PhiN 70/2014: 17



Jaroslav Březina (Prag)



Phänomen Fachsprachen – Börsensprache unter der Lupe



The phenomenon of special languages: Stock market language scrutinized
Special languages is one of the areas of the language system that are still not sufficiently defined. This is related to the inconsistency in perception of its inner structure on one side and to the deficient definition of the sphere of general language on the other side. Therefrom results an absence of methodological distinction between the general language and special languages with regard of the description of their structures. The second part of this article analyzes the language of the Stock Exchange reports as a practical example of a special language. The results of previous linguistic research on special languages are confronted with the Stock Exchange reports of important German journals and daily press.


Fachsprachen erscheinen aufgrund von vielen unterschiedlichen Methoden und eher subjektiv gesetzten Schwerpunkten der Fachsprachenforschung immer noch als nicht ganz deutlich abgegrenzte und selbst in ihrer inneren Struktur relativ unklare Komplexe. Dabei weist die Art und Weise des Herangehens an das Phänomen häufig ein relativ stereotypes Verhalten auf: man gibt die Besonderheiten der vermutlichen Fachsprache an, befasst sich mit ihrem Wortschatz, versucht das Auftreten der Fachlexik zu erklären und zu beschreiben und stellt dann allgemeine Regeln auf, die ein Sprachsystem zur Fachsprache erheben. Solche streng empirisch durchgeführten Untersuchungen führen manchmal zu ein wenig unklaren und zugleich vereinfachten Vorstellungen, dass es einerseits eine Allgemeinsprache und andererseits verschiedene Fachsprachen gibt. H. Kalverkämper schreibt 1979, dass sich in der Fachsprachenforschung nach einer relativ kurzen Zeitspanne von etwa fünfzehn Jahren immer stärker zwei Axiome herausgeschält haben:

Das Axiom einer intuitiv einleuchtenden Fachlichkeit irgendeines Bereiches und, damit zusammenhängend, das Axiom einer prinzipiellen Dualität von Fachsprache(n) und Gemeinsprache. Die beiden Axiome der Trennung in Fach- und Gemeinsprache sowie einer Fachlichkeit gegenüber einer Nicht-Fachlichkeit beherrschen somit in vorbestimmender Weise die methodischen Schritte bei der Fachsprachenforschung. (Kalverkämper 1979: 60f.)

Aus praktischer Sicht kann eine der Tatsachen, die einen Sprachkomplex zur Fachsprache erheben, der Grad seiner Verständlichkeit für die Umwelt, für das außenstehende Publikum sein. Die Verständlichkeit wird automatisch an der Allgemeinsprache gemessen, was früher wohl zu diesem Zwei-Größen-System (Fachsprachen vs. Allgemeinsprache) geführt hat.




PhiN 70/2014: 18


Heute vertritt man in vielen Fällen die Ansicht, dass diese einfache Gliederung nicht ausreichend sei und spiegele nur einige, wenn auch die prägnantesten Merkmale der Fachsprache wider (vgl. Ickler 1997: 78f.). T. Ickler erklärt das gegenseitige Verhältnis der Fachsprachen zur Allgemeinsprache so:

Fachsprachen wachsen aus der Allgemeinsprache heraus und erneuern sich immer wieder aus ihr, sie wirken aber auch auf sie zurück. Schon dadurch ergeben sich vielfältige Berührungen und Überlappungen. Fachsprachen kennen, ebenso wie die Allgemeinsprache mehrere Register und die Allgemeinsprache nähert sich besonders im Register der Bildungssprache mehr oder weniger an die Fachsprachen an. (Ickler 1997: 78)

Der Grad des Sich-Mehr-Oder-Weniger-Annäherns wird dann nach Ickler einerseits durch das Niveau der allgemeinen Schulbildung jedes einzelnen und andererseits durch die Personalunion von Fachmann und Laie bestimmt.

Von Ickler stammt auch ein interessantes Modell zur Stellung des Fachwortschatzes im Gesamtwortschatz. Das Modell besteht aus vier lexikalischen Kategorien – Kernwortschatz, Sachwortschatz, Argumentationswortschatz und schließlich Einzelwortschätze. Alle vier Kategorien werden in der oben genannten Reihenfolge als unterschiedlich große mit einem gemeinsamen Mittelpunkt versehene Kreise dargestellt. Kernwortschatz und Argumentationswortschatz werden mittels einer "Brücke" über den Sachwortschatz verbunden, der Sachwortschatz und die Einzelwortschätze, werden ebenfalls durch eine "Brücke" über den Argumentationswortschatz verbunden.

In den Kernwortschatz gehören die Wörter, die hauptsächlich der Organisation der Rede dienen und eine Reihe von Wörtern mit elementarer Orientierungsfunktion wie rechts, links, groß, klein, gut oder schlecht. Es handelt sich um solche Ausdrucksmittel, deren Bedeutung wir aufs Genaueste kennen – kein Experte erklärt uns genauer ihre Bedeutung.

Auch in die nächste Kategorie – den Sachwortschatz – gehört die Alltagslexik. Jedoch im Unterschied zum Kernwortschatz kann die Bedeutung der uns bekannten Ausdrücke (Stein, Wasser, Glas usw.) durch einen Experten genauer beschrieben werden.

Als Argumentationswortschatz werden die Ausdrucksmittel herangezogen, die über den Rahmen der Allgemeinsprache hinausreichen. Eingeschlossen werden Ausdrücke fachlichen Charakters, die sich jedoch nicht auf ein konkretes Fach beziehen, sondern Universalcharakter aufweisen (Einwand, Prämisse, Beweis, Hypothese usw.). Ickler hebt zugleich ihre Funktion als Organisationselemente eines Fachtextes hervor.




PhiN 70/2014: 19


Mit dem Argumentationswortschatz wird die letzte Kategorie – Einzelfachwortschätze – verbunden, die auf einzelne Fächer bezogene Fachausdrücke einschließt (vgl. Ickler 1997: 78ff.).

Icklers Entwurf des gegenseitigen Agierens von Fachsprachen- und Gesamtwortschatz stellt eins der neueren Modelle der Fachsprachenklassifikation dar. Zum Aufbau der einzelnen Kriterien werden sprachlich relevante Unterschiede herangezogen, die sich empirisch nachweisen lassen. Die Kriterien selbst stellen zugleich keine geschlossenen Systeme dar. Auch der Gesichtspunkt der Sprachlebendigkeit – Prozess ständiger Entwicklung der Sprache – und die Notwendigkeit gewisser Praxisbezogenheit der theoretischen Überlegungen bei der Modellaufstellung werden einbezogen.

Positiv am Modell ist seine "Toleranz" den anderen Modellen der Fachsprachengliederung gegenüber. Dies wird durch die oben erwähnten Verbindungsstellen (Brücken) gesichert. Die Kritik könnte auf manche Beispiele aus der Praxis verweisen, die gerade solch eine Anordnung in Frage stellen. Konkret kann man manche Ausdrücke aus dem Bereich der Börsensprache nennen (z.B. leicht, freundlich, schwach, fest), die ihrem Wesen nach dazu verleiten, in den Kernwortschatz Icklers Modells eingebettet zu werden. Jedoch ihre Funktion der sog. Tendenzwörter, die zur Beschreibung der jeweiligen Börsenlage dienen, ordnet ihnen klar abgegrenzte Positionen zu, die auf jeden Fall eines erklärenden Kommentars bedürfen. So gesehen würden sie im beschriebenen Modell eher zum Einzelfachwortschatz avancieren.

Es hat bereits zahlreiche Versuche gegeben, einzelne Fachsprachen zu erforschen und ihr gegenseitiges Verhältnis zu beschreiben. Schon 1957 schreibt W. Porzig, dass die Fachsprache als Gesamtheit solcher Sprachmittel zu verstehen ist, die die Fachleute für die Verständigung auf ihrem Sondergebiet ausgebildet haben, weil dabei ganz besondere Leistungen von der Sprache verlangt werden (vgl. Porzig 1957: 258). Ähnlich denkt auch L. Hoffmann, der die Fachsprache als die Gesamtheit aller sprachlichen Mittel sieht, die in einem fachlich begrenzbaren Kommunikationsbereich verwendet werden. So wird die Verständigung zwischen den in diesem Bereich tätigen Menschen gewährleistet (vgl. Hoffmann 1985: 53). P. von Polenz definiert die Fachsprache als Spezialsprache, die gegenstandsgebunden ist und zugleich, aber sekundär, als Soziolekt auch gruppengebunden ist (vgl. Polenz 1981: 85). D. Möhn und R. Pelka sehen in der Fachsprache eine Variante der Gesamtsprache, die der Erkenntnis und der begrifflichen Bestimmung fachspezifischer Gegenstände sowie der Verständigung über sie dient. Sie hat – entsprechend der Vielzahl der Fächer, die man mehr oder weniger exakt unterscheiden kann – zahlreiche mehr oder weniger exakt abgrenzbare Erscheinungsformen (vgl. Möhn/Pelka 1984: 26f.).




