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Florian Auerochs (Bamberg)


Die Femme Fatale als Abjekt und Bedrohung der symbolischen Ordnung in Daphne du Mauriers Rebecca


The Femme Fatale in Daphne du Maurier's Rebecca as Kristevan Abject and Danger to the Symbolic Order
This article applies Julia Kristeva's theory of abjection to one of Daphne du Maurier's best known but also critically underrated novels, Rebecca. Using the theoretical framework for Gothic fiction devloped by Elisabeth Bronfen, the major character that gives the novel its name, Rebecca, will be discussed as a femme fatale that both represents the Kristevan abject and threatens the symbolic order which surrounds her husband Maxim de Winter and his country estate Manderley. Focussing on Maxim's fear of his own mortality and his sexuality, the article will discuss why Rebecca has to be sacrificed in order to restore the above mentioned order. A re-working of the Gothic Romance, this novel's multi-layered criticism of patriarchal structures is here assessed using psychoanalytical paradigms.


"Rebecca has won" (du Maurier 1980: 313)1 ist eine der zentralen Aussagen des 1938 erschienenen Romans Rebecca von Daphne du Maurier. Der Text selbst scheint einiges mit seiner gespenstischen Heldin gemeinsam zu haben, denn wie sie ist auch der Roman nicht zum Verschwinden zu bringen und hat wohl literaturhistorisch 'gewonnen'. Anfangs als "Novelette" und "an exquisite lovestory" (Jagose 2002: 103) bezeichnet, blieb die Auseinandersetzung mit dem Roman in der ersten Rezeptionsphase oberflächlich und er wurde aufgrund vordergründiger literarischer Motive und Strukturen in die Abteilung der 'Gothic Romance' gedrängt. Es wundert nicht, dass erst die psychoanalytisch und poststrukturalistisch geschulte feministische Literaturwissenschaft des anglophonen Sprachraums die hinter der Gothic Romance verborgene Tiefenstruktur des Textes entdeckte und rezipierte. Die Auseinandersetzung kreist um die psychosexuelle Entwicklung der Heldin, pervertierte Begehrensstrukturen, phallokratische Systemkritik sowie um Fragen der Ausbildung und Brüchigkeit von Identität und Subjektivität. An die Aufarbeitung dieses subversiven Textpotentials soll dieser Beitrag anknüpfen.

Ausgehend von Julia Kristevas Powers of Horror. An Essay on Abjection und Elisabeth Bronfens Überlegungen zu Tod und Weiblichkeit soll aufgezeigt werden, inwiefern die Femme Fatale Rebecca als Bedrohung der symbolischen Ordnung um Maxim de Winter und Manderley gesehen werden kann, und inwiefern über die Opferung Rebeccas eine kathartische Reinigung dieser Ordnung bewirkt werden soll. Der Text inszeniert aber auch die Unmöglichkeit einer solchen Reinigung, da Rebecca, wie alles Verdrängte, stets erneut auftauchen muss, um die einem jedem System inhärente Brüchigkeit gewahr werden zu lassen.




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Der Fokus liegt in der folgenden Diskussion auf der Beziehung von Rebecca zu Maxim de Winter, da die Ich-Erzählerin selbst keine eigene symbolische Ordnung begründet, sondern sich widerstandslos in die Maxim de Winters fügt.


1 Julia Kristevas Abjekt-Theorie

In ihrem 1980 erschienenen Essay Pouvoirs de l'horreur (Kristeva 1980) entwarf die französische Psychoanalytikerin und Literaturwissenschaftlerin Julia Kristeva eine psychoanalytisch argumentierende Kulturtheorie, die sich dem Prozess der 'Abjection' widmet, dem systematischen Ausschluss dessen, was das Subjekt in seiner Ich-Konstitution, sowie die symbolische Ordnung, welche die Subjektwerdung gewährleistet, bedroht. Kristevas Neologismus 'Abjekt' leitet sich etymologisch vom lateinischen Verb abicere ab, zu deutsch 'wegwerfen' oder 'abstoßen', und bezeichnet Konzepte, die existentiell verwerflich und ekelerregend sind, letztlich ausgegrenzt bzw. beseitigt werden müssen. Die englische Übersetzung von 1982, Powers of Horror. An Essay on Abjection, erwies sich in den folgenden Dekaden als wichtiger Bezugspunkt für die Diskussion von Weiblichkeit und 'gothic literature' und wird daher in der folgenden Diskussion von du Mauriers Rebecca als zentraler Text genutzt.

