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Orsolya Lénárt (Budapest)



Deutschsprachige Autoren des Königreichs Ungarn in den österreichischen Literaturgeschichten – Graf Johann Mailáth als Fallbeispiel



German Speaking Authors of the Kingdom of Hungary in Austrian Literary Histories. The Exemple of Johann Mailáth
The present study deals with a German-Hungarian/Hungarian-German writer Johann Mailáth. He worked and lived in Pest-Buda and in Vienna in the 19th century. He wrote books and stories about the history of Austria and Hungary, collected Hungarian folktales and poems, translated Hungarian literature in German and published works of Austrian authors in Pest. This paper deals with the questions: Which place occupies Mailáth in the Austrian literary histories of Nagl/Zeidler/Castle, Nadler, Zeman, Kriegleder and Zeyringer/Gollner? Was he received in them as an Austrian author? What does it mean that he found in some literary histories input, but he remained unmentioned in others?


1 Einleitende Gedanken, Fragestellungen

Bei der Erforschung von literarischen Texten, die in einer von der jeweiligen Landessprache abweichenden Sprache verfasst wurden, steht oft die Frage der Rezeption im Mittelpunkt. Die Analyse von Texten, die man als 'Regional-, Minderheitenliteratur', 'kleine(re) Literatur' oder 'transkulturelle Literatur' etikettieren möchte,1 wirft häufig Fragen wie die Folgenden auf: Wer las und liest diese Texte? Wie setzt sich das gegenwärtige Publikum jener Autoren2, deren Werke diesen Kategorien zugeordnet werden können, im Vergleich zum damaligen zusammen? Inwiefern waren diese Autoren ins Kultur- und Literaturleben der einzelnen Sprach- und Kulturräume eingebunden und sind sie es immer noch? Und schließlich: Haben sie Eingang in die Literaturgeschichte(n) der 'Nationalliteratur'(en)3 gefunden beziehungsweise werden sie diesen noch finden?




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Da im Mittelpunkt meines Forschungsinteresses die deutschsprachige Literatur des Königreichs Ungarn zwischen 1800 und 1848 steht, beziehe ich meine Fragestellungen auf diesen zeitlichen und geographischen Raum. Da eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit den oben dargestellten Fragen bezüglich der Rezeption 'ungarndeutscher'4 Literatur im 19. Jahrhundert den Rahmen des vorliegenden Aufsatzes sprengen würde, möchte ich mich hierbei mit den folgenden Fragen beschäftigen: 1) Sind die deutschschreibenden Hungari, die zur kulturellen Zirkulation zwischen Wien und Pest-Ofen aktiv beitrugen, in den österreichischen Literaturgeschichten von dem ausgehenden 19. Jahrhundert bis zur heutigen Zeit rezipiert worden? 2) Falls sie in diese historischen Darstellungen Eingang fanden: Wie wurde ihre Position und Bedeutung im 'Kulturtransfer'5 zwischen den Zentren der Habsburgermonarchie beurteilt?

Da zwischen der Jahrhundertwende und dem Ausbruch der Märzrevolution 1848 auf dem Gebiet des Königreichs Ungarn laut meiner Datenerhebung mehr als 100 Autoren6 tätig waren, ist eine weitere Einschränkung des Materials unumgänglich gewesen. Aus der Fülle wurde deshalb ein Autor als (repräsentatives) Fallbeispiel ausgewählt, der dank seines breiten literarischen Netzwerks eng mit den Literaturszenen in Wien und Pest-Ofen verbunden war und der durch seine vielfältige literarische und herausgeberische Tätigkeit in die Literaturgeschichten beider betroffenen 'Nationen' hätte Eingang finden können.

Nach einer kurzen Darstellung der Biografie und des Oeuvres des Grafen Johann Mailáth (1786–1855), einer transkulturellen bzw. transnationalen Vermittlerfigur des ungarischen Reformzeitalters, wird seine Wahrnehmung in den österreichischen Literaturgeschichten analysiert. Dazu dienen die folgenden Nachschlagewerke als Quelle: Erstens die Literaturgeschichte des Herausgebertrios Johann Willibald Nagl, Jakob Zeidler und Eduard Castle, zweitens der dritte Band der Literaturgeschichte des Deutschen Volkes von Josef Nadler, drittens seine nach dem Zweiten Weltkrieg veröffentlichte Literaturgeschichte Österreichs, viertens die von Herbert Zeman herausgegebenen Literaturgeschichten, fünftens Wynfrid Kriegsleders Eine kurze Geschichte der Literatur in Österreich und schließlich die österreichische Literaturgeschichte von Klaus Zeyringer und Helmut Gollner.




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An dieser Stelle muss die Frage nach der Vergleichbarkeit dieser Literaturgeschichten angesprochen werden: Die kürzeren literaturhistorischen Nachschlagewerke können naturgemäß weniger Autoren aufnehmen als die mehrbändigen Literaturgeschichten. Deshalb wird statt einer quantitativ angelegten Analyse der Fokus darauf gelegt, in welchem Kontext Mailáths Name auftritt und wie der jeweilige Österreich-Begriff der Literaturgeschichten und die Thematisierung des Grafen Mailáth zusammenhängen. Es ist dabei zu beachten, dass die Herausgeber und die Autoren der österreichischen Literaturgeschichten, geprägt auch durch den Zeitgeist, den Begriff 'österreichische Literatur' unterschiedlich deuteten. Dabei lautet die Ausgangsthese des vorliegenden Beitrags, in Anlehnung an Jörg Krappmann (Krappmann 2014: 2), wie folgt: In den Literaturgeschichten der einzelnen Epochen, deren Herausgeber und Autoren über differenzierte Österreich-Verständnisse verfügten und den territorialen Bezug ihres Untersuchungsgegenstandes unterschiedlich bestimmten, wurden die deutschsprachigen Autoren aus dem Königreich Ungarn mit einem unterschiedlichen Gewicht und Akzent thematisiert und zum Teil auch instrumentalisiert.

2 Graf Johann Mailáth zwischen Wien und Pest-Ofen

Mailáth ist 1786 in Pest als eines von 18 Kindern des Staatsministers Joseph Graf Mailáth geboren. Er durchlief einen bis 1848 in Ungarn charakteristischen Bildungsweg: Zuerst wurde er zu Hause erzogen, später kam er nach Erlau (ung. Eger), wo er Philosophie studierte. Im Anschluss setzte er seine Studien an der Rechtsakademie in Raab (ung. Győr) fort. Später erhielt er eine Anstellung in Wien als Sekretär der königlichen Statthalterei, die er 1817 nach drei Jahren wegen einer Augenerkrankung aufgeben musste. Während seiner langen Krankheitsperiode in Wien begann er seine historischen Forschungen und widmete sich der Literatur. Er interessierte sich vorwiegend für die Geschichte des Kaisertums Österreich und des Königreichs Ungarn. Das Ergebnis dieses Interesses war eine Reihe historiografischer Abhandlungen und Monografien (z. B. Geschichte der Magyaren, Wien 1828–1831, Geschichte des österreichischen Kaiserstaates, Hamburg 1834–1850) (BLKÖ 1867, Bd. 16: 300–303).




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Das literarische Schaffen Mailáths nahm in Wien seinen Anfang. Seit 1810 hatte er dank Joseph von Hormayrs (1782–1848), den er 1809 in Ofen kennen lernte, Zugang zum Salon von Caroline Pichler (1769–1843), welche "die erste Adresse im Wiener Geistesleben" (Zeyringer/Gollner 2012: 138) war. Hier trafen sich bedeutende Vertreter des Wiener Kulturlebens (z. B. Franz Grillparzer, Nikolaus Lenau, Joseph von Hammer-Purgstall), und der Salon von Pichler war auch der Ausgangspunkt für die Bewegung Hormayrs zur Zeit der Napoleonischen Kriege. Hormayr galt als Anreger der vaterländischen Dichtung, der zahlreiche Autoren der Zeit anhingen, wie auch Johann Nepomuk Vogl (1802–1866), Johann Gabriel Seidl (1804–1875) oder eben Mailáth, der an Hormayrs Archiv für Geographie, Historie und Geschichte (Wien 1810–1822, zwischen 1823 und 1828 Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst) aktiv mitarbeitete. Die Prägung Hormayrs und seiner monarchistischen Ideen7 lassen sich bei Mailáth, insbesondere in seinen lyrischen Texten (z. B. im 1817 in Hormayrs Archiv veröffentlichten Gedicht mit dem Titel Österreich's Lerchen) eindeutig nachvollziehen.8

Mailáths Hinwendung zu Themen der ungarischen Geschichte und sein Interesse an Ungarn überhaupt wurden in den 1820er Jahren unverkennbar, wie auch sein Bestreben, ungarische Literatur dem deutschsprachigen Ausland zu vermitteln. Sein Wille, die ungarische Literatur im deutschen Sprachraum zu popularisieren, artikulierte sich einerseits in der Anthologie Magyarische Gedichte (Stuttgart, 1825), andererseits in der Märchensammlung Magyarische Sagen und Märchen (Brünn, 1825). Schließlich wollte er, wie er auch Ferenc Kazinczy mehrmals berichtete, "als magyarischer Schriftsteller selbständig auftreten" (in: Váczy 1909, Bd. 19: 96).