PhiN 70/2014: 20


T. Roelcke sieht in der Fachsprache die Varietät einer Einzelsprache, die sich von deren anderen Varietäten mehr oder weniger deutlich unterscheidet. Unter Varietät versteht er ein sprachliches System, das einer bestimmten Einzelsprache untergeordnet und durch bestimmte inner- und außersprachliche Merkmale von den anderen Varietäten abgegrenzt wird (vgl. Roelcke 2010: 26).

Der Schwerpunkt sowohl der Forschung, als auch der Normierung lag dabei von Anfang an konsequenterweise im Bereich der Lexik, weil, so K.-H. Bausch, "... Lexeme – insbesondere Nomen – die kürzesten (außerdem übersichtlichsten und relativ einfach zu beschreibenden) Bedeutungsträger sind." (Bausch 1976: 128)

Hinsichtlich der Fachsprachendifferenzierung und deren Klassifizierung haben sich geschichtlich zwei Grundmodelle – sog. vertikale und horizontale Gliederung der Fachsprachen – herausgebildet. Während die vertikalen Gliederungen die Schichtung, die innere Struktur von Fachsprachen analysieren, beschäftigen sich die horizontalen Gliederungen mit der Abgrenzung der einzelnen Fachsprachen voneinander und ihrem gegenseitigen Agieren.

Eine der ersten Analysen der inneren Fachsprachenstruktur stammt von L. Mackensen. Die Fachsprachen wurden nach ihm vertikal in drei Schichten aufgeteilt: 1) eigentliche Fachsprache, 2) Werkstättensprache und 3) Verbrauchersprache. Die Drei-Schichten-Gliederung kann man wohl als Ausgangsbasis für viele spätere Gliederungsversuche betrachten. So wurde das Schema von Mackensen weiter von H. Ischreyt (1965) aufgebaut und einigen Veränderungen unterzogen – z.B. die Kategorie Verbrauchersprache wurde durch Verkäufersprache ersetzt (vgl. Ickler 1997: 186f.). Bei der Aufzählung der einzelnen Versuche zur vertikalen Fachsprachenklassifikation hat die Prager Schule – besonders dann die Arbeit von E. Beneš – eine wichtige Rolle gespielt. Beneš hat die mögliche Strukturierung der Fachsprachen in vier Dimensionen gesehen: 1) Kommunikationsbereich (das Fach, inhaltlich definiert), 2) Fachlichkeitsgrad (Forschung, Lehre, Populärwissenschaft), 3) Medium (mündlich, schriftlich) und 4) Stilverfahren (d. h. sehr allgemeine Sprechakttypen) (vgl. Ickler 1997: 186f.).

Ein allgemein akzeptierter Entwurf der vertikalen Schichtung stammt von W. von Hahn. Hahn sieht die Fachsprachenstruktur in drei Schichten: a) Theoriesprache (Wissenschaftssprache, die bevorzugt in schriftlicher Form erscheint), b) fachliche Umgangssprache (Kommunikationsmittel der Fachleute untereinander, typisch sei hier persönlicher Sprechkontakt und situativer Zusammenhang der Benutzer) und c) Verteilersprache (kommunikatives Mittel in den einzelnen technisch-industriellen Bereichen wie Produktion, Lagerhaltung, Vertrieb) (vgl. Hahn 1983: 73ff.).

Auch A. Borgulya geht in ihrem Modell der Fachsprachenstruktur von einer Drei-Schichten-Gliederung aus: a) wissenschaftliche Ebene (Theorietexte, Forschungsberichte, wissenschaftliche Lehrwerke), b) populärwissenschaftliche Ebene (die Sprache der Wirtschaftspresse) und c) praktisch-fachliche Ebene (innerbetriebliche Arbeitstexte wie Wirtschaftsberichte, Plandokumentationen, Wirtschaftspläne und die betriebliche Korrespondenz samt der Geschäftsverträge) (vgl. Borgulya 1989: 112f.).




PhiN 70/2014: 21


Ein modifiziertes vertikales Modell kommt Anfang der 90er Jahre von J. Bolten. Traditionell bleibt die dreischichtige Gliederung der Fachsprache, diesmal in Theoriesprache, Berufssprache und fachbezogene Umgangssprache, wobei die Abgrenzung der einzelnen Schichten durch unterschiedliche Textsorten erfolgt. Neu ist die Verbindung der einzelnen Schichten mit den dabei direkt beteiligten – ausführlich aufgezählten – Kommunikationspartnern (Wissenschaftler, Unternehmensführer, Bereichsleiter, Wirtschaftspolitiker, Vertreter des operativen Managements, Fachjournalisten, Fachübersetzer und -dolmetscher usw.) (vgl. Bolten 1991: 75f.). Ein interessantes Merkmal ist 1) die Vertretung derselben Kommunikationspartner in zwei, manchmal in allen drei Ebenen, die so teilweise ihre Bedeutung als Unterscheidungsgröße verlieren und 2) eine strikte Abgrenzung der verschiedensten Textsorten, die scheinbar keine Überlappungstendenzen zulässt.

Ein Typologisierungsentwurf der Fachsprache Wirtschaft in Bezug auf die anderen Fachsprachen und auch die Gemeinsprache kommt von F. Wankerl. Wankerl legt ein präzises Modell der Verflechtung der einzelnen Fachsprachen des Wirtschaftsbereichs auf der horizontalen Ebene und zugleich eine dreischichtige Gliederung der inneren Struktur der Fachsprache auf der vertikalen Ebene vor. Neu ist dabei die Bezeichnung des Untersuchungsgegenstandes – statt Fachsprache der Wirtschaft bzw. Wirtschaftssprache benutzt Wankerl den Begriff Fachsprache der politischen Ökonomie. (Wankerl 1988/89: 80f.).

Der Fachlexik als einer Bestimmungsgröße bedient sich bei der Aufstellung seines vertikalen Modells W. Schmidt. Die Fachsprache wird nach ihm in Termini und Halbtermini (auch Professionalismen genannt) geteilt. Den Terminus bezeichnet Schmidt als ein Fachwort, das durch die Definition bestimmt wird. Halbtermini sind dann die durch Definitionen nicht abgegrenzten Fachausdrücke, die jedoch zur eindeutigen Beschreibung der Denotate ausreichen (Bandsäge, Beißzange, Staubsauger). Neben Termini und Halbtermini kommen nach Schmidt in der Fachsprache sog. Fachjargonismen vor – Ausdrücke (oft stark metaphorisch oder emotionell gefärbt), die Gegenstände und Ereignisse mitten in dem Fachbereich benennen. Die Frequenz der Erscheinung von diesen oben erwähnten Wortarten definiert die jeweilige sprachliche Schicht. Hier unterscheidet Schmidt zwei Ebenen: a) wissenschaftliche (theoretisch-fachliche) Schicht und b) halb- oder populärwissenschaftliche (praktisch-fachliche) Schicht. Für die erste Schicht sei das häufige Auftreten von Termini, für die zweite die hohe Frequenz von Halbtermini und Fachjargonismen typisch (vgl. Schmidt 1969: 18f.).

Die Aussagekraft des von Schmidt aufgestellten Modells beeinträchtigen jedoch die im Rahmen der Fachsprachenforschung in diversen Details abweichenden Definitionen des Terminus-Begriffes und auch seine – je nach Theorie und angewandter Methode – verschiedenen Bezeichnungen (Fachwort, Fachlexem, Terminus).




PhiN 70/2014: 22


J. Filipec versteht unter dem Terminus eine spezielle lexikalische Einheit, die einen definierten Begriff im System eines Fachgebietes bezeichnet (vgl. Filipec 1969: 407f.). Neben Termini lässt Filipec die Existenz sogenannter Termini im weiteren Sinne des Wortes zu – Fachausdrücke, die in einem Sachgebiet eindeutig bestimmbare (konkrete) Dinge bezeichnen und somit auch einen Sonderwortschatz herausbilden. Neu bei Filipec ist die Zerlegung des Wortschatzes in Sprachzentrum und Peripherie. Diese Aufteilung öffnet, so Filipec, einen breiteren Raum beim Verstehen des Terminus-Begriffes (vgl. Filipec 1969: 407f.).

L. Drozd stellt den Begriff Terminus dem Fachwort gleich und als solches versteht er die Wörter, denen im Unterschied zu Nichtfachwörtern eine wissenschaftliche Definition zugrunde liegt (vgl. Drozd/Seibicke 1973: 44). Drozd ergänzt, dass das Fachwort (Terminus) aufgrund einer zugrunde liegenden wissenschaftlichen Definition in einer unmittelbaren semantischen Beziehung zur außersprachlichen Wirklichkeit verwendet wird, während die Nichtfachwörter als Zeichen den Gesamtinhalt des Satzes bilden und die Fachwörter ohne die Nichtfachwörter in einer nichtformalisierten fachsprachlichen Äußerung nicht existieren können (vgl. Drozd/Seibicke 1973: 44).

