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Johannes Franzen (Freiburg)



Autorinszenierung. Leistungsfähigkeit und Probleme autorzentrierter Forschung am Beispiel der Studie Posierende Poeten von Alexander M. Fischer


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Seit um die Jahrtausendwende die 'Rückkehr des Autors' eingeläutet wurde, hat die Diskussion um den Status des Autors als literarturtheoretische Größe eine kaum überschaubare Vielzahl an Beiträgen angehäuft.1 Eine Auswahlbibliographie in einem jüngeren Sammelband zu 'Theorien und Praktiken der Autorschaft' verzeichnet für den Zeitraum zwischen 2000 und 2014 über 550 Interventionen zum Thema (Schaffrick/Willand 2014). Man könnte von einer regelrechten Obsession der Literaturwissenschaft sprechen, die sich möglicherweise als (Über-)Reaktion auf die aggressive Autorkritik seit den 1960er Jahren verstehen lässt. Die Geschichte dieser anti-auktorialen Polemik prägt allerdings weiterhin die neueren Autorschaftsdebatten, denn hinter das durch die Kontroverse um den 'Tod des Autors' freigesetzte Reflexionsniveau möchte man auch nach der 'Rückkehr des Autors' nicht zurückfallen. "[M]it dem wiederauferstandenen Autor", schreibt Martina Wagner-Egelhaaf, trete "der Wiedergänger seiner selbst und damit eine höchst komplexe Reflexionsfigur auf den Plan, die sich ihres Konstruktionscharakters bewusst ist und produktives Kapital aus ihm bezieht" (Wagner-Egelhaaf 2014: 29). Im Hintergrund solcher Bekenntnisse steht die berechtigte Furcht davor, sich den Vorwurf konzeptueller Naivität ('Biographismus') einzuhandeln.




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Diese Gefahr droht vor allem im Fall konkreter autorzentrierter Studien. Dass man wieder über den Autor schreiben darf, ist inzwischen unbestritten; es bleibt die Frage, wie ein entsprechender Forschungsbeitrag beschaffen sein müsste, wenn er den Eindruck theoretischer Kurzschlüsse vermeiden möchte. Vor diesem Hintergrund erscheint die Analyse von Autorinszenierungen als eine der effektivsten Möglichkeiten, die Rückkehr des Autors empirisch umzusetzen, denn der Konstruktionscharakter einer Autorpersona wird durch den Begriff der 'Inszenierung' auf vorbildliche Weise zur Prämisse der Untersuchung gemacht. Der Autor erscheint aus dieser Perspektive als kulturell codierte Performance, die im Resonanzraum der literarischen Öffentlichkeit zur Aufführung kommt.

Auf diese Art lassen sich Aspekte der literarischen Kommunikation untersuchen, die durch den autorkritischen common sense der Vergangenheit aus dem Blick geraten sind – zuvorderst die Person des Autors. "Bei allen Bemühungen, den Autor als Kunstfigur zu begreifen", schreibt Christine Künzel im Vorwort des von ihr herausgegebenen Sammelbandes zu Autorinszenierungen, "sollte nicht vergessen werden, dass es sich jeweils (auch) um 'leibhaftige' Personen handelt" (Künzel 2007: 11). Entsprechend sollte das Interesse der Forschung auch der Körperlichkeit von Schriftstellern gelten, Attributen "wie Kleidung, Frisur oder Make-up". Es handelt sich zwar nicht, wie Künzel beteuert, um einen "in einem materialistisch-essentialistischen Sinne […] vordiskursiven anatomischen Naturkörper", sondern um den "performativ und diskursiv überformten Körper im Sinne Judith Butlers" (ebd.). Allerdings können solche konstruktivistischen Beteuerungen – das zeigt gerade der vorliegende Band – nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Autor wie er 'leibt und lebt' wieder im Scheinwerferlicht literaturwissenschaftlicher Untersuchungen steht.

Der von Christine Künzel und Jörg Schönert herausgegebene Band ist nur ein Beispiel für die hohe Produktivität, die der Forschungsgegenstand 'Autorinszenierung' in den letzten Jahren freigesetzt hat. Zahlreiche andere Sammelpublikationen lassen sich nennen;2 zudem Carolin John-Wenndorfs umfangreiche typologische Untersuchung Strategien von Autorinszenierung (John-Wenndorf 2014) sowie eine zweibändige autorzentrierte Veröffentlichung zur literaturwissenschaftlichen Skandalforschung (Bartl/Kraus 2014). All diese Beiträge beschäftigen sich mit der Art und Weise, wie der Autor sich als Person in den Vermittlungsprozess seiner Werke einmischt, wie er durch inszenierte Körperlichkeit bzw. durch die Verkörperung bestimmter Rollenmuster Aufmerksamkeit für seine Werke erzeugt und diesen Werken einen paratextuellen Kommentar beigibt. Künzels und Schönerts Band etwa vereinigt Studien zum charakteristischen Mikrofon-Sprechstil von Siegfried Lenz, zur fotografischen Selbstinszenierung Bertolt Brechts oder zu Stefan Georges Arbeit an seinem 'öffentlichen Gesicht'. Überhaupt gilt der visuellen Selbstpräsentation der Autoren ein besonderes Interesse, insbesondere der Fotografie von Autoren. Zu diesem Thema liegt inzwischen eine Monographie von Sandra Oster vor, die ihre Studie dezidiert im Forschungsfeld der Autorinszenierung verortet (Oster 2014). Zudem widmet sich ein Sammelband mit dem Titel Echt inszeniert dem Thema "Interviews in Literatur und Literaturbetrieb" (Hoffmann/Kaiser 2014).