Mailáth war literarisch sowohl in Ungarn als auch in Österreich tätig und publizierte seine Schriften in beiden Sprachen (obwohl seine ungarischen Texte meistens von seinen Schriftstellerkollegen übersetzt wurden). Seine Texte wurden nicht nur in Hormayrs Archiv publiziert (z. B. Teile der Magyarischen Gedichte), sondern auch in Zerffis Vaterländischem Almanach in Ungarn (Pest, 1820–21), im Pester, im von u.a. Sándor Kisfaludy (1772–1844) redigierten Taschenbuch Auróra (1822–1837), im Wiener, von Sámuel Igaz (1786–1826) betreuten Taschenbuch Hébe (1823–1826), im Blatt der konservativen Partei Nemzeti Újság (1840–1848, später unter anderem Namen als Tageszeitung bis 1944), das er 1844 zusammen mit Mihály Kovacsóczy (1801–1846) herausgab, oder im von Karl Maria Kertbeny (1824–1882) veröffentlichten Jahrbuch des deutschen Elements in Ungarn (1846). Außerdem schrieb er für deutschsprachige Taschen- und Jahrbücher wie dem Aglaja (1801–1803 Frankfurt, 1815–1832 Wien), dem Ceres (Wien, 1823/24), der Huldigung den Frauen (Wien, 1823–1848) oder dem von Johann Nepomuk Vogl edierten Taschenbuch Thalia (1843–1849) sowie für deutschsprachige Zeitschriften wie der Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode (1816–1849) oder dem Stuttgarter Morgenblatt für gebildete Stände (1807–1865, ab 1837 Morgenblatt für gebildete Leser) (Szinnyei 1902, Bd. 8: 334). Das erfolgreichste literarische Unternehmen Mailáths war aber das anfangs zusammen mit Moritz Gottlieb Saphir (1795–1858) redigierte, beim Pester Heckenast veröffentlichte, prunkvolle Taschenbuch Iris, das zwischen 1840 und 1848 erschien und für österreichische Literaturstars wie Franz Grillparzer oder Adalbert Stifter eine ausgezeichnete Publikationsmöglichkeit bedeutete (Szemző 1930: 52).




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Die Ereignisse des Jahres 1848 beeinträchtigten Mailáths Leben sowie seine literarische Laufbahn. Wegen seiner katastrophalen finanziellen Situation zog er 1848 mit seiner Tochter nach München, da er in Wien nach seiner Rückkehr aus Pest keine Anstellung finden konnte. In der bayrischen Residenzstadt wurde er Mitglied der königlichen Akademie der Wissenschaften und unterrichtete Elisabeth Amalie Eugenie, Herzogin in Bayern, in ungarischer Geschichte. Hier konnte er aber seine Finanzen auch nicht in Ordnung bringen und in seiner letzten Verzweiflung beging er am 3. Januar 1855 zusammen mit seiner Tochter im Starnberger See Selbstmord (Szinnyei 1902, Bd. 8: 332–333).

3 Das Korpus – Österreichische Literaturgeschichten im Vergleich

Nach der Beschreibung des vielfältigen Oeuvres des Grafen soll zunächst das Augenmerk auf das in der Einleitung bestimmte Korpus gerichtet werden. Bei der ersten Sichtung der einschlägigen Bände zur Literaturgeschichte fällt auf, dass ihre Autoren und Herausgeber bei der Bestimmung ihrer Forschungsobjekte ganz unterschiedlichen Ansätzen folgen. Um die Richtigkeit der Ausgangsthese zu überprüfen und den Platz Mailáths in den österreichischen Literaturgeschichten beurteilen zu können, muss man zunächst untersuchen, welche Regionen der ehemaligen Habsburgermonarchie in den einzelnen Nachschlagewerken miteinbezogen werden. Kurz und gut: Was verstehen die Literaturhistoriker unter Österreich? Und wie ändert sich der Zugang zur österreichischen Literatur vom 20. bis zum 21. Jahrhundert?

3.1 Österreich – Der territoriale Bezug

Der Literaturgeschichte von Nagl/Zeidler/Castle, die in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in vier Bänden erschienen ist, liegt eine andere Vorstellung über das Territorium 'Österreich' zugrunde als ihren Nachfolgern vor bzw. nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Autorentrio geht in Anlehnung an Toscano del Baner (Baner 1848) bei der Definition des Territoriums von der gesamten Monarchie aus, wie sie in einem Schreiben an die Mitarbeiter des Bandes formulieren:

Durch dieses Moment hängt unsere Arbeit auf engste mit der localen Literaturforschung zusammen, ja sie kann der Hilfeleistung bodenständiger Gelehrter nicht entbehren, die, treu verwachsen mit dem Boden der Heimat, im Stande sind, jede Regung des poetischen Lebens ihres Gebiets mit Verstand und Herz, mit Ohr und Gemüth zu erfassen [...] und die heimische Eigenart auch in den hochdeutschen Dichtern ihres Landes wiederzuerkennen (Nagl/Zeidler 1899, Bd. 1: XVI).




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Nagl, Zeidler und Castle gehen also von einem Österreich-Begriff im weitesten Sinne aus und greifen auf Deutsch geschriebene Literatur der Kronländer zurück. Dagegen konzentriert sich Wynfrid Kriegleder, Autor einer der jüngsten Literaturgeschichten Österreichs, ausschließlich auf jene literarischen Produkte, die auf dem heutigen Staatsgebiet entstanden sind: "Es soll erzählt werden, was sich seit dem Mittelalter auf dem Territorium der heutigen Republik Österreich in literarischer Hinsicht abgespielt hat [...]" (Kriegleder 2011a: 12). Laut Krappmann ist diese Definition Österreichs nicht nur final, sondern zugleich fatal: Kulturräume seien auf diesem Wege zerrissen worden, die trotz ihrer Multilingualität, Multikulturalität und Vielschichtigkeit durch gemeinsame kulturhistorische Entwicklungen eng verbunden waren (Krappmann 2014: 2). Inwieweit Kriegleder tatsächlich mit einem 'finalen Österreich-Begriff' operiert, wird im weiteren Verlauf überprüft.

Was die geographische Breite oder Enge der Definition angeht, positionieren sich die anderen ausgesuchten Literaturgeschichten – laut Aussagen ihrer Herausgeber und Autoren – etwa in die Mitte einer imaginären Skala zwischen Nagl/Zeidler/Castle und Kriegleder. Sie versuchen, die österreichische Literatur weder im engsten noch im weitesten Sinne zu definieren. Als eine (extreme) Ausnahme gilt dabei natürlich die vierbändige Literaturgeschichte des Deutschen Volkes von Nadler, der von der Existenz eines regional zerstreuten, trotzdem einheitlichen deutschen Volks ausgeht. Diese Haltung verändert sich in seiner 'entnazifizierten' österreichischen Literaturgeschichte, in der er die Sonderrolle Österreichs betont und sich für eine auf Regionen bezogene literaturhistorische Darstellung einsetzt (Ranzmaier 2008: 16). Er definiert das von ihm dargestellte Territorium wie folgt: "wo die Donau geschwisterlich ihren Arm um die Ostalpen legt, erhebt sich, von den Römern vorgezeichnet, der Platz, auf dem über Länder und Völker hinweg eine gemeinsame Ordnung geschaffen worden ist. Sie hat aus Ufersaum und Gebirgstälern Österreich gemacht" (Nadler 1951: 7). Laut Albert Berger kann die neuere Literaturgeschichte Nadlers als Versuch einer regional ausgelegten Literaturgeschichte gelesen werden, die aber noch "keine grundlegende, dem aktuellen Reflexionsstand entsprechende Revision erfahren hat" (Berger 1995: 39).




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In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden mehrere Beschreibungsmöglichkeiten der (österreichischen) Literatur erprobt. Man unternahm den Versuch, unter Berücksichtigung der Wandlung des politisch-historischen Österreich-Begriffs und der geographisch-politischen Lage des Landes ein österreichisches Kulturgebiet mit eigenen literarischen Formationen und Traditionen im Unterschied zu Deutschland zu bestimmen. Eine Herausforderung bedeutete für die Literaturgeschichtsschreibung – in Anlehnung an August Sauer (Sauer 1907: 500) –, wie man mit den gemeinsamen Berührungspunkten der Sprachen, Kulturen und Literaturen der Nachbarstaaten (Nachfolgestaaten der Monarchie) umgeht. Manche, wie Herbert Seidler, sahen vor, die literarischen Zusammenhänge im Donauraum im Rahmen der Komparatistik zu analysieren (Seidler 1973: 18) und dadurch dem Begriff 'österreichische Literatur' eine umfassende Bedeutung zu verleihen (Ingen 2011: 17).