Die vorhandenen Diskrepanzen in der Betrachtung der Terminologie führt G. Budin auf die Entwicklung der modernen Fachsprachen- und Terminologieforschung zurück, die bisher von relativ uneinheitlichen Betrachtungen des Verhältnisses der beiden Bereiche zueinander begleitet war (vgl. Budin 1993: 71f.). Budin kritisiert, dass

... diese unterschiedlichen Ansichten von der totalen Leugnung der Notwendigkeit und somit der Existenzberechtigung einer eigenständigen Erforschung von wissenschaftlich-technischen Terminologien seitens mancher Linguisten und der vollständigen, bewussten oder unbewussten Ignorierung gesicherter linguistischer Erkenntnisse durch einige Terminologen bis hin zur totalen Subsumierung der Terminologieforschung unter die Sprachwissenschaften reichten. In jedem Fall ist die Beschreibung des Verhältnisses beider Fachgebiete zueinander unbefriedigend geblieben. (Budin 1993: 71f.)

Man kann wohl – nicht ganz ohne Ironie – die Frage stellen, ob es Fachlexik, Fachvokabular, Fachwortschatz oder Terminologie ist, die als das wichtigste Merkmal der Fachsprachen ständig erforscht werden. Einige Einigungstendenzen kann die neuere Entwicklung bringen, die die Fachsprachenforschung immer mehr zum eigentlichen Objekt der Forschung – dem Fachtext steuert. Diese Tendenz wird unter anderen schon von L. Hoffmann geprägt, wenn er betont, dass die Fachsprachen besonders in Form von Fachtexten erscheinen (vgl. Hoffmann 1987: 7ff.).




PhiN 70/2014: 23


In seinem Entwurf der vertikalen Fachsprachendifferenzierung baut Hoffmann Ende der 80er Jahre eine in vielem neue Konzeption auf. Das Innovative besteht darin, dass man nicht mehr scharf zwischen der horizontalen und vertikalen Gliederung unterscheidet, sondern ihre gegenseitigen Überlappungen andeutet. Die Fachsprachen systematisiert Hoffmann mit Hilfe von vier Kriterien: die Abstraktionsstufe, die äußere Sprachform, das Milieu und die Teilnehmer der Kommunikation. Jedes Kriterium ist vertikal in fünf Schichten geteilt, die von den allgemeinsten bis zu den streng spezifischen Merkmalen übergehen. Für die bessere Anschaulichkeit ziehen wir eins der Kriterien heran (vgl. Hoffmann 1985: 65ff.).

Kriterium: Äußere Sprachform
A = künstliche Symbole für Elemente und Relationen
B = künstliche Symbole für Elemente, natürliche Sprache für Relationen (Syntax)
C = natürliche Sprache mit einem sehr hohen Anteil an Fachterminologie und einer streng determinierten Syntax
D = natürliche Sprache mit einem hohen Anteil an Fachterminologie und einer relativ ungebundenen Syntax
E = natürliche Sprache mit einigen Fachtermini und ungebundener Syntax

Den Vorteil des Hoffmannschen Systems kann man in seiner flexiblen und auf viele Besonderheiten der Fachsprachen reagierenden Struktur sehen. Theoretisch ließe sich so für jede Fachsprachenvarietät ein einfaches Schema entwerfen, das aufgrund der simplen Symbolik recht verständlich würde. In der Praxis, also in der Alltagskommunikation, kommt aber eine solch rigorose Gliederung und Spezifizierung seltener vor.

Der Hoffmannsche Entwurf ist sicher nicht als die definitive Lösung der Fachsprachenklassifizierung anzusehen. Im Vergleich zu den früheren Entwürfen (Hahn, Schmidt) ist aber bei Hoffmann eine deutlichere Praxisgebundenheit zu erkennen. Sein Modell behandelt die Fachsprachen komplexer, als sprachliche Systeme, die sich trotz vieler spezifischer Merkmale einer breiten Palette von Sprachmitteln bedienen, die nicht durch das Wesen der jeweiligen Fachsprache sondern durch ganz andere Aspekte (s. Hoffmannsche Kriterien) zu definieren sind.

Allerdings kann man Argumente anführen, die ein so konzipiertes Schema in Frage stellen. Schon die Aufstellung von genau fünf Stufen in jeder Kategorie lässt automatisch die Frage entstehen, welche nachweisbaren Tatsachen gerade diese und nicht etwa eine vier- oder sechsstufige Gliederung zulassen. T. Ickler wendet ein, dass die Reihenfolge (Plazierung) der einzelnen Stufen – wohl ihrer Wichtigkeit nach – ohne genügende empirische Untersuchung geschieht und als solche in ihrer Richtigkeit angezweifelt werden kann (vgl. Ickler 1997: 187).




PhiN 70/2014: 24


Konkret führt Ickler an, dass man in der Musik die übliche Notation nur dadurch, dass sie sich künstlicher Symbole bedient, der Schicht A (höchste Abstraktionsstufe, siehe das Kriterium Äußere Sprachform) zuordnet und sie so auf eine Ebene mit der Theoriesprache der Grundlagenwissenschaften stellt. Kritische Bemerkungen kommen auch von R. Gläser, die dem Hoffmannschen Modell vorwirft, dass es die Existenz von didaktischen Textsorten völlig ignoriert; es wird auf die beschränkten Anwendungsmöglichkeiten dieses Modells auf den Gegenstand der Untersuchung hingedeutet (vgl. Gläser 1990: 10).

Das Positive des Hoffmanschen Modells kann man in seiner Bemühung nach einer möglichst klaren Systematisierung und damit verbundenen Übersichtlichkeit sehen. Dieses kann jedoch bei der praktischen Anwendung des Modells zu bestimmten Problemen führen. Die "Schuld" daran trägt paradoxerweise gerade die Sprache – ihre Variabilität einerseits und ihr komplexer Charakter andererseits. Aufgrund dieser Tatsachen scheint es nämlich schwer, nur mit 5 Stufen innerhalb von fünf Kriterien auszukommen. Auf die Praxis bezogen gehen nämlich bei der Untersuchung einer bestimmten Fachsprache oder nur einer bestimmten Textsorte im Rahmen einer Fachsprache manche Kriterien zusammen, gerade wegen der schon genannten Komplexität. Auf der anderen Seite kann man auf solche sprachlichen Spezifika treffen, die über den Rahmen der Möglichkeiten des Hoffmannschen Modells hinausreichen. In diesem Falle wird das oben angesprochene Merkmal beschränkter Möglichkeiten deutlich. Man darf aber nicht das Positive dieses Modells aus den Augen verlieren, das erst im Vergleich mit den geschichtlich vorhergehenden Versuchen der Fachsprachenklassifikation deutlich wird. Hoffmann hat ein Modell aufgestellt, das der allzu großen Komplexität der früheren Modelle (d.h. weniger variable Klassifizierung, die in zu hohem Grade den Raum für unscharfe Gliederungen öffnet) strengere Regeln der Gliederung und dadurch auch größere Transparenz gegenüberstellt. Allerdings geht die Hoffmannsche Bestrebung, ein völlig neues, die Mängel der älteren Gliederungen beseitigendes Modell aufzustellen, nicht ganz in Erfüllung.

Ein interessanter Vorschlag der möglichen Fachsprachenklassifikation kommt von T. Ickler, der ein einfaches dreidimensionales Würfel-Modell aufstellt (vgl. Ickler 1997: 188f.).




PhiN 70/2014: 25


Die von Hoffmann vorgeschlagenen fünf Stufen wurden so in eine unbegrenzte Menge von Schattierungen umgewandelt. Die Zahl der Kriterien wird durch drei Dimensionen eines Würfels bestimmt und dadurch auch limitiert. Bei der Betrachtung dieses Modells kann man sich nicht der Assoziation zum dreidimensionalen Verstehen der Welt erwehren. Es wurden weder Quadrat noch Kreis – weil zweidimensional und so die Existenz der Fachsprachen nur oberflächlich vermittelnd, noch die Kugel – zwar dreidimensional, aber es fehlen eben schärfere Linien für die bessere Abgrenzung, sondern ein Würfel mit seinen klar getrennten Wänden gewählt. Die einzelnen Fachsprachenvarietäten kann man so als die Menge von verschieden großen Punkten innerhalb des Würfels betrachten. Die berechtigte Kritik bezieht sich hier auf das Problem der Größe und Platzierung der einzelnen Punkte, also Fachsprachen.