Der Konfrontationsraum des Abjekts ist "the place where meaning collapses" (Kristeva 1982: 11), wo tradierte und die symbolische Ordnung stabilisierende Sinnzuschreibungen ihre Bedeutung verlieren. "It troubles a cultures conceptual categories, particularly the binary oppositions by means of which the culture meaningfully organises experiences" (Hurley 2007: 139). Somit ist das Abjekt auch das, was Grenzen, Gesetze und festgeschriebene Positionen überschreitet, es ist das, "[which does not] respect borders, positions, rules, [that which] disturbs identity, system, order" (Kristeva 1982: 13). In diesem Streben nach Transgression und dem schleichenden Zersetzen von Ordnungssystemen ist das Abjekt selbst schon ein Gespaltenes, es ist "the in-between, the ambiguous, the composite" (Kristeva 1982: 13). Das Abjekt selbst widerstrebt jeglicher Kategorisierung, Benennung und Sinnstiftung.

Der Prozess der systematischen Auslagerung, der 'Abjektion', zieht eine Demarkationslinie zwischen dem Menschlichen und dem Unmenschlichen, dem voll ausgebildeten Subjekt und dem bedrohlichen, instabilen, noch nicht ausgebildetem Proto-Subjekt, das stets das Subjekt an seine eigene Brüchigkeit und sein Geworden-Sein erinnert und somit zum Abjekt wird.




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Um sich als Teil der symbolischen Ordnung zu wähnen, muss sich das Subjekt vom Abjekt radikal differenzieren, es ausstoßen, um das eigene Ich zu erhalten: "Das 'Ich' ist am Leben, weil das 'andere' […] tot ist. Das 'Ich' kann sein, weil das 'andere' [das Abjekt, Anm. d. Verf.] nicht, bzw. nicht mehr ist" (Klemens 2004: 91). Allerdings ist ein vollkommener und längerfristiger Ausschluss des Objekts der Abjektion nicht möglich, da gerade dieser Prozess Garant für die Eigendefinition und die eigene Existenz innerhalb der symbolischen Ordnung ist. Somit handelt es sich um ein ständiges Spiel der wechselseitigen Annäherung und Verwerfung, in der besonders das Ritual eine Rolle spielt. In der ritualisierten Abjektion erneuert eine Gesellschaft ihren Kontakt zum Abjekt, um es im Anschluss wieder erneut auszugrenzen. Die Grenzen und Demarkationslinien müssen also stets neu gezogen werden (Klemens 2004: 93). Dies aber bedeutet für das Subjekt einen Dauerzustand der Gefahr, denn das Abjekt "acknowledges it to be in perpetual danger" (Kristeva 1982: 18). Diese stete Bedrohung äußert sich in physischem und existentiellen Ekel, der noch dadurch verstärkt wird, dass das gefürchtete Objekt durchaus seine Reize hat, so z.B. ein Körper mit Abjektcharakter: "the grotesque-abject body is a body of fear, but fear tempered with fascination" (Hurley 2007: 138). Ein Körper mit der Funktion eines Abjekts ist ein Leib, der weder ein Hin-, noch ein Wegsehen erlaubt, da sich das Subjekt ebenso bedroht wie fasziniert zeigt von der Möglichkeit der Selbstauflösung.

Eine Totalität des Ekels und der Abjektion baut sich um die menschliche Leiche auf. "The corpse, seen without god and outside of science, is the utmost object of abjection. It is death infecting life" (Kristeva 1982: 13). Die Leiche ist der Körper ohne Seele, der sichtbare Tod, der das Subjekt in seiner Position erschüttert und zu verschlingen scheint, denn "the corpse, the most sickening of wastes, is a border that has encroached upon everything. It is no longer I who expell. 'I' is expelled" (Kristeva 1982: 13). Es ist also nicht mehr das Subjekt, das das 'Andere' ausgrenzt, vielmehr fühlt sich das Subjekt vom Anblick der Leiche aus einer anderen Ordnung und Totalität gestoßen. Erst im Ritual, z.B. der Beerdigung, kann die alte Ordnung wieder von innen gereinigt und hergestellt werden. Dass dies nicht vollends funktioniert, zeigt schon die klassische Gothic- und Horrorliteratur am Beispiel des Untoten. Der Prozess der Abjektion und der ritualisierten Auslagerung bleibt hier unvollständig, da der Untote die körperliche Unversehrtheit der Lebenden, sowie die symbolische Ordnung durch die Zerstreuung binärer Kategorien (lebendig/tot) bedroht. Der Untote führt ein "konzeptuelles Zwitterdasein als lebende Leiche" (Klemens 2004: 91) und stürzt, wie jedes Abjekt, das Subjekt in eine tiefe Identitäts- und Existenzkrise durch Erschütterung der eigenen Definitionsgrundlagen.

