Gewitter hört auf, das Erzählen beginnt – die isotopische Häufung von "fin", "finir" und "cesser" (Œ: 33f.) markiert im Sinne einer "clausule interne" Hamon 1978: 507) das Ende des Romananfangs.14 'Claudelaire' Zola zeigt mit diesem Romanbeginn, was er kann: Virtuos führt er zugleich in die Erzählung und ins Erzählen allgemein ein, er erweist sich als kompetenter Autor, der seine Kunst, die Literatur, in Theorie und Praxis beherrscht. Sein Protagonist Claude ist nur ein Werkzeug in seinen Händen, ein scheiternder Maler, der als Protagonist des Romans dazu dient, die überlegene Größe der Literatur im Allgemeinen und die des Autors Zola im Besonderen zu illustrieren. In der Literaturwissenschaft wurde bereits viel über die autobiographischen Interrelationen Zolas zu seinen Romanfiguren in L'Œuvre spekuliert, zumeist wird der Dichter Sandoz als Alter ego seines Autors gehandelt (vgl. z.B. Giraud 2019 und Terashima 2008), während man im Maler Claude Cézanne zu entdecken glaubt (vgl. z.B. Becker 1990 und Mittérand 2016: 452). Bisher unbemerkt blieb bisher aber die Ähnlichkeit, die der scheiternde Protagonist Claude mit Charles Baudelaire verbindet. Das scheint zunächst unplausibel, weil die Romanfigur Claude impressionistischer Maler ist – was sollte er mit dem Autor der "Fleurs du Mal" gemeinsam haben? PhiN 89/2020: 51 Dass wir bei der Lektüre dieses Romans durchaus an Charles Baudelaire denken sollen, ist zunächst der Tatsache zu entnehmen, dass Zola uns im Incipit in fast penetranter Weise Baudelaires "A une Passante" vor Augen stellt: Der Flaneur, der Blitz und die plötzliche Begegnung mit der Unbekannten rufen uns den poète maudit ins Gedächtnis, das Gewitter zeichnet die von Baudelaire als Peintre de la vie moderne gedichteten Tableaux Parisiens als momenthafte Erscheinungen erzählerisch nach. Das geschieht – wie oben gezeigt – in konsequenter Umkehrung, schon insofern ein 'Anti-Baudelaire'. Zola bereitet seine Leser mit nicht geringem Aufwand darauf vor, im Maler Claude den Dichter Baudelaire wiederzuerkennen und uns auf dem bevorstehenden Weg durch den Roman letztlich seinem vernichtenden Urteil über den mittlerweile 30 Jahre zuvor verstorbenen Dichterkollegen anzuschließen, der wie kein anderer für die poésie de la modernité stand.15 Dieses Urteil hatte er als junger Journalist im Jahr 1869 im Zuge der anstehenden Gesamtausgabe ausgesprochen, die Baudelaires Werk – zwei Jahre nach dessen frühem Tod – der Öffentlichkeit zugänglich machen sollte. Dabei hebt Zola, ganz wie in seinem Roman, mit einer gewissen Hinterhältigkeit16 an und mimt Unschuld:
Nein, es gehe ihm (aus Zeitgründen) nicht darum, das Gesamtwerk des Dichters zu studieren oder einzuordnen. Das überlässt er jenen, die ihre Zeit (und das Geld) tatsächlich in die Lektüre der Gesamtveröffentlichung investieren möchten. Es gehe ihm 'nur' um die Ankündigung dieser bevorstehenden Publikation und um die Beschreibung seines dichterischen Talents. Vordergründig unternimmt Zola also weniger als die Analyse des dichterischen Werkes seines kürzlich jung verstorbenen Kollegen, hintergründig aber mehr und viel Grundsätzlicheres. Denn die Einschätzung eines jeden dichterischen Werkes beansprucht ja, dessen Analyse bereits hinter sich gelassen zu haben. Und als würde das sein Unternehmen rechtfertigen, führt er eine ebensolche, prominente allgemeine Einschätzung des dichterischen Talents an, die Théophile Gautier über Baudelaire geäußert hatte: "Ainsi que le dit Théophile Gautier dans la notice qui se trouve en tête des Fleurs du Mal: 'Baudelaire avisa, non pas en deça, mais au-delà du romantisme, une terre