Neben den vertikalen Modellen der Fachsprachenklassifizierung sind kurz auch die Entwürfe der horizontalen Gliederung der Fachsprachen zu erwähnen, die sich mit der Anzahl, Stellung und dem Maß gegenseitiger Beeinflussung einzelner Fachsprachenvarianten befassen. Geschichtlich kann man das Modell von E. Wüster (1973) als repräsentativ bezeichnen, nach dem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, grob geschätzt, etwa 300 Fachsprachen existierten. Die Zahl leitete man einfach von den damals etwa 300 existierenden Fachbereichen ab (Stand von 1976). Von Wüster fehlt nicht die ergänzende Information, dass diese Zahlenangabe stark schwanken kann, je nach Deutung des Begriffes Fachgebiet, und der Tatsache, dass ständig neue Fachgebiete auftauchen und zugleich alte Fachgebiete in den neuen aufgehen oder einfach verschwinden (vgl. Fluck 1976: 16). Aus den neueren Etappen der Fachsprachenforschung sind dann die horizontalen Modelle von Hoffmann (1985: 58f.) und Roelcke (2010: 35f.) zu nennen, die unter den Linguisten allgemein breite Akzeptanz finden.

In Bezug auf die erwähnten horizontalen Modelle stellt sich automatisch die Frage, was man unter dem Begriff Fach versteht. Fluck sieht als Fächer nicht die ganzen Bereiche z.B. der Wirtschaft oder Medizin, die als ganze Sprachkomplexe bezeichnet werden, sondern diesen Komplexen untergeordnete Disziplinen. Im Sprachkomplex der Wirtschaft wären dann die einzelnen Fachbereiche nach den Sprachwissenschaftlern die Betriebswirtschaftslehre, die Volkswirtschaftslehre oder das Finanzwesen. Wenn wir noch tiefer in die Struktur hineingehen, dann können wir die Sprache der Wertpapierbörsen als Subsystem des Fachbereichs Finanzwesen betrachten (vgl. Fluck 1976: 16f.). Es ist jedoch zu ergänzen, dass nicht alle Sprachwissenschaftler diese Art der Fachsprachengliederung begrüßen. Es wird eine gewisse Bequemlichkeit der Fachsprachen-Linguistik kritisiert, mit der der Begriff "Fach" als vorwissenschaftliche Größe übernommen wird, und es werden grundsätzliche Mängel in der Erarbeitung der Fachsprachen-Methodologie kritisiert.




PhiN 70/2014: 26


H. Kalverkämper kommentiert dies so:

Die vorhandene schon sehr umfangreiche Forschungsliteratur signalisiert explizit oder in impliziter Weise das wissenschaftstheoretische Dilemma der Fachsprachen-Linguistik: Primum non datur – das Wichtigste und zuerst zu Klärende liegt nicht als Basis, als gesichertes Fundament fachsprachlich orientierter Forschung vor. Hier in diesem Fall ist das Primum die Komponente "Fach", die nicht gegeben ist. (Kalverkämper 1979: 60f.)

In der Kritik an manchmal irreführender Taxonomie der Fachsprachen und den Zweifeln an der Abgrenzung des Begriffes "Fach" geht K. Popper in seinem Artikel Logik der Sozialwissenschaften noch weiter, wenn er schreibt: "Ein sogennantes wissenschaftliches Fach ist nur ein abgegrenztes und konstruiertes Konglomerat von Problemen und Lösungsversuchen. Was es aber wirklich gibt, das sind die Probleme und die wissenschaftlichen Traditionen." (Popper 1962: 108). Das primäre Problem der Fachsprachen-Linguistik sieht Kalverkämper (1979: 63f.) in der Absenz des methodologischen Instrumentariums, das es gestattet zu behaupten und dann zu rechtfertigen, der eine Ansatz sei zu speziell (d.h. fachlich), der andere zu global (also gehörend zu der Gemeinsprache) gehalten. Kalverkämper setzt fort:

Bislang bringt der fachsprachlich forschende Linguist noch seine ganze persönliche Entscheidungskapazität und Souverenität in sein Vorgehen ein, wenn er seinen Untersuchungsbereich abgrenzt. Salopp formuliert geht er nach dem Motto vor: Man nehme einen Sachverhalt, der gefällt und interessiert, vermute dafür besondere Phänomene oder Strukturmerkmalbündel der Sprache (Langue) bzw. im Sprachvorkommen (Parole) und setze alle analytische Kraft daran, Besonderheiten zu finden. Und Besonderheiten findet man immer – man fragt sich dann nur, ob sie geeignet sind, eine Fachsprache eben dieses Sachverhalts berechtigt postulieren zu dürfen. Das Vorgehen erweist seine Schwäche darin, dass der Fach-Begriff, den die Fachsprachen-Linguistik ja immerhin als einigenden und primären Faktor schon in ihrer Bezeichnung auf ihre Fahne geschrieben hat, so übernommen und akzeptiert wird, wie er vorwissenschaftlich beim Einzelnen geprägt ist. (Kalverkämper 1979: 63)

In Anbetracht dieser Probleme schlägt D. Möhn vor, das ganze Gebiet der fachsprachlichen Kommunikation mit "Sprache im Fach" zu bezeichnen und den Begriff "Fachsprache" nur dem eigentlichen Kernbereich – der Wissenschafts- und Theoriesprache vorzubehalten (vgl. Möhn 1968: 316).

Auch das zweite "Dogma" der Fachsprachenlinguistik – das traditionelle Prinzip der Trennung in Fach- und Gemeinsprache – wird immer stärker angezweifelt. Etwa zu derselben Zeit wie Kalverkämper schreibt Hoffmann, "... die Fachsprachenforschung verzichtet auf die starre Gegenüberstellung von Fachsprache und Gemeinsprache, die an eindeutiger Zuordnung der konkreten sprachlichen Elemente zu einer dieser beiden Kategorien scheitert." (Hoffmann 1976: 165)




PhiN 70/2014: 27


Nach diesem kurzen Exkurs zur Entwicklung der Fachsprachenforschung wird das Thema nun am Beispiel der Börsensprache praxisbezogen behandelt. Die Wahl der Börsensprache begründet man mit a) der Tendenz dieser Varietät, lexikalisch in fast alle wirtschaftlichen Bereiche überzugreifen, b) ihrem zeitgenössischen Charakter und der Tendenz, die traditionelle Aufteilung in Fach- und Allgemeinsprache zu brechen.

Ausgegangen von der bereits erwähnten horizontalen Fachsprachengliederung kann die Börsensprache als Subsystem des Fachbereichs Finanzwesen eingestuft werden, das wiederum eine Spezies des Sprachkomplexes Wirtschaft darstellt. Die Zugehörigkeit zum Finanzwesen ist durch die traditionellen Instrumente des Börsenhandels klar gegeben. Hinter der Geschäftsabwicklung an der Börse versteckt sich jedoch der ganze wirtschaftliche Hintergrund des Wertpapiergeschäfts – die betriebsinterne Situation und allgemeine Marktdaten. Einschließen muss man auch das gesellschaftliche Klima und die psychologischen Aspekte des menschlichen Handelns. Deshalb weist die Lexik dieser Varietät stark fachübergreifende Tendenzen auf.

Ein wichtiges Merkmal der Börsensprache ist ihre relative Isolierung. Die Geschäfte werden in dafür bestimmten Räumen abgewickelt, in die der Laie keinen Zutritt hat. Logischerweise muss sich die Öffentlichkeit bei der Vermittlung der Börseninformationen mehr auf den Informationsträger verlassen, in diesem Fall auf die Medien. Das interessierte Publikum bekommt so ein schon verarbeitetes Produkt der Sprache, dem mehr oder weniger die Regeln des journalistischen Stils aufgezwungen werden. Das ist ein wichtiges Merkmal, welches man besonders bei der Analyse der Zeitungsartikel und Fernsehinterviews berücksichtigen muss.

Aus den ersten Textproben, die von den Börsennachrichten aus den Wirtschaftsrubriken überregionaler Zeitungen (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Handelsblatt) und ökonomischer Zeitschriften (Börsenmagazin, Wirtschaftswoche) stammen, sind schon die ersten Merkmale dieses Sprachstils festzustellen; die Sprache bedient sich eines relativ breiten Repertoires an Fachausdrücken, die Sätze sind kurz und mit Fakten bzw. Zahlen überfüllt, gleichzeitig tauchen jedoch viele Ausdrücke und Wendungen auf, die primär keinen Zusammenhang zum Thema Wirtschaft ergeben. In den Textproben kommen häufig bildliche Umschreibungen, sogar verdichtete Passagen vor. Schauen wir uns ein paar der Frankfurter Allgemeinen Zeitung entnommene Beispiele an:

... Der breiter gefasste Standpoor 500-Index lag bei einem Stand von 647,5 Zählern um 3,08 Punkte unter seinem Schluss vom Freitag ... Gewinner und Verlierer des Tages ... der DAX erklomm sein Tageshoch ... relativ gut zog sich aus der Affäre angesichts der Wirtschaftslage Rußlands der britische Aktienmarkt ... zyklische Werte zählten zu Favoriten ... die Bankaktien haben auf breiter Front Einbußen erlitten ... Neue Anläufe des DAX auf den Gipfel von 5400 Punkten (FAZ April 2002)




PhiN 70/2014: 28


Für die Wertpapierhändler aber auch für das interessierte Publikum ist besonders eine Information wichtig – allgemeine Kursentwicklung und die davon abgeleiteten Trends am jeweiligen Börsentag. Die Kursentwicklung, börsenmäßig als die Tendenz bezeichnet, wird in jeder Börsenberichterstattung fast ohne Ausnahme in einem einzigen Begriff – oft als fettgedruckte Überschrift vom eigentlichen Text abgegrenzt – zusammengefasst.