Einen weiteren Aspekt von Körperlichkeit und Abjektion stellt speziell der weibliche Körper dar. Nach Kristeva kann der weibliche Körper nie komplett sinnstiftend und 'rein' sein, da Weiblichkeit in den kulturellen Diskursen des Abendlandes seit jeher mit zu überwindender Natur in Verbindung gebracht wurde.




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Der weibliche, insbesondere der mütterliche Körper, ist demnach ein Abjekt, dies vor allem durch die Menstruation und die Fähigkeit ein Kind zu gebären ('auszuscheiden'). Doch wird mit der Fähigkeit, Leben zu spenden, auch die Fähigkeit assoziiert, Leben wieder zu nehmen (vgl. Klemens 2004: 92ff.). Sie erinnert an den körperlichen Ursprung des Subjekts und somit auch an seine körperliche Vergänglichkeit. In diesem Verhaftet-Sein in Natur und Tod wird die Frau, die Mutter, zum Abjekt, welches ausgegrenzt und überwunden werden muss.



2 Elisabeth Bronfen und die 'Rhetorik der Auslagerung'

Die oben ausgeführte Form der Subjektkonstitution und Todesabwehr als Ausgrenzung der Natur über den weiblichen Körper im kulturellen Diskurs hat auch die Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen beobachtet und in ihrem Vortrag "Frauen kommen aus dem Wasser, Frauen gehen ins Wasser zurück: Eine Einleitung"2 ausgeführt. Die Thesen dieser Argumentation über die kulturelle Funktion der Verknüpfung von Weiblichkeit und Tod im Bild der Wasserleiche sollen im Folgenden dargestellt und mit Kristevas Abjekt-Theorie verknüpft werden, um deren Synthese später auf Rebecca anzuwenden.

Bronfen deutet im Anschluss an die feministische Theorie des 20. Jahrhunderts Weiblichkeit innerhalb patriarchaler Repräsentationssysteme als das kulturell 'Andere', die Grenze zur Norm, die immer männlich besetzt ist. Weiblichkeit, die immer Gegendiskurs und Pervertierung kultureller Norm bedeutet, muss folglich aus der symbolischen Gemeinschaft ausgeschlossen werden, damit diese sich wieder als Einheit wahrnehmen kann. Diese Opferung des Weiblichen soll schließlich eine "Katharsis der bestehenden Ordnung" (Bronfen 2005: 1) herbeiführen, die letztlich eine Neukonstituierung ist.

Auch hier wird Weiblichkeit also, mit Kristevas Worten, zum Abjekt, zu einer Bedrohung, die existentiellen Ekel hervorruft, da die Existenz des (männlichen) Subjekts in seinen Grundfesten erschüttert wird. Was folgt, ist die ritualisierte Verwerfung des Abjekts, die Opferung des Weiblichen, wie es Bronfen an weiblichen Todesdarstellungen in der Kunst festmacht. Die am weiblichen Körper festgemachte Kraft, die wie bei Kristeva ambivalent kodiert ist und Fruchtbarkeit und Tod gleichermaßen symbolisiert, muss jedoch auch wieder in symbolische Gemeinschaft eingegliedert werden. So bleibt diese "weiblich kodierte chaotische Kraft, wenn auch entmächtigt, stückweise erhalten, denn die Stabilität der Kultur hängt davon ab, dass sie durch dieses "Andere' dynamisiert wird" (Bronfen 2005: 1).




