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Eva Varga (Tübingen)



Was ist V2? Ein Beitrag zur Fachterminologie der Sprachwissenschaft



What is V2? A Contribution to the Terminology of Linguistics
This article investigates the terminological use in Romance (Germanic, Anglistic, and Scandinavistic) linguistics with regard to the so called V2 issue. It shows the rich extension of the corresponding vocabulary within the different languages and in the meantime demonstrates the poverty of reflexion concerning its systematic development. This lack of conceptualization has finally led the originally intended meaning of the V2 terminology ad absurdum. The article presents the original V2 terms, classifies and localizes them within fundamental considerations to scientific terminology. By means of a detailed report of the historical development of the V2 terminology the discussion demonstrates its successive reinterpretation since the end of the 19th century. Originally created in order to describe a linear order of functional sentence constituents (subjects, predicates, objects) and its exclusivity in the grammar of given languages, its purpose of use has gradually turned to quite the contrary: nowadays the discussed terms refer mostly to syntactic flexible languages and grammars and no longer to the exclusivity of a certain linear sequence. They rather serve to designate a highly abstract syntactic mecanism – invented as an entirely scientific model –, losing thereby their original function. This leads me to plead for the reconstitution of the original terminology: The V2 vocabulary should be used in its proper, initially intended meaning in order to have enough scientific benefit.


1 Einleitung

Die Diskussion über den sogenannten V2-Status verschiedener moderner und alter germanischer sowie verschiedener altromanischer Sprachen (insbesondere des Altfranzösischen) wird bereits seit Jahrzehnten geführt, und das Ausmaß der daraus hervorgegangenen verschiedenen Forschungsbeiträge ist beachtlich. Eine kritische Reflexion über die im Rahmen der V2-Diskussion verwendete Terminologie kam allerdings nicht zustande.1 Heute ist die Terminologie deshalb undurchsichtig, ja sogar irreführend.



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Der vorliegende Artikel setzt sich mit den in der Romanistik, Germanistik, Anglistik und Skandinavistik verwendeten Begriffen Verb-Zweit-Stellung bzw. verb second order und den sich hiervon ableitenden Kurzformen verb second (Verb-Zwei) und V2 auseinander.2 Diese verkürzten Formen werden häufig ohne weitere Wortbestandteile benutzt. Das Teilakronym V2 ist heute sogar die geläufige Form in der Forschungsdiskussion und soll auch in diesem Artikel verwendet werden. Alle Kurzformen haben entweder den Zweck, Stellvertreter für die Begriffe Verb-Zweit-Stellung bzw. verb second order zu sein, oder sie dienen dazu, durch tatsächlich vorhandene oder nur gedanklich vorgestellte Ergänzungen, das Substitut für weitere Komposita, wie Verb-Zweit-Satz, Verb-Zweit-Syntax, Verb-Zweit-Sprache etc. zu sein. Es handelt sich bei den Kurzformen also um Begriffe, die unterschiedliche, jedoch miteinander verbundene Sachverhalte beschreiben können:

a) einen Satztyp, in dem das finite Verb an zweiter Stelle steht,
b) ein spezifisches syntaktisches System, das nur diesen Satztyp erlaubt,
c) eine Sprache mit genau diesem syntaktischen System.3

Mit Blick auf die vergangenen Jahrzehnte ist zu beobachten, dass die V2-Terminologie eine theoretische und inhaltliche Ausweitung und Umdeutung erfuhr, indem sie an neue Konzepte gekoppelt wurde. Dabei verlor sie teilweise ihre ursprüngliche Bedeutung (siehe Abschnitt 4).4 Da ich annehme, dass die Grundfunktion eines Fachbegriffs (wie auch jedes anderen Begriffs), die des Referierens ist, und sich diese Funktion immer – zumindest teilweise – aus der Bedeutung des sprachlichen Zeichens ergibt, stellt sich die Frage, ob sich der Bedeutungswandel des V2-Fachvokabulars auch auf dessen Funktion auswirkte. Ich möchte deshalb im Folgenden untersuchen, ob erstens ein Verlust derjenigen Funktionen festzustellen ist, die den Begriffen ursprünglich von Sprachwissenschaftlern zugedacht wurden, und ob zweitens ihre aktuellen Bedeutungen und Funktionen überhaupt noch gewinnbringend für die syntaktisch arbeitende Sprachwissenschaft sein können.



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Zunächst wird es um eine präzise Definition und Abgrenzung der Begriffe Verb-Zweit- bzw. V2-Stellung, V2-Satz/-Struktur/-Effekt, V2-Phänomen, V2-Syntax/-System/-Grammatik und V2-Sprache/-Typ gehen (Abschnitt 2), an die sich allgemeine Erläuterungen zu linguistischen Termini, zu ihrer Bildung, ihrem Gebrauch und ihrer Funktion anschließen (Abschnitt 3). Diese Erläuterungen dienen der theoretischen Verortung der hier untersuchten Begriffe. Es soll überprüft werden, mit welchen Begriffstypen wir es im vorliegenden Fall in Bezug an ihrem Abstraktionsgrad, ihrer Transparenz und ihrer Funktion zu tun haben. Das Zentrum des Artikels bildet eine Darstellung der Geschichte der genannten Termini: In ihr geht es um die sich wandelnde Verwendung der Begriffe in der Sprachwissenschaft; Form-, Bedeutungs- und Funktionsveränderungen werden in einzelnen Etappen vorgestellt und reflektiert (Abschnitt 4). Der Artikel wird mit einer kritischen Diskussion zu diesen Veränderungen abschließen, indem nach dem Nutzen dieser Veränderungen für die aktuelle Syntaxforschung gefragt und für einen adäquateren Umgang mit den bestehenden Termini plädiert wird (Abschnitt 5).


2 Abgrenzung der Terminologie

Ausgehend von der Diversität der Phänomene, die heute unter dem V2-Etikett zusammengefasst werden, muss es im Folgenden darum gehen, diese Phänomene zunächst voneinander zu unterscheiden und sie ihrer – nicht immer transparent verwendeten – spezifischen Bedeutung zuzuordnen. Hierfür ist es notwendig, verschiedene Untersuchungsebenen zu betrachten:



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a) die deskriptive Ebene, die die Beschreibung der linearen Satzstruktur umfasst,
b) die analytische Ebene, die das syntaktische System und damit einen Teil der Grammatik und des Sprachsystems zu erklären versucht,
c) die klassifizierende Ebene, die den typologischen Sprachtypus bestimmt.

Beginnen wir mit der Beschreibung des Satzes. Der deskriptiven Ebene sind die Begriffe Verb-Zweit-Stellung (verb second order) und die Kurzformen verb second (Verb-Zweit) bzw. V2 zuzuordnen, denn es geht um die Beschreibung der linearen Satzgliedabfolge und um die Position des finiten Verbs innerhalb dieser Abfolge.5 Des Weiteren sind die Termini V2-Struktur bzw. V2-Satz relevant. Diese stehen für eine spezifische lineare Satzgliedstruktur bzw. einen Aussagesatz mit dieser Struktur.6 In diesem Satz muss das konjugierte Element (Verb, Hilfsverb, Kopula) an zweiter Stelle in der linearen Abfolge der Satzglieder auftreten. Diese Beschränkung ist rein syntaktischer Natur und unabhängig davon, welcher Art das erste Element im Satz ist. Hierbei kann es sich um Nominalphrasen handeln (in der Funktion des syntaktischen Subjekts oder Objekts), um Adverbialphrasen (Adverbien und Adverbiale), Adjektivalphrasen (prädikative Adjektive), Präpositionalphrasen (Präpositionalobjekte), Partizipialkonstruktionen (Partizip Präsens und Partizip Perfekt), um einleitende Nebensätze oder Infinitive. Je nach dem, welches Satzglied die erste Position einnimmt, kann eine Markierung (Emphase, Kontrast, etc.) erzielt werden. Als unmarkierter Fall gilt die Abfolge Subjekt-Verb-Objekt/AP/... (SVX). Eine weitere Beschränkung des V2-Satzes besteht darin, dass Subjekt-Verb-Inversion auftreten muss, sobald das Subjekt nicht satzinitial steht; die Inversion verhindert die Bildung eines Satzes, dessen konjugiertes Element nicht mehr die zweite, sondern die dritte Position einnehmen würde (V3). Unter einem V2-Satz ist also ein Satztyp mit einer ganz bestimmten restriktiven Satzgliedanordnung zu verstehen. Er gilt als typisch für viele germanische Sprachen, insbesondere für das Deutsche. Die folgenden deutschen Beispielsätze veranschaulichen, wie starr die Besetzung der zweiten Satzposition durch das konjugierte Element ist (kursiv markiert) und wie flexibel sämtliche anderen Satzglieder in der Position davor auftreten können.7



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(1)a.Subjekt-Verb-Objekt-X:Anna löst diese Aufgabe ohne Mühe.
b.Objekt-Verb-Subjekt-X:Den grünen Bus fährt Anna am liebsten.
c.Präpos.objekt-Verb-Subjekt-X:Auf das Pony stieg die kleine Anna sehr vorsichtig.
d.Adverbiale-Verb-Subjekt-X:Im Kindergarten streitet Anna nie.
e.Adverb-Verb-Subjekt:Gestern heiratete Anna.
f.Nebensatz-Verb-Subjekt-X:Als Anna ins Zimmer kam, erwartete sie eine Überraschung.
g.Adjektiv-Verb-Subjekt-X:Dumm sind Annas Schüler nicht.
h.Partizip Perfekt-Verb-Subjekt-X:Geschlafen hatte Anna den ganzen Nachmittag über.
i.Partizip Präsens-Verb-Subjekt-X:Singend ging Anna durch den Wald.
j.Infinitiv-Verb-Subjekt-X:Trinken wollte Anna nicht mehr.

Allerdings ist der V2-Satz nach der bisher getroffenen Definition nicht auf germanische Sprachen beschränkt. Seine Repräsentativität für die altromanischen Sprachen (Altspanisch, Altitalienisch aber auch Altfranzösisch) ist zwar umstritten, doch ist er dort auf jeden Fall in Texten belegt (vgl. Varga 2017: 90–106). Auch in den modernen romanischen Sprachen (Spanisch, Italienisch, u.a.) und selbst in nicht-romanischen Sprachen, wie dem Ungarischen (u.a.), tritt der V2-Satz nach der bisher getroffenen Definition auf, wie die folgenden Beispiele zeigen:



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Modernes Spanisch:
(2)a.(Übersetzung von 1a)Ana resuelve este ejercicio sin esfuerzo.
b.(Übersetzung von 1c)Al poni subió la pequeña Ana con mucho cuidado.
c.(Übersetzung von 1e)Ayer se casó Ana.
d.(Übersetzung von 1g)Estúpidos no son los alumnos de Ana.
e.(Übersetzung von 1i)Cantando caminaba Ana por el bosque.

Modernes Italienisch:
(3)a.(Übersetzung von 1a)Anna risolve questo esercizio senza sforzo.
b.(Übersetzung von 1c)Sul pony montò la piccola Anna con molta precauzione.
c.(Übersetzung von 1e)Ieri si è sposata Anna.