inexplorée, une sorte de Kamtchatka hérissée et farouche.'" (Zola 1869: 3) Die ästhetische Jenseitigkeit des Baudelairschen Werkes habe also auch schon – oder besser: sogar der vom Naturalisten Zola verhasste Parnassien Gautier erkannt,17 schon ihm sei die befremdende Widerständigkeit und Wildheit der Dichtungen Baudelaires aufgefallen, die eigentlich nur mit dem zu seiner Zeit exotisch-nördlichsten geographischen Niemandsort zu vergleichen ist.18 Dass Gautier diese Verortung Baudelaires im Jahr 1868 völlig positiv gemeint und in einem Kontext formuliert hatte, der den dichterischen Durchbruch und die 'künstlerisch fruchtbare Faulheit' des Autors nach seiner Jugendreise beschreibt,19 unterschlägt Zola – er dreht die Worte Gautiers um und transformiert sie in ihr Gegenteil, so wie er am Romanbeginn von L'Œuvre Baudelaires passante in ihr Gegenteil verkehrt. PhiN 89/2020: 52 Damit segelt Zola scheinbar im Windschatten des Baudelaire-Freundes Gautier, um dann zum offenen Angriff überzugehen:
Zola gründet seine vernichtende Kritik hier auf zwei Hauptargumente: Erstens die Behauptung sozialer Abseitigkeit des Autors Baudelaire, der in seiner unkultivierten Steinnische hause, gefangen in seinen kranken Gedankenlabyrinthen, in der hintersten Ecke seines Lochs am Ende der Welt. Dadurch fällt Baudelaires Werk aus dem Menschenbild, aber auch aus den ästhetischen Beurteilungskategorien Zolas förmlich heraus: Er sei weder Teil der Gesellschaft (die die naturalistischen Erzähler in ihrer Komplexität und Dynamik beschreiben wollten), noch sei er im naturalistischen Sinne anderen bêtes humaines ähnlich. Genau diese Charakterisierung Baudelaires trifft auch auf den Protagonisten in L'Œuvre zu und ist ein deutliches Indiz dafür, in Claude das Alter ego des poète maudit zu sehen: Zola nutzt schon die allererste im Roman beschriebene Begegnung zwischen dem Maler Claude und Christine dazu, die Unmenschlichkeit seines künstlerischen Blicks zu postulieren, der alles Zwischenmenschliche auf das Ästhetische reduziert (vgl. Wodianka 2017a). Claude gewährt der jungen, schüchtern-verunsicherten Frau angesichts des über Paris hereingebrochenen nächtlichen Unwetters Unterkunft in seiner Künstlerbehausung. Am darauffolgenden Morgen entdeckt er sie als ideales Modell für sein Gemälde und nutzt den freien Blick auf den schlafenden weiblichen Körper für seine Zeichnung. Als Christine erwacht und angesichts dieses körperlichen Übergriffes, ihrer ungefragten 'Nutzung' als Darstellungsobjekt, Tränen der Scham weint, zeigt sich Claude mitleidsfrei, setzt sie mit Verweis auf die geleistete Hilfe am Vorabend unter Druck und ist einzig darum besorgt, ihre Zustimmung zur Fortführung der Pose zu gewinnen. Das Gefühl des Mitleids ist ihm fremd, er kennt einzig seine "émotion de son gros désir d'artiste" (Œ: 40). Auch im weiteren Verlauf der Erzählung ist Claudes künstlerisches Schaffen eine Krankheit ("fièvre de création", Œ: 139), tilgt den Sexualtrieb und den Hungerinstinkt (Œ: 382) und ähnelt religiöser Extase ("il n'y a rien de plus beau, rien de meilleur, c'est le bon Dieu! Moi je n'ai pas d'autre religion, je me collerais à genoux là devant, pour toute l'existence." (Œ: 382), die in ihrer Unbedingtheit jede Relation zum Gesellschaftlich-Menschlichen verliert. Das quälende Ringen des Malers um sein Werk lässt ihn die Bedürfnisse seiner Nächsten und seiner selbst vergessen: "Je vais m'y remettre, répéta Claude, et il me tuera, et il tuera ma femme, mon enfant, toute la baraque, mais ce sera un chef-d'œuvre, nom de Dieu!" (Œ: 303) Claudes behinderter Sohn Jacques, der an einem Wasserkopf