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Auch hier werden Parallelen zur Abjekt-Theorie Kristevas deutlich, denn auch das Abjekt kann nie gänzlich verschwinden, da der rituelle Ausschluss stets neu vollzogen werden muss, um die Demarkationslinien neu zu ziehen, um die symbolische Ordnung über den Ausschluss des Anderen neu- und wiederzudefinieren. Diese Ausschlussmechanismen im kulturellen Diskurs bezeichnet Bronfen als "Rhetorik der Auslagerung" (Bronfen 2005: 2), was durchaus mit Kristevas Prozess der Abjektion verglichen werden kann. Als das kulturell Andere stirbt die Frau stellvertretend, denn "an ihrem Tod kann kathartisch jenes Prinzip Leben abgewehrt werden, was so beunruhigend und verstörend ist, weil es (wie auch das Abjekt, Anm. d. Verf.) feste Stabilitäten bedroht, weil es jeden Anspruch auf Ewigkeit desillusioniert" (Bronfen: 2005: 2).

Bronfen untersucht dieses Phänomen am Beispiel der künstlerischen Inszenierung von Tod und Weiblichkeit im Bild der Wassernixe und der Wasserleiche, die sie gleichsetzt. Ebenso wie Weiblichkeit ist Wasser ambivalent kodiert, es ist ebenso lebensspendend wie destruktiv und wird als gebärendes Element in die Nähe der Mütterlichkeit gerückt, doch ist es eben das Mütterliche, das dem Subjekt stets seine eigene Vergänglichkeit vor Augen führt (vgl. Bronfen 2005: 2). Dies korrespondiert mit Kristevas Abjekt-Theorie, in der ebenfalls der mütterliche Körper mit Tod und Auflösung identifiziert und folglich zum Abjekt erklärt wird. Doch ist das Abjekt eben auch ein Faszinosum. Bronfen führt hier das Bild der verführerischen Sirene aus der griechischen Mythologie ins Feld, deren fataler Gesang Selbstvernichtung als Glücksversprechen preist (Bronfen 2005: 3). Dieser Gesang vertritt wie das Abjekt ein anderes Gesetz, sowie die Lust an der Gefahr, denn das Subjekt ist in der Konfrontation mit dem Abjekt "threatend […] and yet attracted to the possibility of dissolution" (Hurley 2007: 138). Die Wasserfrau hält also wie das Abjekt dem Zusammenhalten des Ich ein Zerfließen desselben entgegen (Bronfen 2005). Für Bronfen ist letztlich jede Todesdarstellung im Zusammenhang mit Weiblichkeit eine "Abwehr- und Verarbeitungsgeste" (Bronfen 2005: 3), ebenso wie es die Abjektion ist. Die Frau, die stets die "Verflüssigung des irdischen Daseins" und die "Fragilität des Lebens" (Bronfen 2005: 3) beschwört, soll im Bild der Wasserfrau oder –leiche gebannt und ausgelagert werden.

Meine These ist, dass du Mauriers Roman Rebecca eben an der gleichnamigen geisterhaften Heldin exemplarisch einen Prozess der 'Abjection' und der 'Rhetorik der Auslagerung' inszeniert, was vor allem an der Bedrohung der symbolischen Ordnung Manderleys durch die von Rebecca verkörperten, abjekthaften Prinzipien vorgeführt wird.




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3 Die symbolische Ordnung um Maxim de Winter und Manderley

"Christ said nothing about stones, and bricks, and walls, the love that a man can bear for his plot of earth, his soil, his little kingdom" (R: 323). In dieser Aussage Maxim de Winters wird der Status des englischen Landsitzes Manderley im Leben des Aristokraten deutlich. Es ist der der Ort seines Ursprungs und somit Stätte authentischer Zugehörigkeit und Identität. Manderley und seine Kultur sind der Inbegriff einer gewissen 'Englishness', in der "routine" und "custom" (R: 94) den Alltag strukturieren. Die englisch-aristokratische Tradition, die in Manderley in Teestunden und Kostümbällen abgerufen wird, hat etwas Geheiligtes, was schon der namenlosen Heldin auffällt, als sie zum ersten Mal die noblen Räumlichkeiten betritt und den Geruch einer "silent church" (R: 83) wahrnimmt. Die symbolische Ordnung Manderleys, v.a. die englische Adelstradition, werden hier mit dem Dogmatischen der Kirche geschnitten, werden unantastbar. 3 Manderley vertritt hier also ein Gesetz, das für Maxim Besitz und Identität regelt und zudem seine Ehre und seinen Stolz begründet.