Ungarisch:
(4)a.(Übersetzung von 1a)Anna megoldya ezt a feladatot gond nélkül.
b.(Übersetzung von 1b)A zöld buszt vezeti Anna a legszivesebben.
c. (Übersetzung von 1c)A ponyra felült a kis Anna nagyan ovatosan.
d.(Übersetzung von 1e)Tegnap férijhez ment Anna.
e.(Übersetzung von 1f)Amint Anna a szobába ért, várt rá egy meglepetés.
f.(Übersetzung von 1i)Énekelve ment Anna az erdöben.



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Trotz der Existenz dieser Beispiele, ist es im Falle der modernen romanischen Sprachen (mit Ausnahme des Rätoromanischen) und des Ungarischen unüblich, von V2-Sätzen zu sprechen. Zum einen erklärt sich dies durch die theoretischen Annahmen der generativen Grammatiktheorie. Nach generativer Analyse ist der Satztyp, der durch die deutschen Beispiele repräsentiert wird, aus einer spezifischen, in der Tiefe liegenden Grundstruktur generiert (siehe Abschnitt 4.3 und 4.4) und dies impliziert, dass diese Grundstruktur immer in die Definition eines V2-Satzes mit einbezogen werden muss (vgl. Den Besten 1977, Thiersch 1978).8 Für die modernen romanischen und ungarischen Beispielsätze wird diese Grundstruktur nicht angenommen, weshalb die Bedingung für die Definition eines V2-Satzes hier nicht erfüllt ist. Zum anderen wird auch in nicht generativ ausgerichteten Untersuchungen, im Falle solcher Sätze selten von V2-Sätzen gesprochen, obwohl die lineare Abfolge der einzelnen Konstituenten für diese Definition sprechen würde. Dies liegt an dem Umstand, dass der Bezeichnung V2-Satz bereits das Bewusstsein für die Ungrammatikalität von Nicht-V2-Sätzen (V1- und V3-Sätze), und somit für ein bestimmtes syntaktisches System zugrunde liegt. Tatsächlich werden Sätze mit dem Verb als zweitem Satzglied eigentlich nur dann als V2-Sätze bezeichnet, wenn bereits bekannt ist, dass sie charakteristisch für ein syntaktisches System sind und darüber hinaus exklusiv, also andere Satztypen ausschließend. Im vorliegenden Fall sind V2-Sätze demnach nur die deutschen Beispielsätze, denn einerseits sind im Deutschen V1- und V3-Sätze im Aussagesatz ausgeschlossen und andererseits können in den drei anderen hier verwendeten Sprachen, nicht alle deutschen Beispielsätze tatsächlich als V2-Sätze übersetzt werden. Sie müssen den Regeln der jeweiligen Sprache entsprechend entweder als V3-Struktur bzw. als Struktur mit Rechtsdislokation wiedergegeben werden oder als umgewandelte SVX-Struktur mit dem Subjekt in erster Position.9

Ein weiterer Begriff, der sich auf die lineare Anordnung der Satzglieder bezieht, ist der Begriff V2-Effekt. Dieser Begriff wurde von Vertretern der generativen Syntaxanalyse zur Bezeichnung der linearen Satzgliedabfolge eingeführt, ursprünglich um Sätze wie (2), (3) oder (4) zu beschreiben, also Sätze, die einer Sprache angehören, die nicht als V2-Sprache beschrieben wird und die auch Nicht-V2-Sätze zulässt. In der Vergangenheit wurde der Begriff allerdings auch für V2-Sätze in tatsächlichen V2-Sprachen verwendet (siehe Abschnitt 4.4); und in jüngster Zeit wurde er sogar nicht mehr nur auf die lineare Redekette sondern auch auf die Tiefenstruktur bezogen (siehe Abschnitt 4.5).



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Kommen wir zur zweiten Ebene, der analytischen Ebene des Syntaxsystems. Dieser Ebene sind die Begriffe Verb-Zweit- oder V2-Phänomen, -Eigenschaft, -Syntax, -System, -Grammatik (und die entsprechende englische Terminologie) sowie ebenfalls die Kurzformen verb second (Verb-Zwei) und V2 zuzuordnen.10 Mit diesen Begriffen wird ein Sachverhalt beschrieben, der über den strukturellen Aufbau des einzelnen V2-Satzes hinausgeht. Das V2-Phänomen, oder synonym die V2-Eigenschaft, bezieht sich auf die Tatsache, dass der spezifische Aufbau des V2-Satzes in einer Sprache exklusiv ist.11 Das heißt, wenn alle Aussagesätze in der betroffenen Sprache V2-Sätze sind und es gar keine anderen gibt, dann handelt es sich um das V2-Phänomen, von dem ausgehend auf ein V2-Syntaxsystem – häufig als V2-Syntax, -System oder -Grammatik12 bezeichnet – rückgeschlossen wird.13 Dieses System ist so aufgebaut, dass ausschließlich V2-Sätze produziert werden können. Sofern eine Sprache den V2-Satztyp zwar bilden kann, dieser aber selten und vor allem nicht exklusiv vorkommt, wie etwa im modernen Italienischen, Spanischen oder Ungarischen, ist das V2-Phänomen nicht vorhanden.14

Die letzte der klassifizierenden Beschreibungsebenen betrifft die Begriffe Verb-Zweit- bzw. V2-Sprache und -Sprachtyp (die Kurzformen sind hier im Deutschen eher unüblich). Aus dem beschriebenen V2-Phänomen, respektive dem V2-System, leitet sich der Bezug zur typologisch klassifizierenden Ebene ab. Eine Definition der Begriffe V2-Sprache bzw. V2-Sprachtyp lässt sich an dieser Stelle recht knapp fassen: Eine Sprache, die das V2-Phänomen bzw. ein V2-Syntaxsystem aufweist, gehört typologisch betrachtet immer dem V2-Sprachtyp an (siehe Abschnitt 4.2).



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3 Bildung und Gebrauch linguistischer Fachtermini

Es können verschiedene Typen linguistischer Termini definiert werden, die durch unterschiedliche Abstraktionsgrade und unterschiedliche Grade der Transparenz sowie durch ihre Funktion voneinander abzugrenzen sind. Die Funktion linguistischer Fachtermini richtet sich zunächst an der referentiellen Funktion sprachlicher Zeichen im Allgemeinen aus (vgl. bereits Ogden/Richards 1923: 11, Bühler 1934: 28, Jakobson/Halle 1960: 353). Jeder Verweis auf einen Referenten durch ein sprachliches Zeichen kann eindeutig sein, sofern nur ein Referent gegeben ist bzw. bestimmt wird. Ist dies nicht der Fall und es kommen mehrere Referenten als Bezugsgrößen in Betracht, ist der Verweis ambig und folglich weniger transparent.

Kabatek (2015: 335–338) definiert drei unterschiedliche Typen linguistischer Fachtermini, die sich durch verschiedene Praktiken der Bildung und Herleitung ergeben.15 Ich möchte diese im Folgenden skizzieren:

1. In der Sprachwissenschaft und allgemein in der Praxis der Geisteswissenschaften gibt es Begriffe, die auf alltäglichen Begriffen aufbauen: Als Beispiel kann Saussures Begriff der langue angeführt werden, der etwas mit dem alltäglich verwendeten Wort 'Sprache' zu tun hat, seine besondere wissenschaftliche Bedeutung jedoch auf das strukturierte System der Sprache beschränkt bleibt. Begriffsbildungen dieses Typs haben den Vorteil, dass sie hinsichtlich ihres Ursprungs relativ transparent sind und dass man sie zumindest teilweise ohne Vorkenntnisse versteht. Ihr Nachteil ist, dass sie aufgrund dieser Transparenz auch falsch interpretiert werden können. So könnte man unter der langue eben auch die Sprache im Allgemeinen verstehen (vgl. Kabatek 2015: 336). Die Referenz ist nicht eindeutig. Eindeutigkeit ergibt sich erst durch die Kenntnis des Fachbegriffs. Ist diese nicht gegeben, greift die Funktion des Referierens nur partiell. Es wird auf einen Referenten verwiesen, der nur einige Merkmale mit dem eigentlich intendierten Referenten teilt.



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2. Es gibt weiterhin Fachtermini, die einen Bezug zu alltäglichen Konzepten durchscheinen lassen (gewisse Transparenz), die allerdings eine ganz eigene Bedeutung im jeweiligen wissenschaftlichen Kontext haben und deshalb nicht mit alltäglichen Begriffen verwechselt werden können. Ein Beispiel hierfür stellt Saussures Begriffspaar signifiant und signifié dar (vgl. Kabatek 2015: 336–337). Außerwissenschaftlich ergibt sich für dieses Begriffspaar eine vage Bedeutung, die sich von dem französischen Verb signifier (dt. bedeuten) ableitet, dessen Partizipialformen (Partizip Perfekt und Partizip Präsenz) durch die Begriffe signifié und signifiant repräsentiert sind. Die Substantivierung der Formen (le signifié und le signifiant) führt im außerwissenschaftlichen Kontext jedoch zu keinem klaren Verständnis, da diese formale Innovation nur für einen spezifischen Wissenschaftsbereich eingeführt wurde und nur dort eine eindeutige Referenz hat. Die korrekte Lesart der Begriffe ergibt sich also erst durch die wissenschaftliche Fachkenntnis. Ist diese nicht vorhanden, schlägt die referentielle Funktion – nicht nur partiell (wie in Typ 1) sondern gänzlich – fehl. Die Referenz, die im außerwissenschaftlichen Kontext hergestellt werden könnte ('etwas, das bedeutet oder bedeutend ist'), bleibt zu vage, um als korrekt angesehen werden zu können.

3. Darüber hinaus gibt es Begriffe, die vollkommen arbiträr sind und die man deshalb nicht mit alltäglichen oder anderen wissenschaftlichen Begriffen verwechseln, noch einen Bezug zu ihnen herstellen kann (z.B. X-Bar oder Theta-Rolle). Dieser Typ ist in der Naturwissenschaft beheimatet, in den Geisteswissenschaften tritt er seltener auf.16 Von Vorteil an diesem Typ ist seine Unmissverständlichkeit. Er kann mit keinem alltäglichen Begriff verwechselt werden und ist eindeutig als Fachbegriff identifizierbar, da er keine weiteren – alltäglichen – Bedeutungen hat (vgl. Kabatek 2015: 337). Die Funktion des Referierens schlägt entsprechend entweder vollkommen fehl, was bedeutet, dass man den Begriff überhaupt nicht versteht, oder sie ist gelungen. Ambiguität gibt es in diesem Fall nicht.



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Es ist nun die Frage zu stellen, welchem der drei Typen die hier untersuchte Terminologie zugeordnet werden kann. Zunächst möchte ich mit den ursprünglichen Formen Verb-Zweit-Stellung bzw. englisch verb second position beginnen (siehe zur Entwicklung der Formen Abschnitt 4.1.–4.4). Erst danach sollen die heute geläufigen Kurzformen verb second (Verb-Zwei) und V2 sowie die auf ihnen aufbauenden Komposita bzw. komplexeren Ausdrücke behandelt werden.