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Autorinszenierung erscheint in diesen Beiträgen vornehmlich als ein Instrument, das dazu dient, "die tatsächliche Position des Autors im literarischen Feld zu stärken" (Niefanger 2004: 87). Im Hintergrund steht – implizit oder explizit – fast immer eine von Bourdieu beeinflusste literatursoziologische Perspektive. Diese Perspektive degradiert den Autor literarischer Texte in gewisser Weise zu einem unermüdlichen homo oeconomicus, dessen Handlungen als Strategien zur Akkumulation verschiedener Kapitalsorten (ökonomisch, kulturell, sozial, symbolisch etc.) gelesen werden müssen. Es handelt sich hierbei um eine effektive Methode, die Literaturgeschichtsschreibung, die sich oft zu stark auf die hochtrabenden poetologischen Aussagen der Autoren bezieht, in der realen Welt der Märkte zu grundieren. Es ergibt sich die Möglichkeit einer narzisstischen Kränkung der Literatur durch die Feldtheorie. Darauf weisen auch Christoph Jürgensen und Gerhard Kaiser hin, wenn sie schreiben, die Vorstellung eines "autonomen, gleichsam interesselosen Dichtertums" sei eine weitgehend akzeptierte "anti-ökonomische illusio" (Jürgensen/Kaiser 2011: 9). Konfrontiert man diese Vorstellung mit der Realität des Literaturbetriebs, zeigt sich, dass auch die Schriftsteller im Sinne einer 'Ökonomie der Aufmerksamkeit' (Franck 1998) ihre Haut zu Markte tragen müssen und dass gerade eine aggressiv inszenierte Marktferne dazu dienen kann, kulturelles Kapital anzuhäufen, das sich dann später in ökonomisches Kapital umsetzen lässt.

Diese Perspektive geht allerdings mit einem grundsätzlichen Problem einher (neben der offensichtlichen Gefahr der Vereinfachung). Es gelingt ihr nie ganz, die kulturkritischen Implikationen abzuschütteln, die mit dem Verdacht verbunden sind, der Autor dränge sich vor sein Werk, um eine außerliterarische Werbetrommel zu rühren. Der Literaturbetrieb wird nach wie vor als 'Verderben' der Literatur apostrophiert, wie Jan-Christoph Assmann in seiner Studie Poetologien des Literaturbetriebs gezeigt hat (Assmann 2014). Tatsächlich werden viele Formen von Autorinszenierung mit dem Vorwurf bedacht, sie würden dazu beitragen, das Werk mit paratextueller Reklame zu überwuchern. So diagnostiziert Marc Reichwein in einem kritischen Artikel zu Literaturskandalen eine "allgemeine Professionalisierung der Kulturvermittlung", der es vor allem darum zu tun sei, Literatur mithilfe von "Personalisierung", "Visualisierung" und "Etikettierung" effektiv zu positionieren. Diese journalistische "Inszenierungslogik" habe dafür gesorgt, dass "werkexterne und werkbegleitende Aspekte von Literatur" zunehmend an Bedeutung gewännen (Reichwein 2007: 97).




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Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Jürgen Kaube in seiner Polemik gegen die Veröffentlichungsinszenierung des letzten Romans von Christian Kracht (Die Toten, 2016): Um Zugang zu den exklusiven Rezensionsexemplaren zu bekommen, hätten sich einige Medien etwas zu willfährig auf das Spiel der Autorinszenierungen eingelassen. Anstatt einer Rezension des Romans hätten sie "eine jener Ich-hab-mich-mit-dem-Autor-getroffen-Besprechungen" veröffentlicht (Kaube 2016). Kaubes Kritik richtet sich im Wesentlichen gegen die feuilletonistische Gattung des Porträts, da sie das Werk vernachlässige und die Person des Autors überbetone: "Dass Krachts Krawatte locker gebunden ist und er für sich und den Kritiker Rindertatar bestellt, ist ersatzweise natürlich sehr interessant". Die Konzentration auf Attribute "wie Kleidung, Frisur oder Make-up" im Sinne Künzels erscheint aus dieser Perspektive als deutlicher Indikator für die Korruption der Literaturberichterstattung.

Eine evaluative Ambivalenz ist, wie diese Beispiele zeigen, dem Thema 'Autorinszenierung' immer schon eingeschrieben. Dass die Person des Autors für die Rezeption seiner Werke eine Rolle spielt, obwohl doch diese Werke eigentlich für sich stehen sollten, bleibt ein Skandalon der modernen Literaturgeschichte. Das damit verbundene Konfliktpotential kann und sollte in der literaturwissenschaftlichen Auseinandersetzung nicht aufgelöst oder geleugnet (allerdings auch nicht unterschwellig reproduziert) werden. Stattdessen muss jede Auseinandersetzung mit Autorinszenierung sich dem Rätsel stellen, warum die Leser literarischer Werke so sehr am Leben der Autoren interessiert sind. Woher kommt die Neugier des Biographismus? Warum sind verschiedene Strategien der Selbst-Inszenierung so erfolgreich? Auf welches Bedürfnis reagieren sie?


