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Albrecht Götz von Olenhusen (Düsseldorf)



Ezra Pounds radikaler Copyrightplan mit einem Seitenblick auf James Joyce*




This study focuses on the genesis and impacts of Ezra Pound's subtle and complex Copyright Statute, it's proposal to grant perpetual copyright protection to a work's author anywhere in the world in combination with a kind of compulsory license in favor of cheap literature and sufficient but not excessive royalties. In the context of the cases against James Joyce's Ulysses both authors reveal a modernistic theory for the development of an effective droit d'auteur.


1 Einleitung

Ezra Pound zählt zu denjenigen Schriftstellern, die im 19. und 20. Jahrhundert mit eigenen Vorstellungen für ein neues Urheberrecht hervorgetreten sind. Er gehört also in die Reihe derjenigen, die sich wie Berthold Auerbach, Louis Blanc, Honoré de Balzac, Alphonse de Lamartine, Charles Dickens oder Mark Twain im eigenen und im Interesse ihrer Berufskollegen für ein besseres Urheber- und Verlagsrecht positionierten, sei es durch Kritik, durch eigene Entwürfe oder als Lobbyisten. Die ungewöhnliche rechtspolitische Entwurfsvision Ezra Pounds ist lange Zeit wenig bekannt gewesen und kaum, in Deutschland gar nicht, näher betrachtet worden.

Der Fall von James Joyce' Ulysses ist urheber-, zensur- und strafrechtlich besser bekannt. Der Zusammenhang zwischen Joyce und Pound in dieser Hinsicht gehört hingegen zu den wenig bearbeiteten Themen. Das Jahrhundertwerk von James Joyce geriet frühzeitig in das Visier von amtlichen und privaten Sittenwächtern.




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Pound, der Parteigänger von Benito Mussolini, engagiertester Gegner der USA im Zweiten Weltkrieg und notorischer Antisemit, wurde nach 1945 für zwölf Jahre in den USA wegen angeblicher Paranoia in der mehr oder weniger geschlossenen Psychiatrie in Washington D.C. eingesperrt. Zuvor fungierte er in London als Mittler und Mittelpunkt seines selbstgeschaffenen literarischen Imperiums, lebte ab 1921 in Paris als "Vermittler der Weltkunst" und wirkte seit 1925 als "poetisches Kraftwerk", als hochenergetischer "Metamorphinist" (Theweleit 1994: 132).

Schon 1918 findet man in nuce den polit-ökonomischen Poeten und geistreichen Guru der literarisch-verlegerischen Geldwirtschaft, der antritt, die bellizistische Kriegsmaschinerie anzuhalten, den Kampf der Dichter und Denker mit den Richtern und Henkern der Poesie und der künstlerischen Gesellschaft zu beenden und sie durch sein ästhetisch und ökonomisch grundiertes Copyright-Statut zu versöhnen. In einem knappen Abriss steht zunächst Pounds Kampf gegen enorme Buchsteuern im Verhältnis USA und Europa, protektionistische Steuerbelastungen und die kritische Lage von Schriftstellern, kleinen Verlagen und moderner Literatur überhaupt im Fokus. Ebenso vorzustellen sein wird seine Analyse der Widersprüche des anglo-amerikanischen Copyright-Regimes und der Rechtswidrigkeit und Absurdität des US-Gesetzes gegen "obszöne Literatur" und angeblich subversive Pornographie.

Den knapp zusammengefassten Abschluss bildet der Kasus US-Government gegen James Joyce Ulysses – mit den strafrechtlichen und urheberrechtlichen Implikationen bei Verbreitung und Schutz des Werkes.

2 Ezra Pounds Copyright-Plan

Pounds ungewöhnlicher Vorschlag für eine Urheberrechtsreform stammt aus dem Jahre 1918. Gewidmet hat sich ihm bisher Robert Spoo, der maßgebliche literarisch-juristische Experte in Sachen Pound (Spoo 2013b: 111–152; Spoo 2009). Pounds Vorschlag war bestimmt als Gegenmittel gegen die Buchpiraterie in den USA. Wir wissen: Das US-Copyright blieb auch nach seiner wichtigen Reform von 1909 ein ewiger Stein des Anstoßes. Ausländische Autoren sahen sich nach wie vor der Früchte ihrer Werke beraubt. Der bemerkenswerte Vorschlag Ezra Pounds verbindet auf einzigartige Weise die Vorstellung eines ewigen exklusiven Copyrights für alle Urheber, namentlich für die schöpferischen Genies, mit der Idee gleichzeitiger ausgedehnter Zwangslizenzen und der Abschaffung des public domain. Individuelles Naturrecht des Autors und antimonopolistischer free trade verbinden sich in Pounds Bemühungen, um schöpferischen, kulturellen und öffentlichen Interessen zu dienen.




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Sein juristisch kaum einmal diskutierter Vorschlag nimmt neuere Tendenzen bis hin zu Richard Posner und Lawrence Lessig vorweg (Landes/Posner 1989: 321–333, 341–353; Lessig 2002). Eine vergesslich-undankbare Nachwelt hat dem Dichter auch in diesem Punkt keine Kränze gewunden.

Pound setzte sich im Ersten Weltkrieg für einen freien kulturellen Austausch ein und kämpfte gegen die Zensur von angeblich unsittlicher Literatur und Kunst, die er entdeckte, veröffentlichte, vermittelte, finanzierte, subventionierte, umformte, bearbeitete – auf die Gefahr hin und bis heute mit dem Verdacht belastet, selbst als Zensor zu fungieren.

Pound waren die Urheberrechtskonflikte zwischen Großbritannien und Nordamerika seit dem 19. Jahrhundert sehr wohl bewusst. In dem Artikel "Copyright and Tariff", publiziert in der kleinen Zeitschrift New Age, verkündete er:

The present American copyright regulations tend to keep all English and Continental authors in a state of irritation with something American – they don't quite know what, but there is a reason for irritation. There is a continuous and needless bother about the prevention of literary piracy, a need for agents, and agents' vigilance, and the whole matter produces annoyance, and ultimately tends to fester public opinions. (Pound 1918: 363)

Die Diskussion um literarische Piraterie kulminierte damals in dem Begriff booklegging (Piraterie) und der Definition von obszöner Literatur (Feather 1994; Seville 2006). Die US-Urheberrechtsreformen von 1891 und 1909 hatten ausländischen Autoren immer noch keinen befriedigenden Schutz verschafft. Die normativen Voraussetzungen waren zu belastend, die Formalitäten des U.S. Copyright Law ermutigten Verleger und Drucker wie Jahrzehnte zuvor zu legalem Piratentum. Die permanente Aufforderung zur profitablen Nutzung des public domain richtete sich gegen – dem Nachdruck ausgelieferte – englische und europäische Autoren und förderte Piraten und Schmuggler. Auch in den folgenden zehn Jahren geißelte Pound die legalisierte amerikanische Buchpiraterie. Das amerikanische Recht nannte er: "The thieving copyright law" (Pound 1927: 684f.)

1909 wurde die Druckauflage um ein Geringes erleichtert: Ausländische Autoren erhielten ein ad-Interim-Copyright für 30 Tage. Nach der Deponierung beim Copyright-Office musste das Werk innerhalb von 30 Tagen auf dem amerikanischen Kontinent gedruckt werden. Andernfalls ging das amerikanische Copyright wieder verloren (vgl. U.S. Copyright § 9).1 Die Manufacturing Clause schützte US-Drucker und -Verlage – ein Meisterwerk der Prohibition.