Die Formen Verb-Zweit-Stellung und verb second position bauen auf alltäglich verwendeten Begriffen auf, die in ihrer dreigliedrigen Kombination allerdings nicht erschließbar sind und auch aus anderen Kontexten nicht abgeleitet werden können. Aufgrund unserer sprachanalytischen Fähigkeiten können wir uns allerdings vage Bedeutungen erschließen, so etwa die Bedeutung 'eine zweite Position des Verbs' oder 'eine Position des Verbs an zweiter Stelle von etwas'. Dass mit ,etwas' die Satzebene gemeint ist, erklärt sich nur indirekt über das (Welt-)Wissen, dass das Verb die Funktion des Satzprädikats erfüllt.17 Nur durch dieses Wissen kann die exakte Bedeutung von 'zwei' erschlossen werden: Gemeint ist die Position des zweiten Satzglieds und nicht irgendeine zweite Position im Satz (z.B. das zweite Morphem oder Lexem). Nun hat der Begriff darüber hinaus aber eine innerhalb der Sprachwissenschaft kontextspezifische Bedeutung, denn mit der Besetzung des Verbs in zweiter Satzposition geht die, von mir bereits in Abschnitt 2 dargestellte, spezifische Besetzung der anderen Satzgliedpositionen einher (Inversion des Subjekts in die dritte Position, wenn die erste Position von einem anderen Satzglied besetzt ist, etc.). Der Bezug zum Referenten wird im Falle von Verb-Zweit-Stellung bzw. verb second position also nur klar, wenn dieser bereits bekannt ist. Ohne die exakte Vorkenntnis der spezifischen Syntax-Thematik, besteht die Gefahr, dass der Ausdruck nicht vollständig korrekt interpretiert wird. Die Funktion des Referierens glückt dann nur partiell. Dies entspricht Typ 1.



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Die Kurzform verb second (Verb-Zwei) hat gegenüber der längeren Form an Transparenz verloren, da sich dem Laien nun mehrere Deutungsmöglichkeiten bieten. So könnte die Kurzform richtigerweise noch als 'das Verb ist das Zweite von etwas' interpretiert werden, aber auch fälschlicherweise als 'das zweite Verb'. Der Bezug zur Satzebene ergibt sich ebenfalls nur, wenn über ein vorhandenes Wissen erschlossen werden kann, dass das Verb die Funktion des Satzprädikats ausübt. Dieser Bezug wird aber nicht explizit durch die – formal innovative – Kurzform hergestellt. Die Referenz, die von einem Laien entschlüsselt werden könnte, bleibt zu vage, um als korrekt angesehen werden können. Dies entspricht Typ 2.

Die stark verkürzte Form V2 ist noch geringer motiviert und für den Laien kaum mehr transparent. Zwar ergibt sich nach wie vor die Bedeutung des Lexems 'zwei' und hinzukommen kann bei einer Interpretation des Akronyms V die Annahme, dass dieser Buchstabe für ein Lexem steht, dessen Beginn er darstellt. Eine Bedeutung für V erschließt sich deshalb jedoch nicht und das Zusammenfügen beider Zeichen führt nicht automatisch zu der intendierten Bedeutung ,das Verb steht in syntaktisch zweiter Position in der linearen Redekette'. Diese Bedeutung erschließt sich nur den Experten. Die Funktion des Referierens schlägt für den Laien also fehl, da es ihm nicht möglich ist, einen Referenten auszumachen. Und selbst Syntaktiker benötigen eine Erklärung des Teilakronyms, damit sie den Bezug zum Verb und dann zur zweiten Satzposition herstellen können. Mit dieser Abkürzung besteht eine Annäherung an den arbiträren Begriffstyp, Typ 3.



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Aufgrund der Tatsache, dass durch die Kurzformen – wie bereits dargestellt – nicht nur die Satz- sondern auch die Systemebene ausgedrückt werden können, ergibt sich das Problem fehlender Transparenz in verstärkter Form. Denn wenn die Kurzformen isoliert (also ohne Ergänzung) verwendet werden, sind sie immer polysem und deshalb ambig. Syntaktikern ist es zwar möglich, eine komplexe Referenz herzustellen (d.h. sie verstehen unter dem Etikett verb second oder V2 die Satz- und Systemebene zusammen), aber einzelne Teilreferenzen sind nicht eindeutig für sie auszumachen. Es bedarf hierfür immer der Zusätze -Satz/-Struktur/-Effekt, -Phänomen/-Eigenschaft, -System/-Grammatik. Um allerdings diese zusammengesetzten Ausdrücke korrekt begreifen zu können, muss zuvor das Konzept verb second bzw. V2 als 'Verb in zweiter Satzposition' erfasst worden sein. Ohne dieses Verständnis sind die Zusätze in keinen Zusammenhang mit der Gesamtbedeutung zu bringen. Die Teilbedeutungen der einzelnen Zusätze allein in Kombination mit der Zahl zwei und dem Akronym V führen in keiner Weise zu einem Begriffsverständnis.

Es ist also festzuhalten, dass der Übergang von den Begriffen Verb-Zweit-Stellung bzw. verb second order zu den Kurzformen eine Steigerung des Abstraktionsgrades mit sich bringt. Die Form, die sich heute weitestgehend durchgesetzt hat – V2 – hat am wenigsten Transparenz und weist in Bezug auf ihre Referenten den höchsten Grad an Ambiguität auf.18 Die Grundfunktion eines sprachlichen Zeichens, das Referieren, ist hier nicht mehr gewährleistet. Die Bedeutung des Zeichens erschließt sich nicht mehr intuitiv, Expertenwissen und eine eindeutige Kontextualisierung des Begriffs sind zu dessen Entschlüsselung notwendig.19



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In welchem Zusammenhang dieses Ergebnis mit einer sich verändernden Begriffsverwendung steht, wird im Folgenden untersucht. Dabei stellt sich die Frage, ob die Entscheidung für abstraktere Termini zur Veränderung der Bedeutung und des Gebrauchs der Begriffe beitrug.


4 Begriffsgeschichte

Eine spezifische Terminologie wird im Allgemeinen in einem spezifischen außersprachlichen Kontext ausgebildet, von dem sie beeinflusst ist. Im vorliegenden Fall sind es die Ideen und Ansätze einer jungen Sprachwissenschaft, die diesen Kontext darstellen. Allmählich gewinnt diese Wissenschaft jedoch nicht nur an theoretischer Schärfe, sondern auch an theoretischer Vielseitigkeit, wodurch sich neue Kontexte ergeben, die zum Fortbestehen, zur Weiterentwicklung und Veränderung, aber auch zum Verlust der Terminologie beitragen. Zunächst war es die deskriptive Sprachwissenschaft des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, die die hier untersuchten Begriffe prägte. Später aufkommende sprachwissenschaftliche Strömungen, wie die Positionstypologie oder die Transformationsgrammatik, haben dann vor allem beeinflussenden Charakter. Sie prägen nicht mehr, aber sie verändern die Terminologie in ihrer äußeren Gestalt, in ihrer Bedeutung und auch in ihrer Funktion (4.2–4.5).20



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4.1 Die Vorläufer: Zu den Begriffen Mittelstellung und Zweitstellung

In einer ersten Phase, die im ausgehenden 19. Jahrhundert beginnt, wird zunächst der Begriff Mittelstellung des Verbs bzw. des Prädikats in der deutschsprachigen Romanistik und Germanistik eingeführt und mit einer gewissen Kontinuität bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts beibehalten. Der Begriff existierte allerdings nicht mit Beginn der syntaktischen Untersuchung der Verbposition. Erste einschlägige Arbeiten zur deutschen Satzglied- bzw. Verbstellung stammen u.a. von Nordmeyer (1883) und Erdmann (1886: 181–182). Seit den 1870ern entstanden auch eine Reihe von deutsch- und französischsprachigen Arbeiten zur altfranzösischen und altromanischen Syntax, in denen ebenfalls die Position des Verbs behandelt wurde (vgl. Diez 1872, Le Coultre 1875, Thurneysen 1892, Meyer-Lübke 1899, Richter 1903, Lerch 1934, Siepmann 1937). Diesen Arbeiten ist gemeinsam, dass sie versuchen, die für das Deutsche und bedingt auch für das Altfranzösische charakteristische Stellung des Verbs in der Satzmitte zu beschreiben. So heißt es etwa bei Diez (1872: 460): "Den Mittelpunkt des Satzes bildet das bestimmte Verbum [...]" und "um dasselbe als Prädicat stellen sich die übrigen Satzglieder". Richter (1903) spricht von einer "feste(n) Stellung des Verbs an zweiter Satzstelle". Häufig wird auch die Regelhaftigkeit der satzmittigen Position des Verbs und ein dahinter liegendes syntaktisches Prinzip erkannt (vgl. etwa Thurneysen 1892: 289–300). Noch 1950 umschreibt von Wartburg dieses Prinzip, ohne dabei einen spezifischen Terminus zu verwenden, und weist auf die diesbezüglich existierende Ähnlichkeit zwischen dem Deutschen und dem Altfranzösischen hin:21

In seinem Aufsatz « Zur Stellung des Verbums im Altfranzösischen » [...] hat R. Thurneysen das Prinzip aufgezeigt, nach dem das Verbum stets die zweite Stelle im Satz innehat und die andern Satzglieder sich entsprechend darum herum gruppieren, [...]. Ein Vergleich mit der Prosa der andern romanischen Sprachen zeigt, dass dort ein solches Prinzip unbekannt war. (von Wartburg 1950: 110)

Und weiter:

Es zeigt sich also, dass das Altfranzösische in der Stellung des Verbums ganz isoliert dasteht. Bekanntlich ist die gleiche Stellung auch im deutschen Hauptsatz zur Herrschaft gelangt und dominiert auch schon im Althochdeutschen, [...]. (von Wartburg 1950: 111)



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Meyer-Lübke (1899: 113) scheint der erste gewesen zu sein, der den Begriff Mittelstellung in Bezug auf die Position des Verbs im Satz verwendete. Allerdings wird der Begriff von den zeitgenössischen Kollegen zunächst nicht aufgegriffen. Erst Siepmann (1937: 38) spricht in der Romanistik wieder von der "Mittelstellung des Prädikats". In der Germanistik ist es Drach (1937: 19–20, 27), der den Begriff als einer der ersten aufgreift. Ihm vorausgehende Autoren wie Erdmann (1886: 87) nennen den Begriff in anderen Kontexten, jedoch nicht zur Beschreibung der Satzposition des Verbs.22

Der Begriff Zweitstellung ist in den letzten Jahrzehnten des 19. und den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts noch nicht belegt. Er scheint sich erst in den 1940er und 1950er Jahren etabliert zu haben. Für den Bereich der Germanistik ist er bei Boost (1955: 35, 39) belegt. In der deutschen nicht-generativ ausgerichteten Romanistik tritt er sehr lange überhaupt nicht in Erscheinung. Noch in den 1970er und 1980er Jahren wird das syntaktische Phänomen gerne lediglich umschrieben und nicht mit einem spezifischen Begriff bezeichnet.23

Es kann festgehalten werden, dass die Prägung der Begriffe 'Mittelstellung' und 'Zweitstellung' auf z.T. sehr frühe deskriptive Untersuchungen zum deutschen und altfranzösischen Satzbau von Aussagesätzen zurückgeht. Allerdings hat es den Anschein, dass die Begriffe in den darauffolgenden Jahrzehnten in der Sprachwissenschaft (mit Ausnahme der generativen Schule) keine umfassende Verbreitung fanden. In der einschlägigen Literatur zum Thema werden die Termini nur begrenzt aufgegriffen. Die Bedeutung, die den beiden Begriffen zugeschrieben wird, richtet sich in diesem Zeitraum ausschließlich auf die Position des Verbs in der linearen Satzgliedabfolge. Ein dahinter stehendes syntaktisches Prinzip wird zwar thematisiert, jedoch nicht mit den Begriffen Mittelstellung oder Zweitstellung beschrieben. Die Begriffe werden in dieser Anfangsphase also transparent verwendet. Ihr Referent, eine Position in der linearen Satzgliedabfolge, ist klar bestimmt und ihre referentielle Funktion entsprechend eindeutig.