...uneinheitlich ... fester... schwach ... freundlich ... Zinshoffnung ... schwächer ... behauptet ... fest ... unsicher ... Verlierer ... nachgebend ... Zurückhaltung ... gesucht ... erfreut ... leicht. (FAZ November-Dezember 2003)

Für die Tendenzbeschreibung bedient man sich überwiegend Adverbien, Adverbialbestimmungen und Partizipien. Eher selten kommen andere Wortarten vor (Zurückhaltung, Zinshoffnung, Verlierer). Viele Tendenzausdrücke weisen nicht rein wirtschaftliche Abstammung auf. Sie passen eher in den Bereich der allgemeinen menschlichen Kommunikation, manche erinnern sogar an sportliche Übertragungen, wo Verlierer, schwächer, schwach, nachgebend besser hineinpassen würden.

Liest man die Börsennachrichten, stellt man fest, dass Aktien, Börsen, Kurse, Anleihen – eigentlich die Objekte des Börsengeschehens – als die Subjekte handeln. Ein Merkmal, das zwar im ganzen Bereich der Wirtschaftssprache gewissermaßen vorkommt, aber auf dem Gebiet der Wertpapierbörsen besonders stark ausgeprägt ist.

... Aktien gaben nach ... Börse hat schwächer geschlossen ... die deutschen Titel gaben viel ab ... das Börsenparkett hat enttäuscht reagiert ... Kursgewinner waren Skis Rossignol ... Olivetti haben nachgegeben ... die Vorzüge von adidas haben um 5 % zugelegt ... (FAZ November 2001, Handelsblatt Dezember 2002)

In den angeführten Beispielen werden alle Börsenereignisse durch die gegenseitige Verwechslung des Objektes und Subjektes präsentiert. Die Objekte des menschlichen Handels werden personifiziert, die Subjekte, das heißt Kapitalgeber, Börsenmakler, Vorstandsmitglieder, Bankenvertreter – diejenigen, die für die Bewegung an den Börsen sorgen – werden nicht erwähnt.

Zeit ist Geld – und ausgegangen von den Börsennachrichten lässt sich behaupten, dass der Zeitfaktor auch die Börsensprache gestaltet. Man sieht es an den häufig eingesetzten Abkürzungen und gekürzten Firmennamen.

... der FT-SE-Index ... der Nikkei-Index ... der DAX ... der MDDAX ... Kali und Salz ... IBIS..Op. und Wandelanl ... Akzo ... Nv ... DSM ... der Bel-20 Index ... der ATX ... (FAZ Juni 2003, Handelsblatt Mai 2003)




PhiN 70/2014: 29


Die Abkürzungen und ihre Modifizierungen nehmen in der Börsensprache eine feste Position ein. In den untersuchten Textproben treten sie angemessen und in allgemein akzeptierten und vorher bestimmten Fällen auf. Dies steht teilweise im Kontrast zu den früheren Ergebnissen, wo die Abkürzungen zu einem der wichtigsten Merkmale der Börsensprache erhoben wurden (vgl. Fluck 1976: 61f.). Ihr starker Einsatz ist logischerweise bei den Kursnotierungen zu beobachten, wo jedoch die nichtsprachlichen Faktoren, wie z.B. das möglichst ökonomische Layout der Wirtschaftsrubriken, sicher eine ganz wichtige Rolle spielen.

In Bezug auf die Häufigkeit und Bedeutung einzelner Wortarten kann man als Ausgangslage auf die bisherige Forschung zurückgreifen, deren Ergebnisse besagen, dass Substantive und Adverbien die Fachsprache dominieren, jedoch Verben eher selten erscheinen (vgl. Fluck 1976: 48). Nach E. Beneš wird die geringe Frequenz der Verben in den Fachsprachen auch durch die Zählforschung bestätigt (vgl. Beneš 1966: 26f.). P. Polenz führt an, dass in den Fachsprachen allgemein sinngeschwächte und sinnentleerte Verben (wie z. B. geben, realisieren, erfolgen, vornehmen) bevorzugt werden und so nähern sie sich eher einer Kopula, die bloß grammatische Verbindung zwischen zwei Denkinhalten vermittelt (vgl. Polenz 1963: 46).

In Bezug auf die Frequenz belegen die vorgenommenen Analysen der Börsennachrichten die Dominanz der Substantive, gefolgt von Adverbialbestimmungen und Verben. Allerdings lässt sich nicht ganz genau feststellen, welche Wortart für die Börsennachrichten in Bezug auf ihre Rolle als Informationsträger zentrale oder periphere Bedeutung hat. Die eng spezialisierte Problematik der Börsensprache fordert eher die Zusammenarbeit der einzelnen Wortarten, wobei auch die Verben aufgrund von ständigen Umschreibungen der Kursbewegungen in den Börsenberichterstattungen als ein semantisch sehr wichtiges Satzelement gelten. In den analysierten Texten kommen so relativ häufig die Verben vor, die mehr als nur eine konstruktive Aufgabe bezüglich der Textkohärenz erfüllen. Gemeint sind die Verben, die für die Beschreibung der Kursentwicklung sorgen (zulegen, sich abschwächen, rutschen, einbüßen, sinken, steigen, nachgeben usw.). Den effektiven Einsatz von Verben belegt auch die hohe Erscheinungsfrequenz von Funktionsverbgefügen (Akzent setzen, zur Verfügung stellen, Schwerpunkt sein). In Bezug auf die Wortbildung fällt die häufige Präfixbildung auf (s. folgende Beispiele).

Institutionen verzeichnen ... das Geschäft mit Aktien zog an ... an der Deutschen Terminbörse bauten wir unsere führende Marktposition aus ... Beratungs- und Betreuungskapazitäten erweitern ... Kontakte vertiefen ... Innovationen ergänzen (FAZ Juni 2003, Wirtschaftswoche April 2004)

Die vorgenommenen Textanalysen bestätigen den häufigen Einsatz des Substantivs. Allerdings, wie bei dem Verb, sind seine morphologischen Merkmale im Rahmen der Börsensprache nicht spezifisch und so nicht ausschlaggebend für die Gestaltung und Struktur dieser Varietät.

... der Index erklomm sein Tageshoch bei 2398,11 Punkten schon in der ersten Hälfte der Börsensitzung ... bei 2356 im DAX werden die Börsianer eben doch nervös ... Händler kommentierten die Kursrückgänge ... im Verlauf der Präsenzbörse ... nachdem das Börsenbarometer die psychologisch wichtige Marke kurz überschritten hatte ... (Wirtschaftswoche Januar 2003, Handelsblatt März 2003)




PhiN 70/2014: 30


Die große Frequenz des Substantivgebrauchs in der Sprache der deutschen Wirtschaftspresse beweisen unter anderem die Untersuchungen von I. T. Piirainen (1982: 27f.). In den analysierten Börsennachrichten werden jedoch Substantive genügend mit anderen Wortarten (Verben, Adjektiven und Adverbien) ergänzt. Der häufige Adjektivgebrauch dient zur Betonung oder Schattierung der einzelnen wirtschaftlichen Tatsachen.

... tendierten gut behauptet ... auch vorbörslich und im nachbörslichen Handel ... Auf tieferem Niveau stabilisiert ... schloss er um 0,54 % niedriger ... bei insgesamt merklich ruhigerem Geschäft ... deutlicher Ertragsanstieg ... führende Marktposition ... verstärkte Aquisitonsbemühen ... zusätzliche Kunden ... umfassendes Servicepaket (Handelsblatt, Süddeutsche Zeitung August 2004)

Häufig eingesetzt werden auch Präpositionen. Allerdings wird ihr Auftreten und somit ihre Wichtigkeit nur auf bestimmte mit Ziffern, Aktienkursen oder graphischen Bewegungen kombinierte Wortbereiche beschränkt. Ihr Einsatz unterliegt keinen strengen Regeln, wie es in den technischen Sprachen der Fall ist, wo die Präpositionen mehr als nur eine Verbindungsfunktion ausüben (vgl. Buhlmann/Fearns 1987: 21)

... Die Börsenindizes pendelten um das All-Time-High ... mit leichter Tendenz nach unten ... sie wurden zu neuen Käufen genutzt ... zyklische Titel zählten zu den Favoriten ... auf der Verliererseite ... Gewinnrückgang von guten Ertragsperspektiven ... der Greenback kommt nicht von der Stelle...fiel gegenüber dem Euro sogar um rund 6 Cent zurück ... aus dem Riesenverlust ... DAX konnte sich mittlerweile auf 5776 Punkte verbessern ... mit einem Plus von 2 Punkten ... (FAZ August 2006, Wirtschaftswoche Mai 2007)

Die bereits vorgenommenen Untersuchungen ergaben sowohl qualitativ als auch quantitativ keine morphologischen Besonderheiten, der morphologische Aspekt spielt so keine relevante Rolle bei der Gestaltung und Struktur der Börsensprache. In Bezug auf die Vertretung der einzelnen Wortarten kann man die größte Bedeutung den Substantiven zumessen, die von Adjektiven, Adverbien und Verben gefolgt werden. Die Verben kommen häufig als informationstragende Satzelemente vor.