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2.1 Ewiges Copyright

Pound verlangte das Copyright für jedes Buch, und zwar als ewiges Copyright (ähnliche Forderungen finden sich schon im 19. Jahrhundert bei Lamartine oder später bei Mark Twain). Das Pariser Parlament brüskierte den prominenten Abgeordneten Lamartine, das englische amüsierte sich nur über Mark Twains Ewigkeitsvision. Der US-Kongress lachte über Twains Auftritt als weißer Ritter des Geistes in seinem spektakulären hellen Anzug und sah Literatur als so notwendiges Ernährungs- und Animationsprodukt an wie ordentlich gebrannten Whiskey (Twain 1976: 151–160).

Pound vertrat in dieser Hinsicht eine individualistische, traditionelle, ja scheinbar konservative Theorie. Diese stand im strikten Gegensatz zu allen Vorstellungen, die dem Auftrag- und Arbeitgeber nach dem work-made-for-hire-Prinzip alle Rechte zusprach. Sein Weltbild war schöpfungs-, urheber-, literatur- und gesellschaftlich-politisch fundiert.

Ein ewiges Copyright widersprach eindeutig der amerikanischen Verfassung – diese sonst von Ezra Pound angesehen wie die Heilige Schrift. Die US-Verfassung sah nur begrenzte Urheberrechte vor. Die zeitlichen Begrenzungen waren bekanntlich auch Gegenstand ausgiebiger Diskussionen im Europa des 19. Jahrhunderts mit der normativen Grenze von 30 Jahren (Götz von Olenhusen 1982: 81–111).

Nach Pound sollte jeder Autor – als einzige formelle Auflage – Kopien bei der National Library in Washington und bei den Bibliotheken der fünf größten Städte deponieren müssen. Das US-Gesetz von 1909 verlangte die Deponierung von zwei Exemplaren beim Copyright-Office. Pound hatte außer Washington New York, Chicago, Philadelphia und St. Louis oder Detroit im Blick. Er orientierte sich offenbar weitgehend am damaligen britischen Gesetz. Alle anderen Formalitäten sollten entfallen.




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2.2 Nachdruck- und Übersetzungsbefugnisse

Allerdings wollte Pound die Erben eines Autors daran hindern, die Veröffentlichung eines Werkes zu verbieten oder exzessive Lizenzgebühren zu verlangen. Wenn die Erben nicht dafür sorgen würden, dass ein Werk verfügbar sei oder wenn der Preis den bisherigen Buchpreis übersteige, dann sollten Verleger berechtigt sein, das Werk nachzudrucken: Allerdings müssten sie dann den Erben nicht mehr als 20% und nicht weniger als 10% Lizenzgebühr bezahlen. Pounds Vorschlag lief auf ein ewiges Copyright mit Zwangslizenz hinaus, auf eine schlichte Kombination von ewigem Monopol und compulsory license (§ 61 UrhG a.F., § 42a UrhG; Rauda 2006; Münch 1934; Apel 2011: 77, Wolff 2005; Sterling 2008: 1216, zur RBÜ, zum US-Copyright Act 1911 ebd. 116 betr. Musik; vgl. ferner die Vorläufer §§ 22, 22b, 22c LUG 1901; Spoo 2009: 1771–1833.

Wie auch immer man dies juristisch-begrifflich fasst: Es ging ihm mit seinem einfach gestalteten Konzept um ein individualistisch konzipiertes Copyright mit extremer sozialer Bindung. Die Autoren sollten den Zugang zu ihren Werken kontrollieren, unautorisierte Publikationen verbieten, aber auch die Erben einschränken können. Das kulturelle Erbe sollte mit dem freien Blick auf literarisch-künstlerische Zukunft nach dem Tode des Urhebers als integraler Teil der Weltkultur ungehindert verbreitet werden. Die Zwangslizenz erweiterte Pound mit dieser Konzeption in erheblicher Art und Weise:

IF, having failed to have his works printed in America, or imported into America, or translated into American, an American publisher or translator apply to said author for permission to publish or translate a given work or works, and receive no answer within reasonable time, say six months, and if said author do not give notice of intending other American publication (quite definitely stating where and when) within reasonable time or designate some other translator, then, the first publisher shall have the right to publish or translate any work, paying to the original author a royalty of not more than 20 per cent. and not less than 10 per cent. in the case of a foreign work translated. The original author shall have right at law to the minimum of these royalties. (Pound 1918: 363f.

Die Ausnahmen der Ausnahmen bedürften weiterer Ausnahmen: Übersetzungen im Markt aufgrund der Zwangslizenz sollten dem Autor oder seinen Erben erlauben, auch neue Übersetzungen zu vergeben, und auf diese Weise mit schon im Markt kursierenden in Wettbewerb zu treten.




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2.3 Bestseller

Für Bestseller, mit einer Auflage von nur 100.000, sah er vor, dass sehr billige Neuauflagen möglich sein sollten, für etwa 1 Shilling pro Band, allerdings sollte der Autor davon 20% und ebenso sein Erbe als royalty erhalten. Ein Shilling war zu diesem Zeitpunkt soviel wert wie 25 amerikanische Cents. Unter den damaligen Verhältnissen wäre eine solche Ausgabe per Zwangslizenz vergleichsweise sehr billig gewesen – ein weiterer Schlag ins Gesicht hoher Buchpreise und Einfuhrzölle.

Die Zwangslizenz zugunsten billiger Ausgaben von Bestsellern musste den Zeitgenossen und der Buchbranche als ein ganz radikaler Vorschlag erscheinen. Eine solche Revolution des tradierten Systems hätte weder bei Autoren, die auf weit höhere Auflagen spekulierten, noch bei Verlegern mit dem Anspruch auf freie Preisgestaltung und Profitmaximierung auch nur den geringsten Anklang gefunden.

2.4 Historische Perspektiven

Mit seinen Vorschlägen trachtete Pound danach, ein ewiges Copyright einzuhegen: "[...] monopolists, obstructors of knowledge, obstructors of distribution." (Pound 1975, Canto XIV: 61–63, hier 63)

Im Canto IV, entstanden 1919, formuliert er seine Haltung zum Dichter, zum Werk, das allen "gehört". Sein Copyright-Status wird poetisch gewendet zu einer lyrischen Essenz: Das Kalb gehört der Kuh, der Wind nicht dem König (Terrell 1980: 10). Die in den Cantos genannte, nicht genau präzisierte Theorie von sozialer Gerechtigkeit kombiniert Schutzmechanismen für die Autonomie und rechtliche Mittel für den Zugang zu Wohlstand, produziert durch soziale Interaktion auf der Grundlage von "cultural heritage" und "increment of association" (Klinck 2005: 177f.)2 Der Dichter ist in seinen Ansichten maßgeblich durch die Schrecken des Ersten Weltkrieges geprägt. Dessen Ursachen sieht er in wirtschaftlichen Interessen, die militärischen Massenmord in Kauf nehmen. Pounds damaligen internen Briefe, etwa an Ernest Hemingway, sind deutlich: "Irgendein sodomitischer Wucherer" wollte "seine Wolldecken und Flugzeuge verhökern" (Übersetzung v. Verf.; Pound 1950: 283).

Pound kämpfte gegen den Aberglauben der Heiligkeit von jeglichem Eigentum. Sein Kreuzzug umfasste stets das Ziel: billige Bücher, seien sie Nachdrucke oder Übersetzungen – immer unter der Voraussetzung, dass die Erben das Werk nicht vorrätig und am Markt hielten.