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4.2 Einführung der Begriffe Verb-Zweit-Stellung und verb second (position)

Mit dem Aufkommen der Positionstypologie von Greenberg zu Beginn der 1960er Jahre wurde endgültig ein Kontext dafür geschaffen, die Position des Verbs im Aussagesatz in das Zentrum des sprachwissenschaftlichen Interesses zu rücken. Auf der Grundlage einer Klassifizierung von Satztypen-Grundstellungen, die sich an der Position von Subjekt, Verb und Objekt ausrichten, und auf der Grundlage von Erkenntnissen über diesen Typen entsprechenden Regulierungen der Syntagmatik (Prä- vs. Postdetermination), begann die Sprachtypologie, spezifische Sprachtypen gemäß ihrer syntaktischen Grundstruktur zu klassifizieren (vgl. Greenberg 1963, Ineichen 1979). Was die Verbposition betraf, war in diesem Sinne mit Blick auf germanische Sprachen (vor allem das Deutsche) und altromanische Sprachen (vor allem das Altfranzösische) zunächst die zentrale Frage, ob die Grundanordnung des Satzes (S)OV oder (S)VO ist (siehe unten) bzw. ob ein Zwischenstadium im Übergang von (S)OV zu (S)VO vorliegt. Das Altfranzösische wurde in diesem Sinne nicht als V2-Sprache klassifiziert, sondern als Sprache, die sich im Übergang von (S)OV zu (S)VO befindet, was letztlich ebenfalls die Häufigkeit der zweiten Position des Verbs in der linearen Redekette erklären kann (vgl. Buridant 1987: 63, Marchello-Nizia 1999: 39, 44).

Im Kontext der Funktionaltypologie (vgl. Vennemann 1974, Harris 1978, Buridant 1993, u.a.) wurde zur Charakterisierung der Struktur des altfranzösischen Aussagesatzes das Teilakronym TVX (Thema-Verb-undefinierte Konstituente) eingeführt. Diese Bezeichnung sollte dem Gedanken Ausdruck verleihen, dass das erste Element im Satz nicht zwangsläufig das Subjekt sein muss, sondern, dass auch andere Satzglieder topikalisiert vor das Verb treten können.24 Der durch die Sprachtypologie aufgekommene Gedanke, von der dominanten Satzstruktur auf den Sprachtypus zu schließen, wurde im Rahmen der funktional ausgerichteten Untersuchungen schließlich auch mit dem Konzept der ,Zweiten Satzposition des Verbs' verknüpft (sicherlich unterstützt durch die zeitgleich starke Präsenz des Themas in generativen Untersuchungen, siehe unten). So etablierte sich in der Typologie neben TVX die Terminologie verb second bzw. V2, die mit dem Zusatz -Sprache/-Typ zur Bezeichnung einer spezifischen Klasse von Sprachen eingesetzt wurde.25



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Der deutsche Begriff Verb-Zweit-Stellung scheint im Kontext funktionaltypologischer Arbeiten noch längere Zeit keine Anwendung gefunden zu haben. Da der englische Begriff verb second (vgl. Harris 1978) respektive der französische verbe second (vgl. Buridant 1993, Marchello-Nizia 1995: 1999) jedoch mit einer gewissen Kontinuität verwendet wurde, ist davon auszugehen, dass sich über die Rezeption der englischen und französischen Fachliteratur auch in der deutschsprachigen funktionaltypologisch ausgerichteten Sprachwissenschaft ein Begriffsbewusstsein halten konnte.

In Bezug auf das Deutsche scheint die Begriffsentwicklung hauptsächlich im Rahmen der generativen Transformationsgrammatik vorangetrieben worden zu sein.26 So spricht etwa Bach (1962) in seiner Transformational Grammar of German über die Position des finiten Verbs im deutschen Aussage-, Frage- und Nebensatz. Hinsichtlich des Aussagesatzes nennt er die "second position" als "obligatory" und stellt dar, dass die deutschen Aussagesätze nur mit linearer V2-Struktur auftreten können und dass dieser V2-Struktur eine "basic order" mit Verbendstellung als Ableitungsbasis für Transformationen zugrunde liegt (vgl. Bach 1962: 264, 266, 269).

Bierwisch (1963) äußert sich ähnlich wie Bach. Er verwendet dabei den Begriff Zweitstellung und hält fest, dass das Deutsche eine Sprache sei, in der im Aussagesatz nur die Zweitstellung als lineares Abfolgemuster auftreten könne (31). Auf der Grundlage dieser Tatsache stellt er eine Theorie auf, nach der sich die Zweitstellung ebenfalls erst durch Transformation der Grundstruktur mit Endstellung des Verbs ergibt (106–109). Weder von Bach noch von Bierwisch werden die genannten Transformationsprozesse allerdings begrifflich an die V2-Terminologie gebunden. Beide Autoren beziehen die Termini ausschließlich auf das Resultat der Transformation, d.h. auf die lineare Abfolge der Satzglieder im geäußerten Aussagesatz und auf die Tatsache, dass nur diese Abfolge möglich ist.



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Auch in einer Untersuchung von Reis (1974) wird der Begriff – hier Verb-Zweitstellung – ähnlich verstanden und verwendet. Er steht für die obligatorische oberflächliche27 Reihenfolge der Satzglieder im Deklarativsatz, die sich aus einer tiefenstrukturellen SOV-Stellung ableitet. Reis stellt die Frage nach dem typologischen Sprachstatus des Deutschen. Sie kommt zu dem Schluss, dass das Deutsche eine tiefenstrukturelle SOV-Ordnung habe und demnach den SOV-Sprachen zuzurechnen sei (vgl. Reis 1974: 318, 325). Ein Transformationsmechanismus, der zur linearen V2-Struktur führt, wird hier zwar impliziert, jedoch wird der Sprachtypus von Reis nicht an dieser linearen Struktur festgemacht, sondern an der Basisstruktur in der Tiefe. Der Begriff Verb-Zweitstellung dient entsprechend ausschließlich dazu, oberflächliche Strukturen zu bezeichnen, nicht aber den Sprachtyp.28

Es kann festgehalten werden, dass der Begriff Verb-Zweit-Stellung (bzw. second position) bereits in der frühen Zeit der Transformationsgrammatik verwendet wird. Allerdings ist die Verwendung spezifisch und auf den Kontext der linearen Satzgliedanordnung reduziert. Ein syntaktisches tiefenstrukturelles System wird damit nicht beschrieben. Dies bedeutet, dass der Begriff zunächst sowohl in nicht-generativen als auch in generativen Arbeiten identisch eingesetzt wurde: zur Bezeichnung der Verbposition in der linearen Redekette. Ein Unterschied zwischen generativer und nicht-generativer Schule ergibt sich bei der typologischen Klassifizierung einer V2-Sprache bzw. eines V2-Sprachtyp. Da sich V2 in beiden Schulen nur auf die lineare Redekette bezieht, die generative Schule aber davon ausgeht, dass sich der typologische Status einer Sprache gerade nicht an dieser, sondern an der tieferliegenden Grundstruktur ausrichtet, gibt es für sie zunächst keine V2-Sprache. Die nicht-generative Schule hat dieses Problem nicht, da es für sie keine tieferliegende Grundstruktur gibt und eine V2-Sprache für sie nur eine Sprache sein kann, die im realisierten Aussagesatz das Verb in die zweite Position stellt.



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4.3 Erste Bedeutungsausweitung: verb second als Bezeichnung eines Transformationsprozesses

Eine Veränderung im Umgang mit dem Begriff verb second ergibt sich durch Arbeiten zum Deutschen von u.a. Den Besten (1977) oder Thiersch (1978): Den Besten verwendet den Begriff verb second zur Bezeichnung einer "root transformation" (1977: 1). Der Begriff steht bei ihm nicht für das Resultat der Transformation, sondern für die Transformation selbst. Da die Transformation regelhaft ist, wird verb second auch zur Bezeichnung der "rule" für verb fronting eingesetzt. Trotz dieser Bedeutungserweiterung spricht Den Besten (1977: 67) nach wie vor auch von der linearen Satzebene: "declarative sentences [...] have the finite verb in second position". An der typologischen Klassifizierung der Sprache, im Sinne von Reis, hält er allerdings fest. Es ist nicht von einer V2-Sprache die Rede, sondern von einer SOV-Sprache:

German is a SOV-language which moves the finite verb to first or second position in root sentences. Yes/no-questions are verb first sentences; interrogatives and declaratives put the verb in second position. (Den Besten 1977: 17)

Auch Thiersch (1978), der einen binären Transformationsprozess beschreibt, bei dem das Verb in die initiale Position und eine weitere Konstituente in die präverbale Position bewegt wird (vgl. Haider 1985: 49), verwendet den Begriff nicht ausschließlich zur Bezeichnung für eine Satzposition in der linearen Satzgliedkette. Zwar ist diese Verwendung belegt (vgl. Thiersch 1978: 13, 135), aber Thiersch versteht unter dem Begriff ebenfalls auch den Transformationsprozess, von ihm als verb-second rule oder rule of verb-second bezeichnet (vgl. Thiersch1978: 25, 30). Explizit äußert er, dass die "verb-second rule" dazu dient, "tensed verbs" zu bewegen (25). An anderer Stelle benutzt er auch den Ausdruck "verb-second transformation" (29).



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Es kann festgehalten werden, dass der Begriff verb second in dieser Phase eine Veränderung erfährt. Unter dem Hinzunehmen der Zusätze rule oder transformation muss die Referenz neu erfasst werden. Dem ursprünglichen Referenten (der Position des Verbs in der linearen Satzgliedabfolge) wird ein weiterer hinzu gestellt (der Transformationsmechanismus), bzw. handelt es sich genau genommen um eine auf Kontiguität basierende konzeptuelle Erweiterung der alten Referenz. Der ursprüngliche Referent wird jetzt als das Resultat eines spezifischen Prozesses angesehen, und dieser Prozess wird in die neue Referenz mit aufgenommen. Die Teilkomponenten 'Verb', 'zwei' und 'Transformation' müssen folglich neu in Zusammenhang gebracht werden. Dies stellt kein Problem dar, sofern der Ausdruck in einem Kreis von Wissenschaftlern verwendet wird, die mit der Transformationsgrammatik vertraut sind. Ist dieser Fall nicht gegeben, könnte der Versuch, die Einzelbedeutungen aufeinander zu beziehen – wie dies bei verb second order (Verb-Zweit-Stellung) ohne ein komplexes Theorieverständnis möglich war (siehe Abschnitt 3.) – zu Fehlinterpretationen führen. Denn wenn man verb second als 'das Verb ist das zweite von etwas' begreift und dieses auf das Konzept 'Umwandlung' bezieht, könnte sich theoretisch z.B. die Bedeutung 'das Verb ist das zweite von einer Umwandlung' ergeben. Mir ist nicht bekannt, dass sich diese Fehlinterpretationen tatsächlich ergab. Allerdings wurde die Bedeutung undurchsichtiger und die beschriebene konzeptuelle Erweiterung führte letztlich zu zwei unterschiedlichen Lesarten des Begriffs verb second: Während Transformationsgrammatiker verb second nun als das Resultat von etwas betrachteten, mit dem bestimmte Transformationen, die auf der Tiefenstruktur applizieren, verbunden waren, verstanden andere Wissenschaftler den Begriff weiterhin als Bezeichnung der zweiten linearen Satzposition ohne dieser einen Resultat-Status zuzusprechen.