Der Absicht, die österreichische Literatur im breiteren Kontext zu untersuchen, folgt u.a. Herbert Zeman. Er setzt sich in seinen Werken zur österreichischen Literatur zum Ziel, diese unter dem Aspekt "Eigenart literaturhistorischer Entfaltung und mitteleuropäisch-donauländischer Standort" zu untersuchen (Zeman 1993). Kriegleder merkte hierzu an: Das auf sieben Bände konzipierte Projekt9 'Geschichte der Literatur in Österreich' solle das große Werk von Nagl, Zeidler und Castle ersetzen (Kriegleder 2011b: 38). Was heißt das? Zeman konzentriert sich in seinen unterschiedlichen Literaturgeschichten, die dem Problemfeld 'Literatur in Österreich', 'österreichische Literatur' oder 'Literatur Österreichs' gewidmet sind, darauf, rezeptions- und wirkungsgeschichtliche Probleme zu thematisieren und die Verbindungen zwischen der Literatur auf dem heutigen Gebiet Österreichs und den Literaturen der ehemaligen Kronländer zu schildern. Zudem muss man anmerken (darauf weist die jeweilige Titelwahl seiner Literaturgeschichten hin), dass Zeman "sich in heuristischer Weise über die theoretischen Einwände hinweg[setzt]" (Krappmann 2014:1).

Die jüngste, 2012 verlegte Literaturgeschichte von Klaus Zeyringer und Helmut Gollner ist eines der wenigen Nachschlagewerke, in dem sich die Autoren mit den grundlegenden Termini ihrer Forschung bewusst auseinandersetzen. Dass die österreichische Germanistik "ein Jahrhundert meist ideologischer Diskussionen um das 'Österreichische'" (Zeyringer/Gollner 2012: 13) hinter sich hatte, motivierte die Autoren dazu, ihre Literaturgeschichte mit einem methodologischen Abschnitt einzuleiten. Zeyringer und Gollner gehen keinesfalls von einem einheitlichen Österreich-Begriff aus, sondern sie versuchen, das Problem des "inkonsistenten Untersuchungsgebiets" (Vocelka 2000: 9) durch Miteinbeziehung historischer, gesellschaftlicher und kultureller Kontexte zu handhaben. Die Autoren sahen also vor, sich nicht auf das Gebiet des heutigen Österreichs zu beschränken, und zugleich ihren Forschungsgegenstand auch nicht zu breit anzulegen. (Zeyringer/Gollner 2012: 13).




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Um einiges vorwegzunehmen: Die in der Voranmerkung geschilderten Zielsetzungen konnten nicht restlos erfüllt werden. In seiner Rezension bemängelt Krappmann, und er trifft damit meiner Ansicht nach den Nagel auf den Kopf, die Thematisierung von Böhmen und Mähren sowie generell der deutschsprachigen Literaturen in den ehemaligen Kronländern. Laut Krappmann strebten die Autoren des Bandes zwar eine eigenständige Perspektivierung unter spezifisch österreichischen Bedingungen an (z. B. durch spezifisch österreichische Epochenschemata), aber "so teuer ist diese Selbstständigkeit mit dem Verzicht auf weitere Darstellung und kritische Aufarbeitung des reichen Kulturraumes Böhmen – Mähren – Prag erkauft" (Krappmann 2014:4).

3.2 Zwischenfazit

Diesem Gedankengang folgend sollte man die Ausgangsthese präzisieren: Jene Literaturgeschichten, die einen breiteren Fokus anlegen, widmen den zahlreichen Berührungspunkten der österreichischen Literatur mit den Literaturen der ehemaligen Kronländer mehr Aufmerksamkeit als jene, die ihren Gegenstand im engsten Sinne des Begriffs definieren. Aufgrund der Sichtung der Vorworte und Konzepte der untersuchten Literaturgeschichten könnte man an dieser Stelle die Annahme formulieren: Je finaler der Österreich-Begriff einer Literaturgeschichte ist, desto weniger Platz finden in ihnen deutschschreibende Autoren der ehemaligen Kronländer, so auch des Königreichs Ungarn. Die Richtigkeit dieser Vorüberlegung wird nun am Fallbeispiel des Grafen Johann Mailáth auf den Prüfstand gestellt.

4 Graf Mailáths Platz in den österreichischen Literaturgeschichten

Aus dem zweiten Kapitel wurde ersichtlich, dass das Oeuvre Mailáths zahlreiche Berührungspunkte mit der Wiener Literaturszene aufweist. Mailáths Zusammenarbeit mit dem Kreis Hormayrs, seine Vernetzung mit den Mitgliedern des Pichler'schen Salons, seine u.a. in Wien verlegten Anthologien, seine historiographischen Werke, die Publikationen in den österreichischen Taschenbüchern und Zeitschriften sowie das Redigieren des Almanachs Iris sind diejenigen Aspekte im Oeuvre des Grafen, die in österreichischen Literaturgeschichten hätten erwähnt werden können.




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4.1 Mailáth bei Nagl/Zeidler/Castle

Wie es zu erwarten war, erwies sich der zweite Band der Literaturgeschichte von Wilibald Nagl, Jakob Zeidler und Eduard Castle als eine reiche Fundgrube: Die Autoren des Handbuchs zur Geschichte der deutschen Dichtung in Österreich-Ungarn berücksichtigen die deutschsprachigen Literaturen der Kronländer, denn sie sehen im Zeichen der Scherer'schen positivistischen Ausrichtung die österreichische Kultur und Literatur als Vermittlerin: Sie transferiere die deutsche Kultur den anderen Völkern der Donaumonarchie (Rinner 1992: 19).

Das Bestreben der Herausgeber, die in deutscher Sprache verfassten, literarischen Texte des gesamten Habsburgerreichs zusammenzufassen, kann man sogar aufgrund der Zusammenstellung des Autorenstabs nachvollziehen. Bei der Edition des zweiten Bandes, der die Epoche von Maria Theresia bis zur Revolutionswelle 1848 thematisiert, legen die Herausgeber offensichtlich viel Wert darauf, ihre Mitarbeiter aus verschiedenen Regionen Transleithaniens auszusuchen. Unter den ungarischen Mitarbeitern finden sich Persönlichkeiten wie Robert Gragger, ungarndeutscher Literaturhistoriker und Professor des ungarischen Lehrstuhls der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität (László 1994: 699), oder Georg Adolf Schuller, Autor einer Monografie über Samuel von Brukenthal und Leiter der Handschriftenabteilung des Baron Brukenthalischen Museums in Hermannstadt (Gündisch 1998: 325).

Aufgrund des breit angelegten Österreich-Begriffs der vorliegenden Literaturgeschichte war zu vermuten, dass die Tätigkeit des Grafen Johann Mailáth in ihr vielfältig behandelt wird. Innerhalb des Kapitels "Das Jahrhundert Grillparzers" wird ein ganzer Abschnitt der Vormärzliteratur des ungarischen Kronlandes gewidmet, in dem neben Georg Gaal und Alois Mednyánszky auch Mailáth als ein literarischer Vermittler dargestellt ist: "Den Anregungen Herders und der Romantik folgend stellte sich eine jüngere Gruppe deutschungarischer Schriftsteller die Aufgabe, das Ausland auch mit der rasch aufstrebenden magyarischen Literatur bekanntzumachen" (Nagl/Zeidler/Castle 1914, Bd. 2: 1056). Mailáths Leben und Oeuvre wird an dieser Stelle kurz umrissen: Sein zusammen mit Paul Köffinger herausgegebener Koloczaer Codex (Pest, 1817) oder die Anthologie Magyarische Gedichte findet an dieser Stelle genauso Erwähnung wie seine Übersetzungen (z. B. Der Dorfnotär des Freiherrn József Eötvös, Leipzig, 1846) und seine historiographischen Werke. Die Verdienste des Grafen in der Vermittlung der ungarischen Literatur ins Ausland werden anerkannt: Zusammen mit Gaal und Mednyánszky wird er als ein "Bahnbrecher" (Ebd: 1057) charakterisiert, nach dem zahlreiche Vermittler der ungarischen Literatur, wie etwa Ferenc Toldy (geb. Franz Schedel), "der eigentliche Vater der ungarischen Literaturgeschichte" (Ebd: 1057) und Autor des Handbuchs der ungarischen Poesie (Pest/Wien, 1828), heranwuchsen.