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Der Protektionismus des amerikanischen Rechtssystems sollte im öffentlichen Interesse der Kunst und Literatur und ihrer Leserschaft abgeschafft werden. Sein durchdachter, wenngleich aus Sicht der ökonomisch-juristischen Rahmenbedingungen und weltpolitischen Zustände unrealistischer, utopischer Vorschlag schloss auch eine symmetrische Reziprozität im internationalen Recht ein. Er läuft auf eine spezielle, ja extreme soziale Bindung immaterieller Güter hinaus.

Es ist namentlich in den USA gelegentlich die These vertreten worden, dass die amerikanische Übung, dass sich die Verleger beim Reprint ausländischer Werke keine Konkurrenz machen sollten, eine Art Vorläufer regulierter sozialer Bindung gewesen sei. Damit ist das sog. Courtesy-Prinzip gemeint: Wenn ein Verlag die Veröffentlichung eines englischen oder europäischen Werkes ankündigte, dann sahen im 19. Jahrhundert andere Verleger in der Regel davon ab, von der legalen Nachdruckfreiheit in den USA Gebrauch zu machen (Spoo 2013b; McGill 2003). Diese custom war in Wahrheit jedoch eine Art Kartell der großen US-Verleger gegen den Nachdruck, ein Mittel gegen den die eigenen Reihen schädigenden Wettbewerb – der Nachdruck ausländischer, namentlich englischsprachiger Werke sollte nur durch die den Markt beherrschende Elite und zu eigenen Preisen gestattet sein, gegen billige Reprints der Outsider.

Der Verleger Henry Holt hat dieses Modell 1908 als philosophisch-anarchistische self-regulation recht euphemistisch deklariert. Es funktionierte einige Zeit lang. Was aber in den USA allenfalls teilweise per Gewohnheitsrecht oder Übung kursiert hatte, sollte jetzt, so Pound, durch Zwangslizenz normiert werden. Die Übung im 19. Jahrhundert privilegierte vor allem die untereinander konkurrierenden Großverleger.3 Pounds Anti-Monopol-System ging viel weiter und betraf alle in- und ausländischen Autoren und Verleger. Wenn man so will, ging es Pound um einen globalen kombinierten Schutz der Schöpfer und zugleich der Käufer und Konsumenten von Kunst und Literatur. Er wollte das Copyright keineswegs vollends abschaffen, er hatte überhaupt kein Zutrauen zu dem System des public domain. Das allzu komplizierte System des internationalen Copyrights mit seinen Widersprüchen der der Propertisation und Depropertisationen seit dem 19. Jahrhundert (Siegrist 2006; Gergen 2007; Gieseke 1995) wollte er mit einer höchst einfachen Lösung ersetzen. Im Canto IV wird Pounds Copyright-Vision lyrisch verrätselt:




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And Sō-Gyoku, saying:
"This wind, sire, is the king's wind,
This wind is wind of the palace,
Shaking imperial water-jets."
And Hsiang, opening his collar:
"This wind roars in the earth's bag,
it lays the water with rushes."
No wind is the king's wind.
Let every cow keep her calf.
"This wind is held in gauze curtains... "
No wind is the king's...

(Pound 1975: 11–16, hier 15f.)

1922 wird Pound mit dem Jahr NULL – Ulysses, The Waste Land, Mussolini marschiert nach Rom – einen noch weiter ausgreifenden Mythos begründen. In Italien wird – in einem der ersten Länder – ein faschistisch tingiertes droit moral zum Gesetz erhoben, und Italien und Frankreich sorgen 1928 dafür, dass es Teil der Revidierten Berner Übereinkunft (RBÜ) und nun intensiv auch in der deutschen Rechtspolitik diskutiert wird (Baldwin 2014).

Man kann annehmen, dass Pound auf der historischen Linie von John Locke lag und Arbeit als das natürliche Ergebnis von Eigentumsrechten ansah, aber auch eine quasi-romantische Vorstellung von einzigartiger Persönlichkeit hatte, in der alten Tradition und Konsequenz des Geniegedankens. Seine Umwelt sah er von (noch) verkannten Genies bevölkert. Und das war sie denn auch: Wyndham Lewis, D.H. Lawrence, Ford Madox Ford, Josef Conrad, Jean Cocteau, André Gide, Joyce, Samuel Becket, die Dadaisten und Surrealisten, Édouard Manet, Pablo Picasso und alle die anderen, mit denen er in Kontakt stand und die er zu sein Freunden zählte.5 Sein Adressbuch ist ein Lexikon der genialen Moderne. Pound half uneigennützig nicht nur Joyce, Wyndham Lewis, D. H. Lawrence und Ernest Hemingway zu Publikation und Ruhm. Unglaublich viele dieser genialen Spezies, deren Namen, Manuskripte und Werke heute Millionen wert sind, Schriftsteller, bildende Künstler, Musiker, Wissenschaftler gehörten in seine von ihm geschaffenen, nicht exklusiven Freundes- und Bekanntenkreise, in einer geradezu märchenhaften kulturellen Welt.




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Andererseits wollte er anstelle des Monopolsystems ein Entlohnungssystem etablieren und es mit einem Verbreitungszwang koppeln, der auch und vorzugsweise die Erben traf. Ihnen traute Pound überhaupt nicht über den Weg. Als nachkommenden Copyrightinhabern waren ihnen kräftige Daumenschrauben und der seidene Strick statuarischer Lizenzen zugedacht. Pound "enteignet" gewissermaßen die geistige Welt der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – im öffentlichen Interesse an einer global zugänglichen, preislich erschwinglichen und ohne Hindernisse in allen Sprachen verbreitbaren Kultur.

Bedenkt man, dass der deutsch-österreichische Soziologe und Ökonom Albert Schäffle schon im 19. Jahrhundert die Alimentationsfunktion des Urheber- und Verlagsrechts in einer ökonomischen Studie für absurd erklärt hatte, oder jedenfalls als ineffektiv (Götz von Olenhusen 1982: 81–111), dann enthielt Pounds utopischer Plan jedenfalls eine massive produktive Verbesserung. Wenn irgendeiner, so kannte er die finanzielle Lage der Poeten aus eigener Anschauung und Erfahrung. Er war es, der T.S. Eliot aus seinem poesiemörderischen Bankjob befreite. Auf ihn ging die Subvention für die von ihm mit edierte Zeitschrift The Little Review durch John Quinn zurück.6

Urheberrechtliche Royalty-Pläne oder Zwangslizenzen waren in den USA in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vereinzelt in der Debatte gewesen: freier Nachdruck und Autorenbeteiligung von 10% am Verkaufspreis. In Italien galt seit der Jahrhundertwende, dass nach 40 Jahren jeder andere Verleger das Werk veröffentlichen durfte gegen eine Autorenbeteiligung – ebenfalls eine Art Zwangslizenz. Auch in der Berner Konvention von 1886 gab es eine Zwangslizenznorm für Übersetzungen.