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Alexander M. Fischers Studie Posierende Poeten. Autorinszenierungen vom 18. bis zum 21. Jahrhundert (Fischer 2015) zeigt sowohl die Leistungsfähigkeit als auch die Probleme des Forschungsgegenstandes 'Autorinszenierung'. Die umfangreiche Arbeit ist in drei Teile gegliedert: eine Einleitung, die den Gegenstand theoretisch fundiert, ein 'analytischer Teil', der Fallstudien zu einzelnen Autorinszenierungen enthält, und ein abschließender Teil mit systematischen und historischen 'Perspektivierungen'. Der Einstieg wirft ein Schlaglicht auf ein Phänomen, das aus der Perspektive herkömmlicher Literaturwissenschaft als Gipfel biographistischer Nebensächlichkeit erscheinen muss: die Frisur des Autors. Fischer zeigt, wie Jakob Wassermann sich in seinem äußeren Erscheinungsbild und insbesondere in seiner Haartracht an ikonischen Darstellungen des französischen Klassikers Honoré de Balzac orientierte. Aus dieser Form der Mimikry werden nun weitreichende kulturwissenschaftliche Deutungen abgeleitet: "Denn Wassermann frisiert und rasiert sich in einer Weise, die sein Haar zu einem Zeichen werden lässt, welches das Haar und die Frisur des großen französischen Romanciers andeutet […]" (49). Der Verweis auf Wassermanns kanonisches Haar ist eine deutliche Provokation, die den Leser auf die Schwerpunktsetzung der Arbeit einstimmen soll. Tatsächlich stehen im Mittelpunkt der Untersuchung eben jene Aspekte von Autorschaft, die erst der Verweis auf feldtheoretische Mechanismen sichtbar macht. Neben dem äußeren Erscheinungsbild des Autors gehören dazu vor allem sein Konsumverhalten (Autos, Zigarren, Interieurs) und sein soziales Verhalten.




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Die Einleitung der Studie bündelt die bisherigen theoretischen Überlegungen zum Thema: 'Autorinszenierung' soll im Sinn der etablierten feldtheoretischen Definition "all jene Akte und Formen der auktoriale[n] Selbstdarstellung" bezeichnen, "durch die Schriftsteller mehr oder minder öffentlichkeitsbezogen für ihr Werk und ihre Person Aufmerksamkeit erzeugen" (32). Ziel der Arbeit sei es, "die (wiederkehrenden) Arten, Qualitäten und Funktionsweisen der Verflechtung schriftlicher bzw. literarischer und nicht schriftlich-außerliterarischer Autorinszenierungen in den Mittelpunkt der Analyse zu rücken" (30). Da es sich bei diesen Inszenierungen um öffentlichkeitswirksame Phänomene handelt, gilt das Interesse insbesondere den theatralisch-performativen Aspekten der jeweiligen Positionierung. Aus den möglichen Begriffen, die für den Forschungsgegenstand infrage kommen (Reklame, Logo, Image, Reputation, Marke), wählt Fischer den der Pose, als wertneutrale "Alternative zum soziologischen Rollen-Begriff" (42). Posieren bezeichnet demnach:

allgemein und weitgreifend die habituell bedingte, distinktiv markante Vermittlung, Verkörperung, Interpretation, Zurschaustellung oder Selbstzuschreibung eines spezifischen Verhaltens, einer spezifischen Haltung, Position, 'Figur', Gestalt bzw. Theater-Rolle im Rahmen sozialer Praktiken (inklusive Diskurse) bzw. kultureller Texte. (43)

Diese etwas ausufernde Definition von Pose zeigt, dass die Ambition, viele theoretische Modelle zu vereinen, terminologische Probleme mit sich bringt. Eine literaturwissenschaftliche Studie muss vor allem an einer konzeptuellen Operationalisierbarkeit interessiert sein, die das terminologische Besteck zur Verfügung stellt, mit dem konkrete Phänomene untersucht werden können – ein Anspruch, der von Fischer auch eingelöst wird: Denn im Endeffekt läuft die Diskussion der verschiedenen Modelle darauf hinaus, dass es bei Autorinszenierungen um öffentliche Handlungen eines Autors geht, die ein kulturell vorgeprägtes Rollenmuster vermitteln sollen.