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Mailáth gehört eigentlich zu jenen Autoren, denen zumindest in der Literaturgeschichte von Nagl/Zeidler/Castle 'der Ausbruch aus der Regionalliteratur' (Scheichl 1993) gelingt und die auch außerhalb des Ungarn-Kapitels Erwähnung finden. Dies ist eine Folge der publizistischen und literaturorganisatorischen Tätigkeit des Grafen, der sich für "die Annäherung zwischen ungarischen Zeitschriften und österreichischen Autoren" (Nagl/Zeidler/Castle 1914, Bd. 2: 1039) einsetzte. Denn die Vertreter der österreichischen Vormärzliteratur, deren literarisches Schaffen in der Ära Metternich stark von der Zensur beeinträchtigt wurde, nutzten die Gelegenheit, in Pester Zeitschriften und Taschenbüchern zu publizieren und ihre Schriften in den Verlagshäusern der ungarischen Hauptstadt abzudrucken. Das schönste Beispiel dieses Zusammenwirkens war zweifelsohne das von Mailáth redigierte Taschenbuch Iris. Es zeigt nämlich "das Einvernehmen, welches zwischen den beiden Hauptstädten der Monarchie im Vormärz herrschte" (Nagl/Zeidler/Castle 1914, Bd. 2: 1042).

Neben dem Iris-Almanach, für den der Graf sein ganzes literarisches Netzwerk mobilisierte, findet er aufgrund seiner freundschaftlichen Beziehung zu Joseph von Hormayr in die Literaturgeschichte des Autorentrios Eingang: Zusammen mit Mednyánszky war er nämlich Mitarbeiter an Hormayrs Archiv, dem er regelmäßig auch Autoren aus Ungarn vermittelte (z. B. Karl Georg Rumy, Ludwig Schedius). Dank ihrer Mitarbeit wurde das Archiv "zum Mittelpunkt gemeinsamer Mittheilung zwischen der deutschen, böhmischen und ungarischen Literatur Österreichs." (Nagl/Zeidler/Castle 1914, Bd. 2: 36) und zugleich eine Manifestation von Hormayrs monarchistischen Ideen.10

4.2 Mailáths Rezeption in Nadlers Literaturgeschichten

Zunächst wird Mailáths Rezeption in zwei, aus vielerlei Hinsicht spezifischen Literaturgeschichten analysiert. Beim Lesen von Josef Nadlers Literaturgeschichte des Deutschen Volkes fällt auf, dass der Autor – im Sinne des Zeitgeistes – das Deutschtum als eine mehr oder weniger homogene Bevölkerungsgruppe betrachtete, die zwischen Paris (oder sogar den Vereinigten Staaten) und den Karpaten sowie zwischen den Hansestädten und Rom eine gewisse geographische Kontinuität aufwies. Daraus folgt einerseits, dass Nadler bei der Definition seines Gegenstandes keine besondere territoriale Eingrenzung anwendet. Deshalb gilt seine Literaturgeschichte als ein Spezialfall und als eine Ausnahme innerhalb des Korpus, die aber als Vergleichsbasis zu Nadlers späterer Literaturgeschichte herangezogen werden muss. Andererseits ist die Folge des durch die NS-Propaganda geprägten Blicks von Nadler, dass er ein Interesse am sogenannten 'Auslandsdeutschtum' oder 'Volksdeutschtum' zeigt, das in den 1930ern zum Objekt politischer Instrumentalisierung wurde (Hahn 2010: 122).




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Im Übrigen plädierte Nadler auch für die Aufstellung eines ostdeutschen Forschungsinstituts, da "die nächsten [östlichen] Nachbarvölker [...] doch vom Beginn ihrer Geschichte am deutschen Nabel sogen, [ihr] Schicksal geradezu das Deutschtum ist und [s]ie so oft und so vielfach auf deutsches Schicksal einwirkten" und deshalb "die Kenntnis dieser Völker [...] mit zur deutschen Selbstkenntnis" (zit. nach Bleyer 1926: 125) gehöre.

Aufgrund dieser Überlegungen könnte man davon ausgehen, dass das Opus, das die Geschichte des deutschen Volkes in Regionen aufgeteilt behandelt, als eine – zwar kritisch zu behandelnde – Quelle zur Erforschung der 'ungarndeutschen' Literatur und somit des Oeuvres des Grafen Mailáth fungieren kann. Beim genauen Betrachten der einschlägigen Bände fällt aber auf, dass in Nadlers Werk die Behandlung von Pest-Ofen als ein literarisches und kulturelles Zentrum der deutschen Bevölkerung im Königreich Ungarn komplett fehlt und aus der Region nur diejenigen Autoren rezipiert werden, die zum sog. 'Karpatendeutschtum' gehörten. So werden jene Autoren ausgeklammert, welche die kulturelle Zirkulation zwischen den Hauptstädten der Monarchie vorantrieben.

Diese Tendenz ist in der nach dem Zweiten Weltkrieg veröffentlichten, 'entnazifizierten' Literaturgeschichte Österreichs ebenfalls zu beobachten. Nach Ranzmaier bringt dieses Nachschlagewerk Nadlers grundsätzlich keine Neuerungen: In ihm werden vielmehr bestimmte Tendenzen und Strategien zur Aufwertung der österreichischen Dichtung und Kultur ersichtlich. Statt 'stammlichen' Einflüssen konzentriert sich Nadler auf die landschaftlichen Prägungen u.a. mit der Betonung der Volkskunst. Was heißt es aber aus der Sicht der 'Regionalliteraturen' in den ehemaligen Kronländern? Als Österreichisch bezeichnet Nadler diejenigen kulturellen und literarischen Erscheinungen, die ins Bild des 'österreichischen Eigenstils' passen (Ranzmaier 2008: 441–453) und er ordnet bestimmte Autoren (z. B. den Elsässer Reinmar von Hagenau) in kryptischer Weise aufgrund ihrer kulturell-geistigen Zugehörigkeit zur österreichischen Literatur. In dieses Bild passen Mailáth wie seine Autorenkollegen (z. B. Georg Gaal und Alois Mednyánszky), die als "Mitglieder der Wiener Trias für ungarische Märchen- und Sagenforschung" (Voigt 1989: 375) eine wesentliche Periode ihrer Schaffenszeit in der österreichischen Residenzstadt verbrachten, offensichtlich nicht. Nadler stellt die bedeutendsten Vertreter der Wiener Literaturszene in der Reihe nach dar, aber es mutet in diesen kurzen Schilderungen so an, als hätte Nadler vom Bezug dieser Autoren zu Pest und zu den Pester Verlegern nichts gewusst oder wissen wollen.




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Bei Hormayr erwähnt er bloß dessen Österreichischen Plutarch und nimmt auf sein langjähriges Publikationsprojekt Archiv, in dem Autoren aus den unterschiedlichen Kronländern der Monarchie zusammenarbeiteten und in dem Mailáths Texte regelmäßig abgedruckt wurden, keine Rücksicht. Darüber hinaus ist die Tatsache verwunderlich, dass Mailáths Iris unerwähnt bleibt. Obwohl Nadler Stifters Erzählung Feldblumen aufführt, die übrigens ihren Titel von Mailáth erhielt,11 betont er statt Stifters Bezug zu Pest dessen Verbundenheit mit dem Salzkammergut. Ähnliches geschieht bei der Beschreibung des Oeuvres von Franz Grillparzer, der sein langjähriges, literarisches Schweigen nach dem Misserfolg des Lustspiels Weh dem der lügt durch die Veröffentlichung Des armen Spielmanns auf den Seiten der Iris brach. Aufgrund dieser kurzen Schilderung kann der Leser der beiden Nadler'schen Literaturgeschichten insgesamt den Eindruck gewinnen, dass Nadler die politische und soziologische Komponente der österreichischen Vormärzliteratur zu wenig beachtete. Diese Haltung führte schließlich dazu, dass der intensive kulturelle Austausch zwischen Wien und anderen Zentren der Kronländer am Vorabend der europäischen Revolutionswelle, die Zusammenarbeit von Schriftstellern, Herausgebern und Verlagshäusern aus dem Kaisertum Österreich und dem Königreich Ungarn und somit die deutschsprachige Textproduktion dieser Stätten in den Bänden Nadlers keine Erwähnung finden.