leidet, erfährt nichts als Abneigung, väterliche Gefühle der Sorge und Zuneigung kommen nicht auf (vgl. (Vernier-Larrochette 2008: 133 und Cnockaert 1998: 358). PhiN 89/2020: 53 Claudes Interesse für Jacques wird erst dann geweckt, als er ihm nicht mehr als lebendiges Kind, sondern als Leichnam und Gegenstand ästhetischer Darstellung gegenwärtig ist (Œ: 267). Claude ist über die gesamte Erzählung hinweg stumpf für die Gefühle seiner Frau Christine, selbst am Tag der Hochzeit überlagert die "Rettung" der Kunst (symbolisiert durch eine Statue seines Freundes) jedes Gefühl der Liebe. Zola setzt damit in Claude sein vernichtendes Urteil über Baudelaire um: "Il n'y a pas, dans ses poèmes, un seul cri d'amour juste et senti. […] Dis-moi comment tu aimes, et je te dirai quel poète tu es.“ (Zola 1869: 3) Sein zweites Argument gegen Baudelaire ist die Zuschreibung schöpferischer Unfruchtbarkeit und künstlerischer Kurzatmigkeit. Diese verheißen schon jetzt im Darwinistischen Sinne den Untergang seiner Spezies: kein generationelles Nachwirken, keine Überlebenschance. Zola erklärt Baudelaire zum Einzelstück, das – sobald sich das Interesse am Exotisch-Einzigartigen abgeschliffen hat – im Kuriositätenkabinett der Kultur- und Literaturgeschichte landet und dem allenfalls ein paar Liebhaber – aber auch nur, wenn sie ganz genau hinsehen und nicht mit bloßem Auge – etwas abgewinnen können:
Unerbittlich rückt Zola also nun doch mit einem 'jugement' über das Werk, über die Fleurs du Mal heraus: Dokumente eines bedauerlichen, zum Glück vorübergehenden Zeitalters des symbolistischen Individualismus, dessen Ende sich aber bereits dem Zolaschen Prophetenauge darbietet. Baudelaire wird in hundert Jahren zu Recht vergessen sein, so Zolas Prognose im Jahr 1869. Zola versuchte mit seinem Roman L'Œuvre, diesen auch dreißig Jahre später, im Jahr 1886 noch nicht wirklich vorangekommenen Prozess kulturellen Vergessens zu beschleunigen. Da aber jede auf der Hand liegende oder gar namentliche Nennung und explizite Aufforderung zur erinnerungskulturellen Auslöschung Baudelaires ihr Gegenteil bewirkt hätte, arbeitet Zola in seinem Roman mit subtileren Methoden:20 die verzerrende Komprimierung und Transformation des Dichters in der Hauptfigur (dass "Claude" ausschließlich aus Buchstaben und Silben des Namens "Charles Baudelaire" besteht, ist somit kein Zufall), eine Demonstration erzählerischer und fiktionstheoretischer Potenz, die den Gegner zur scheiternden Handpuppe macht, ihn im Erzählen tilgt bzw. sich selbst tilgen lässt, bis sich das eigene Werk – der fertige Roman, "L'Œuvre" eben, über die blassen, unwürdigen Reste des Gescheiterten schiebt und mit den tableaux parisiens tabula rasa macht: Das ist literarische Deutungsmacht, verübt im Incipit als strategischem Ort des Textes.21 Im Sinne der affektiven Ablehnung, einer dem Vergessen anheimgebenden Vernichtung ist der Roman, wie in seiner Ankündigung der "Bibliographie de la France" verheißen, "leidenschaftlich" und "poignant". PhiN 89/2020: 54 Literarische Tabula rasa von Anfang bis Ende Der Roman beginnt um 2 Uhr nachts und endet, als die Turmuhr 11 Uhr Morgen schlägt (Œ: 408), also nach 9=3x3=Vollendung symbolisierenden Stunden. Zola bringt sein erzählerisches Œuvre also mehr als selbstbewusst zu Ende, nachdem er das Gemälde Claudes wie das dichterische Werk Baudelaires wegerzählt hat (vgl. Wodianka 2017a) – und schon zu Beginn seines Romans metapoetisch gezeigt hat, wie schwer die von ihm gemeisterte Aufgabe des Erzählens ist. Der zu Anfang des Romans eröffnete Paragone mit der Malerei wird hier von Zola zugunsten der Literatur