Für die Lexik der untersuchten Texte ist typisch die Anhäufung von Termini, die mehr fremdsprachiger (Akquisitionsbemühen, Management, Quartal, Aktie, Analysten, Aktienkapital, Indikator, Bilanz, Börsentendenz, Börsenindizes, Emission, Optionsschein, Depotbank, Servicepaket [FAZ, Wirtschaftswoche März-Juni 2009]), als deutscher (Wertpapiergeschäft, Umsatzsprung, Anleihenmarkt [FAZ, Wirtschaftswoche März-Juni 2009]) Abstammung sind und der häufige Einsatz von terminologisierten Wörtern (mit einer Begriffsbedeutung nur im Rahmen des Finanzbereichs versehene Wörter): Wert – hier eine Aktie, Parkett – hier der Börsensaal, Verkaufsliste – alle Aktien, die infolge bestimmter negativer Daten zu verkaufen empfohlen werden, Börsenklima – aktuelle Geschäftsentwicklung an der Börse, Konsumwerte – Aktien der Nahrungsmittelindustrie, zyklische Werte – Aktien bei denen sich fast regelmäßig schwache und starke Perioden wiederholen.




PhiN 70/2014: 31


Eine hohe Frequenz weisen englische Fachbegriffe auf (Home-banking, Fixing, Optionen, Futures, Forwards, Calls, Puts, Swaps usw. [Handelsblatt, Oktober 2008]), für die es in den meisten Fällen überhaupt kein deutsches Äquivalent gibt.

In Bezug auf die Wortbildung fallen viele Wortzusammensetzungen auf: Bankensicht, Belastungsfaktor, Konzernergebnis, Riesenverlust, Verkaufsliste, Quartalsultimointeresse, Minuspunkte, Pluspunkte, Börsenschluss, Aktienmarkt, Konjunkturklima, Unternehmensberichte, Kursrückgang, Ertragsperspektiven (FAZ, Handelsblatt, Mai-Oktober 2010).

Stilistisch sind zahlreiche Metaphern nicht zu übersehen: die Vorschusslorbeeren für die VW-Aktien, der DAX zog sich aus der Affäre, die Börsenindizes pendelten um das gestrige Tageshoch, zyklische Titel zählten zu den Favoriten, auf der Verliererseite ... (Wirtschaftswoche, Januar 2011). Für die untersuchten Textproben ist auch die Transposition von Firmennamen typisch. Die Ausdrücke Betrieb, Firma, Unternehmen, Konzern werden (wohl aus den sprachökonomischen Gründen) ausgelassen und man führt die Firmenbezeichnung an (vgl. VW dehnt seine Aktivitäten aus, Adidas machte im ersten Quartal Verluste [FAZ, Handelsblatt, April-Mai 2011]). Zur Transposition kommt es, wenn der Firmenname synonym als Bezeichnung für die Firmenaktien eingesetzt wird. Danach erscheinen in der Presse die Mitteilungen wie VW behaupten ihr Vortagsniveau, Ford setzen ihre Talfahrt fort oder Daimler haben zugelegt (Süddeutsche Zeitung, FAZ, April – Juli 2009).

Nach H.-R. Fluck erweist sich die Börsensprache auf den Wirtschaftsseiten der Tageszeitungen als eine Kombination von Firmennamen, Kurszahlen, Fachtermini und zahlreichen Abkürzungen (vgl. Fluck 1976: 61). In Bezug auf den Gebrauch von Abkürzungen ist der Bereich der Börsensprache aufgrund der vorgenommenen Untersuchungen in zwei Gruppen aufzuteilen. Die erste Gruppe bilden verschiedene Nachrichten, kurze Meldungen oder Begleitkommentare, die als Texte erscheinen. Die zweite Gruppe besteht aus Aktien-, Anleihen-, Options- oder Devisennotierungen, also Kursrubriken und -tabellen, die eine extreme Konzentration von Abkürzungen und Zahlen aufweisen. Sehen wir uns ein paar Beispiele aus der ersten Gruppe an: CDAX-Chemie-Index, ATX-Index, TSE-300-Index, IBEX-35-Index, Bel-20-Index, DAX, FT-SE-100-Index, F.A.Z.-Index, CAC-40-Index, Ibis, AG, RWE, BMW, BASF, VW, Strabag, LVHM, Bewag, Seucon (Süddeutsche Zeitung, FAZ, Handelsblatt April – Juli 2009). Thematisch kann man diese Beispiele wiederum in drei Kategorien gliedern: a) die Börsenindizes – CDAX-Chemie-Index, ATX-Index, TSE-300-Index, IBEX-35-Index, Bel-20-Index, DAX, FT-SE-100-Index, F.A.Z.-Index, CAC-40-Index, b) Abkürzungen der Firmennamen (z.B. RWE, BMW, BASF, VW) und c) alle anderen Abkürzungen, die in der Aufzählung durch Ibis, und AG vertreten werden. Aus der grammatisch-lexikalischen Sicht sind in den Beispielen Buchstabierkürzungen (BMW, VW, BASF) und Lesekürzungen (z.B. Strabag, Bewag) vertreten, die aus den ersten Buchstaben oder Silben einer mehrgliedrigen Firmenbezeichnung zusammengesetzt werden. Bei den Aktienindizes handelt es sich meist um Kombinationen aus Zahlen und Buchstabierkürzungen.




PhiN 70/2014: 32


Die zweite Gruppe – die Kursnotierungen – ist wiederum in drei Kategorien aufzuteilen: a) Firmennamen, b) Abkürzungen, die die Kursangaben ergänzen und c) alle anderen.

Erst wenn man eine Zeitung zur Hand nimmt, die Börsenrubriken aufblättert und sich die Kursnotierungen anschaut, begreift man, warum so viele Abkürzungen (besonders bei den Firmenbezeichnungen) gebraucht werden. Es ist nicht nur der etwas theoretische Begriff der Sprachökonomie, sondern ein ganz realer Platzmangel, der die Redaktionen zwingt, die manchmal sehr langen Firmennamen so zu kürzen, dass sie in die jeweilige Spalte hineinpassen. So kommt es zu den Abkürzungen wie Bay. Hyp. Bk., Dt. Verkehrs Bk., Frankf. Bankg., Aach. M. Vers., Nrdst. Lebensm., (FAZ 20.12.2008) oder Brem. Vul. Wer., Frankona Rüh. Inch., Landsh. Brauh., Mineralbr. Übk., Grund. u. Baug. GBH (Süddeutsche Zeitung 17.4.2007), die man als mehr oder weniger verständlich (vgl. Bay Hyp. Bk. versus Frankona Rüh. Inch.) betrachten kann und die mit der Absenz von jeglichen Wortkürzungsregeln spontan entstanden sind. Dass der Platzmangel in den Spalten der Kursrubriken wohl das entscheidende Kriterium für den Einsatz einer Abkürzung ist, beweist auch der Vergleich der gekürzten Form einer Firmenbezeichnung in der FAZ und SDZ. Die Frankfurter Bankgesellschaft wird in der FAZ als Frankf. Bankg. in der SDZ aber als Frankf. Bankges. gekürzt. Die Frankfurter Hypotheken Bank wird in der FAZ Frankf. Hyp. Bk., in der SDZ aber abgekürzt, die Norddeutsche Hypotheken Bank wird in der FAZ Nordd. Hyp.und in der SDZ Norddt. Hypo. Diese Differenzen sind überwiegend bei den längeren und mehrgliedrigen Firmenbezeichnungen feststellbar, die traditionellen und international bekannten Firmennamen, die als Buchstabierung- und Lesekürzungen auftreten (BMW, BASF, adidas, RWE, SAP) werden in beiden Zeitungen eingehalten.

Die zweite Kategorie schließt eine eigenartige Familie der Abkürzungen ein – sog. Kurszusätze. Nach H. Fugger handelt es sich um die Zeichensprache der Börse, die die Kursfestsetzungen der betreffenden Aktien näher erläutern sollte (vgl. Fugger 1992: 39). Das Fischer Börsenlexikon erklärt die Kurszusätze wie folgt:

Um einen möglichst vollständigen Überblick über die jeweilige Marktlage zu geben, versehen die Kursmakler die von ihnen festgestellten Kassakurse mit Zusätzen. Im Einzelnen erklärt § 30 der Börsenordnung der Frankfurter Wertpaierbörse bestimmte Zusätze und Hinweise als verbindlich. Diese geben an, inwieweit die zum festgestellten Kurs limitierten Kauf- und Verkaufsaufträge ausgeführt werden konnten. (Hielscher 1992: 263f.)