4.3 Die Positionierung Mailáths in den jüngeren österreichischen Literaturgeschichten

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist, wie es zum Teil auch Nadler erkannte, eine Umdeutung des Österreich-Begriffs für die literaturhistorische Forschung notwendig geworden. Mit seinen unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten sind alle Literaturhistoriker konfrontiert, wobei sich sehr verschiedene Zugänge zu diesem Forschungsgegenstand zeigen. Diese unterschiedlichen Annäherungsweisen beeinflussen nicht nur den Umgang mit der territorialen Komponente des Begriffs, sondern auch den Umgang mit den deutschsprachigen Literaturen der ehemaligen Kronländer. Ganz gleich, ob man von einem breiteren Österreich-Begriff ausgeht und damit die geografischen Grenzen für eine österreichische Geschichte ausdehnt, oder ob man den Begriff so eng wie möglich hält, können bestimmte Probleme nicht umgangen werden. Man hat entweder eine nicht mehr handhabbare Menge von Primärquellen oder man vernachlässigt zwangsläufig den kulturhistorischen Kontext der österreichischen Literatur und ihre Verbindung zu den benachbarten Literaturen. Wie aktuell diese Problematik ist, beleuchtet Christoph Fackelmann in seinem Plädoyer für die Definition Österreichs als eines 'symbolischen Territoriums'. Laut Fackelmann drückt sich in diesem Terminus aus,




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dass man es dabei mit einem kulturellen Bedeutungsgebilde zu tun hat, das zeitlich und räumlich nicht immer deckungsgleich mit der politischen Größe 'Österreichs' ist, das aber dennoch auch in seinen räumlich-zeitlichen Extensionen eine wirkmächtige Existenz entfaltet (z. B. hinsichtlich der deutschsprachigen Enklaven in den Kronländern [...]) (Fackelmann: XVII).

Des weiteren möchte ich untersuchen, inwieweit es Literaturhistorikern unserer Zeit gelingt, diesen von Fackelmann geschilderten goldenen Mittelweg zu finden und inwieweit sie auf deutschsprachige Literaturen des ehemaligen ungarischen Kronlandes, insbesondere aber auf die Person des Grafen Johann Mailáth zurückgreifen.

4.3.1 Die Literaturgeschichten Zemans

Wie Zeman im Vorwort des ersten Bandes seiner Österreichischen Literatur erwähnt, sollte diese Ausgabe "Bausteine zu einer moderneren österreichischen Literaturgeschichte" bieten (Zeman 1979, Bd. 1: X), in welcher "alle wesentlichen Positionen der österreichischen Literatur" (Ebd: IX) ausführlich dargestellt oder zumindest umrissen werden. Zeman strebte eigentlich keine zusammenhängende Literaturgeschichte an: Eine solche war parallel im Entstehen gewesen und wurde als einbändiges Nachschlagewerk 1996 in Graz veröffentlicht. Das vierbändige Opus fußt auf einer Reihe von zwischen 1979 und 1982 an unterschiedlichen Tagungen und Symposien vorgestellten Beiträgen internationaler Wissenschaftler.

Anhand des Vorwortes und der Inhaltsverzeichnisse wird ersichtlich, dass Zeman und seine Autorenkollegen in ihren Beiträgen das Ziel verfolgen, literaturhistorische Längs- und Querschnitte zu erstellen. Dass im Mittelpunkt des Forschungsinteresses von Zeman steht, die Besonderheiten des Standortes 'Donauraum' durch die Darstellung der kulturellen Beziehungen des Kaisertums und seiner Kronländer zu erfassen, wird während der ersten Einblicke in die einschlägigen Bände deutlich. Diese Arbeitsweise führte dazu, dass Zeman und seine Co-Autoren (wie u.a. Moritz Csáky oder Andor Tarnai) eine österreichische Literaturgeschichte schufen, die für die Erforschung der deutschsprachigen Literaturen der Nachbarländer Österreichs als geeignete Quelle herangezogen werden kann.

Dementsprechend hoch ist die Präsenz deutschschreibender Hungari in Zemans frühester Literaturgeschichte und vielfältig die Thematisierung der Bedeutung des Grafen Mailáth in den einzelnen Fallstudien. Im ersten Teil des Bandes über die Periode 1750–1830 analysiert Moritz Csáky das Dasein der ungarischen Literatur in der österreichischen Residenzstadt um 1800. Csáky hebt hervor, dass es um 1800 zahlreiche ungarische Schriftsteller gab, die ihre Texte in deutscher Sprache verfasst haben. Csáky führt dieses Phänomen, in Anlehnung an Csaplovics, darauf zurück, dass die ungarische Literatur in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts "polyglottisch" (Csaplovics 1829: 310) war und das Deutsche als vornehme Sprache über ein hohes Prestige verfügte. Als Beispiel erwähnt er neben Bessenyei und Batsányi eine Reihe "zweitrangiger" (Csáky 1979: 485)




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Schriftsteller wie Georg Gaal, Sámuel Igaz oder Ferenc Széchényi und auch den Grafen Johann Mailáth. Zweitrangig als Attribut wird des Weiteren nicht ausführlich erläutert. Csáky merkt nur an, dass sich Autoren wie Gaal, Mednyánszky oder Mailáth als ungarische Poeten wahrnahmen, auch wenn sie auf Deutsch schrieben – zu einer Zeit, als Sprache noch kein exklusives Kriterium für eine Nation war. In diesem Kontext hebt Csáky ihre Rolle als kulturelle Vermittler hervor: Mailáth war beispielsweise derjenige, der die in Wien gewonnenen Eindrücke an die in Ungarn lebenden Schriftstellerkollegen weiterleitete und der durch seine Anthologie und Märchensammlung die ungarische Literatur mit dem deutschsprachigen Publikum vertraut machte. Darüber hinaus merkt Csáky an, dass die in Wien ansässigen ungarischen Autoren "einen nicht zu unterschätzende[n] Beitrag" zur Vermittlung von ausländischen Literaturgattungen und –formen leisteten (Csáky 1979: 485).

Im nächsten Band befasst sich Csáky in einer Fallstudie über die Bedeutung deutschsprachiger Zeitschriften des Königreichs Ungarn für das österreichische Schrifttum des Vormärzes mit Mailáths literarischer Tätigkeit – diesmal mit einem größeren Fokus auf seiner Position in der österreichischen Literatur. In diesem Kontext tritt Mailáths Taschenbuch-Projekt als ein wesentliches Unternehmen hervor. Obwohl Mailáth im vorigen Aufsatz als zweitrangiger Autor dargestellt wurde, charakterisiert ihn Csáky an dieser Stelle als einen der "namhaften Hungari", der u.a. für die Zeitschrift Iris schrieb und den gleichnamigen Almanach ins Leben rief. Als Redakteur des Taschenbuchs Iris schuf Mailáth laut Csáky vor allem eine Plattform für österreichische Schriftsteller, die im Almanach "mit qualitativ hochwertigen Arbeiten vor die Öffentlichkeit traten" (Csáky 1982: 101). Zeman legte bei der Zusammenstellung seiner Literaturgeschichte einen Akzent darauf, innerhalb des rezeptions- und wirkungshistorischen Problemfeldes das Phänomen des Kulturtransfers zwischen den österreichischen, ungarischen, rumänischen und slawischen Literaturen zu behandeln. Man darf aber nicht übersehen, dass in den erwähnten Fallstudien Mailáths Oeuvre vielmehr aus der Sicht der ungarischen Germanistik und Hungarologie beleuchtet wird.

Zeman wollte in seinen späteren Literaturgeschichten den Begriff Österreich auch nicht im engsten Sinne verstehen, aber die Einschränkung des Forschungsgegenstandes ist zur Anfertigung einer einbändigen Literaturgeschichte notwendig geworden. Kohl und Robertson merken dazu an:

Zeman is not troubled about the existence or definition of his subject: for him, the distinct identity for Austrian is founden in an incontrovertible cultural truth [...]. His concern is to define the boundaries of an Austrian 'Literaturraum' (literary territory) and gather to proof of a distinctive consciousness of Austria as an entity – an 'Österreichbewusstsein' (Kohl 2006: 13).




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In seiner nächsten 1996 sowie 2014 veröffentlichten Literaturgeschichte Österreichs schränken Zeman und seine Co-Autoren, wie Dieter Breuer oder Wynfrid Kriegleder, das Korpus wesentlich ein, so dass die deutschsprachige Textproduktion der ehemaligen Kronländer beispielsweise weniger Beachtung finden. Dementsprechend würde man damit rechnen, dass die deutschschreibenden Hungari durch die Reduktion des Korpus weniger Platz in der einbändigen Literaturgeschichte Zemans erhalten. Diese Prämisse kann aber nur zum Teil nachgewiesen werden: Zeman und sein Herausgeberteam bleiben der Vorstellung treu, die österreichische Literatur in Anlehnung an Sauer im Kontext der anderssprachigen literarischen Produktion der Monarchie darzustellen. Zeman formuliert dazu:

Das politische Neben-, Mit- und Gegeneinander, der gemeinsame historische Weg, ferner landschaftlich-heimatliche, wirtschaftliche und sprachliche Gemeinsamkeiten oder Divergenzen des Vielvölkerstaates schaffen ein faszinierendes literarisches Klima, das zur inhaltlichen, ideellen und ästhetischen Weite der österreichischen Dichtung des 19. Jahrhunderts beiträgt! (Zeman 2014: 407).