Als Ezra Pound mit seinem Vorschlag in der kleinen Zeitschrift The New Age (Pound 1918) hervortrat, gab es bereits mechanische Lizenzgesetze in der Musik. In Pounds Vorschlägen waltet gewiss auch der Geist des Freihandels. Ihm ging es in diesem Kontext aber primär um gerechte Entlohnung des Autors und Versorgung der Öffentlichkeit mit Werken und Übersetzungen zu erschwinglichen Preisen. Von daher rührte auch sein erbitterter Kampf gegen die hohen amerikanischen Einfuhrzölle von 25%. Ezra Pound hat sich u.a. in der "Little Review" gegen die hohen amerikanischen Einfuhrzölle auf Bücher gewandt. Er spricht sich für Freihandel aus. Die Zeitschrift, gegründet 1914, zunächst auf der Linie eines anarchistischen Feminismus, wurde ein Sprachrohr für moderne Literatur:




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Ezra Pound: Das Schone [sic] Papier Vergeudet

Before you issue another number of your magazine half blank, I must again ask you seriously to consider the iniquity of the present "protective" tariff on books. [...] The simple fact is that it is very, very difficult to get foreign books in the United states. There is no facilitation of their sale. The 25% tariff serves as an excuse for an exorbitant elevation of the price of all foreign books, whether imported in sheets, or bound. [...] American writers handicapped in competition with men living in civilized countries. Export of best, and even of moderately good, artists instead of export of art. I can't go into the whole question of free trade. It has worked in England. It has, more than anything else, made the "Empire." I do not see why it should ruin the Republic. But that is not my business. I mean, Free Trade in the widest sense is not my present affair. The prohibitive tariff on books is very much everybody's affair if they care a hang for the intellectual state of the country. The state of the copyright laws is barbarous, but it is perhaps more the affair of the maltreated authors than of the country at large. It is evil only as other obstructory measures are evil. But this matter of excluding foreign books in the interest of a few artizans (who are better paid than authors and who seek nothing above immediate gain, and whose loss in the event of reform would be negligible) is immediate and vital. The whole question of censorship, as to Dreiser, as to Hokusai prints destroyed by customs officials, etc., are all really minor issues, largely dependent on this matter of the exclusion of the words thought and knowledge. If among the young writers gathered about The Little Review you can not find two or three to take up this question, to study it, to marshal the data (vide Putnam's "Books and Their Makers" to start with, re. the causes of the rise of Paris as the world's intellectual capital), — if you can not find such young authors, then your young literati are a set of rotters and the Great West is more of a mud-hole than I should have thought it. (Pound 1916: 16f.)

Sein Sammler-Freund, Patron und Pate der schönen Künste, John Quinn focht unterdessen gleichermaßen gegen die hohen Einfuhrzölle auf Kunst.7 Ihm, lag, sicher auch aus egoistischen Sammlergründen, daran, nationale Grenzen im Interesse von Kunst und Literatur zu überwinden und protektionistische Mauern einzureißen, die vor allem sein Heimatland errichtet hatte. Beide setzten sich gegen Zollbelastungen und für weitgehende internationale Kommunikationsfreiheit ein.




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Man kann Pounds rechtspolitischen Vorschlag als eine kühne Mischung zwischen einem vergleichsweise simplen Gesetzesvorschlag mit einem tüchtigen Schuss Naivität sehen. Beachtet wurde er so gut wie nirgends. Zu seinen engsten Freunden gehörten William Butler Yeats, D.H. Lawrence, Ford Madox Ford, James Joyce und T.S. Eliot. Ob das Copyright-Statut in diesem Kreis jemals diskutiert worden ist, lässt sich derzeit nicht ausmachen. In Paris kannte er praktisch sämtliche modernen Künstler und Literaten von Rang. Seine Kenntnis umspannte die Moderne in Europa und in den USA, aber auch alte provenzalische, japanische oder chinesische Dichtkunst. Er war nicht nur Poet von hohen Graden, sondern auch Entdecker und Förderer wie kaum ein anderer – und seine weithin erforschte, die spätere dubiose faschistische Episode, sein radikaler Antisemitismus in Einheit mit der Ablehnung der Deutschen, Adolf Hitlers und der Amerikaner, seine ökonomischen Theorien bleiben ein Stück weit immer noch höchst rätselhaft. Sein Glaube an die Kraft des Wortes war Signatur seines Lebens und Werks. Die Vorstellung von ungehinderter Kommunikation zwischen den Nationen und sein Kampf gegen ihre kriegstreiberischen Anführer, die regierenden chauvinistischen Vertreter der Völker lagen quer zum herrschenden Zeitgeist. Er lebte als Patron der Literatur, der Literaten und der schönen Künste in London, dann in Paris und Rapallo. Die Grenzen zwischen dem gar nicht patriarchalischen Patron, dem freundschaftlichen Paten und dem nicht prototypischen Faschisten verschwimmen.

2.5 Royalty und Public Domain

Für Ezra Pound galt auch: Der junge moderne Autor steht in Konkurrenz mit seinen etablierten Vorgängern. Die Rivalität mit der literarischen Vergangenheit, mit den verstorbenen, den nicht mehr mit royalties belasteten Werken, barg für ihn eine sowohl ästhetische wie ökonomische Dimension. Auch dieser Konkurrenzlage war zu begegnen. Prohibitive Buchpreise hätte, so sein Axiom, unabhängig von ihrem Inhalt keine kulturelle Durchschlagskraft.

Ein Verleger von Autoren, die in public domain waren, hatte Vorteile gegenüber royalty-pflichtiger zeitgenössischer Literatur. Diesen für wenige profitablen Konflikt wollte Pound durch das ewige Copyright lösen, das System des public domain gänzlich abschaffen. Dadurch sollten Autoren der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sich in einem Akt generationsübergreifender Gerechtigkeit auf dem gleichen ökonomischen Spielfeld bewegen. In seinem System hatte der Begriff des faire use keinen Platz.




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Dass ausgerechnet Pound die Freiheit von Bearbeitungen, Übernahmen, Verarbeitungen und Anklängen an bisherige Werke, Teil modernen Schreibens und seiner eigenen Methoden, der seiner Zeitgenossen, nicht mit einbezog, kennzeichnet die Widersprüchlichkeit seines juristisch ausgefeilten Systems. Seine Cantos selbst und Joyce' Ulysses sind ja gerade schlagende Beispiele für ausgiebige Zitate und Übernahmen. T.S. Eliot war ein Meister darin, alte und moderne Texte zu montieren. Zitate, Anspielungen und Collagen gehörten zu Pounds eigener Methode. Für Pound stand in seinem Essay und Statut offenbar das Marktgeschehen im Vordergrund, nicht Fragen der schöpferischen Produktion und ästhetischen Praxis. Als Pound seinen Statuts-Vorschlag schrieb, hatten die Vereinigten Staaten eine Schutzfrist von maximal 56 Jahren ab Publikation, in England für die Lebenszeit des Autors plus 50 Jahre. Pounds Vorschlag in Bezug auf die Haltung von Erben erscheint als außerordentlich weitsichtig. Das Problem der unwilligen, unkompetenten oder unfähigen Erben ist im Urheberrecht bis heute bekannt. Wenn man so will, favorisierte er eine Form von "paying public domain", ein scheinbarer Widerspruch zum petitum gegen das public domain. Ein Copyright als Verkehrs-, Verbreitungs-, Zugangs- und Honorierungsrecht, im Interesse von Schöpfer, Schöpfung und Publikum auch der künftigen Generationen, war seine Devise. Manche heutigen Tendenzen könnten sich damit vergleichen lassen, weil sie in die Richtung ganz kostenloser Nutzung verbunden mit Zugangsrechten und öffentlichen Abgabesystemen (Flatrate) verlaufen.

Lawrence Lessig hat ein anderes System für eine globale rechtliche Revolution des immateriellen Eigentums vorgeschlagen: Jeder Inhaber eines Rechts müsse es alle fünf Jahre erneuern lassen (Lessig 2002: 251f.) Die Fünfjahresfrist darf nach seiner Vorstellung fünfzehnmal erneuert werden.