entschieden, und der Dichterstreit zugunsten von Zolas eigenem Werk im Vergleich mit dem Baudelaires. Sehen wir Claude nicht nur als fiktionales Pendant zu Cézanne, sondern auch als subtiles Alter ego des poète maudit, so macht Zola in L'Œuvre und mit dem Schicksal Claudes das wahr, was er im Jahr 1869 vorausgesagt, sich vielleicht sogar gewünscht hatte, und was bisher nicht Wirklichkeit geworden war: das Vergessen Baudelaires und seiner poésie de la modernité, die er als Gegenkonzept zu seinem naturalistischen Erzählen verstand. Zola löscht Baudelaire fiktional posthum aus, schreibt ihn weg, belegt im Erzählen seine dichterische wie biologische Unfruchtbarkeit, seine ergebnislosen, selbstvernichtenden dichterischen Presswehen, seinen befremdlichen Individualismus, der ihn zum kuriosen Einzelstück macht und der nur noch ein paar Ewiggestrige unter der Lupe zu faszinieren vermag. Zolas Wunsch und Prophezeiung ist bis heute nicht wahr geworden – als Romandichter war er treffsicherer denn als dichtungskritisches Erfolgsorakel. Bibliographie Baudelaire, Charles (1861): "Les Fleurs du Mal, Le Spleen de Paris", in: Baudelaire, Charles: Œuvres Complètes. Texte établi, présenté et annoté par Claude Pichois, Bd. I. Paris: Gallimard 1976, S. 1-178. Baudelaire, Charles (1859): "Salon de 1859", in: Baudelaire, Charles: Œuvres Complètes. Texte établi, présenté et annoté par Claude Pichois, Bd. II. Paris: Gallimard 1976, 608-637. Baudelaire, Charles (1863): "Le Peintre de la vie moderne", in: Baudelaire, Charles: Œuvres Complètes. Texte établi, présenté et annoté par Claude Pichois, Bd. II. Paris: Gallimard 1976, 683-724. Becker, Colette (1990): "Cézanne et Zola. Réalité et fiction romanesque" in: Quarante huit / Quatorze, Revue du musée d'Orsay 2, 78-89. Benhamou, Noelle / Gramfort, Valérie (2002): "Quand le jeune Zola monte un canular", in: Romantisme 116, 65-84. Cnockaert, Véronique (1998): "Dans l'ombre de L'Œuvre: L'enfant mort", in: Cahiers naturalistes 72, 351-361. Certeau, Michel de (1988): Kunst des Handelns. Berlin: Merve. [1980] Del Lungo, Andrea (2003): L'incipit romanesque. Paris: Seuil. Gautier, Théophile (1868): "Notice", in: Oevres complètes de Charles Baudelaire. Les fleurs du mal, Bd. 1. Précédées d'une notice par Théophile Gautier. Paris: Michel Lévy Frères, 1-75. PhiN 89/2020: 55 Giraud, Frédéric (2019): "Le portrait de soi en écrivain. Zola et son double Sandoz", in: Mémoires du livre 2, H. 2. http://www.erudit.org/fr/revues/memoires/2011-v2-n2-memoires1513107/1001759ar/, 05.03.2020] Hamon, Philippe (1975): "Clausules", in: Poétique 24, 495-526. Hirdt, Willy (2001): Manet und Zola. Zur Symbiose von Literatur und Kunst. Tübingen: Francke. Hufnagel, Henning (2017): Wissen und Diskurshoheit: Zum Wissenschaftsbezug in Lyrik, Poetologie und Kritik des Parnasse 1840-1900. Berlin / Boston: De Gruyter. Mittérand, Henri (2016): "Notes" in: Mitterrand, Henri (Hg.): Zola. L'Œuvre [1886]. Préface de Bruno Foucart. Paris: Éditions Gallimard, 452-493. Pfisterer, Manfred (2003): "Paragone", in: Ueding, Gert (Hg.): Rhetorisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 6. Tübingen: De Gruyter, 528–546. Savy, Nicole (2012), "Arrêt sur image: le Portrait d'Émile Zola par Édouard Manet", in: Gengembre, Gérard / Leclerc, Yvan (Hg.): Impressionnisme et littérature. Mont-Saint-Aignan: Presses universitaires de Rouen et du Havre, 51–61. Scholler, Dietrich (2014): "Der Mythos der Passantin im europäischen Roman der Spätmoderne", in: Witthaus, Jan-Henrik / Oster, Angela (Hg.): Vom Milieu zur Matrix. Urbane Umwelt als Wissensform und Raumaneignung der Stadt im Frankreich