Mailáth wird in diesem Kontext als eine Persönlichkeit geehrt, die durch seine transnationalen literarischen Projekte, wie das Taschenbuch Iris, bewusst die ungarische und österreichische Kultur verband. Der Almanach Mailáths, der Grillparzer und Stifter ihre äußerste Anerkennung brachte, bot laut Zeman unter Mitwirkung bedeutender Verfasser aus weiten Ländern der Monarchie "einen guten Querschnitt durch die literarischen Aktualitäten dieser Jahre." (Zeman 2014: 453) Man muss unbedingt hervorheben, dass Mailáth auch als Dichter wahrgenommen wird, und Zeman thematisiert dessen Beitrag (Österreich's Lerchen) zur Anthologie Das Museum aus den deutschen Dichtungen österreichischer Lyriker und Epiker der frühesten bis zur neuesten Zeit (1854) von Salomon Hermann Mosenthal (1821–1877), in dem Texte unter anderem von Therese von Artner (1772–1829), Karl Isidor Beck, Ladilaus Pyrker (1772–1847) und Moritz Gottlieb Saphir erschienen.

4.3.2 Kriegleders kurze Literaturgeschichte

Die Reduktion des Stoffes ist in der Literaturgeschichte Kriegleders noch besser zu beobachten: Er strebt mit seiner Literaturgeschichte an, eine Orientierungshilfe für am Fach 'österreichische Literatur' Interessierte zu bieten (Kriegleder 2011a: 7). Dementsprechend ist sein Fokus enger als der seiner Vorgänger.




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Er will seine Untersuchungen auf das Gebiet des heutigen Österreichs einschränken und thematisiert nur diejenigen Autoren, die längere Zeit auf diesem Gebiet tätig oder in seinem Literaturleben involviert waren (Kriegleder 2011a: 13). Durch dieses Kriterium werden auch jene Autoren ins Boot geholt, die ansonsten ausgeklammert worden wären. Denn, wie Jörg Krappmann formuliert: "Wie schreibt man über die Wiener Moderne ohne Karl Kraus (geb. in Jičín) und Sigmund Freud (geb. in Příbor)?" (Krappmann 2014: 2)

Kriegleder erkennt aber nicht nur die Rolle Freuds oder Kafkas für die Wiener Moderne, sondern auch die Bedeutung des Kulturzentrums Pest-Ofen für die literarische Produktion Wiens in der Ära Metternich. Nach dem Josephinischen Jahrzehnt waren die institutionellen Bedingungen für die österreichische Biedermeier- und Vormärzliteratur infolge der Repressionsmaßnahmen Metternichs ausgesprochen ungünstig. Obwohl zahlreiche Taschenbücher und Zeitschriften in Wien verlegt wurden, nutzten die Autoren vor allem ab 1827 die Gelegenheit, ihre Schriften in Presseartikeln der Kronländer zu veröffentlichen (Kriegleder 2011a: 190–192). In Pest-Ofen existierte eine vielfältige und multilinguale Presselandschaft, die von der Zensur in geringerem Maß beeinträchtigt wurde. Die deutschsprachigen Zeitschriften und Almanache wie der Spiegel. Zeitschrift für Literatur, Kunst, Eleganz und Mode (1828-1852), die Iris. Zeitschrift für Wissen, Kunst und Leben (Pest 1825–1828) und Der Ungar. Zeitschriftliches Organ für ungarische Interessen, Kunst, Eleganz, Literatur und Mode (Pest, 1842-1848) werden von Kriegleder als Beispiele der transkulturellen und transnationalen Zusammenarbeit (Rózsa 2015: 7–8) erwähnt. In diesem Kontext hebt er die Tätigkeit von Gustav Heckenast (als Verleger der Periodika Pannonia, Iris und Spiegel) hervor und spricht die Leistung des Grafen Mailáth als Herausgeber des Taschenbuchs Iris (Pest, 1840–1848) an, das unter der Mitarbeit von Franz Grillparzer, Joseph von Hammer-Purgstall, Betty Paoli oder Adalbert Stifter "zum wichtigsten Publikationsforum der österreichischen Literatur" wurde (Kriegleder 2011a: 191).

Obwohl Kriegleder Mailáth nur an einer einzigen Stelle erwähnt, deutet er seine Rolle für die österreichische Literatur und seine zentrale Position als Vermittler zwischen zwei Kulturen und Nationen durch das Iris-Taschenbuch an. Dass Mailáths Beitrag zum Kulturtransfer zwischen Wien und Pest-Ofen in die kurze Literaturgeschichte Kriegleders Eingang findet, lässt sich meiner Ansicht nach auf Folgendes – vor allem im Vergleich mit der ebenfalls kurz gefassten Nadler'schen Literaturgeschichte – zurückführen:




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Für Kriegleder ist es essentiell, in seiner 'Orientierungshilfe' das historische und soziale Umfeld der einzelnen Epochen zu umreißen. Er begnügt sich offensichtlich nicht damit, die literarischen Strömungen zu schildern. In diesem Kontext betont Kriegleder die Rolle der literarischen Zentren der Kronländer, insbesondere Pest-Ofens und des Heckenast-Verlags: Sie verwirklichten eine kulturelle Zirkulation innerhalb der Zentren der Monarchie, was für die österreichische Literatur äußerst befruchtend war.

4.3.3 Zeyringers und Gollners Literaturgeschichte

Die 2012 veröffentlichte Literaturgeschichte von Zeyringer und Gollner weckt im Leser aufgrund der einführenden, methodologischen Anmerkungen der Autoren den Eindruck, dass sie das richtige Maß getroffen und einen goldenen Mittelweg in der oft durch 'Extreme' geprägten Literaturgeschichtsschreibung Österreichs gefunden hat. Wie es im Vorwort angekündigt wird, gehen die Autoren des umfangreichen Bandes von keinem "staatspolitischen Kalkül der Gegenwart" (Krappmann 2014: 2) aus, sondern verstehen Österreich in seinem jeweiligen historischen, sozialen und kulturellen Kontext (Zeyringer 2012: 13).

Die Richtigkeit dieser Aussage kann bereits nach der ersten, oberflächlichen Sichtung des Bandes widerlegt werden. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch Jörg Krappmann, der hinsichtlich der Thematisierung der deutsch-böhmischen und deutsch-mährischen Literatur feststellt, dass Zeyringer und Gollner ihren im einleitenden Kapitel formulierten Zielsetzungen nur zum Teil gerecht werden und sie sich letztendlich ebenfalls nach einem Kernösterreich ausrichten (Krappmann 2014: 3).

Bezüglich der Präsenz der deutschschreibenden Hungari im Werk Zeyringers und Gollners kann man in Anlehnung an Krappmann Folgendes feststellen: Obwohl die Autoren die historischen, politischen und sozialen Entstehungskontexte des Biedermeiers und des Vormärzes (Polizeistaat, Zensur etc.) einleitend zum Kapitel mit dem vielsagenden Titel "1815–1848/50: Vorwärts in die Vergangenheit, retour in die Innerlichkeit und zurück in die politische Aktualität" thematisieren, wurde die Rolle der Städte Pest und Ofen kaum behandelt. Auch wenn diese Städte, deren Anteil an deutschsprachigen Einwohnern in der Mitte des 19. Jahrhunderts bei mehr als 40% (Pest) und 70% (Ofen) lag, durch Verlagsgründungen (auch dank Gustav Heckenast) zu 'Außenstellen' der österreichischen Literatur avancierten.




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Zeyringer und Gollner sprechen zwar an, dass es außer Wien auch andere Städte gab, in denen deutschsprachige Presseartikel erschienen sind, und in denen renommierte Schriftsteller Österreichs ihre Werke publizierten, aber die Initiatoren dieser Blätter bleiben unerwähnt. Offensichtlich legen die Autoren ihren Akzent darauf, die 'Kulturmission' der österreichischen Autoren in den Kronländern sichtbar zu machen. Dabei verzichten sie darauf, die deutschsprachige literarische Tradition (die zu einem wesentlichen Teil von Wien geprägt war)12 anzusprechen (Zeyringer/Gollner 2012: 135–136).