Der umfangreichste Teil der Arbeit umfasst die sechs Fallstudien zu einzelnen Autoren bzw. Autorengruppen. Das 18. und 19. Jahrhundert erscheint mit Studien zu Johann Wilhelm Ludwig Gleim und August von Platen etwas mager repräsentiert. Ein deutlicher Schwerpunkt liegt auf kanonischen Autoren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Hugo von Hofmannsthal, Thomas Mann und Bertolt Brecht. Eine Studie zu Heiner Müller als Brecht-Nachfolger und eine abschließende Untersuchung der deutschen Popliteratur bringen den Untersuchungszeitraum knapp über die Jahrtausendgrenze. Die Einzeluntersuchungen folgen dabei alle einer ähnlichen Struktur: Zunächst wird aus literarischen und autopoetischen Texten die innerliterarische Inszenierung (mithin die Pose) der Autoren abgeleitet. In einem zweiten Schritt werden die außerliterarischen Inszenierungsstrategien analysiert, die dazu führen sollen, dass die entsprechenden Posen öffentlichkeitswirksam durch die Person des Autors legitimiert werden.




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Es zeigt sich, dass die meisten Autoren im Verlauf ihrer Karriere mehrere Posen eingenommen haben, die teilweise miteinander konvergieren, sich teilweise aber auch (im Sinne ästhetischer oder politischer Konversionen) widersprechen. Gleim etwa habe – neben der Rolle als preußischer Grenadier und später als Hüttner und Altvater – die Posen eines "deutsche Anakreon" eingenommen. Diese Pose wird vor allem vor dem Hintergrund des Freundschafts- und Geselligkeitskultes des 18. Jahrhunderts untersucht. Die komplexe Kommunikationssituation, die in Gleims Versuch in scherzhaften Liedern entworfen wird, sei zwar geprägt von der Distanz der Rollenlyrik, zeige gleichzeitig aber durch die Widmungen an reale Freunde eine "Selbststilisierung zum (dichtenden) Freund" (70). Die Rollenspiele der Gedichte werden dahingehend gedeutet, dass Gleim sich "seinem Publikum nachdrücklich als ein Dichter" präsentiere, "dem im Leben nichts wertvoller ist als Freundschaft" (71).

Dieses Rollenbild wird nun mit Inszenierungsstrategien Gleims konfrontiert, die zum einen im halb-öffentlichen Resonanzraum der Briefwechsel eingesetzt werden, zum anderen in materiellen Repräsentationsformen ihren Ausdruck finden. Dazu gehört vor allem Gleims "Freundschaftstempel in Halberstadt als gewaltige Bühne", auf der sich der Autor als "Dichterfreund und Freundschaftsdichter" in Szene setzen kann (76). Untersucht wird die Art und Weise, wie sich der Autor durch die Anordnung der Gemälde von Freunden und die Positionierung und Gestalt seines Stuhls ("der Gleimstuhl") öffentlichkeitswirksam eine Führungsposition im Freundschaftsdiskurs seiner Zeit zu verschaffen versuchte. Fischer kommt zu folgendem Fazit: "Die Dekoration von Gleims Halberstädter Wohnhaus entspricht der eines sorgfältig arrangierten Bühnenbildes, das als ein zusätzliches Zeichensystem seine literarischen Texte ergänzt und den semantischen Mehrwert einer Überpointierung des Freundschaftsmotivs erzeugt" (79).

Diese Interpretation ist in vielfacher Hinsicht charakteristisch für die Methode der gesamten Studie: Die außerliterarischen Inszenierungen erscheinen als Ergänzung der innerliterarisch konturierten Posen. Ähnlich verhält es sich mit Platen, dessen Posen als "Büßender, Leidender, Unzeitgemäßer" bzw. als "Klassiker in spe" (so die Kapitelüberschriften) zunächst aus Gedichten und Tagebuchaufzeichnungen abgeleitet werden, um sie dann auf jene außerliterarischen Handlungen des Autors zu beziehen, die zur öffentlichen Verkörperung dieser Rollenmuster beitragen konnten. Die Posen werden also "auch in seinem öffentlichen Auftreten gegenüber seinem potentiellen Leserpublikum theatralisch-performativ dargeboten" (119). Dazu gehöre zunächst die habituelle Erscheinung Platens, der während seiner Kadetten- und Pagenzeit "die Neigung hatte, sich bewusst zu isolieren" und sich als "ein intellektuell überlegener Einzelgänger und Außenseiter" zu exponieren. Die "abgenutzte Kleidung" pointiere diese Rolle und zeige, dass Platen sich als Dichter inszenierte, der "kraft seiner besonderen künstlerischen Befähigung" dazu legitimiert war, sich über gesellschaftliche Konventionen hinwegzusetzen, "indem er sich etwa leistet, seiner Kleidung und Toilette keine wesentliche Aufmerksamkeit zukommen zu lassen" (123). Platens "Wanderleben in Italien" wiederum wird als "eigentlicher Höhepunkt der performativen Selbstinszenierung" gedeutet. Der Dichter präsentiere sich durch diese Handlung als "Vertriebener", der im selbstgewählten Exil den Unverstand seiner Zeitgenossen flieht und sich so auf die in Italien beheimatete "Kultur der Antike" beziehen kann. Der Aufenthalt sei somit als "künstlerische Positionierung" zu verstehen.