Ein weiterer Aspekt der symbolischen Ordnung verbirgt sich in dem Namen 'Manderley' selbst durch die erste Silbe 'Man', welche diesen Ort als patriarchal besetzt identifiziert. Somit ist der Landsitz auch eine "world of class-bound patriarchal authority" (Davies 2011: 184). Manderley stellt also auch einen Ort dar, der über die sozialen Kategorien Klasse und Geschlecht strukturiert wird. Schon bei der ersten Begegnung der Heldin mit Maxim spricht sie seine intuitiv erfasste Zugehörigkeit zu einer anderen Zeit und einem anderen Wertesystem aus, denn er schien "from a long and distant past" (R: 20) zu kommen und wird von der Erzählerin in die Nähe des romantischen Mittelalters gerückt.

Über den patriarchalen Charakter Maxims und somit Manderleys geben andere Textstellen Aufschluss, die die Strukturierung seines Denkens und seiner Welt in binäre, hierarchische Oppositionen aufzeigen, über die Identität festgeschrieben wird. Für Maxim steht fest, "women are not like men" (R: 316), und er trennt die Geschlechter nicht nur körperlich voneinander, sondern auch in ihrer Fähigkeit zu Denken, da die "twisted, tortuous minds of women" (R: 237) seiner Ansicht nach unergründlich und verwirrend sind. Ganz im Sinne des Phallogozentrismus4 wird hier Männlichkeit mit Sinnstiftung, Wahrheit und authentischer Rede in Verbindung gebracht, während die "enigmatic nature of feminity" für Maxim "abnormal, deceptive, […] alien and threatening for its capability of distorting, manipulating and misrepresenting (intendent) meaning and truth" ist (Papp 2008: 122). Weiblichkeit fungiert also für Maxim nicht als "screen reflecting back the masculine fantasy of self-sameness" (Papp 2008: 122), wodurch in Akten der Gewalt und Ausgrenzung diese bedrohliche weibliche Kraft abgetötet werden muss.




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Rebecca, als die Verkörperung des stärksten und verheerendsten weiblichen Prinzips, bedroht jedoch die symbolische Ordnung, indem sie die Geschlechterdichotomie in Frage stellt. Dies insbesondere durch ihre ambivalent kodierte Geschlechtlichkeit und ihre Zugehörigkeit zu den Sphären der Erotik und des Todes, die die "fragility of law" Maxims aufzeigen (Creed 1993: 10), was nicht zuletzt mit seiner eigener Sexualangst und -abwehr zu tun hat.



4 Rebecca als Femme Fatale und Abjekt: Erotik und Sexualität

Maxims zweite Ehe mit der namenlosen Erzählerin wird als ausgesprochen unsinnliche, körperlose Ehe inszeniert, in der sich mehr Vater und Tochter, als sich liebende, erotisch zueinander hingezogene Ehegatten gefunden haben. Daraufhin weist vor allem Maxims Abneigung gegenüber der Ausbildung einer weiblichen, reifen sexuellen Identität seiner Ehefrau. So verbietet er ihr etwa, "black satin" (R: 46), Symbol weiblicher Verführungskraft, zu tragen und wünscht sich zudem, sie möge niemals erwachsen werden (R: 65). Auch das letztendliche Exil des Paares als beinahe lebende Tote ist von äußerster "ennui" (R: 10) geprägt. Hier findet die sexuelle Bedürfnislosigkeit Maxims ihr Pendant in dem sich unterordnenden Willen seiner Gattin, die nicht seine Geliebte, sondern lediglich sein Freund und Begleiter (R: 313) sein will. Dies korrespondiert auch mit der Inszenierung ihrer Körperlichkeit, die sich als "boy-like", "anorexic", "sexually passive" und "needless" (Davies 2011: 183) erweist, ein Körper also, der unterminiert, masochistisch und von sich selbst zehrend erscheint. Und auch macht Maxim an keiner Stelle des Textes deutlich, ihren Körper lustvoll genießen zu wollen, geschweige denn, ihn dabei zu unterstützen, sich hin zu einer autonom erotischen Weiblichkeit zu entwickeln. Die Kindhaftig- und Körperlosigkeit der Heldin soll hier geradezu als Gegengift zu dem zersetzenden weiblichen Gesetz eingeführt werden, welches durch Rebeccas gespenstische An- und Abwesenheit an der symbolischen Position Maxims und Manderleys nagt. Somit steht der Asexualität des Ehepaares die mehr als körperliche und exzessive Sexualität der Vorgängerin Rebecca gegenüber, die der Inbegriff des kulturell überlieferten und künstlerisch immer wieder inszenierten Bildes der Femme Fatale ist, das durch folgende Attribute und Muster gekennzeichnet ist:

Her rather morbid sexuality connects her beauty with barrenness, lack of production, death and obliteration; because her power situates the femme fatale as evil, she is invariably punished or killed (often by a man); finally, she is often associated with a sexually ambiguous identity, in so far as she is linked with androgyny, bisexuality and/or lesbianism. (Horner 2000: 210)




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Aspekte also, die auch Rebecca in ihrer Funktion als Femme Fatale erfüllt. Maxim führt an, dass Rebecca für ihn "vicious, damnable, rotten" (R: 320) war, was vor allem an den verschiedenen Ausprägungen ihrer emanzipierten Sexualität liegt, da diese Maxims eigener Frigidität und Triebunterdrückung entgegenstehen. Doch sind es nicht nur die wohl orgiastischen Ausschweifungen in London und in ihrem Bootshaus, die Maxim herausfordern, als vielmehr ihre Destabilisierung der Geschlechterkategorien und der heteronormativen Matrix5 durch ihre ambivalent und als pervertiert konnotierte Sexualität, die, obwohl im Text nicht ausgesprochen, zwischen Bisexualität und Lesbianismus zu schweben scheint. Eine auf Fortpflanzung gerichtete monogame Ehe, wie sie der Fortbestand Manderleys, der Familie de Winter und somit der symbolischen Ordnung verlangen würde, ist somit unterwandert.

Der kulturellen Geschlechterdichotomie folgend, wird Rebecca als Frau in die Sphäre der Natur verlagert und scheint selbst eine Naturgewalt zu sein, da sich ihrer verführerischen, autonomen Erotik männliche Kraft und Naturbeherrschung hinzugesellen. Dies äußert sich sowohl in ihrem souveränen Walten über das Meer beim Segeln, als auch in Mrs. Danvers Erinnerung an die Zähmung eines Hengstes (Symbol männlicher Potenz), den Rebecca zu Grunde richtet (R: 288). Von hier aus sind dann wohl auch ihre polygamen Liebschaften zu verstehen, in denen ihr Liebe und Erotik nur ein Sport waren, da sie die Männer nie begehrte und schätzte, sondern lediglich verlachte (R: 400). Diese quasi-sadistische Freude, Männer zu beherrschen, sowie ihre aggressiv-kämpferischen Attribute sind die wohl stärksten Hinweise auf ein destruktives Begehren Rebeccas.

Maxim selbst bekämpft und tötet letztlich Rebeccas transgressive, mannhafte Sexualität, wobei dies auch als Kampf gegen sich selbst zu verstehen ist, da ihm eine tiefe Eifersucht gegenüber Rebecca anzurechnen ist, die seinem unterdrückten Begehren und seiner Frigidität den Exzess gegenüberstellt – denn bei Maxim selbst ist ein latentes homoerotisches Begehren nicht ausgeschlossen (vgl. Davies 2011: 148). Die These ist spekulativ, da der Text hierüber keine Auskunft gibt, doch ist diese 'gequeerte' Lektüre, in der Maxim Opfer der eigenen Selbstverneinung wird, durchaus plausibel. Seine erste Ehefrau flüchtete für ihre sexuellen Eskapaden nach London und in ihr Bootshaus und mit der zweiten Ehefrau führt er eine Ehe, die jegliche sexuellen Aspekte vermissen lässt, man denke nur an die Verwunderung der Heldin bei Schwangerschaftsvermutungen von Seiten der Schwägerin (R: 208). Diese Interesselosigkeit am weiblichen Körper und sein gesteigerter Hass auf Rebeccas Gebaren, in dem er nur die Verwirklichung seines eigenen unterdrückten Begehrens sieht, lassen ihn zum melancholischen Patriarchen werden, der selbst keinen Zugriff auf die eigene Homoerotik hat, wobei ihm nicht nur Rebecca, sondern auch sein eigenes Inneres zum Abjekt werden.