Pound hat seinen Vorschlag nicht weiter verfolgt. Er beobachtete aber ähnliche Reformvorschläge durchaus weiterhin. Doch als ein Kongressmitglied, Albert Henry Vestal (1871–1932), versuchte, das Urheberrecht in den USA zu reformieren (50 Jahre post mortem auctoris, keine Formalitäten, Anschluss der USA an die RBÜ) spendete ihm Pound sogleich Beifall. Was der hochkarätige Jurist Quinn von Pounds Vorschlag hielt, war noch nicht festzustellen. Er war eher ein Mann der Praxis mit materiell fundiertem Anspruch. Seine ambivalente Titanengestalt in den Zwischenzonen von Literatur, Kunst und Recht finanzierte Pound und viele andere Autoren und Künstler.




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Er arbeitete vielfach pro bono, auch für die zwei feministischen Herausgeberinnen der Little Review, einer radikalen modernistischen Zeitschrift, Lieblingskinder von Pound, die in den USA seit 1918 ohne Rücksicht auf etwaige Folgen kapitelweise work in progress, Teile von Ulysses in Fortsetzung gedruckt hatten und prompt wegen Verstoßes gegen das Anti-Pornografie-Gesetz verurteilt wurden. Er vertrat sie, obwohl seine interne Kritik an ihrem Vorgehen an Grobheit nichts zu wünschen übrigließ, wie umgekehrt Jane Anderson und Margaret Heap sowohl die Anklage wie die Art der Verteidigung von Ulysses vor Gericht keineswegs akzeptierten. Als "criminals" mussten sie ihre Fingerabdrücke sich abnehmen lassen. Die minimale Geldstrafe, 100 Dollar, zahlte eine sofort einspringende Sponsorin. Die ausführlichste Kritik am geltenden Copyright und seine Skizze eines neuen Rechts erschien in "The New Age" 1918:

Copyright and Tariff.

It ought to be easier for a book to be copyright than for it to be not-copyright. It ought to be easier for an author to retain the rights to the work of his brain than for some scoundrel to steal them. The American import duty on books is most deleterious to the internal mental health of that country. The stupidity of the copyright regulations is most deleterious to America's relations with foreign countries. Ultimately the authors in any country produce the national feeling. It is all very well to say that the present copyright regulations annoy authors more than they annoy pressmen. Most upper-grade pressman have literary aspirations of one sort or another, and they mostly read and are influenced by authors of one sort or another, either literary or technical. The present American copyright regulations tend to keep all English and Continental authors in a state of irritation with something American – they don't quite know what, but there is a reason for irritation. There is a continuous and needless bother about the prevention of literary piracy, a need for agents, and agents' vigilance, and the whole matter produces annoyance, and ultimately tends to fester public opinion. Even a magnificent and epic incident like the taking of the St. Mihiel salient is not a complete remedy, though it affords an excellent chance for a cure. The cure must be effected now, now while the two countries are feeling amiable. There are in both countries people of good will, people ready to help to put the regulations in order. There are also a number of such people who have not given the matter any long or careful consideration. For their benefit I set down a sketch of what the copyright law ought to be, and what dangers should be guarded against.




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The copyright of any book printed anywhere should be and remain automatically the author's. The author should in return for this protection place on file copies of his book at the National Library, Washington, and in the municipal libraries of the four largest American cities. Such placing on file of the work should dispose of any further dispute over the matter. (I need hardly point out that said libraries would under this system acquire invaluable collections free of cost to the public.) Copyright from present date should be perpetual. In my own case I wish to leave my royalties as a literary endowment. I should be able to do this with as much security as if I had acquired oil stock, or government bonds, instead of producing literature. Secondly the present law by which copyright expires permits dead authors to compete on unjust terms with living authors. Unscrupulous, but well-meaning publishers, well-serving the public, print dead authors more cheaply than living ones BECAUSE they do not have to pay royalties. This is to the disadvantage of contemporary literature. As America has less past literature than other countries it is particularly to American disadvantage that the living author should not fare as well as the dead one. BUT the heirs of an author should be powerless to prevent the publication of his works or to extract any excessive royalties. If the heirs neglect to keep a man's work in print and at a price not greater than the price of his books during his life, then unauthorised publishers should be at liberty to reprint said works, paying to heirs a royalty not more than 20 per cent, and not less than 10 per cent. BUT the protection of the author should not enable him to play dog in the manger. IF, having failed to have his works printed in America, or imported into America, or translated into American, an American publisher or translator apply to said author for permission to publish or translate a given work or works, and receive no answer within reasonable time, say six months, and if said author do not give notice of intending other American publication (quite definitely stating where and when) within reasonable time or designate some other translator, then, the first publisher shall have the right to publish or translate any work, paying to the original author a royalty of not more than 20 per cent. and not less than 10 per cent. in the case of a foreign work translated. The original author shall have right at law to the minimum of these royalties. But no unauthorised translation should inhibit the later publication of an authorised translation. Nevertheless, an authorised translation appearing later should not in any way interfere with preceding translations save by fair and open competition in the market. No perpetual copyright should come into effect without these safeguards. They are very important. In addition: After a man's works have sold a certain number of copies, let us say 100.000, there should be no means of indefinitely preventing a very cheap reissue of his work. Let us say a shilling a volume. Royalty on same payable at rate of 20 per cent. to author or heirs.




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Conservative people may regard some of these specifications as over Utopian, but no person who has given the matter any thought, and who desires freer and more cordial communication between America and the rest of the world can remain indifferent to the need of reciprocal copyright between America and her allies. That is the immediate and important issue, and it is a matter so simple that there should be no delay in effecting it, once the matter is set before the proper authorities. Reciprocal copyright is even more important than the elimination of the import duty on books. Both the gaining of the reciprocal copyright and the elimination of the import tax should be effected without altercation. (Pound 2018b)

Quinn als Verteidiger und eine spendable Parteigängerin bewahrten die beiden Damen Anderson und Heap auf diese Weise vor dem US-Gefängnis. Sie interessierten sich nicht für Copyright-Fragen und verabscheuten oder ignorierten die Gesetze gegen angebliche unsittliche moderne Literatur. Margaret Anderson konnte – ganz gegen Quinns Rat – ihren Mund im Gericht nicht halten:

"Let me tell you why I regard it as the prose masterpiece of my generation. Let me tell you what it's about [...] and why you don't understand it and why it is just as well that you don't and why you have no right to pit the dulness of your brains against the fineness of mine" (Anderson 1921: 24f.)

3 United States v. one book called Ulysses 8

Die Geschichte des Werks von Joyce Ulysses ist ein schlagendes Beispiel für die Rückständigkeit des amerikanischen Rechts.9 Teile von Ulysses wurden durch Vermittlung von Ezra Pound mit Zustimmung des Urhebers in der kleinen amerikanischen Zeitschrift The Little Review nach und nach seit 1918 veröffentlicht. Aber weder Joyce noch seine Pariser Verlegerin sorgten für einen Schutz des US-Copyrights durch exakte Beachtung der amerikanischen Voraussetzungen. Derartige Überlegungen standen bei der Publikation gar nicht zur Debatte. So kam es, dass Ulysses in den USA ins public domain fiel. Dafür waren in erster Linie die sehr strikten formellen Bedingungen des amerikanischen Copyrights verantwortlich. Diese einzuhalten war insbesondere dann nicht mehr möglich, als das amerikanische Rechtssystem Ulysses seit 1921 als obszönes Werk brandmarkte.