Hier ein paar Beispiele, die je aus der Firmenbezeichnung, Kursangabe und dem Kurszusatz bestehen:

Felten & G. – 187 bG, Gelsenwasser – 203 – G, Krones Va – 1070 T, Anzag – 280 – B, Global Nat. Res. – 16,60 – bB, Aach. Rück – 378 – exD, Korea Fund. – 20,30 – bBexD (FAZ 1.12.2009) Pongs & Zahn – 84 – rG, Nordst. Lebensm. – 121 – rB (SDZ 7.3.2007).




PhiN 70/2014: 33


Die Abkürzungen der Kurszusätze stellen den ersten Buchstaben des jeweiligen Ausdrucks dar. Dem gemäß steht b für bezahlt, B für Brief, G für Geld, exD für nach Dividende, T für Taxe und r für rationiert. Typologisch handelt es sich um börsenspezifische terminologisierte Wörter, die wegen der Sprachökonomie und aus den prosaischen Gründen, die mit dem Platzmangel in den meisten Zeitungen zusammenhängen, reduziert auf Abkürzungen gebraucht werden. Nur ein Börsenexperte weiß, dass b (bezahlt) – alle Aufträge sind ausgeführt – bedeutet, unter bG (bezahlt Geld) – die zum festgestellten Kurs limitierten Kaufaufträge nicht vollständig ausgeführt sein müssen, weil es keine weitere Nachfrage bestand – zu verstehen ist, und dass B (Brief) besagt, dass zu dem angeführten Preis (Kurs) nur Angebot bestand (vgl. Bilitza 1992: 73f.)

In Bezug auf die Syntax fallen in den analysierten Texten kurz und knapp formulierte Sätze auf. Dies ist logischerweise auf das Wesen der Börsensprache zurückzuführen, wo bloße Zahlen und knappe Wirtschaftsdaten die wichtigsten Informationen tragen. Die steigende Tendenz zu den kürzeren Sätzen in den Fachsprachen allgemein bestätigen auch die Untersuchungen von H. Eggers, der anhand der Zählforschung rund 20 Wörter pro Satz angibt (vgl. 1962: 49–59). Allerdings hat die Tendenz der Satzverkürzung, die auch in den untersuchten Textproben deutlich wird, ihren Grund nicht nur im Wesen der Börsengeschäfte, bei denen schnelles Denken und Handeln gefragt sind. Ganz allgemein muss man dafür auch den Trend der "Beschleunigung" des Lebenstempos und die daraus resultierende Verknappung des Lesezeit-Etats verantwortlich machen. In den analysierten Texten ist weiter eine gewisse Substantivisierungstendenz zu erkennen. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die Substantive ähnlich wie in der Fachsprache der Technik die Thema-Rhema-Gliederung im Satz besser als die stellungsfesten Formen des Verbs ausdrücken können (vgl. Reinhardt/Neubert 1984: 208f.).

Neben Substantiven erscheinen in den untersuchten Texten relativ häufig Adverbialbestimmungen (Anfang Oktober, seit der Bekanntgabe, inzwischen, ebensowenig, derzeit, ähnlich, hier, deutlich) und für die Börsennachrichten sehr wichtige modale Adverbialbestimmungen (präsentierte sich leichter ... schloss stabilisiert ... die Kurse zeigten sich wenig verändert). Eingesetzt werden auch nachgestellte Präpositionalattribute (beide Aktien von Siemens, die Vorzüge von Bayer), Adjektivattribute (gleiche Bezugspreise, beide Aktienkategorien, höhere Dividende), partizipielle Fügungen und Konstruktionen, die die Kondensation des Textes ermöglichen (geplante Verschmelzung, verbundenes Stimmrecht, beabsichtigte Fusion, gemischte Gefühle, enthaltene Gesellschaften, vergangenes Geschäftsjahr, ermittelter DAX), entwickelte Attribute (längst fällige Konsolidierung, insgesamt merklich ruhigeres Geschäft, die zuletzt vernachlässigten Bauwerte) und Genitivattribute (Stamm- und Vorzugsaktien der Kaufhof Holding AG, Anteilscheine der Metro, höhere Dividende der Vorzüge, Kurse beider Aktiengattungen). Eine wichtige Position nehmen Partizipialattribute ein, auch wenn die Untersuchungen bezüglich ihrer Häufigkeit die Ergebnisse von S. Kvam (1986: 111f.) nicht bestätigen ("Die Frequenz der Partizipialattributte ist sechsmal höher als in Nicht-Fachtexten, also fachtextspezifisch" [FAZ, Handelsblatt, Wirtschaftswoche Juni-Oktober 2009]).




PhiN 70/2014: 34


Den analysierten Texten ist weiter ein hoher Grad der Unpersönlichkeit eigen, die daraus resultiert, dass die Objekte des Geschehens eine aktive Rolle übernehmen und so zum Subjekt avancieren (Anleihen tendierten, der Dollar erholte sich, der DAX erklomm, Aktienmärkte präsentierten sich [Handelsblatt, Wirtschaftswoche August-September 2009]). Die wirklichen Urheber des Geschehens werden selten genannt. Diese Tendenz wird häufig durch den Einsatz reflexiver Verben bekräftigt (der deutsche Index präsentierte sich ... der Dollar konnte sich vorerst nicht über 0,75 Eur etablieren ... nachbörslich zeigten sich die Kurse wenig verändert ... [Handelsblatt, Wirtschaftswoche August-September 2009]).

Aufgrund der vorgenommenen Analysen lässt sich zusammenfassen, dass die Börsenreportagen und -nachrichten vorwiegend aus einfachen Sätzen bestehen, die jedoch kompakt wirken und dabei eine beträchtliche Informationsdichte aufweisen. Komplexe Sätze treten eher selten auf, was wohl durch häufige Verwendung von nominalen Fügungen verursacht wird. Große Bedeutung wird Substantiven, modalen Adjektiven, Adverbialbestimmungen und verschiedenen Formen des Attributs beigemessen. Von einem anderen Blickpunkt her betrachtet ist für die Texte einerseits die Abwesenheit der Gefühlsebene, andererseits jedoch das Auftreten manch stark affektiver Ausdrücke auffallend. Trotz der Vielfalt von Sprachmitteln kann man eine bestimmte Tendenz zu dem standardisierten oder bevorzugten Gebrauch mancher Wörtern und ganzer Ausdrücke nicht übersehen, was wiederum typische syntaktische Mittel einschließt (z.B. die bereits erwähnten modalen Adverbialbestimmungen fester, leichter, schwächer, fest usw.). Die festgestellten syntaktischen Eigentümlichkeiten ergeben sich jedoch überwiegend aus den lexikalischen und so betrachtet sind sie ihnen untergeordnet.

Das am stärksten ausgeprägte Merkmal der Börsensprache ist aufgrund der vorgenommenen Untersuchungen ihre lexikalische Struktur. Es ist die Lexik, die diese Sprache bestimmt und einmalig macht – spezifische Verwendung des Wortschatzes, häufige Erscheinung von Metaphern und phraseologischen Instrumenten, große Anzahl von Fachausdrücken und terminologisierten Wörtern.

Die Metaphern und ihre häufige Erscheinung in den Börsennachrichten sind überwiegend mit stilistischen Gründen zu erklären. Sie haben sich aus der Notwendigkeit entwickelt, den engen und sich immer wiederholenden Wortschatz, den Regeln des stilistisch korrekten Textes anzupassen. Die Dreier-Gruppe der Verben steigen, halten (bleiben) und sinken, mit denen man – vereinfacht – die meisten der Börsengeschehnisse beschreiben kann, wird automatisch und logisch um weitere Ausdrucksmittel erweitert, die manchmal nur sehr entfernt an die ursprüngliche Bedeutung erinnern. Verschiedene Vergleiche, Umschreibungen und Metaphern sind aus der Notwendigkeit entstanden, den kritischen Mangel an Ausdrucksmitteln zu decken. Der deutsche Börsenjournalismus ist eben so erfinderisch und spielerisch, weil er als ein relativ altes Gebilde an den belastenden Faktoren des Schon-Tausendmal-Gesagten leidet. Er verspürt dringend die Notwendigkeit, seine Ausdrucksformen ständig um neue Sprachmittel zu bereichern. Längst bekannte Ausdrucksmittel werden durch neue ersetzt, die die alte Börsenproblematik frisch und neu erscheinen lassen.