Für die Schilderung dieser Vorgänge wäre neben Heckenast, dessen Name im Kontext der literarischen Tätigkeit Roseggers und Stifters auftaucht, auch Mailáth eine geeignete Person gewesen. Insbesondere deswegen, weil er durch seine herausgeberische Tätigkeit Schriftstellerstars der Epoche eine Publikationsmöglichkeit bieten konnte. Da manche Iris-Autoren dank der Zusammenarbeit mit Mailáth und Heckenast wieder vor die Öffentlichkeit traten (Grillparzer), Ruhm erwarben (Stifter) oder ihre Finanzen in Ordnung brachten (Paoli), sollte meiner Ansicht nach die Tätigkeit des Grafen mehr Aufmerksamkeit erhalten. Zugleich muss man anmerken, dass Mailáth einmal doch erwähnt wird: Sein Name taucht nämlich bei Grillparzer auf, aber nicht in dem Zusammenhang, den man vermuten würde (z. B. als Herausgeber von Grillparzers Der arme Spielmann). Mailáth wird als ein Autor thematisiert, der zum Kreis Grillparzers gehörte und "ihn für die Polizeihofstelle ausspionierte" (Zeyringer/Gollner 2012: 141). Diese Aussage wird dann nicht weiter erläutert und weiterführende Literatur zum Thema wird auch nicht angegeben. Die Fragen, wie es dazu kam, dass Mailáth für die Polizeihofstelle über Grillparzer, seinen späteren Mitarbeiter, Berichte schrieb bzw. ob und wie diese Tatsache ihr späteres Zusammenarbeiten beeinflusste, bleiben in der Literaturgeschichte Zeyringers und Gollners unbeantwortet. Aus anderen Nachschlagewerken geht hervor, dass Mailáth als treuer Anhänger des Wiener Hofes 1832 von Metternich als möglicher Mitarbeiter empfohlen wurde und dass er zwischen 1839 und 1846 der Polizeihofstelle regelmäßig Berichte lieferte (vgl. mit Ratzki 2004: 117, Kolos 1939: 82).




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5 Fazit

Aufgrund der obigen Ausführung kann man die folgenden Schlussfolgerungen, bezüglich der österreichischen Literaturgeschichten im Allgemeinen und bezüglich der Position Mailáths in diesen Nachschlagewerken im Speziellen, ziehen.

Was die Bestimmung der territorialen Dimension des Gegenstandes literaturhistorischer Nachschlagewerke angeht, muss sich der Leser mit unterschiedlichen Annäherungsweisen an Begriffe wie 'Österreich' oder 'österreichische Literatur' auseinandersetzen. Manche Herausgeber, wie Nagl/Zeidler/Castle verstanden diese Begriffe im weitesten Sinne und verfolgten den Ansatz, die deutschsprachige Textproduktion in der gesamten Habsburgermonarchie darzustellen. Sie haben von August Sauer wesentliche Impulse erhalten, der für eine landschaftlich gegliederte Literaturgeschichte plädierte (Sauer 1907: 36). Dieser Auffassung versuchte auch Josef Nadler in seiner Literaturgeschichte der deutschen Stämme und Landschaften sowie in der Literaturgeschichte des deutschen Volkes umzusetzen. In seinem erfolgreichen, in vier Auflagen herausgegebenen Nachschlagewerk stellt er die regionalen Literaturen als Teile der literarischen Produktion einer homogenen ethnischen Gruppe dar. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Literaturhistoriker gezwungen, den Stoff seiner Literaturgeschichte neu zu gestalten, zu entnazifizieren. Als Ergebnis veröffentlichte Nadler parallel zur schweizerischen Literaturgeschichte eine einbändige Literaturgeschichte Österreichs – eine regionenbezogene Präsentation der österreichischen Literatur in Sauer'scher Auffassung, die trotz gewisser Änderungen eine Kontinuität zur Literaturgeschichte des deutschen Volkes aufweist (Pöckl 2016: 267).

Der Österreich-Begriff wurde von Zeman breiter angelegt: Er zeigt in den beiden von ihm redigierten Literaturgeschichten großes Interesse an den Kronländern der ehemaligen Monarchie und an Österreichs "stets erneuertem, uraltem Bewusstsein des eigenen Traditionszusammenhangs" und an seiner "Koexistenz mit dem gesamten deutschsprachigen Kulturraum" (Zeman 2014: o.S). Ein gemeinsamer Charakterzug der in den letzten Jahrzehnten verlegten Literaturgeschichten ist, dass sie auf diesen Traditionszusammenhang, auf der "soziokulturell belegbare Eigenart unserer Literatur" (Zeyringer/Gollner 2012: 13) beharren. Sie gehen von einem gemeinsamen Kultur- und Kommunikationsraum aus, in dem die Autoren aus unterschiedlichen Ländern des ehemaligen Kaiserstaates zusammenwirkten (Becher 2017: 13).




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Die Annäherung an den Begriff Österreich bestimmt grundlegend die Auseinandersetzung mit der deutschen Textproduktion außerhalb der heutigen österreichischen Staatsgrenzen. Auch wenn manche Herausgeber, wie etwa Kriegleder, von einem 'finalen Österreich' ausgehen, ist die Behandlung bestimmter Autoren, wie etwa Kafka, Rilke oder Beck, Lenau, Mailáth oder Pyrkeer, unumgänglich. Die einleitend formulierte Prämisse, je finaler der territoriale Bezugspunkt von den einzelnen Literaturhistorikern ist, desto weniger wird von ihnen die deutschsprachige Literaturszene der ehemaligen Kronländer behandelt, konnte also nur zum Teil belegt werden. Es steht allerdings fest, dass der Literaturgeschichte von Nagl und Zeidler ergänzt durch Castle die konsequente Berücksichtigung von ethnischen Gruppen und Regionen zugrunde lag (Becher 2017: 9), wodurch dieses Nachschlagewerk laut Germanisten aus den Nachfolgestaaten der Monarchie als "eine der wichtigsten Quellen" (Mádl 1982: 308), eine "Anlaufstelle" (Michler 2007: 24) und "ein wesentlicher Ausgangspunkt für die Bearbeitung der Geschichte der Literaturen in der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie" angesehen werden kann (Rinner 1992: 19). Diese Aussage gilt insbesondere für den Grafen Johann Mailáth, der aufgrund seiner vielfältigen Tätigkeit nicht nur im einschlägigen Ungarn-Kapitel Erwähnung fand. Als Quelle für die Erforschung der deutschsprachigen Literatur Ungarns empfiehlt sich auch Zemans Werk Die Österreichische Literatur, in dem die bedeutendsten Epochen des konstruktiven Mitwirkens österreichischer und ungarischer Poeten von einem internationalen Autorenstab thematisiert werden.

Die Annahme, dass der breite Umfang und Fokus zugleich eine intensivere Beschäftigung mit der deutschsprachigen Literatur der Kronländer bedeutet, scheiterte jedoch einerseits bei der Analyse der vierbändigen Literaturgeschichte Nadlers, andererseits bei der Auseinandersetzung mit Kriegleders kurzer Literaturgeschichte eindeutig. Obwohl laut Pukánszky die ungarische Germanistik das Werk Nadlers wegen der Behandlung der "Literatur der Karpathendeutschen im Rahmen des gesamtdeutschen Schrifttums" "mit dankbarer Anerkennung" (Pukánszky 1928: 385) begrüßte, war Nadlers Blick auf die literarische Produktion der 'Außendeutschen' ziemlich eingeschränkt. Demgegenüber ging Kriegleder mit dem Stoff seiner Literaturgeschichte aus der Sicht der vorliegenden Studie so um, dass er wesentliche literarische Vorgänge und Phänomene außerhalb des heutigen Österreichs miteinbeziehen konnte.




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Woran liegt dieses Ergebnis und was heißt es für die Mailáth-Forschung? Erstens kann man festhalten, dass die literarische Tätigkeit Mailáths von der österreichischen Literaturgeschichtsschreibung wahrgenommen und er als ein Mitgestalter der Wiener Literaturszene dargestellt wurde. Zweitens muss man anmerken, dass seine Tätigkeit ausschließlich aus einem einzigen Blickwinkel thematisiert wurde: Mailáth als Redakteur des Taschenbuchs Iris, eines wesentlichen Publikationsforums für österreichische Schriftsteller in den 1840er Jahren. Sein Schaffen als Geschichtsschreiber oder Dichter wurde in den von mir analysierten Nachschlagewerken meistens außer Acht gelassen, obwohl er durch seine lyrischen Texte und historischen Abhandlungen die Idee der Gesamtstaatlichkeit im Sinne Hormayrs verbreiten wollte und dadurch zum oft angesprochenen Kulturtransfer zwischen Wien und Pest-Ofen beitrug.