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Die Tötung Rebeccas als "fantasized center of a nimbus of sexual degeneracy" (Jagose 2002: 102) ist ein Paradebeispiel für einen Prozess der Abjektion, gerade weil hier das Abjekt typischerweise "intolerable ideas and effects that must be repressed, displaced and projected elsewere" (Hurley 2007: 144) verkörpert. Rebeccas als pervertiert empfundene Sexualität, ihre Freizügigkeit und ihre Bisexualität sind solch untolerierbare Prinzipien, gerade da sich Maxim selbst eine autonome Sexualität jenseits von Fortpflanzung (zum Erhalt der symbolischen Ordnung) nicht zugesteht, diese unterdrückt und auf Rebecca projiziert, um sie abzutöten.

Rebecca als Abjekt, das einen Dauerzustand der Gefahr nicht nur von außen, sondern auch von innen heraus (durch die eigene Sexualität) markiert, muss von Maxim verworfen werden, damit er selbst Teil der symbolischen Ordnung Manderleys bleiben kann. Eine Identifizierung mit Rebeccas zersetzender Grenzüberschreitung, die die "fragility of law" (Creed 1993: 10) deutlich macht, muss unterbunden werden. Hier zeigt sich, inwiefern Abjektion auch als Konflikt von Innen und Außen (Klemens 2004: 91) zu verstehen ist. Maxims Ekel und Angst vor dem eigenen Inneren – denn "self-abnegation encodes a pathological desire for excess" (Davies 2011: 148) – wird hier durch die Angst vor Rebeccas kastrierender Transgression, die ihn schon namentlich beschneidet und aus Maxim "Max" (R: 41) macht, ausgedrückt. Sein Inneres widerspricht ebenso wie Rebeccas nach außen gelebte Sexualität dem Außen, der logozentrischen und heteronormativen Ordnung. Rebeccas Opferung als Abjekt dient letztlich der Stabilisierung dieser tradierten Lebens- und Denkmuster.



5 Rebecca als Femme Fatale und Abjekt: Tod und Vergänglichkeit

Wie das Wasser (welches Leben gibt und nimmt), in dem Rebecca begraben wird, ist auch ihre Weiblichkeit typisch ambivalent kodiert und folgt in diesem Sinne dem klassischen Bild der Femme Fatale, welches ebenso eine unbeugsame Sexualität, wie auch das Destruktive und den Tod assoziieren lässt, womit es männlichen Ganzheitsphantasien gegenübersteht.

Es ist nicht nur Rebeccas lesbisches Begehren, welches Vergänglichkeit assoziieren lässt, da die unfruchtbare, nicht-reproduktive Homoerotik in der Logik des Romans als Sexualität 'zum Tode hin' gesehen werden kann. Schon als Lebende ist Rebecca der Vergänglichkeit verhaftet, da sie sich weigert, Maxim legitime Erben zu gebären (R: 329). Dass Rebecca durch eine Deformation der Gebärmutter unfruchtbar war und ihm nie ein Kind hätte schenken können, soll hier erst später Beachtung finden.




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Zuerst soll Rebeccas bewusste Herausforderung Maxims, durch die sie ihre Ermordung von einem Krebsleiden erlösen soll, thematisiert werden.

Maxim braucht als Adeliger legitime Erben, die seinen Besitz, Brauch und Tradition in die Zukunft weiterreichen, vor allem aber auch die Blutlinie der de Winters fortführen. Auch würde sich in den Kindern die symbolische Ordnung fortpflanzen. Rebecca allerdings fehlt jedes maternale Element, vor allem da sie sich zu weigern scheint, Maxims Kinder auszutragen und eine auf sich selbst gerichtete, zweckfreie Sexualität lebt. Dem Mord gehen das Gedankenspiel und eine Drohung Rebeccas voraus, sie könne Maxim das parasitäre Kuckuckskind eines Fremden austragen, das zur Bewahrung des schönen Scheins als rechtmäßiger Erbe durchgehen müsse (R: 329). Diese Vorstellung scheint Maxim enorm narzisstisch zu kränken und führt bei ihm zu einem Triebdurchbruch, in dem er Rebecca – angeblich schwanger – erschießt (R: 330). In diesem letzten Augenblick ihres Lebens bedeutet sie für Maxim das Reißen seiner Blutlinie und somit Tod und Vergänglichkeit Manderleys und seiner Bewahrer.