der Moderne. Freiburg i.Br. / Wien: Rombach Verlag, 119–135. Simonis, Annette / Simonis, Linda (2011): "Der Vergleich und Wettstreit der Künste. Der 'Paragone' als Ort einer komparativen Ästhetik", in: Hölter, Achim (Hg.): Comparative Arts. Universelle Ästhetik im Fokus der vergleichenden Literaturwissenschaft. Heidelberg: Synchron, 73-86. Tauber, Christine (2012): "Paragone", in: Jordan, Stefan / Müller, Jürgen (Hg.): Lexikon der Kunstwissenschaft. Hundert Grundbegriffe. Stuttgart: reclam, S.259-261. Terashima, Miyuki (2008): "Claude et Sandoz, deux images de Zola. La confession des artistes dans L'Œuvre", in: Revue de langue et littérature françaises de la Société de Langue et littérature françaises de l'Université de Tokyo 36, 95-118. Vernier-Larrochette, Béatrice (2008): "L'Œuvre, chimère de la création artistique et précarité humaine", in: Les Cahiers naturalistes 82, 127-137. Wirth, Uwe (2009): "Paratext und Text als Übergangszone", in: Hallet, Wolfgang / Neumann, Birgit (Hg.): Raum und Bewegung in der Literatur. Die Literaturwissenschaften und der spatial turn. Bielefeld: transcript, 167-177. Wodianka, Stephanie (2017a): "Künstlerfreundschaft, Kunstverhältnisse: „L'Œuvre“ von Émile Zola", in: Wörsdörfer, Anna et al. (Hg.): Sur les chemins de l'amitié. Beiträge zur französischen Literaturgeschichte. Freundesgabe für Dietmar Rieger. Wiesbaden: Harrassowitz, 167-187. PhiN 89/2020: 56 Wodianka, Stephanie (2017b): "Paragone. Bestimmungen von Literatur im Wettstreit der Künste", in: Butzer, Günter / Zapf, Hubert (Hg.): Theorien der Literatur VII. Grundlagen und Perspektiven. Tübingen: Francke, 35-55. Zola, Émile (1865): La Confession de Claude. Hg v. Nicole Savy. Paris: Garnier 2018. Zola, Émile (1886a): Les Rougon-Macquart. Hg. v. Armand Lanoux. Études, notes et variantes par Henri Mittérand, Bd. 4. Paris: Gallimard 1966. Zola, Émile (1869): "Livres d'aujourd'hui et de demain", in: Le Gaulois 190, mardi 10 janvier, 3. Zola, Émile (1880): Le roman expérimental. Paris: Charpentier. Zola, Émile (1876) : Le Salon de 1876, Paris : Cercle du Livre Précieux, vol. 12. Zola, Émile (1886b): L'Œuvre. Hg. v. Henri Mittérand. Préface de Bruno Foucart. Paris: Éditions Gallimard 2016. Zola, Émile (1868): "Mon Salon, Édouard Manet", in: L'Événement illustré, 10 mai. Anmerkungen 1 Das ist insofern signifikant, als sowohl ein dramatisches Geschehen als auch das Drama als Gattung ein besonderes Verhältnis zum Affektiven aufrufen: Zur Isotopieebene von "dramatisch" gehören Adjektive wie "spannend, aufregend, erregend, mitreißend, aufwühlend". Dem Theater (insbesondere der Tragödie, ab dem 18. Jahrhundert auch dem drame sérieux) haftet ein gattungsspezifisches Potential der Affektauslösung bzw. Affektregulierung an. 2 Mit dieser Ankündigung suggeriert Zola eine Neuauflage seines Erstlingswerkes La Confession de Claude, das Zola im Alter von 25 Jahren im Jahr 1865 publiziert hatte und – gerahmt von einer Herausgeberfiktion – eine autobiographische Lektüre nahelegt oder zumindest mit dieser spielt. Im Gefolge der Confessiones von Augustinus und der Confessions von Rousseau stellt Zola in diesem Roman einen Dichter Namens Claude ins Zentrum, der trotz seiner prekären Lebenslage aus Mitleid eine Prostituierte bei sich aufnimmt. Ganz im Sinne von Zolas deterministischem Menschenbild widersteht Laurence dem Pygmalion-Prozess, gibt aber dennoch über eine ganze Romanlänge Anlass für den autodiegetischen Erzähler und Protagonisten Claude, einen intimistischen Einblick in seine moralische und moralisierende Grundhaltung zu geben.PhiN 89/2020: 57 PhiN 89/2020: 58 PhiN 89/2020: 59 |