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4.4 Zweite Bedeutungsausweitung: V2 als Bezeichnung eines Sprachtyps mit Abweichungen von V2-Stellung

Spätestens in den 1980er Jahren – in einer Phase, in der es innerhalb der generativ ausgerichteten Syntaxschule maßgeblich um die Frage geht, wie der Bewegungsmechanismus begründet und die tiefenstrukturellen Bewegungen des Verbs angemessen erklärt werden können (vgl. Haider 1985: 49, u.a.) – erfährt der Begriff verb second bzw. V2 nochmals eine referentielle Ausweitung. Nach wie vor wird damit die Position des Verbs in der linearen Abfolge der Satzgliedkette benannt. Weiterhin wird der Begriff verb second mit dem Zusatz transformation in der von Den Besten (1977) und Thiersch (1978) eingeführten Bedeutung verwendet, als Bezeichnung der Umwandlung der Basisstruktur in die Oberflächenstruktur. Folgende Beispiele aus Platzack (1985) verdeutlichen, in welcher Weise explizit von einer verb second transformation die Rede ist:

The verb second transformation places the subject to the right of the finite verb. (Platzack 1985: 54)

[...] to derive the surface structure, we have to move the finite verb to the position between the subject NP and the VP. The verb second transformation (9) is then able to handle cases where some element is topicalized. (Platzack 1985: 55)

Wie bereits dargestellt, ergibt sich mit diesem Ausdruck das Problem fehlender Transparenz. Die Bedeutung von verb second transformation lässt sich ausschließlich durch den erklärenden Kontext ("to derive the surface structure") erschließen, nicht durch den Ausdruck selbst.

Neu in den generativen Analysen der 1980er Jahren ist die Tatsache, dass immer häufiger die Kurzform V2 auftritt und dass diese Form nun – anders als noch bei Reis 1974 (siehe Abschnitt 4.2.) – für die Bezeichnung eines Sprachtyps verwendet wird (vgl. Platzack 1985, Haider 1985). So etabliert sich der Begriff V2-language, und das Deutsche wird als "strict V-2 Language" (Haider 1985: 72) benannt. Mit diesem Begriff wird fokussiert, dass eine Sprache den V2-Transformationsmechanismus aufweist – der nun an die Kategorien INFL und COMP gekoppelt wird29 – und somit über das verb second phenomenon verfügt. Unter diesem Phänomen verstand man sowohl den Bewegungsmechanismus als auch die Oberflächenstruktur, die er hervorbringt. Bemerkenswert ist, dass das V2-Phänomen nicht mehr nur in Bezug auf das Deutsche, sondern in Bezug auf alle germanischen Sprachen mit Ausnahme des Englischen thematisiert wurde:30



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All Germanic languages, except English, display the verb second phenomenon (V/2 phenomenon), i.e., in these languages only one phrase may precede the finite verb in prototypical declarative main clauses. (Platzack 1985: 49)

Dass nicht alle germanischen Sprachen das Verb in jedem Aussagesatztyp in der zweiten Satzposition aufweisen müssen, wird zwar durch den Begriff "prototypical" ausgedrückt, jedoch hielt es Sprachwissenschaftler letztlich nicht davon ab, den V2-Status auch für Sprachen zu diskutieren, die in Bezug auf die lineare Abfolge der Satzglieder zwar selten, aber doch regelhaft, andere Sätze als V2-Sätze zulassen. Es handelt sich um Sprachen, die nicht mit der gleichen Strenge wie das Deutsche auf V2-Aussagesätze beschränkt sind oder Varietäten haben, die Abweichungen aufweisen. So spricht Taraldsen (1986: 7) in Bezug auf das Standardnorwegische von einem V2-Phänomen, weist aber gleichzeitig auf die Tatsache hin, dass in den nördlichen Varietäten des Norwegischen Nicht-V2-Sätze in spezifischen Kontexten grammatisch sind (vgl. Taraldsen 1986: 7 (Fn 1), 20–21).31

Auch Thráinsson (1986: 170–171, 176f.) spricht in Bezug auf das Isländische von einem V2-Phänomen und, um die Oberflächenstruktur zu benennen, von einem V2-Effekt (190). Bemerkenswert ist, dass er diese Begriffe verwendet, obwohl nach seinen eigenen Angaben V1- und V3-Aussagesätze im Isländischen in spezifischen Kontexten regelmäßig auftreten, insbesondere bei bestimmen Adverbien und im narrativen Stil (172–174, 180–182). Für Thráinsson scheint das Vorkommen dieser Strukturen kein Hinderungsgrund dafür zu sein, von einem V2-Phänomen zu sprechen. Er gibt eine Erklärung für die Kompatibilität aller Nicht-V2-Sätze mit einem tiefenstrukturellen System, das mehrheitlich V2-Strukturen hervorbringt (176f.).32



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Zu dieser Phase kann nun Folgendes festgehalten werden: Die Entwicklungen der generativen Syntaxtheorie in den 1980er Jahren haben verschiedene Veränderungen hervorgebracht. Zum einen wird das Teilakronym V2 beliebt, wobei es den Begriff verb second nicht vollständig ersetzen kann.33 Zum anderen verstärkt sich die Tendenz, nur noch von einem V2-Phänomen zu sprechen und darunter die Oberflächen- und Tiefenstruktur zu subsumieren. Die Tatsache, dass die Oberfläche allerdings nicht immer in konsequenter Weise eine V2-Struktur aufweist, tritt allmählich in den Hintergrund. Der Weg für ein neues Begriffsverständnis wird dadurch geebnet (siehe Abschnitt 4.5). Des Weiteren hat sich der Begriff V2-language (V2-Sprache) etabliert, wobei er an spezifische Transformationsprozesse und internalisierte Syntaxsysteme gekoppelt ist und nicht mehr nur ausdrückt, dass die bezeichnete Sprache in ihrer linearen Redekette die Verb-Zweit-Stellung exklusiv aufweist.

Die Termini verb second oder V2 bekommen auf der Grundlage dieser Veränderungen nochmals einen größeren Referenzrahmen. Die Referenz ist nun nicht mehr nur die V2-Satzgliedabfolge oder der V2-Transformationsmechanismus (bei dem der Begriffsteil verb second bereits an Eindeutigkeit verlor), sondern auch ein spezifisches Sprachsystem, respektive ein Sprachtypus, der oberflächlich nicht mehr in jedem Fall die Verb-Zweit-Stellung aufweisen muss. Die Bedeutung des Begriffsteils verb second verschiebt sich dadurch immer mehr. Die ursprüngliche Bedeutung 'das Verb ist das Zweite von etwas', die sich nur durch den Zusatz order (-Stellung) ganz erklärte, geht verloren, da besagte order nicht mehr in jedem Fall gegeben sein muss.

Auf die referentielle Vielfalt wird in den meisten Studien der 1980er Jahre noch durch Attribute wie Struktur, Effekt, Phänomen oder Sprache hingewiesen. Die Tendenz, diese Attribute fallenzulassen, zeigt sich erst in den 1990er Jahren, was das folgende Beispiel exemplarisch veranschaulichen mag:

Recall, however, that Old English showed V2 obligatorily only when clauses were introduced by interrogative or negative phrases; otherwise V2 was just one option, albeit a prevalent one (see Stockwell 1984 for discussion), unlike in Dutch, German or Norwegian, where V2 is generally obligatory. This may reflect an important difference in the grammars and thus in what experience is required to set the relevant parameter. (Lightfoot 1993: 203f.)



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4.5 Verlust der ursprünglichen Bedeutung: V2 ohne obligatorische Verb-Zweit-Stellung

Von den späten 1980er und vor allem 1990er/2000er Jahren an wurden mit den Arbeiten zum Altgermanischen und Altromanischen auch Sprachen untersucht, die prozentual deutlich weniger V2-Sätze aufweisen, als das moderne Deutsche und vergleichbare moderne V2-Sprachen. Die Frequenz von V2-Strukturen kann hier extrem schwanken und liegt, je nach Sprache, zwischen knapp 100% und weniger als 50%.34 Um diesem Umstand gerecht zu werden, wurde der Vorschlag gemacht, von rigiden und weniger rigiden V2-Sprachen auszugehen (vgl. Kemenade 1987, Axel 2007, Hinterhölzl/Petrova 2010). Terminologisch behalf man sich dabei mit Begriffen oder Umschreibungen wie Nicht-strenge- oder flexible V2-Sprache (vgl. Varga 2017: 87, 133, 135).

In den jüngsten Untersuchungen zum V2-Thema, die nicht generativ ausgerichtet sind, spielt nach wie vor die obligatorische Präsenz oder Absenz von der zweiten Position des Verbs in der linearen Redekette die entscheidende Rolle, ob ein V2-Status für eine Sprache angenommen wird oder nicht (vgl. Becker 2005, Guillot et al. 2012, Elvira 2015, Castillo Lluch 2015, Varga 2017). Sind Aussagesätze mit einer V1- oder V3-Struktur grammatisch korrekt, handelt es sich nicht um eine V2-Sprache, und in diesem Fall wird auch der Begriff V2 nicht eingesetzt. In diesem Verständnis argumentiert Elvira (2015) gegen den typologischen V2-Status des Altspanischen. V2-Sätze seien im Altspanischen nicht ausreichend vorhanden. Neben V2-Strukturen gäbe es V1- und V3-Sätze, die weit davon entfernt seien, lediglich Ausnahmen darzustellen:

Los datos del castellano medieval no confirman de ninguna manera que el castellano medieval sea una lengua V2 en el sentido estricto en que lo son hoy algunas lenguas germánicas como el alemán o el holandés. Otros patrones de ordenación fueron también posibles. La ordenación V1, [...] fue especialmente frecuente en los textos narrativos. En la medida en que en los textos medievales fueron posibles otros patrones de orden, la denominación V2 no puede ser usada como una etiqueta tipológica de alcance general. (Elvira 2015: 43)



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Es kann also festgehalten werden, dass ausschließlich die Anzahl der Sätze, die in der linearen Redekette eine V2-Struktur aufweisen, von Elvira als Grundlage für die Klassifizierung des V2-Sprachtyps genommen wird und damit letztlich auch für die Verwendung (oder Nicht-Verwendung) der Terminologie. Die Untersuchung von Castillo Lluch (2015) spricht ebenfalls gegen den Einsatz der V2-Terminologie in Bezug auf das Altspanische. Die Autorin weist darauf hin, dass zu wenige Sätze mit linearer V2-Struktur, bzw. zu viele Gegenbeispiele vorliegen würden, um auf die V2-Funktionsweise (eines Syntaxsystems) und somit auf die V2-Hypothese schließen zu können:

En primer lugar, en nuestro corpus el verbo aparece demasiado a menudo en posición V1 [...] o en posición V>2 como para poder confirmar la hipótesis V2. (Castillo Lluch 2015: 301–302)