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Die Frage, wo sich der Autor aufhält, scheint überhaupt maßgeblich für den Charakter seiner Inszenierungspraktiken zu sein. Das gilt nicht nur für Platens Exil in Italien, sondern auch für das Gartenhäuschen in Erlangen, wohin er sich zum Schreiben zuweilen zurückzog. Indem Platen seine Stadtwohnung verlässt und sich "in die geschützte, idyllische Natur seines Gartens zurückzieht", vollziehe er "eine Performance, über die er sich in spezifischer Weise in einer literarischen Tradition verortet […]" (140). Gemeint ist die antike Schäfer- und Idyllendichtung. Allerdings sei der Aufenthalt auch als Anspielung auf die Arbeitsplätze Goethes und Schillers zu verstehen, die ebenfalls zeitweise in Gartenhäusern gearbeitet hätten. Ähnlichen Analysen werden die Interieurs der Behausungen von Hofmannsthal und Thomas Mann unterzogen. Beide Autoren seien auf die Vermittlung einer gewissen Großbürgerlichkeit bedacht gewesen, die einen künstlerischen Repräsentationsstatus untermauern sollte. Im Kontrast dazu stehe Brechts Augsburger Mansarde, deren Einrichtung seinen damals "grundsätzlich antibürgerlichen Gestus" (350) zum Ausdruck gebracht habe und so den Bohemien der frühen Gedichte lebensweltlich plausibilisieren konnte.

Die Analysen dieser verschiedenen Aspekte einer außerliterarischen Autorinszenierung erscheinen durchaus faszinierend und ermöglichen zahlreiche interessante Beobachtungen. Allerdings werden auch einige allgemeine Probleme der Methode deutlich, etwa in Bezug auf die Quellen: Gerade, was das öffentliche Verhalten der Autoren angeht, muss Fischer immer wieder auf persönliche Anekdoten zurückgreifen. So wird die Pose des jungen Hofmannsthal als "Dichter-Aristokrat", die vor allem in seinem "besonderen Gesprächs- und Diskussionsgestus" zu lokalisieren sei (183), aus biographischen Reminiszenzen abgeleitet. Dazu gehört die Einschätzung Felix Saltens, aus Hofmannsthals Stimme habe immer "jener österreichische Aristokratenhochmut" gesprüht, "der sich hinter lächelnder Einfachheit verbergen will"; oder eine biographische Vignette Rudolf Kassners, der junge Hofmannsthal habe Dichterkollegen, die ein Zitat Dantes mit den Worten abgeschlossen hätten "Wie Dante doch so schön singt!", mit hoher Stimme korrigiert: "Dante singt nicht!" (184). Diese Anekdoten, die den jungen Dichter vor allem als überspannten Schnösel und Besserwisser charakterisieren, werden nun als wichtige Quelle seiner Autorinszenierung analysiert. Hofmannsthal, so lautet das Ergebnis der Interpretation, habe Gespräche nicht nur "um ihrer selbst willen" geführt, sondern als Anlass "zur lustvollen Darbietung und performativen Reflexion der eigenen Gedankenwelt, zum offensichtlichen Brillieren mit Sprache" (185).




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Dass Gespräche immer auch ein Ort habitueller Selbstinszenierung sind, ist zunächst einmal nicht überraschend; zudem erscheint die Verlässlichkeit der anekdotischen Hinweise auf einen sich im persönlichen Umgang dichterisch gebärdenden Hofmannsthal zumindest fragwürdig. Vor allem aber stellt sich die Frage, wie öffentlich manche der von Fischer untersuchten Inszenierungspraktiken wirklich sind. Zahlreiche der verwendeten Quellen, etwa Briefe und nachträglich gesammelte Anekdoten, verweisen auf Ereignisse und Verhaltensweisen, die sich in einem privaten bzw. halb-öffentlichen Rahmen abspielten. Gleims kommunikative Rollenspiele, Hofmannsthals Gesprächsverhalten, die Einrichtung der Bohème-Mansarde Brechts oder die ironisch-feierlichen Lesungen des jungen Thomas Mann im familiären Kreis sind teilweise erst durch biographische Erzählungen im Nachhinein einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden.

Tatsächlich macht Fischer selbst auf den halb-öffentlichen Charakter zahlreicher Performances aufmerksam. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die Macht von Multiplikatoren. So berichtet Ilse Martens – eine Freundin der Familie Mann – Thomas sei bei privaten Lesungen aus dem Manuskript der Buddenbrooks, mit einem Frack bekleidet, "ungeheuer vornehm und ernst" aufgetreten (245). Diese Auftritte, schreibt Fischer, hätten zunächst in einem "intimen Kreis" stattgefunden, seien dann aber vom entsprechenden "Insider-Publikum" im Sinne eines "Aufmerksamkeits-Multiplikators oder Populisators" verbreitet worden (248). Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob die überlieferte Anekdote von Martens als Beweis einer solchen Breitenwirkung ausreicht. Ähnlich verhält es sich mit einem ironisch-virilen Epigramm, das Brecht in sein Carl Zuckmayer gewidmetes Exemplar des Manuskripts von Im Dickicht geschrieben hatte. Auch in diesem Fall erscheint es fraglich, ob Brecht mit dieser Widmung tatsächlich auf Zuckmayers "Wirkung als Multiplikator im literarischen Feld" gehofft hatte (371).