PhiN 70/2014: 35


Trotz der bunten Palette von Ausdrucksmitteln, deren sich die Börsensprache heutzutage bedient und die den Eindruck erwecken können, dass es sich bei den Börsen im wirtschaftlichen Sinne um vielfältige und komplizierte Organismen handelt, darf man nicht den wahren Sinn dieser Institution aus dem Auge verlieren. Sie vermittelt nämlich aufgrund von Angebot und Nachfrage die Preise (Kurse) für die verschiedensten Börseninstrumente (Aktien, Optionen, Futures usw.) und stellt für einen besseren Überblick spezielle Skalen (Indizes) auf. Beides, Kursentwicklung und Indexentwicklung sind, vereinfacht dargestellt, das einzige Produkt des ganzen Börsenbemühens. Die Aufgabe der Presseleute besteht jetzt darin, die große Menge an Zahl- und Punktangaben an das Publikum weiterzugeben. So gesehen ist die ganze Börsenproblematik auf ein paar Zahlen reduziert, die je nach Belieben des Berichterstatters um einen erklärenden Kommentar ergänzt werden können. Und gerade an dieser Stelle kommt der ästhetische und stilistische Faktor ins Spiel. Die mehrfache Wiederholung von Steigerungen und Senkungen zwingt die Presseleute geradezu, sich immer anderer Ausdrucksmittel für immer dieselben Tatsachen zu bedienen. Ein gewisses ästhetisches Erscheinungsbild des Textes muss immerhin eingehalten werden, auch wenn man über 15 ähnliche Kursbewegungen zu berichten hat. Ausschlaggebend dabei kann nur die Stärke der jeweiligen Kurssenkung oder -steigerung sein, die dann auch die Schattierung der passenden Form der Beschreibung bestimmt. Auf eine solche Weise kann man wohl den Prozess der Entstehung unzähliger Börsenmetaphern betrachten. Für ihre Zeitgemäßheit oder die Länge ihrer Existenz sind dann mehrere Gesichtspunkte wichtig. Die zwei bedeutendsten würde ich in der Anpassung dieser Metaphern an den allgemeinen menschlichen (technischen) Fortschritt (die zahlreichen Automobil- und Raketenmetaphern gab es in den Börsenrubriken Anfang des vorigen Jahrhunderts sicher kaum) und in dem Maß ihrer Beliebtheit unter den Presseleuten sehen.

So gesehen kann man die Ursache des Metapherneinsatzes in der Börsensprache von der in anderen Fachsprachen (Physik, Astronomie, Chemie) unterscheiden. Während in diesen Fachsprachen die Metaphern meist zum Zwecke erscheinen, gewisse komplizierte Erscheinungen (z.B. in der Astronomie ist es das Phänomen, das unter dem Begriff schwarzes Loch bekannt ist) und Prozesse (komplizierte chemische Reaktionen, physikalische Vorgänge) begreiflich zu machen (wobei auch hier Metaphern, die keine erkenntnisfordernde Funktion ausüben, zu finden sind), kann man sie in der Börsensprache eher als stilistische und damit ästhetische Figuren ansehen, die auf dem beschränkten, immer gleichen Gegenstand der Beschreibung beruhen. Mit der Bewährung dieser Metaphernformen bei der Kursbeschreibung kommt es mit der Zeit zu einem Assimilationsprozess, in dem diese Metaphern in den festen Wortschatz der Börsenberichterstatter integriert werden. Von der festen Position dieser Metaphern zeugt die Tatsache, dass man sie auch in ganz allgemeinen Börsenanalysen verwendet, in dem sie von dem Kontext und der Verständlichkeit her gar nicht eingesetzt werden müssten.




PhiN 70/2014: 36


Literatur

BAUSCH, Karl-Heinz (1976): "Fach- und Gemeinsprache als kommunikationssoziologisches Problem", in: Karl-Heinz Bausch; Wolfgang Schewe; Heinz-Rüdiger Spiegel (Hg.): Fachsprachen: Terminologie, Struktur, Normierung. Berlin.

BENEŠ, Eduard (1966): "Syntaktische Besonderheiten der deutschen wissenschaftlichen Fachsprache", in: Deutsch als Fremdsprache 3.

BILITZA, Karl-Heinz (1992): Stichwort Börse. München.

BOLTEN, Jürgen (1991): "Fremdsprache Wirtschaftsdeutsch: Bestandsaufnahme und Perspektiven", in: Bernd-Dietrich Müller (Hg.): Interkulturelle Wirtschaftskommunikation. München.

BORGULYA, Agota (1989): "Explizität in Fachtexten der Wirtschaft", in: Siegfried Weber (Hg.): Fachkommunikation in deutscher Sprache: Ergebnisse, Probleme und Methoden der Fachsprachenforschung. Leipzig.

BUDIN, Gerhard (1993): "Terminologie und Fachkommunikation", in: Theo Bungarten (Hg.): Fachsprachentheorie, 1: Fachsprachliche Terminologie, Begriffs- und Sachsysteme, Methodologie. Tostedt.

BUHLMANN, Rosemarie; FEARNS, Anneliese (1987): Handbuch des Fachsprachenunterrichts. München.

DROZD, Lubomír; SEIBICKE, Wilfried(1973): Deutsche Fach- und Wissenschaftssprache. Wiesbaden.

EGGERS, Hans (1962): "Zur Syntax der deutschen Sprache", in: Studium generale 15/1. Heidelberg.

FILIPEC, Josef (1969): "Zur Spezifik des spezialsprachlichen Wortschatzes gegenüber dem allgemeinen Wortschatz", in: Deutsch als Fremdsprache, 6.

FLUCK, Heinz-Rüdiger (1976): Fachsprachen. 5. Auflage 1996. Tübingen/Basel.

FUGGER, Horst (1992): Handbuch Aktien – Erfolgreiche Geldanlage an der Börse. München.

GLÄSER, Rosemarie (1990): Fachtextsorten im Englischen. Tübingen.

HAHN, Walther von (1983): Fachkommunikation: Entwicklung, linguistische Konzepte, betriebliche Beispiele. Berlin/New York.




PhiN 70/2014: 37


HIELSCHER, Udo (1992): Fischer Börsenlexikon. Frankfurt am Main.

HOFFMANN, Lothar (1976): "Leipziger Thesen zur fachsprachlichen Forschung", in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität. Gesellschafts- und Sprachwissenschaftliche Reihe, 26: 15.1.

HOFFMANN, Lothar (1985): Kommunikationsmittel Fachsprache. Eine Einführung. 2. neu bearbeitete Auflage. Tübingen.

HOFFMANN, Lothar (1987): "Der Text als strukturierte und funktionale Ganzheit", in: Lothar Hoffmann (Hg.): Fachsprachen – Instrument und Objekt. Leipzig.

ICKLER, Theodor (1997): Disziplinierung der Sprache. Tübingen.

ISCHREYT, Heinz (1965): "Studien zum Verhältnis von Sprache und Technik", in: Sprache der Gegenwart. Düsseldorf.

KALVERKÄMPER, Hartwig (1979): "Der Begriff der Fachlichkeit in der Fachsprachen-Linguistik-Tradition. Kritik und Methoden-Ausblick", in: Fachsprache. Sonderheft 1. Zweites Fachsprachensymposium. Wien.

MÖHN, Dieter (1968): "Fach- und Gemeinsprache. Zur Emanzipation und Isolation der Sprache", in: Walther Mitzka (Hg.): Wortgeographie und Gesellschaft. Berlin.

MÖHN, Dieter; PELKA, Roland (1984): Fachsprachen. Eine Einführung. Tübingen.

PIIRAINEN, Ilpo Tapani (1982): "Die Sprache der Wirtschaftspresse", in: Muttersprache 92.




PhiN 70/2014: 38


POLENZ, Peter von (1963): "Die Funktionsverben im Deutschen", in: Wirkendes Wort. Beiheft 5. Düsseldorf.

POLENZ, Peter von (1981): "Über die Jargonisierung von Wissenschaftssprache und wider die Deagentivierung", in: Theo Bungarten (Hg.): Wissenschaftssprache. Beiträge zur Methodologie theoretischen Fundierung und Deskription. München.

PORZIG, Walter (1957): Wunder der Sprache. Bern.

POPPER, Karl (1962): "Die Logik der Sozialwissenschaften", in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 14. Köln.

REINHARD, Werner; NEUBERT, Gunter (1984): Das deutsche Fachwort der Technik. Bildungselemente und Muster. Sammlung und Ratgeber für die Sprachpraxis. Leipzig.

ROELCKE, Thorsten (2010): Fachsprachen. Berlin.

SCHMIDT, Wilhelm (1969): "Charakter und gesellschaftliche Bedeutung der Fachsprachen", in: Sprachpflege, 18.

WANKERL, Franz (1988-1989): "Die deutsche schriftliche Wirtschaftssprache in der DDR: Bestandsaufnahme und Aufgaben", in: Forschungsinformationen des Instituts für Fremdsprachen, 10.

WÜSTER, Eugen (1973): "Vorwort", in: Lubomír Drozd; Wilfried Seibicke (Hg.): Deutsche Fach- und Wissenschaftssprache. Wiesbaden.