[...] en la gramática de los textos estudiados parece no regir un funcionamiento V2 (los contraejemplos son demasiado numerosos). Además, si un principio gramatical hubiera gobernado el orden de los constituyentes en el corpus de este estudio, sería de esperar que hubiera sido uniforme para los nueve textos contemporáneos analizados, lo que, claramente, está muy lejos de ser el caso. (Castillo Lluch 2015: 310)

Im Gegensatz dazu scheint im Rahmen einiger aktueller generativer Untersuchungen die Begriffsbedeutung von V2 die Oberflächenstruktur kaum mehr miteinzuschließen. Es scheint zweitrangig, ob die lineare V2-Anordnung tatsächlich als einzig mögliche oder zumindest sehr dominante Struktur des Aussagesatzes angesehen werden kann. Nur die Tiefenstruktur wird als ausschlaggebendes Definitionskriterium für oder gegen die Annahme einer V2-Sprache (und eines V2-Systems) angesehen. So argumentiert Mathieu (2013: 341) für das Altfranzösische, dass dieses trotz des Vorkommens von V3-Strukturen mit zwei präverbalen Verbergänzungen – also solche, die nicht als Dislokationsstruktur o.ä. erklärt werden können – ein tiefenstrukturelles V2-Syntaxsystem habe. Durch das Einführen einer Top+P-Position sind seiner Meinung nach selbst V3-Sätze mit zwei präverbalen Verbergänzungen als CP-Strukturen zu analysieren und folglich mit der Annahme eines altfranzösischen V2-Systems vereinbar (vgl. Mathieu 2013: 341).35 Entsprechend handle es sich beim Altfranzösischen um einen V2-Sprachtyp, und es lässt sich schlussfolgern, dass der Einsatz der V2-Terminologie für Mathieu entsprechend gerechtfertigt scheint.



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Auch die Arbeit von Pinto (2015) zum Altspanischen entspricht der Argumentationslinie von Mathieu. Pinto weist einerseits zwar auf die Oberflächenstruktur hin, geht aber davon aus, dass diese Struktur nicht (!) relevant für die Definition des V2-Effekts ist:

El efecto V2 es una restricción estructural que implica un movimiento de verbo hasta la posición más alta de la estructura oracional, el núcleo C. Es decir, el efecto V2 no es una etiqueta descriptiva del orden lineal de constituyentes sino una etiqueta descriptiva de la posición que el verbo finito ocupa en la estructura gramatical. (Pinto 2015: 59)

Der Begriff V2-Effekt wird hier umgedeutet, indem er ausschließlich als eine in der Tiefe liegende Position der "estructura gramatical" interpretiert wird, die einer V2-Sprache zugrunde liegen muss (vgl. Pinto 2015: 50). Nach Pinto ist das Altspanische deshalb ein symmetrischer V2-Typ, obwohl dort V1- und V3-Sätze relativ häufig auftreten (bzw. in den alten Texten belegt sind). Diese hätten oberflächlich zwar keine V2-Strukturen, seien mit einer tiefenstrukturellen V2-Grammatik aber kompatibel und deshalb keine Verletzung derselben (vgl. auch Rodríguez Molina 2010: 1282–1286).

Auf einen ebenfalls rein tiefenstrukturell begründeten V2-Begriff stützt sich auch Batllori (2015).36 Allerdings wird bei ihr tiefenstrukturell gegen den V2-Status des Altspanischen und der altromanischen Sprachen argumentiert. Die Autorin möchte in ihrer Untersuchung zeigen, dass einzelne oberflächenstrukturelle V2-Satztypen nicht unbedingt ein Indiz für eine V2-Grammatik sein müssen.37 Sie kommt zu dem Schluss, dass der tiefenstrukturelle grammatische Mechanismus, der zur Erscheinung dieser Strukturen führt, ein anderer sein muss, als in V2-Sprachen. Der V2-Begriff dient ihr folglich zur Benennung eines tiefenstrukturellen grammatischen Systems, das sie für das Altspanische ausschließt.



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Zusammenfassend lässt sich zur letzten Entwicklungsetappe der V2-Terminologie sagen, dass zur Bedeutungsbestimmung, aber auch zu deren Ausweitung auf einen syntaktischen Bildungsmechanismus von V2-Strukturen, bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts essentiell die lineare Restriktion relevant war, dass ausschließlich V2-Abfolgen in der Satzgliedkette auftreten dürfen. Heute scheint diese Restriktion vor allem in generativen Untersuchungen keine erhebliche Rolle mehr für die Verwendung des Begriffs V2 zu spielen.

Durch diese Tatsache ist die Bedeutung des Begriffsbestandteils 'zwei' letztlich leer geworden, denn die ursprünglich intendierte Bedeutung 'die zweite lineare Satzposition' ist verloren gegangen.


5 Fazit zur Begriffsgeschichte und Plädoyer für eine Gebrauchsveränderung

Abschließend möchte ich die Veränderungen der V2-Terminologie nochmals zusammenfassend, in Bezug auf die sprachliche Form, ihre Bedeutung und ihre Funktion diskutieren.

Zunächst zur äußerlichen Form: Es scheint, dass die Vorliebe für die kurzen Begriffe Verb-Zwei bzw. verb second und das Teilakronym V2, sowie für das Weglassen des Zusatzes -Stellung bzw. order die Veränderung der Bedeutung erleichterten, wenn nicht gar herbeiführten. Hätte man die ursprünglichen langen Formen beibehalten und an diese die neuen Zusätze ergänzend angefügt (also z.B. die Ausdrücke verb second order language oder Verb-Zweit-Stellungs-Sprache), hätte dies wohl nicht ohne weiteres zu einer Umdeutung der Terminologie geführt. Dass dies nicht der Fall war und die ursprünglichen, komplexen Formen in den Hintergrund traten, ist sicherlich auf Strategien der Vermeidung von zu langen und schwerfälligen Ausdrücken zurückzuführen.



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Was die Bedeutung des Begriffs betrifft, lässt sich folgendes resümierend festhalten: Bis heute gibt es noch die ursprüngliche Bedeutung, nach der der V2-Begriff als ein Begriff verstanden wird, der für die – relativ transparente – Beschreibung der Satzposition in der linearen Abfolge der Satzgliedkette verwendet wird. In dieser Lesart war der Begriff recht früh an ein wissenschaftliches Prinzip gekoppelt. Nach diesem Prinzip soll die Beschreibung von Satzstrukturen auf den Ergebnissen der konkreten Sprachproduktion basieren, also auf realisierten sprachlichen Äußerungen, der Ausdrucksseite von Sprache.38

Eine andere der heute verwendeten Bedeutungen, die in verschiedenen generativ ausgerichteten Untersuchungen vertreten wird, entspricht dem Gegenteil der ursprünglichen Bedeutung. Der V2-Begriff wird als Bezeichnung eines spezifischen Mechanismus einer zugrundeliegenden Grammatik mit Tiefenstruktur verstanden, für die oberflächlich kein V2-Phänomen gelten muss. Dieser Umstand schließt die ursprüngliche Lesart aus. Der Begriff V2 kann nicht mehr auf die zweite Satzposition in der linearen Redekette bezogen sein, wenn diese kein Definitionskriterium für das Phänomen mehr ist, das der Begriff bezeichnet. Die Transparenz des Begriffs ist in diesem Fall also geringer, da die zweite Satzposition nicht das ausschlaggebende Kriterium ist. Dennoch könnte man folgende neue Erklärung annehmen: Die Bedeutung 'zwei' kann dahingehend interpretiert oder verstanden werden, dass auf den zweiten Bewegungsmechanismus des Verbs aus der syntaktischen Basisposition heraus Bezug genommen wird. Im Rahmen des wohl etabliertesten generativen Analysemodells ergibt sich eine oberflächliche V2-Struktur in einer Sprache, wie dem Deutschen, wenn das konjugierte Element aus V über INFL hinweg (= Schritt 1) nach COMP (= Schritt 2) bewegt wird – bzw. in Modellen mit gesplitteten Ebenen über TEMP, AGR, etc. bis nach FORCE (vgl. Varga 2017: 120–122). So gesehen wäre der Begriff also immer noch transparent, da zwei Schritte vom Verb vollzogen werden. Dann hätte V2 die neue Bedeutung 'ein Verb macht zwei Schritte/Bewegungen'. Allerdings ist diese Interpretation des Begriffs nicht in allen Fällen des Erscheinens einer V2-Satzstruktur anwendbar, denn es wurde sowohl für einige germanische als auch für einige altromanische Sprachen vorgeschlagen, dass bei V2-Sätzen das Verb in INFL bleiben kann (vgl. Cardinaletti/Roberts 1991, Iatridou/Kroch 1992, Kroch/Taylor 1997, Trips 2002, Kaiser 2002, u.a.). In diesen Fällen herrscht also keine Übereinstimmung zwischen dem Bewegungsschritt und der Satzposition, weshalb das Begriffsteil ,zwei' eigentlich leer und somit irreführend ist. Wenn man nun argumentieren möchte, dass ausschließlich bei der Bewegung bis COMP ein "echtes" V2-System vorliegt und nur dann der V2-Begriff angemessen ist, so wäre aufgrund der Gefahr einer in die Irre führenden Vermischung der früheren und der neuen Bedeutung doch von seinem Gebrauch abzuraten.



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Abschließend lassen sich auch in Bezug auf die Funktion einige Punkte festhalten: Die Bedeutungsveränderung, die sich im Rahmen einiger generativ ausgerichteter Arbeiten ergab, hat dazu geführt, dass die referentielle Funktion des sprachlichen Zeichens Verb-Zeit bzw. verb second oder V2 entweder ins Leere führt, weil die neue Referentenposition leer ist (wenn nur eine Bewegung angenommen wird und die Referenz von 'zwei' nicht die Doppelbewegung sein kann). Oder aber die Funktion ist geschwächt, weil die Referenz ambig ist (wenn 'zwei' sowohl 'die zweite Position' als auch 'die zweite Bewegung' bedeutet und die zweite Oberflächenposition dabei aber gar nicht vom Verb besetzt wird). Möchte man annehmen, dass überhaupt keine Funktionsveränderung stattgefunden hat, weil V2 selbst in den entsprechenden generativen Arbeiten auch immer noch auf die Satzposition referiert, dann ist diese Annahme falsch. Eine solche Referenz ist ohne die entsprechende Bedeutung nicht gegeben. Und möchte man trotz dieser Einwände annehmen, dass die Referenz der neuen Bedeutung eindeutig sei und die neue Funktion entsprechend klar auf die zwei Schritte im Bewegungsmechanismus referiert, so stellt sich mir letztlich die Frage nach dem Sinn dieser Annahme. Mir scheint die Tatsache wichtig, dass bei einer solchen Annahme der V2-Begriff nicht mehr auf die Sprachdaten, sondern ausschließlich auf ein sprachtheoretisches Modell referiert, dessen Bezug zur Sprache in höchstem Maße abstrakt bleibt. Die Generative Grammatiktheorie Chomskys (1965, 1981, 1982, 1986a, 1986b, u.a.) stützt sich bei der Entwicklung ihres Syntaxmodells auf die Annahme, dass a) syntaktische Informationen vom Menschen nicht auf linearer Ebene – durch die Abfolge der einzelnen Wörter –, sondern über hierarchisch aufgebaute Strukturen verarbeitet werden,39 und b) dass Syntaxstrukturen mentale Vorgänge repräsentieren. Die zweite Annahme ist nun allerdings dann problematisch, wenn man sie an ein abstraktes Modell koppelt, das nur ein erfundenes Hilfsmittel und ein Gedankenkonstrukt ist. Denn eine Eins-zu-Eins-Beziehung zwischen den theoretisch entwickelten Strukturen des generativen Modells und der mentalen Verarbeitung von Sprache besteht in keinem Fall. Der in dieser Theorie angenommene – und im Modell dargestellte – Aufbau syntaktischer Strukturen sowie die postulierten Bewegungsoperationen dürfen nicht als reales Abbild eines mentalen Verarbeitungsprozesses verstanden werden, denn sie waren nicht als solche intendiert (vgl. Kaiser 2002: 91, Varga 2017: 117).