Die methodische Frage, die sich in dieser Hinsicht stellt, lautet: Wie viel Öffentlichkeit benötigt eine auktoriale Handlung, um als Autorinszenierung verstanden zu werden? Denn grundsätzlich ist ja zunächst einmal jede Handlung – auch im privaten Rahmen – Bestandteil des Habitus einer Person. Es wäre allerdings terminologisch unbefriedigend, alle Handlungen eines Autors als Teil seiner Inszenierung zu betrachten. Ein brauchbares Unterscheidungskriterium wäre die Existenz einer gewissen Öffentlichkeit, an die sich eine Performance wendet und davon ausgehend eine gewisse öffentliche Resonanz, an der sich ablesen lässt, ob eine Handlung die Position des Autors im literarischen Feld tatsächlich zu stärken vermochte. Dazu müsste die gesamte Kommunikationssituation einer Inszenierung rekonstruiert werden, was bedeutet, dass vor allem deren Rezeption in den Blick genommen wird. Eine Verhaltensweise oder der Konsum eines Produkts werden erst dann zum Teil der Autorinszenierung, wenn sie vor einem ausreichend großen Publikum tatsächlich inszeniert werden. Dass dieser Aspekt der literarischen Kommunikation zuweilen unterbelichtet bleibt, ist kein alleiniges Problem der vorliegenden Studie, sondern deutet auf allgemeine Schwierigkeiten der Forschung zur Autorinszenierung hin. Zum einen lässt sich nur schwer bestimmen, welcher Umfang des Publikums die Rede von einer öffentlichen Handlung legitimiert, zum anderen fehlt es – gerade für die Zeit vor der Entwicklung der professionellen Literaturberichterstattung – an maßgeblichen Rezeptionszeugnissen, an denen sich die Öffentlichkeitswirksamkeit einer Performance ablesen lässt.




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Daran schließt sich die allgemeine Frage an: Was ist eigentlich keine Autorinszenierung? Zuweilen stellt sich bei der Lektüre von Posierende Poeten (und anderer Beiträge zum Thema) der Eindruck einer gewissen Beliebigkeit ein, eine Tendenz, jede Handlung eines Autors poetologisch aufzuladen. Das gilt etwa für das Konsumverhalten der Autoren wie Brechts ostentatives Zigarrerauchen oder die Art und Weise, wie Thomas Mann Ringe an seinen Händen trägt. Manchmal kommt Fischer auf diese Weise zu Deutungen, die in Bezug auf die alltägliche Verrichtung, um die es geht, doch sehr subtil erscheinen. So wird der Zusammenhang zwischen den Texten Brechts, in denen es um das Rauchen geht, mit seiner öffentlichen Inszenierung als Raucher folgendermaßen enggeführt: "Jedes Foto, das Brecht mit Zigarre zeigt, verweist in letzter Konsequenz zurück auf die literarisch formulierte Intention des Stückeschreibers, die kulturellen 'Apparate' zu verändern, das Theater zu reformieren und an die Bedürfnisse seiner Zeit anzupassen" (373). Diese Deutung wird zwar durch eine umsichtige Lektüre entsprechender Texte vorbereitet, erscheint aber doch etwas weitgehend.

Die Frage danach, was keine Autorinszenierung ist, bezieht sich auch – und in besonderer Weise – auf die Handlungen eines Autors, die im klassischen Sinne als 'dichterisch' zu bezeichnen sind. Gehören die Werke eines Autors zu den Instrumenten seiner Selbstinszenierung? Ist das Schreiben, die Tätigkeit also, die den Autor überhaupt als Autor charakterisiert, ebenfalls Teil seiner Pose? Folgt man Fischer, dann sind diese Fragen im Sinne seiner Unterscheidung von innerliterarischen und außerliterarischen Autorinszenierungen deutlich zu bejahen. Vor allem autopoetische Zeugnisse wie Platens Tagebücher oder die poetologischen Essays Hofmannsthals und Thomas Manns werden als Vehikel innerliterarischer Inszenierung ausgewertet. So heißt es etwa, dass Hofmannsthal sich "durch seine im D'Annunzio-Essay gegebene Selbstbeschreibung" letztlich "als Künstler außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft" positioniere oder dass er in seinem Text Poesie und Leben die "Pose des elitären Außenseiters" inszeniere (169).

Diese Rekonstruktion der jeweiligen Autorschaftsmodelle aus autopoetischen Zeugnissen sind leider eine Schwäche der Arbeit: Während die Analysen der außerliterarischen Inszenierungsstrategien durchgehend fruchtbare und neue Perspektiven eröffnen, beschränken sich die teilweise recht umfangreichen Aufarbeitungen auktorialer Selbstverortung auf weitestgehend Bekanntes. So wird noch einmal dargelegt, dass Gleim dem Freundschaftskult der mittleren Aufklärung verpflichtet war oder dass Hofmannsthal sich vom jugendlichen Décadent zum österreichischen Nationaldichter entwickelte. Auch die Karriere Thomas Manns – vom frühen Décadent zum bürgerlichen Großschriftsteller und zum Repräsentanten deutscher Kultur – wurde bereits vielfach untersucht und nacherzählt. Die Frage, die in diesem Zusammenhang gestellt werden sollte, ist nicht unbedingt, ob die literarischen Werke, in denen Autorschaftsmodelle entwickelt werden (und das gilt implizit wohl für alle Werke eines Autors), zur Autorinszenierung gehören oder nicht; stattdessen sollte man fragen, welche neuen Erkenntnisse die Analyse der auktorialen Positionierungsstrategien erschließen kann.