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Das wiederum hatte zur Folge, dass es als nicht urheberrechtsfähiges sittenloses Machwerk diskriminiert wurde, so dass das Copyright-Office ein Depositum hätte ablehnen können. Den Herausgeberinnen der winzigen Zeitschrift ging es nicht um Fragen des rechtlichen Urheber-Schutzes. Ihr Blick richtete sich in erster Linie auf das Problem strafrechtlicher Verbote moderner Literatur und Kunst. Der Schutz in den USA war – wie im Mittelalter oder in der Frühen Neuzeit und noch im 18. Jahrhundert mit der Kombination von Urheberrecht und Zensur – abhängig davon, dass es politisch und sittenmäßig mit dem US-Sitten-Code und den Geboten der Frauen- und Sittlichkeitsvereine konform ging.

Erst rund zehn Jahre später in einem denkwürdigen Prozess zwischen den amerikanischen Zollbehörden und Joyce bzw. seinem amerikanischen Verleger Random House haben Richter das Werk als nicht sittenwidriges Kunstwerk anerkannt. So konnte es künftig in die USA eingeführt werden. Zuvor wurden die brisanten, begehrten Exemplare via England und Canada wie Alkohol eingeschmuggelt: Ulysses als jahrelange Konterbande aus dem Paris der Sylvia Beach in die USA – mit unentbehrlicher Hilfe von Hemingway und einem seiner links-anarchistischen Freunde aus Chicago – Barney Braverman – und des großen Finanzanwalts John Quinn.

Zuvor hatte Joyce, da ohne amerikanischen Copyright-Schutz, sich gegen den Nachdrucker Samuel Roth nur dadurch wehren können, dass er sich interessanterweise auf sein Namensrecht, d.h. auf den Missbrauch seines Namens durch den Druck berief (Spoo 1998: 631–667; Spoo 2013a).10 Die Anwälte von Joyce machten in diesem Konflikt eine fabulöse Rechnung auf: Joyce dürfe von Roth 500 000 Dollar Schadensersatz verlangen. Pound sollte als Zeuge aussagen. Da jedoch der Beklagte Samuel Roth, parallel verfolgt und in Strafhaft bis Anfang 1929 – auf Klagen des Clean Books Committee und der Society for the Suppression of Vice verurteilt wegen Verbreitung obszöner Bilder und Bücher – endete das Verfahren mit einem sog. Consent Decree. Samuel Roth verpflichtete sich, den Namen von Joyce nicht mehr zu nutzen in Verbindung mit irgendeiner Publikation Ulysses inclusive. Im Ergebnis erhielt zwar Joyce so keine astronomische Entschädigung, nicht einmal einen symbolischen Dollar, aber auf diesem Wege war insoweit wenigstens das public domain vom Tisch, was Roth anging, und das Risiko vermieden, dass Joyce's Klage wegen Sittenwidrigkeit des Buches vom Gericht




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abgewiesen worden wäre. Was Joyce letztlich als Sieg des droit moral feierte, lief jedoch auf eine allzu weite Interpretation der gerichtlich sanktionierten Vereinbarung mit Roth hinaus. Joyce' Klage, auf die Norm zum Schutz der Privatsphäre und des Namens gestützt, war tatsächlich ein Notbehelf, gestützt auf das Instrument der Ausnutzung des Ruhms, den Joyce mittlerweile genoss (celebrity, not privacy) (Decherney 2011: 153).11

Random House mit Bennett Cerf als Gold-Digger und Schatzsucher versuchte, sich einen Copyright-Schutz für eine neue Ausgabe von "Ulysses" zu sichern (Gertzman 1999; Hassett 2016). Das setzte voraus, dass sie nicht mehr unter das Verdikt der Obszönität nach US-Recht fallen würde. Das epochale Urteil von Hon. Judge John M. Woolsey, das die Fragen der Obszönität und Pornographie betraf, wird seither als Monument des Fortschritts gerühmt (Moscato/Le Blanc 1984). Samuel Roth, der Verleger, hatte beim Reprint von Ulysses im Jahr 1925 vom public domain Gebrauch gemacht. Mit einem gewissen Recht konnte er sich auch auf ein freilich strittiges Arrangement mit Joyce' Pariser Verlegerin Sylvia Beach berufen, bzw. auf eine angebliche oder jedenfalls einigermaßen fragwürdige Erlaubnis von Ezra Pound. Die komplexen Beziehungsprobleme mit Samuel Roth, seitdem als Prototyp des unmoralischen Piraten-Geistes in "Literature and Law" überlebend, tun hier nichts zur Sache (Spoo 2013b). Roth, verurteilt zu Haftstrafen wegen Betrugs, unerlaubten Nachdrucken und Pornografie, publizierte selbst unter zahllosen Pseudonymen, erwarb sich hohe Verdienste im Kampf gegen die Zensureingriffe in den USA. Er trug trotz seiner dubiosen Methoden gegenüber Joyce und Pound zum letztendlichen Erfolg von Ulysses in den USA auf seine Art durchaus bei. Seine bemerkenswerte Verlegerfigur und selbst seine Methoden haben jüngst wieder namhafte Verteidiger sogar unter Oxforder Anglisten gefunden (Saint-Amour 2012/2013).12

Mit der Entscheidung Woolseys 1933 und dann mit dem Berufungs-Urteil von 1934 wurde Ulysses in den USA legal. 1921 noch hatte der fanatische Saubermann und Puritaner John Sumner und die New Yorker Society for the Suppression of Vice dafür gesorgt, dass die Publikationen von Teilen aus Ulysses in The Little Review (durch Margaret Anderson und Jane Heap) wegen Verstoßes gegen das New Yorker Gesetz gegen "obscenity" verboten und beschlagnahmt wurden.




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Ein Vergleich der Prozesse um "Ulysses" zeigt: John Quinn als Rechtsvertreter der Kleinverlegerinnen setzte auf plea bargaining, auf seine guten Beziehungen zur Regierung und Justiz, die er oft vertrat. Sein Argument:

1. Ulysses ruft sexuelle Gelüste nicht hervor, sondern schreckt ab.

2. "Ulysses" versteht sowieso kein unschuldiger Leser – so wie wenn auf Chinesisch verfaßt wäre. Prosecutor Corrigan, ein im Grunde liberaler Jurist, wischte dies Argument hinweg.: Er verstehe alles durchaus und vollkommen:"perfectly well", "the passage in which Bloom went off in his pants". Anwalt Morris Ernst's Argumente im Jahre 1934 vor den drei gelehrten Richtern nahmen sich in der Berufung bei weitem tiefgründiger aus:

– Ulysses must be judged by the mores of the day.

– Ulysses is not obscene as a matter of Law.

– Ulysses is a modern classic.

– The intrinsic features of Ulysses negate any implication of obscenity.

– Ulysses is generally accepted by the community.

– The novel must be judged as a whole.14

Samuel Roth gilt noch immer als der infamste literarische Pirat des 20. Jahrhunderts. Das US-Copyright-System ermöglichte ihm die legalen, freilich als illegitim gebrandmarkten Nachdrucke von Oscar Wilde, André Gide, G.B. Shaw, D.H. Lawrence, T.S. Eliot, Hemingway – und James Joyce: ULYSSES.