Es kann also festgehalten werden, dass der Begriff in dem sehr abstrakten Bezugsrahmen der generativen Syntaxtheorie in seiner neuen Bedeutung nicht mehr auf konkrete Sprachdaten referieren kann, sich darüber hinaus aber ebenso wenig auf mentale Verarbeitungsprozesse beziehen lässt. Er referiert lediglich auf Teile eines Modells, dessen Rechtfertigung aufgrund von großer Abstraktheit immer wieder angezweifelt wurde. Der empirische Bezug zur Sprache bei der neuen Begriffsbedeutung scheint gänzlich zu fehlen. Die Verwendung des Begriffs hat sich folglich vom eigentlichen Gegenstand der Linguistik – der tatsächlichen Sprache – wegbewegt.



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Grundsätzlich sollte an dieser Stelle die Frage gestellt werden, ob es bei der Wahl linguistischer Fachtermini nicht sinnvoller wäre, an unserem tatsächlichen Gegenstand, der realisierten Sprache, zu bleiben und uns nicht in der Abstraktheit von Modellen zu verlieren. Ungeachtet dieser Problematik, erscheint es in jedem Falle sinnvoll und notwendig, größere Transparenz und Klarheit im Umgang mit der V2-Terminologie zu gewinnen. Ich möchte daher dafür plädieren, den V2-Begriff ausschließlich in seiner ursprünglichen Bedeutung einzusetzen. Der Begriff sollte zur Bezeichnung der obligatorischen Position des Verbs an zweiter Stelle der linearen Satzgliedkette einer realisierten Äußerung verwendet werden und damit auch zur Bezeichnung von Sprachen dienen, die diese Position so besetzen. Sofern man im Rahmen der Generativen Theorie über eine Tiefenstruktur spricht, sollte man sich an die Kategorien und die Terminologie der Tiefenstruktur halten.

Ein, wie mir scheint, sinnvoller Veränderungsvorschlag für die diskutierte Terminologie, könnte sich auf den bereits von Haider (1985: 60) verwendeten Begriff der Verb-Movement-Sprachen stützen. Haider spricht von V-movement languages und in Bezug auf V2-Sprachen, wie dem Deutschen, von "special case of verb-movement languages" (Haider 1985: 75 (En. 1)). Entsprechend könnte der angemessene Begriff für Sprachen mit CP-Syntaxsystem CP-movement-language lauten, respektive mit IP-System IP-movement-languages (und analog CP-movement-Phänomen/-System/etc.). Dies wäre im Sinne geltender Begriffsbildungsnormen, nach denen die Beziehung zwischen dem Begriff und der von ihm bezeichneten Sache frei von Zweifeln und Ambiguitäten sein soll (vgl. Kabatek 2015: 335).



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Anmerkungen

1 Es ist mir bis heute keine Arbeit bekannt, die sich mit der V2-Fachterminologie auseinandersetzt.

2 Die deutsche Form Verb-Zwei hat sich als isolierte Kurzform kaum etabliert und ist deshalb in Klammern angegeben.

3 In den letzten Jahrzehnten haben sich noch weitere Ergänzungen mit den damit verbundenen Sachverhalten etabliert. Ich gebe in Abschnitt 2 einen Überblick.

4 Unter 'Bedeutung' ist die Inhaltsseite sprachlicher Zeichen zu verstehen, also diejenige Seite, die die kognitiv erworbenen Konzepte darstellt, die mit einer sprachlichen Form willkürlich verknüpft sind. Zu berücksichtigen ist, dass unterschiedliche Konzepte außersprachlich mit ein und demselben Referenten verknüpft sein können, sodass die Referenz nicht der Bedeutung entsprechen kann (so z.B. bei den Bedeutungen 'Morgenstern und 'Abendstern' mit Referenz auf denselben Planeten, die Venus). Coseriu (2007) unterscheidet in diesem Sinne zwischen Bedeutung und Bezeichnung und meint mit Bezeichnung die referentielle Seite des sprachlichen Zeichens (vgl. auch Kabatek 2015: 337 (Fn. 6)).



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5 Dass die Kurzformen in dieser Weise verwendet werden, sei anhand von zwei Beispielen exemplarisch dargestellt (es handelt sich um Titel, was jedoch nicht heißt, dass die Kurzformen auf Titel begrenzt sind): Rothweiler (2006): The Acquisition of V2 and Subordinate Clauses, in Early Successive Acquisition of German. Oder: Freywald (2009): Kontexte für nicht-kanonische Verbzweitstellung: V2 nach dass und Verwandtes [Contexts for non-canonical verb second: V2 after that and beyond].

6 Später wurde der Begriff V2-Struktur umgedeutet. Siehe hierzu Abschnitt 4.4.

7 Je nach Satzstellung ergibt sich eine andere Informationsstruktur und Betonung mit entsprechender informationsstruktureller Funktion (z.B. Kontrast in Beispiel (1b), hier könnte man ergänzen "Den gelben mag sie überhaupt nicht"). Dies ist auch bei den Beispielsätzen des Spanischen, Italienischen und Ungarischen der Fall, wobei die informationsstrukturellen Veränderungen in einer dieser Sprachen nicht zwangsläufig kongruent mit den Veränderungen in den anderen Sprachen sein müssen.

8 In diesem Fall befinden wir uns allerdings nicht mehr auf der rein deskriptiven, sondern auf einer analytisch erklärenden Ebene.

9 Im Spanischen kann die Syntax der Beispielsätze (1b), (1h) und (1j) nicht beibehalten werden. Beispielsatz (1d) ist zwar möglich, durch die Verneinung allerdings nur als V3-Satz realisierbar: En el jardín de infancia nunca se pelea Ana. Beispielsatz (1f) ist im Spanischen nur dann möglich, wenn ein resumptives Element auftritt: Cuando Ana entró en la habitación, la esperaba una sorpresa.

Im Italienischen kann die Syntax der Beispielsätze (1b), (1h) und (1i) nicht beibehalten werden. Die Sätze (1d), (1g) und (1j) sind im Italienischen nur aufgrund der Eigenschaft möglich, dass das Subjektpronomen nicht realisiert ist. Das realisierte Subjekt Anna stellt eine Rechtsdislokation dar: Al giardino d’infanzia non litiga mai, Anna. (Hier besteht darüber hinaus das gleiche Problem mit der Verneinung wie im Spanischen) / Stupidi non sono, gli studenti di Anna / Bere non voleva più, Anna. Beispielsatz (1f) ist auch im Italienischen nur unter der Bedingung möglich, dass ein resumptives Element auftritt: f. Quando Anna entrò nella stanza, la aspettava una sorpresa.

Im Ungarischen kann die Syntax der Beispiele (1g) und (1h) nicht beibehalten werden. Die Beispiele (1d) und (1j) können nur als Sätze mit Verbendstellung realisiert werden: Az óvodában Anna soha nem vitatkoszik / Inni Anna nem akart többet. Die Beispiele (1c) und (1e) können sowohl als V2-Sätze (siehe Text) als auch als V3-Sätze realisiert werden: (V3) A ponyra nogyan avatosan ült fel a kis Anna / (V3) Tegnap Anna férjhez ment.



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10 Wie auch in Fußnote 5, soll die Verwendung der Kurzformen zur Bezeichnung dieser Ebene ebenfalls exemplarisch anhand einiger Titel dargestellt werden: Anyadi (1992): The Acquisition of Verb Second in German oder: Håkansson (2001) Tense morphology and verb-second in Swedish L1 children, L2 children and children with SLI.

11 In jüngeren Untersuchungen ist die Exklusivität des V2-Satzes innerhalb eines Systems nicht mehr ausschlaggebend, um von einem V2-Phänomen zu sprechen (siehe Abschnitt 4.4.).

12 Der Begriff Grammatik ist in dieser Verwendung eigentlich unpräzise, da die Syntax nur einen Teilbereich der Grammatik darstellt. Dennoch wird der Begriff in diesem Kontext häufig verwendet, wobei je nach theoretischer Ausrichtung der Analyse natürlich ein anderes Grammatikkonzept zugrunde gelegt wird.

13 Der Begriff Phänomen bezeichnet im Grunde die Ebene des mit den Sinnen wahrnehmbaren Erlebens und Beobachtens. Wir nehmen wahr, dass alle Sätze einer Sprache dem V2-Satztyp entsprechen. Da von diesem Phänomen ausgehend auf ein spezifisches Syntaxsystem geschlossen wurde und dieses teilweise als Bestandteil des Phänomens angesehen wurde, werden die Begriffe Phänomen und System heute oft nicht klar von einander abgegrenzt und der erste Begriff gerne als Synonym für den zweiten verwendet (siehe Abschnitt 4.4).

14 Eine Ausnahme bildet das Englische. Ihm wird, obwohl es V2 nur in einigen spezifischen Kontexten fordert (Fragen, Sätze, die durch eine Negationsform eingeleitet werden, und Lokativinversion), von vielen Wissenschaftlern das V2-Phänomen zugeschrieben, allerdings immer mit der Einschränkung, dass es sich bei den betreffenden Strukturen um Reste eines alten V2-Stadiums handelt (vgl. Rizzi/Roberts 1989: 9).

15 Die Unterscheidung dieser drei Praktiken geht teilweise auf Coseriu zurück (vgl. Kabatek 2015: 336 (Fn. 5)).

16 Dass dieser Typ gerade in den Naturwissenschaften verstärkt auftritt, erklärt sich dadurch, dass hier meist Objekte Gegenstand der Forschung sind, die kein Produkt eigener Reflexion darstellen (wie in den Geisteswissenschaften), sondern als unbekannter – zunächst konzept- und namenloser – Gegenstand wissenschaftlich betrachtet werden (vgl. Kabatek 2015: 337).

17 Eigentlich müsste es demnach Prädikat-Zweit-Stellung heißen. Dieser Begriff hat sich allerdings nie etabliert, auch wenn Sprachwissenschaftler Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts noch von der Stellung des Prädikats sprachen (siehe Abschnitt 4.1).

18 Trotz dieser Sachlage können abstrakte Begriffe auch dazu dienen, Ambiguität zu verringern. Wie dies im vorliegenden Fall möglich sein könnte, werde ich in Abschnitt 5 darstellen.