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Dass Autoren sich mit ihren Werken und den begleitenden Kommentaren dem ein oder anderen Rollenbild verpflichten, ist keine neue Erkenntnis und in vielen Fällen gut erforscht (vgl. z.B. Barner 1981 und Frick 1999). Wirklich innovativ und erkenntnisleitend ist die Frage nach der Autorinszenierung dann, wenn sie den Bereich der außerliterarischen Performances in den Blick nimmt und die damit einhergehende materielle Kultur untersucht. Zu Thomas Manns Künstlerkonzeption ist schon viel geforscht worden, zum Interieur seines Hauses oder seinen Autos aber nicht. Die vorliegende Studie zeigt, dass die feldtheoretisch fundierte Forschung zur Autorinszenierung hier fruchtbares Neuland erschließen kann. Dazu wäre es aber nicht nötig gewesen, die poetologischen Selbstverortungen der Autoren noch einmal umständlich herauszuarbeiten.

Dieser Einwand gilt allerdings nicht für Autoren, deren Werke mit der entsprechenden Selbstinszenierung in einem wesentlichen Dialog stehen – Werke also, die ohne das Beiwerk der auktorialen Posen nicht funktionieren würden. So können deutlich autobiographische Texte plausibel als Teil der Autorinszenierung betrachtet werden. Zum einen sind solche Texte nämlich darauf angewiesen, dass die Leser über ein ausreichendes Wissen zum Leben des Autors verfügen, zum anderen gehört zu den intendierten Rezeptionseffekten solcher Texte der Eindruck einer gewissen Authentizität, der durch das angedeutete Versprechen, hier gehe es um Selbsterlebtes, erweckt wird. Die frühe Lyrik Brechts, in der er sich als poète maudit zu erkennen gibt, ist natürlicher Teil einer Selbstinszenierung, die darauf abzielt, dass der Autor die Dinge, von denen er schreibt, aus eigener Erfahrung kennt. Fischer zeigt, wie das entsprechende Verhalten (auch fotografisch dokumentiert) vom Autor im Kreis seiner Freunde und Kollegen bzw. der Halb-Öffentlichkeit des literarischen Feldes im Sinne einer Strategie der Plausibilisierung vorgeführt wurde.

Das gilt gerade für die neue deutsche Popliteratur, der das letzte Kapitel des Analyseteils gewidmet ist. Hier zeigt sich, dass es Formen der Literatur gibt, bei denen die Autorinszenierung als unverzichtbarer Bestandteil des Werkes betrachtet werden muss. Insbesondere die beiden Protagonisten der Bewegung Christian Kracht und Benjamin von Stuckrad-Barre werden in der Art ihrer medialen Auftritte analysiert. Diese Auftritte zeugen von einem Bewusstsein für die Bedeutung eines auf Sichtbarkeit ausgerichteten "Autor-Labels" (486). Für diese Autoren werden die neuen medialen Möglichkeiten der Autorinszenierung zum Spielmaterial, mit dem die autofiktionalen Spiele der Werke außerliterarisch (wenn man die Unterscheidung hier überhaupt halten kann) fortgeführt werden können.




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Posierende Poeten schließt mit einem Kapitel zu "Perspektivierungen", das zunächst eine systematische Perspektive, ein begriffliches "Koordinatensystem" bzw. eine "Orientierungsmatrix" bieten möchte (551). Die hier aufbereiteten "Analysekategorien" sind hilfreich und maßgeblich für jede weiterführende Auseinandersetzung mit dem Thema. So geht Fischer etwa auf die Fragen nach Urheber, Ort oder gesellschaftlichem Anlass einer Inszenierung ein und greift bei der Systematisierung dieser Aspekte auf die vorhergehenden Fallstudien zurück. Der zweite Teil des Schlusskapitels gilt dagegen einer (betont) skizzenhaften Entwicklungsgeschichte des Gegenstandes. Demnach lässt sich die Geschichte der Autorinszenierung in eine Zeit vor und nach der Herausbildung des modernen literarischen Marktes einteilen. Für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts konstatiert Fischer eine "Verschärfung des Inszenierungsdrucks auf Seiten der Autoren" (574). Diese wird aus den strukturellen Veränderungen des literarischen Feldes – der Kodifizierung des Urheberrechts und damit einhergehend einem Zuwachs an Konkurrenz – erklärt. Die literaturhistorische These des Buches lässt sich also in der Formel 'Je mehr Markt, desto mehr Inszenierungsdruck' zusammenfassen. Eine allgemeine Verknappung der Ressource Aufmerksamkeit fordert neue und intensivierte Formen der Eigen-PR heraus. Thomas Manns offensive Selbstinszenierung als "Star" und "Nationaldichter" reagiere demnach auf eine erneute Steigerung des Positionierungsdruckes durch Medienkonkurrenz und Massenpublikum. Damit wäre auch die kulturkritische Implikation des Konzepts Autorinszenierung wieder vernehmlich: Auf den "Verlust ihrer kulturellen Deutungshoheit" (582) müssen die Autoren etwa durch die Ostentation einer priesterlichen Pose reagieren (Hofmannsthal).