Nicht ohne Ironie ist nach heutigem Stande festzuhalten, dass Ezra Pounds in den USA so wenig geschätzten Werke als die eines Hochverräters nicht ins public domain gefallen sind, und was die Romane von Joyce, 1941 verstorben, angeht, ist die Rechtslage wie nicht anders zu erwarten, komplex und verwirrend: Finnegans Wake ist public domain in UK, Ireland, in den EU-Ländern; in Canada, Australien, in der Schweiz ist das Werk schon um 1991 frei geworden. Und doch ist die Rechtslage gespalten: die 1939 publizierte Werkausgabe genießt in den USA einen Schutz bis zum Jahr 2034. Die Inkonsistenzen, die Konfusionen und die fehlende globale Harmonisierung von Schutzfristen werden sich fortsetzen.




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Pound wird in den folgenden Jahren sich weniger auf spezielle Urheberprobleme konzentrieren, sondern sich prinzipiellen ökonomischen Konzepten zuwenden. Seine frühen Ansichten sind noch nicht so elaboriert wie in späterer Zeit.15 Es geht ihm um den "gerechten Preis", um den Kampf gegen jede Art von Wucher. Aus Pound sprechen seine Erfahrungen aus dem 1. Weltkrieg. Sein Gewährsmann ist ein gewisser C.H. Douglas (1871–1952) mit seiner Theorie vom Sozialkredit (Ermittlung aller umlaufenden Kredite, Abschöpfung von Spekulationsgewinnen und Rückgewähr an die Allgemeinheit, garantiertes Grundeinkommen). Anklänge an das Copyright-Statut finden sich wieder im Canto IV als poetisches Kondensat: der Autor, die Poesie, die Geschichte, das kulturelle Erbe, nichts davon gehört dem König, sondern allen, der ganzen Welt.

Der Fall James Joyce kann in einem ebenso interessanten Aspekt über die Beziehung von Recht und Literatur hier nur angedeutet werden: Während des Prozessverlaufs gegen The Little Review wegen des Abdrucks von Folgen aus "Ulysses" – als work in progress – wird Joyce in Europa durch John Quinn und Pound ständig genau informiert. Die Spuren des juristischen Prozesses finden sich verschlüsselt, aber unüberlesbar wieder in den Kapiteln "Circe", "Ithaka", "Nausikaa" und "Penelope", defensive und offensive Passagen in einer legalistischen Sprache, ohne die Informationen aus dem Prozessverlauf in den USA 1920/21 nicht zu denken. Wer ist der Autor, könnte man mit Foucault fragen. Die juristisch imprägnierten Episoden "Nausikaa" und "Penelope" womöglich alsbald neuerlich diskriminiert als weitere schwere Verstöße gegen die US-Gesetze. Besonders "Penelope": "another deeply human offense even more ‘filthy' than the first: another bad girl even worse than the neurotic sister ‘Nausicaa' who will get the book into trouble again."16 Der Zensor schrieb, wenn man so will, am "Ulysses" immer gleich mit.

Während des Prozessverlaufs überarbeitete Joyce das Manuskript (Weir 1999/2000: A.389; Vanderham 1992, 1998). Joyce und Sylvia Beach konnten in Paris kaum jemanden finden, der bereit war, das Manuskript abzuschreiben (Vanderham 1998: 51–86. – wegen der obszönen Stellen).17 Oder wie es in einer Leserzuschrift an The Little Review 1918 hieß: "I think this is the most damnable slush and filthy that ever polluted paper in print.... Oh my God, the horror of it." (Anderson 1930: 212).




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Judge John Munro Woolsey hat den ewigen Ruhm geernted, Ulysses von den Fesseln der Gesetze befreit zu haben. Woolsey urteilte, dass "a lack of pornographic intention" sei "not sufficient", es komme darauf an, ob ein Roman "incite sexual impulses or lustful thoughts in a person with average sex instincts". Er stützte sich auf einige Präjudizien, zwei der Urteile stammten sogar von ihm selbst. Sein Urteil gilt mit Recht als der wesentliche Durchbruch bei der rechtlichen Beurteilung von Romanen. Seine Parameter waren jedoch letztlich weniger die von ihm zitierten früheren Urteile, sondern die Beurteilung der Wirkung des Romans auf zwei Kapazitäten, die seine Freunde waren. Sie fungierten wie die Figur des "‚reasonable man in the law of torts and ‚the man learned in art' on questions of invention in patent law". Seine Entscheidung basierte er also zusätzlich oder auch primär auf deren Ansehen (United States v. One Book Called "Ulysses", 5 F.Supp.182 S.D.N.Y. 1933).18 Eine wichtige Passage bezieht sich auf die literarische Interpretation:

"Joyce has attempted – it seems to me, with astonishing success – to show how the stream of consciousness with its ever – shifting kaleidoscopic impressions carries, as it were on a plastic palimpsest, not only what is in the focus of each man%s observation of actual things about him, but also in a enumbral zone residua of past impressions, some recent and some drawn up by association from the domain of the subconscious."

Woolselys Urteil gilt nach wie vor als der Meilenstein. Die komplexere Wahrheit sieht etwas anders aus. Denn erst das Berufungsgericht lieferte eine Begründung, die darüber hinausgehend einen tiefere, haltbarere Basis für die Zukunft liefern sollte: das Berufungsgericht mit Judge Learned Hand, Augustus Hand und Martin Manton war prominent besetzt. Der Ankläger Conboy verlas stotternd, errötend und nervös herumhampelnd die obszönen, 25 "Stellen", noch ein Lese-Marathon mit Lunch- Unterbrechungen, in den Worten des Anklägers: "It begins with blasphemy, runs the whole... of sexual perversions and ends in unspeakable filth and obscenity". Learned Hand setzte auf die Betrachtung des Romans als Ganzem. Beide Juristen hielten den Roman nicht für "aphrodisiac", "it did not excite sexual impulses or lustfull thoughts"; (so auch schon Judge Woolsey in der ersten Instanz). Doch Judge Learned Hand und sein Cousin Augustus erweiterten die rechtlich-literarische Perspektive: "The offending passages are clearly nessessary for the epic of the whole." Obwohl sich die Gesetze zwischen 1920 und 1930 nicht geändert hatten, wurde das gleiche Werk zunächst als obszön, dreizehn Jahre später als nicht verdammenswert beurteilt. Die unterschiedlichen Gründe der Urteile reflektieren den Wechsel der öffentlichen Meinung und der gesellschaftlichen Wandlungen (Gillers 2007).19




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Random House und Bennett Cerf publizierten Ulysses mit einem Vorwort von Morris L. Ernst, mit dem Urteilstext von Woolsey und mit einem Brief des Autors Joyce: Der stellte den Zusammenhang zwischen Zensur und Autorenhonoraren her. Diese Ausgabe sei zum einen die einzig authentische, aber auch die einzige, die ihm künftig Honorare bescheren werde. Für Joyce stand das droit moral des Autors im Vordergrund. Die enge Verknüpfung von droit moral, Publikationsfreiheiten und copyright wird Joyce auch in seinem Text für den PEN-Kongress von 1937 erneut betonen.


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Anmerkungen

* Der Verf. dankt Alexander Nebrig und Robert Spoo für zahlreiche Hinweise und Unterstützung. Eine Fassung der Studie wurde auf der Tagung des Arbeitskreises "Geschichte und Zukunft des Urheberrechts" 2017 (Leibniz-Universität Hannover) vorgestellt.

1 Ausländische Autoren und Verleger, auch z.T. in den USA, waren durch die beschwerlichen Konditionen des US-Copyrights mit seinen strikten Formalitäten oft in jeder Hinsicht überfordert, auch bei den Erneuerungen. Das kam der heimischen Drucker- und Verlegerindustrie zugute (Ginsburg 2010).