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19 Der Übergang von den Langformen und zu Kurzformen erklärt sich sicherlich dadurch, dass die Langformen überflüssig wurden, da man zu einem gewissen Zeitpunkt wusste, was mit V2 gemeint war. Entsprechend war zu diesem Zeitpunkt auch die Referenz gewährleistet. Dennoch hat sich gezeigt, dass ein so hoher Grad an Ambiguität zu (Neu)Interpretationen des Begriffs führen konnte, in deren Rahmen die eigentlich intendierte Referenz nicht mehr gewährleistet war (siehe die Abschnitte 4.4–5).

20 In den Abschnitten 4.2–5 wird eine Begriffsgeschichte durch Bezugnahme auf verschiedene Arbeiten, die seit den 1950er Jahren entstanden, skizziert. Ich habe die meines Wissens zentralen Werke des 20. Jahrhunderts dabei berücksichtigt, doch war es nicht möglich, alle seit damals entstandenen Untersuchungen in diesen Beitrag aufzunehmen. Die jüngsten von mir genannten Untersuchungen stammen ausschließlich aus der Romanistik. Trotz dieses Defizits können wichtige Tendenzen und Entwicklungsetappen in der Begriffsverwendung und -umdeutung aufgezeigt werden.

21 Auch in der französischsprachigen Literatur finden sich vergleichbare Äußerungen zur Ähnlichkeit mit dem Deutschen, wie bereits bei Le Coultre (1875: 17): "[…] le verbe doit nécessairement occuper la seconde place dans la phrase, comme en allemand […]".

22 In der englischsprachigen Forschungstradition scheint sich bis dahin noch kein Fachterminus etabliert zu haben. Holms (1931: 194–199) beschreibt das Phänomen lediglich mit complement+predicate+subject.

23 Hilty (1975: 425) oder auch Rohlfs (1982: 241–244) kommen im Kontext der Analyse deutsch-(alt)französischer Wortstellungsähnlichkeiten letztlich nicht über den Begriff der Inversion hinaus.

24 Topikalisierung ist hier allerdings in einer rein syntaktischen Weise zu verstehen, also als Platzierung einer Nicht-Subjekt-Konstituente an den Satzanfang. Aus informationsstruktureller Perspektive ist der Begriff irreführend, da nicht nur topikalisierte Satzelemente vor das Verb treten können, sondern auch fokalisierte (vgl. Varga 2017: 93).

25 In diesem Sinne äußert Buridant (1993: 37) "L’ancien français se révèle [...] une langue de type <Thème-Verbe-Elément X>" und an anderer Stelle "[...] l’ancien français est typiquement, ou plutôt typologiquement, à un stade TVX, avec verbe second" (35). Ähnliches schreibt auch Marchello-Nizia (1999: 40): "l’AF est une langue V2, avec thème en tête".



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26 Unter einer Transformation ist in diesen Arbeiten noch nicht die später für V2-Sprachen üblicherweise angenommene Bewegung des Verbs nach INFL, oder die Bewegung des Verbs über INFL nach COMP gemeint. Diese Kategorien wurden erst in den 1970er und 80er Jahren eingeführt (vgl. Den Besten 1977: Chomsky 1981) und entfachten eine kontroverse Diskussion darüber, wie die Tiefenstruktur einer Sprache, die sich durch V2-Strukturen im Aussagesatz auszeichnet, im Detail aussehen muss (siehe Fn. 29).

27 Im Rahmen der generativen Grammatiktheorie ist von der "Oberfläche" die Rede, wenn die tatsächlich realisierte Sprachform gemeint ist – dies im Gegensatz zu dem in der "Tiefe" liegenden System, der angeborenen Universalgrammatik (vgl. Chomsky 1981). Diese Unterscheidung zwischen der Oberfläche und der Tiefe wird von mir nicht geteilt, ich werde dennoch – der Einfachheit halber – auf diese Begriffe zurückgreifen, sofern sie in Erläuterungen zur generativen Syntaxanalyse relevant sind.

28 Eine Begründung hierfür ergibt sich dadurch, dass einer Bezeichnung eines Sprachtyps zwar universale Prinzipien zugrunde liegen müssen (nach traditionell typologischem Verständnis), dass aber nach der Auffassung der generativen Grammatiktheorie die Satzoberfläche, also die geäußerte Form des Satzes, nicht als universales Prinzip zu verstehen ist (vgl. Reis 1974: 325).

29 Eine oberflächliche V2-Struktur ergibt sich nach der Theorie der generativen Grammatik, wenn das konjugierte Element aus V über INFL/IP (inflection) hinweg nach COMP/CP (complementizer) bewegt wird. Man nennt dies eine V-zu-I-zu-C-Bewegung. Parallel zu dieser Bewegung wird eine zweite Bewegung eines beliebigen lexikalischen Elements X in die Spezifiziererposition SpezCOMP angenommen, damit an der Oberfläche die erste Position besetzt ist. Die Hypothese, dass das Verb in die Komplementiererposition bewegt wird, äußert erstmals von Den Besten (1977: 1983, vgl. Haider 1985: 49). Alternativ dazu wurde vorgeschlagen, dass die Bewegung nur bis INFL ebenfalls einem V2-Sprachtyp zugrunde liegen könnte (vgl. Thráinsson 1986: 177, u.a.). Heute geht man in der Tradition von Rizzi (1997) von komplexeren Modellen mit einem aufgesplitteten IP- und CP-Bereich aus und von entsprechend präziseren Transformationsprozessen (vgl. Benincà 2001, 2006, Benincà/Poletto 2004, Mathieu 2013, u.a.). Bewegungen des Verbs sind bei diesen im Prinzip aber die gleichen. Entweder bewegt sich das Verb nur in den IP-Bereich oder es geht über eine spezifische IP-Position in den CP-Bereich. Einen Überblick über diese kontroverse Diskussion der vergangenen Jahrzehnte geben u.a. Kaiser 2002, Trips 2002, Varga 2017. Zu Erklärungen zu den Kategorien INFL und COMP sowie Erklärungen zu den Annahmen, warum sich das Verb tiefenstrukturell dorthin bewegen muss, vgl. ebenfalls Kaiser 2002, Trips 2002, Varga 2017.



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30 Haider (1985) verwendet teilweise die Bezeichnung "verb-second SOV", wohl um der typologischen Tradition gerecht zu werden, aber auch der Tatsache, dass es einen Unterschied zwischen Basis- und Oberflächenstruktur bei diesem Sprachtyp gibt: "the SOV-V/2-languages" (60) oder "verb-second SOV languages, like German or Dutch" (Haider 1985: 74).

31 Zu V2-Abweichungen in norwegischen Varietäten siehe auch Vangsnes/Westergaard 2005, u.a.

32 In zahlreichen Arbeiten zu angeblichen V2-Sprachen wird angenommen, dass alle nicht-V2-Sätze (V1- und V3-Sätze) nur oberflächlich keine V2-Struktur aufweisen, tiefenstrukturell aber V2-Sätze sind. Es wird u.a. angenommen, dass sich die V1-Stellung durch die Existenz eines leeren Operators ergibt, der die SpezCP-Position besetzen muss. Dies bedeutet, dass sich das Verb – gemäß den generativen Regeln für eine V2-Sprache – nach COMP bewegt, seine Spezifiziererposition aber nicht durch ein lexikalisches Element besetzt wird. Anders als beim V2-Satz bleiben die Argumente des Verbs in ihrer Basisposition, sodass sich oberflächlich die Inversionsstruktur V-S-X ergibt. Die Existenz des Operators wird unterschiedlich begründet (vgl. Roberts 1993: 57, Benincà 2006: 77–78, Ledgeway 2008: 442, u.a.). V3-Sätze wurden häufig durch die Existenz einer Extraposition erklärt. Nach dieser Auffassung ergibt sich die oberflächliche V3-Struktur durch die Tatsache, dass ein zusätzliches Element in präverbaler satzexterner Position steht. Satzintern befindet sich somit nur ein Element vor dem Verb, weshalb eigentlich doch eine V2-Struktur bestünde (vgl. Platzack 1985 (Fn. 1)). In Abgrenzung zu dieser Art der V3-Analyse wird seit einigen Jahren der Versuch unternommen, die initiale Position von V3-Sätzen mit einer V2-Tiefenstruktur als satzzugehörige Position zu definieren (vgl. Nolda 2004: 423). Zum Teil wird die linke Satzperipherie als gesplittete CP-Ebene aufgefasst, deren einzelne Positionen sich innerhalb der Satzgrenze befinden (vgl. Benincà 2001, 2006, Benincà/Poletto 2004, Mathieu 2013, u.a.). Für einen kritischen Überblick über unterschiedliche Begründungen zur angenommenen Existenz von V1- und V3-Strukturen mit einer V2-Tiefenstruktur (vgl. Varga 2017: 148–156).

33 Mit dem Akronym V2 wird zu diesem Zeitpunkt teilweise nach wie vor eindeutig auf die Oberfläche referiert oder explizit auf den Transformationsmechanismus. Teilweise scheinen diese Ebenen aber auch einfach unter dem Etikett V2 zusammengefasst zu werden.

34 Castillo Lluch (2015: 312–313) untersucht die Wortstellung in bestimmten Nebensatztypen und Relativsätzen, sowie passive oder attributive Strukturen mit ser. Bestimmte für den V2-Status "verdächtige" Muster, seien durch Latinisierungen bzw. aufgrund bestimmter stilistischer Diskurstraditionen entstanden.



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35 Diese Annahme rechtfertigt er dadurch, dass auch im Altgermanischen zwei Köpfe vor das Verb treten können, obwohl es sich um V2-Sprachen handle: "Old Germanic V2 languages were V2 despite the fact that they allowed V3 and V4 orders. Und: "[...] Old French shares with Older Germanic V2 languages [...] a richer left periphery than do Modern Germanic V2 languages, [...]" (341).

36 Sie untersucht Rechtsdislokationen, die als typisch für germanische V2-Sprachen angesehen wurden. Sie zeigt, dass es Strukturen sind, die auch im Lateinischen existierten und die im Altspanischen als Latinismen auftreten. Die Dislokationen gehen also auf den Einfluss lateinischer Diskurstraditionen zurück (15).

37 In ähnlicher Weise untersucht Sitaridou (2015: 16–17) Strukturen mit präverbalem satzinitialen Partizip oder Infinitiv und damit Sätze, die typisch für V2-Sprachen sind. Sie erklärt, dass diese altspanischen Sätze nicht der Tiefenstruktur entsprechen, die für V2-Sprachen angenommen wird. Auch hier wird die V2-Grammatik und somit die V2-Terminologie nicht an der oberflächlichen Struktur von V2-Sätzen ausgemacht, sondern an einem tiefenstrukturellen Mechanismus.

38 Diese Beschreibung wiederum dient dazu, die Grammatik einer Sprache als strukturiertes System zu entschlüsseln und systematisch und intersubjektiv zu beschreiben (vgl. Brinker 1977: 21).

39 Der hierarchische Aufbau syntaktischer Strukturen ist allerdings kein Alleinstellungsmerkmal der Generativen Linguistik, sondern das Grundprinzip vieler syntaktischer Modelle des 20. Jahrhunderts. Auch wenn bis heute keine gesicherten Kenntnisse darüber vorliegen, wie Menschen syntaktische Information verarbeiten, scheinen verschiedene Experimente tatsächlich auch dafür zu sprechen, dass grammatische Kompetenz nicht linear sondern hierarchisch aufgebaut ist (vgl. Stein 32010: 44).