Diese abschließenden historischen Überlegungen bieten eine hilfreiche Perspektivierung der vorangehenden Fallstudien. Allerdings wäre eine stärkere historische Verknüpfung der Analysen wünschenswert gewesen, auch wenn Fischer zu Beginn darauf hinweist, dass die einzelnen Kapitel als eigenständige Studien "nicht direkt aufeinander aufbauen", um "die wissenschaftliche Rezeption zu erleichtern" (64). Immerhin verspricht der Untertitel von Posierende Poeten eine Studie zu Autorinszenierungen vom 18. bis zum 21. Jahrhundert und vermittelt so einen massiven diachronen Anspruch. Insofern hätte man gerne mehr darüber erfahren, inwiefern die einzelnen Autoren repräsentativ für die Autorinszenierung ihrer Zeit sind. Zudem vermisst man an manchen Stellen eine noch umfangreichere historisch-literatursoziologische Rekonstruktion des literarischen Feldes – gerade, da die Bedeutung des Marktes für die Intensität und Gestalt der unterschiedlichen Performances im historischen Schlusskapitel der Arbeit so deutlich markiert wird.




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Trotz dieser konzeptuellen Schwierigkeiten bietet Posierende Poeten eine umfassende und subtile Synthese des Forschungsfeldes 'Autorinszenierung'. Insbesondere in Bezug auf materielle Inszenierungskulturen werden – auf der Basis eines beeindruckenden Quellenfundus – maßgebliche neue Erkenntnisse geboten. Die Leistungsfähigkeit der Methode zeigt sich vor allem dort, wo sie auf Gegenstände und Verfahren des Literarischen angewendet wird, die durch das Biographismus-Verdikt verschüttgegangen sind. So kann schließlich eines der grundsätzlichen Rätsel der Literaturwissenschaft in den Blick genommen werden – das Rätsel nämlich, warum zumindest nicht-professionelle Leser sich störrisch weiter für das Leben von Autoren fiktionaler Werke interessieren, obwohl ihnen das von den ästhetischen Gesetzgebern aller Zeiten verboten wurde. Diese Frage wird im Ausblick von Posierende Poeten angedeutet, wenn Fischer schreibt, es sei "mehr als fraglich, ob die methodische präzise Trennung zwischen den Kategorien von Autor und Erzähler von der Mehrzahl der Leser mitgetragen" werden (587). Autorinszenierung funktioniert nachfrageorientiert, und die vorliegende Studie zeigt eindrücklich, dass die entsprechende Nachfrage für den Bereich der modernen Literaturgeschichte ausgesprochen hoch war (und ist). Wie lässt sich diese Neugierde auf die Person des Autors, ohne die es die dargestellte Vielzahl von Performances wohl kaum geben würde, erklären? In jedem Fall nicht dadurch, dass man alle Lektüren, die das persönlich Außerliterarische in den Blick nehmen, als naiv biographistisch abwertet.


Bibliographie

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Barner, Wilfried (1981): "Poeta doctus. Über die Renaissance eines Dichterideals in der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts", in: Brummack, Jürgen (Hg.): Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. Festschrift für Richard Brinkmann. Tübingen: Niemeyer, 725–752.

Bartl, Andrea/Kraus, Martin (Hg.) (2014): Skandalautoren. Zu repräsentativen Mustern literarischer Provokation und Aufsehen erregender Autorinszenierungen. Bd. 1. Würzburg: Königshausen & Neumann.

Detering, Heinrich (Hg.) (2002): Autorschaft. Positionen und Revisionen. Stuttgart/Weimar: Metzler.

Fischer, Alexander M. (2015): Posierende Poeten. Autorinszenierungen vom 18. bis zum 21. Jahrhundert. Heidelberg: Winter (Beihefte zum Euphorion 80).




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Franck, Georg (1998): Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf. München: Hanser.

Frick, Werner (1999): "'Ich, Bertolt Brecht…'. Stationen einer poetischen Selbstinszenierung", in: Koopmann, Helmut (Hg.): Brechts Lyrik. Neue Deutungen. Würzburg: Königshausen & Neumann, 9–48.

Gisi, Lucas Marco/Meyer, Urs/Sorg, Reto (Hg.) (2013): Medien der Autorschaft. Formen literarischer (Selbst-)Inszenierung von Brief und Tagebuch bis Fotografie und Interview. Paderborn: Fink.

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PhiN 80/2017: 100


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Anmerkungen

1 Um nur eine Auswahl zu nennen: Jannidis et al. 1999, Detering 2002, Spoerhase 2007, Martus 2007, Sieg/Wagner-Egelhaaf 2014.

2 Unter anderen Grimm/Schärf 2008, Joch/Mix 2009, Jürgensen/Kaiser 2011, Gisi et al. 2013, Kyora 2014 sowie eine Studie zur exemplarischen Autorinszenierung Judith Hermanns (Witzke 2017).