2 S. ferner Bettridge 2005: 190f.: Pound will den Geist des Zeitalters erfassen – gegen Moral und Praxis der Ära. ";Kein Wind in des Königs Wind", Canto IV, und: "Let every keep her calf".Quelle? Sh. ferner Emery (1967: 351–377).

3 S. dazu 710 Spoo (2017: 631–710, 648 m. Nachw. Fn. 41). Der US-Reprint-Markt entwickelte ein eigenes Courtesy- and Sanktions-System beim Nachdruck ausländischer Autoren mit partieller Honorierung etwa von advance-sheets. Das Bild des völlig schutzlosen europäischen Autors in den USA muss daher korrigiert und differenziert werden. Das tendenziell kartellähnliche System wurde zunehmend durch outsider unterlaufen. S. Spoo (2017: 695ff). Dennoch erhielten gefragte Autoren auch ansehnliche Honorare aus den USA. S. dazu auch Götz von Olenhusen (2016: 401–416).

4 S. Saint-Amour (2011: 55ff.); Spoo 2013: 36ff.

5 Ein unvollständiger Überblick findet sich in der Biografie des berühmten New Yorker Finanzanwalts irischer Abstammung, Vermittler und Kunst- und Autographensammlers John Quinn bei Reid (1968), Freund von Yeats, von Pound, von zahlreichen Künstlern, Schriftstellern, deren Werke und Manuskripte er schon in einer Zeit erwarb, in der sie als Zeitgenossen der Moderne noch nicht berühmt waren.

6 Schon der bedeutendste britische Romantiker William Wordsworth wünschte sich eine besondere urheberrechtliche Schutzfunktion für den Genius. 1838 vertrat er ein urheberrechtliches Naturrecht. Er plädierte für längere Privilegien. Lange Schutzfristen – das ist die merkwürdig dauerhaft anhaltende Illusion aller Autoren und Reformer des 19. und 20. Jahrhunderts fast bis heute und die Wunschvorstellung der Verwerter. Warner Chapell, eine bedeutende Firma der Musikverlagsindustrie, hoffte, gestützt auf die US-Gesetze, "Happy Birthday to you", schlichte Reime und simple Gesangsnoten aus dem Kindergarten zweier Kindergärtnerinnen vom Ende 19. Jahrhundert, bis zum Jahre 2032 mit 2 Mio. Dollar Lizenzgebühren pro Jahr auszumünzen (Götz von Olenhusen 2015). Ihrem jahrelangen Erfolg setzte erst eine moderne Rechtsprechung unerwartete Grenzen.




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7 Reid (1968: 157ff.) Seit dem Tariff-Gesetz von 1909 waren Antiquitäten unbelastet, Gemälde und Skulpturen unter 20 Jahren wurden mit 15% Einfuhrzoll belegt. Der US-Kongress sah jedoch ausländische Kunst als Luxus an, so wie Juwelen, Diamanten, wertvollen Schmuck oder ausländische Weine und Tabak. Der Gesetzgeber dekretierte schließlich aufgrund Quinns Einfluss und öffentlichem Druck, dass die Einfuhr von Originalen belastungsfrei erfolgte, mit der Folge, dass viele Fälschungen als Originale, etwa von Corot, eingeführt wurden. Die Ergebnisse der Gesetze z.T. grotesk: Ein Original von Joshua Reynolds im Werte von 50 000 $ wurde vom Zoll als "Fake" eingeschätzt – flugs zurück an den Verkäufer in London – Quinns Charakterbild wird verdunkelt, weil er Engländer, Deutsche und Juden hasste. Für den Kongress hat er viele Gesetze selbst formuliert. Sein Kampf gegen Zensur, für moderne Literatur und Kunst ist so legendär wie seine Sammlungen von Autographen, Manuskripten und moderner Kunst; Subventionen, Ankäufe, pro-bono-Aktionen für die Moderne in den USA und in Europa gingen auf sein Konto. Auf seine Art ein irischer Gigant wie James Joyce.

8 Moscato/Le Blanc (1984), SF. Supp. 182, 185 (S.D.N.Y. 19/33), aff'd, 72 F 2d 705 (2 d Cir. 1934). Der Antrag auf einstweilige Verfügung stützte sich auf Section 51 New York Civil Rights Law wegen unerlaubter Verwendung des Namens von Joyce für Werbung und Handel, die Klage wurde also auf "statutory right of privacy" gestützt. Genaue Analyse bei Spoo 2013b: 193ff.

9 Die Geschichte der Zensur und Freigabe von "Ulysses" ist gut erforscht. Vgl. den Band "Joyce and the Law" in James Joyce Quarterly 37 (2000), Heft 3/4, 311–604.

10 "James Joyce v. Samuel Roth and Two Worlds Publishing Co. (N.Y.Sup. Ct. filed 3/14/1927 [...])" in Spoo 2013b: 278, s. ferner Spoo (1998: 631–667).

11 Die zeitgenössischen Klagen von Douglas Fairbanks oder von Charly Chaplin wurden nicht auf "privacy"-Verletzungen gestützt, sondern auf "property", "unfair competition und consumer confusion.", s. Spoo 2013b: 227. "Fairbanks v. Winik 198 N.Y.S.299 (N.Y.Sup.Ct.1922)" in ebd.: 317.

12 Saint-Amour 2011: 291–317).

13 Details der gerichtlichen Kämpfe in Birmingham (2014); Spoo 2013b. Zu Sumners Kreuzzug s. Birmingham (2014: 153ff.)

14 Ernst handelte für Random House mit Zustimmung von Joyce. Er konnte auf große Erfolge im Kampf gegen die Zensur zurückblicken; er kämpfte erfolgreich für Ware Dennett: The Sex Side of Life, Marie Stope: Married Love, Arthur Schnitzler: Casanovas Heimfahrt. Er ließ sich von Random House als Honorar zwei bis fünf Prozent der Bucherlöse von "Ulysses" zusichern – die Argumente der Klage sind hier kurz zusammengefasst.

15 Dazu ausführliche Darstellung bei Wilson (1997: 105ff.); Stock (1967: 331–353).

16 Auch Joyce' Begegnungen mit der Justiz in seinem Züricher Beleidigungsprozess flossen in die Episoden ein.




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17 Der Ehemann einer Sekretärin vernichtete Teile des Manuskripts und deren Abschriften in Paris. Quinn, der die Manuskripte von Joyce schon gekauft hatte, stellte das einzige existierende Exemplar, das er schon in New York in seinem Besitz hatte, für den Druck in Paris zu Verfügung.

18 Urteil 1. Instanz: 5 F.Supp.182. S.D.N.Y. 1933; Urteil 2. Instanz: United States v. One Book Entitled Ulysses by James Joyce, 72F.2d 705 (2d Cir.1934); ausführliche Darstellung der Fälle jetzt bei Birmingham (2014).

19 Vgl. Gillers (2007: 215, 251). Das Urteil wurde im Wesentlichen von Richter Learned Hand bestimmt. Zu Judge Learned Hand s. Gunther (1994). Auf weitere Zitate der fast unübersehbaren juristischen Literatur zu den beiden Urteilen von 1933 und 1934 wird verzichtet.

20 Dazu Potter (2013). "Das chinesische Schriftzeichen als poetisches Medium" wurde von Ezra Pound ediert, auch seine Arbeit über das Noh-Theater.

21 Hugo Albert Rennert (1851–1927), Prof. für Romanistik, schrieb über "The Life of Lope de Vega" (1904).