Natürlich wären die Ansprüche der Auslandsgermanistik gegenüber der österreichischen Literaturgeschichte zu hoch, wenn man erwartete, die deutschsprachige, oft durch Wien geprägte Literatur der Kronländer ausgiebig thematisiert zu finden. Man sollte vielmehr die Frage stellen, warum in unserem Fall Mailáth von der österreichischen Germanistik bloß aus einer einseitigen Perspektive behandelt wurde.13 Mailáth hatte eine Position des 'mehrfachen Dazwischens' inne, die er selber nicht immer zu nutzen wusste und die ihn in ein Vakuum zwischen zwei 'großen Literaturen' drängte. Er positionierte sich zwischen die Literatur und die Historiografie, zwischen die Deutsch- und Ungarischsprachigkeit, zwischen Wien und Pest-Ofen und zwischen die Produktion und Redaktion literarischer Texte. Wenn man sein Oeuvre und dessen Darstellung in den österreichischen Literaturgeschichten betrachtet, fällt auf, dass sein nachhaltig erfolgreiches Projekt das Taschenbuch Iris war. Durch dieses transkulturelle und -nationale Publikationsorgan konnte er zwar die Aufmerksamkeit der österreichischen Literatur auf sich lenken, aber es gelang ihm nicht, sich als Literat im In- und Ausland sichtbar zu machen. In diesem Zusammenhang stellt es eine weitere Aufgabe dar, Mailáths Platz in den ungarischen Literaturgeschichten zu analysieren.


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Váczy, János (Hg.) (1904–1911): Kazinczy Ferenc összes művei. Harmadik osztály. Levelezés [Sämtliche Werke von Ferenc Kazinczy. Dritte Abteilung. Briefwechsel]. Band 14–21. Budapest: MTA.

Vocelka, Karl (2000): Geschichte Österreichs. Kultur – Gesellschaft –Politik. Graz [et.al.]: Styria.

Voigt, Vilmos (1989): "A magyar mese- és mondakutatás bécsi triásza" [Wiener Trias des ungarischen Märchen- und Sagenforschung], in: József Jankovics / Judit Nyerges / Wolfram Seidler (Hg.): A magyar nyelv és kultúra a Duna völgyében [Ungarische Sprache und Kultur im Donauraum]. Bd. 1. Budapest / Wien: Nemzetközi Magyar Filológiai Társaság, 375–379.

Weinberg, Manfred (2012): "Region, Heimat, Provinz und Literatur(Wissenschaft)", in: Sabine Voda-Eschgfäller / Milan Hornaček: Regionalforschung zur Literatur der Moderne, Olomouc: Univ. Palackého, Filozofická Fakulta, 41–57.

Welsch, Wolfgang (2000): "Transkulturalität. Zwischen Globalisierung und Partikalisierung", in: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 26, 321–351.

Zeman, Herbert (Hg.)(1979–1989): Die österreichische Literatur. Eine Dokumentation ihrer literarhistorischen Entwicklung. 4 Bde. Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt.

Zeman, Herbert (1993): "Die österreichische Literatur. Eigenart literaturhistorischer Entfaltung und mitteleuropäisch-donauländischer Standort", in: Zagreber Germanistische Beiträge 2, 1–36.

Zeman, Herbert (1996): Literaturgeschichte Österreichs: von den Anfängen im Mittelalter bis zur Gegenwart. Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt.

Zeman, Herbert (1999a): Geschichte der Literatur in Österreich von den Anfängen bis zur Gegenwart. Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt.

Zeman, Herbert (1999b): "Die Literatur Österreichs. Eigenart literaturhistorischer Entfaltung und mitteleuropäisch-donauländischer Standort", in: Ders. (Hg.), Geschichte der Literatur in Österreich von den Anfängen bis zur Gegenwart, Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt Bd. 4, 639–687.




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Zeman, Herbert (Hg.) (2014): Literaturgeschichte Österreichs: Von den Anfängen im Mittelalter bis zur Gegenwart. Freiburg i. Br. [et. al.]: Rombach.

Zeyringer, Klaus / Gollner, Helmut (2012): Eine Literaturgeschichte: Österreich seit 1650. Innsbruck [et. al.]: Studien-Verlag.


Anmerkungen

1 Zu diesen Termini siehe u.a. Mecklenburg 1982, Weinberg 2012, Ritter 1985, Esselbronn 2004, Deleuze/Guattari 1976, sowie Welsch 2000.

2 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht.

3 Zur Problematik des Begriffs Nationalliteratur siehe u.a. Zeman 1999b, sowie Harth 2000.

4 Die Begriffe 'Ungarndeutsch' und 'ungarndeutsche' Literatur sind Produkte des 20. Jahrhunderts. Sie werden hiermit im weitesten Sinne verwendet und auf die deutschsprachige Textproduktion des ehemaligen Königreichs Ungarn bezogen. Weiterführende Literatur zum Thema u.a. Aschauer 1992, sowie Seewann 2000.

5 Zum Begriff Kulturtransfer siehe u.a. Lüsebrink 2008.

6 Die genaue Anzahl (113 Autoren) wurde während einer Datenerhebung auf Grundlage der Literaturgeschichten von Béla Pukánszky (2002) und Karl Kurt Klein (Klein 1939) erfasst.

7 Mit der Entdeckung der historischen und sprachlichen Tradition und Gemeinsamkeiten der Staatsvölker wollte Hormayr das Zusammengehörigkeitsgefühl dieser Nationen prägen. Er richtete das Augenmerk auf die Vergangenheit des Habsburgerreichs, womit er zugleich den Österreich-Patriotismus seiner Landsleute stärken wollte. Vgl. mit Nadler 1938, Bd. 3: 532–533, Kolos 1939: 29, sowie Zeyringer/Gollner 2012: 91.

8 Siehe dazu z. B. Mailáths historische Abhandlungen über Isabella Zápolya und Helena Zrínyi in den einzelnen Ausgaben der Iris, des von ihm redigierten Taschenbuches. Vgl. mit Kolos 1939: 33.

9 Herbert Zeman ist Herausgeber unterschiedlicher literaturhistorischer Werke zur österreichischen Literatur. Neben der vierbändigen (in sieben Teile aufgeteilten) Literaturgeschichte (Die Österreichische Literatur. Eine Dokumentation ihrer Literaturhistorischen Entwicklung, Graz 1979–1989) begann er eine siebenbändig geplante Geschichte der Literatur in Österreich (Bände 1, 2/1, 2/2, 7 Graz, 1994–2004) herauszugeben: "Nach der wissenschaftlichen Vermessung des literarischen Terrains durch das vier- bzw. siebenbändige Werk Die österreichische Literatur – eine Dokumentation ihrer literaturhistorischen Entwicklung (Graz, Akademische Druck- und Verlagsanstalt, 1979–1989) folgt nun eine zusammenhängende literarische Darstellung." Vgl. Zeman 1999a: 5. Darüber hinaus ist er Herausgeber und Autor einer einbändigen österreichischen Literaturgeschichte (Zeman 1996).




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10 Mit der Entdeckung der historischen und sprachlichen Tradition und der Gemeinsamkeiten der Staatsvölker wollte Hormayr das Zusammengehörigkeitsgefühl dieser Nationen prägen. Er richtete das Augenmerk auf die Vergangenheit des Habsburgerreichs, um damit den Österreich-Patriotismus seiner Landsleute zu stärken. Vgl. mit Nadler 1938, Bd. 3: 532–533, Kolos 1939: 29, sowie Zeyringer/Gollner 2012: 91.

11 1841 wurde er von Mailáth angefragt, einen Beitrag für die Iris abzugeben, da er einen bereits eingeplanten, längeren Artikel (vermutlich wegen der Zensur, Titel und Autor sind unbekannt) nicht veröffentlichen durfte. Die Feldblumen befanden sich zur Zeit der Anfrage in einem halbfertigen, mosaikartigen Zustand, wurden aber wegen der erneuten Bitte des Grafen trotzdem eingereicht. Vgl. dazu Kolos 1939: 109.

12 Die Prägung Wiens für das Geistesleben Ungarns ist vor allem um 1800 unübersehbar. Eine große Zahl ungarischer literarischer Werke wurde in Wien gedruckt und bedeutende ungarische Zeitschriften (z. B. Bétsi Magyar Kurír) sind ebenfalls in Wien erschienen. Diese Prägung verstärkte sich in der Vormärz-Epoche, als Ofen und Pest neben den böhmischen Städten zu einem Umschlagsort für österreichische Schriftsteller geworden sind. Vgl. mit Csáky 1979: 484–485, sowie Csáky 1982: 92.

13 Im Zusammenhang mit der Kanonisierung und Rekanonisierung von 'Regionalliteraturen' (oder 'Literaturen außerhalb der Zentren') merkt Ingeborg Fiala Fürst an: Sie könnten sich schwer durchsetzen, "denn regionale Literatur wird erst dann als ebenbürtig und hochrangig beachtet, wenn sie zur Literatur des Zentrums wird, ob das Zentrum nun Prag, Wien oder Berlin heißt." Diese Aussage führt zur Überlegung, was man unter 'Zentrum' und 'Peripherie' versteht und ob – beim konkreten Fallbeispiel bleibend – Pest-Ofen im Vergleich zu Wien als ein Zentrum der deutschsprachigen Literatur betrachtet werden kann. Vgl. mit Fialová 2008: 43–51, sowie Csáky 2010.