Doch wird Rebecca auch ganz wörtlich zur Trägerin des Todes, wenn am Ende des Romans Dr. Baker mitteilt, dass sie an einem Geschwür an der Gebärmutter und zudem an einer "malformation of the uterus" (R: 431) litt, sie also unfruchtbar und aus dem eigenen Körper, der eigenen Natur heraus dem Tod geweiht war. Die Gebärmutter, Stätte des Lebens und menschlicher Reproduktion, wird hier also durch das Geschwür und die anatomische Missbildung in ihr Gegenteil verkehrt, wird zum Hort des Todes. Einerseits ist die Krankheit Rebeccas sicherlich als 'Strafe' (im Sinne poetischer Gerechtigkeit) zu verstehen, da Rebecca, die die Natur zu beherrschen schien, letztlich von ihrer eigenen Natur überwältigt, und der Zirkel sexueller Transgression unterbrochen wird. Doch ist auf einer Metaebene des Textes die erkrankte Gebärmutter eine metonymische Verschiebung des Lebens in Richtung Tod. Für Maxim wird das phantasmatische Kuckuckskind, das in Manderley eindringen und die familiäre Linie kappen würde, eben wie das Geschwür in Rebeccas Unterleib, mit Tod assoziiert. Die Weigerung und (Un-)Fähigkeit Rebeccas, gar keine oder nur illegitime Erben zu Gebären, findet in Maxims psychischem Repräsentationssystem seine Entsprechung in Rebeccas Krankheit, die lediglich als die Versinnbildlichung dieses Sachverhalts gesehen werden kann.

Somit ist also auch in der Todesabwehr der Mord an Rebecca ein klassischer Fall der Abjektion, in der man über Bronfens Thesen die Rhetorik der Auslagerung erkennen kann. Die Ermordung Rebeccas stellt eine kathartische Abwehr des Todes dar, da sie für Maxim von Beginn der Ehe an die Funktion eines Vanitas-Motivs hatte, ihn also stets an die Präsenz des Todes erinnerte, an die "grundsätzliche Verflüssigung des irdischen Daseins, weil das Leben von Geburt an unter dem Zeichen der Sterblichkeit steht" (Bronfen 2005: 3).




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Dass Rebecca dem Prinzip des Memento-Mori verhaftet ist, wird schon zu Beginn des Romans deutlich, als die namenlose Heldin einen Maxim gewidmeten Lyrikband von Rebecca entdeckt, in dem besonders Francis Thompsons Gedicht "The Hound of Heaven" hervorsticht (R: 40). In diesem sieht sich ein lyrisches Ich von einer fremden und bedrohlichen Instanz verfolgt, welche aber als Schicksal akzeptiert wird. Wovor das lyrische Ich letztlich flieht, ist wohl der Tod selbst, welcher resignierend als konsequentes Ende des Lebens anerkannt wird. Rebecca, selbst dem Tod geweiht, ist Trägerin dieses Wissens und lässt Maxim an diesem teilhaben. Ihre Ermordung ist schließlich Abwehr- und Verarbeitungsgeste, sie soll eine "Sinnstiftung[…] angesichts menschlicher Sterblichkeit, die für den Lebenden keinen Sinn ergibt", (Bronfen 2005: 3) sein. Da Rebecca um die Instabilität des Lebens weiß, lebt sie selbst umso exzessiver und erfüllt Prinzipien barocker Antithetik, in der sich orgiastischer Hunger nach Leben und das Wissen um den Tod vereinen. Maxim selbst kann nicht anders, als aggressiv auf diese kastrierenden Einsichten, die eine männliche Hybris vereiteln, reagieren. Und auch führt Rebecca vor, inwiefern ihre Verwerfung, der Prozess der Abjektion und die Rhetorik der Auslagerung, sinnlose Bemühungen sind, da sich kein Abjekt und kein Verdrängtes, weder Sexualität noch Tod, vollkommen beseitigen lassen. Von hier aus nährt sich der Gothic-Charakter des Romans, indem Rebecca wiederkehrt, zur Widergängerin und gespenstischen Repräsentanz eines fatalen erotischen Gesetzes wird, das an der symbolischen Position und Ordnung Maxims zehrt, Manderley umklammert, um ihm seine untilgbaren Spuren einzubrennen.

Deutlich wird, dass Rebecca durch ihre transgressive Sexualität und ihre Nähe zum Tod als exemplarisches Abjekt gesehen werden kann, welches in einem Verwerfungsprozess ausgelagert werden muss, um die symbolische Ordnung um Manderley zu erhalten. Dass diese Form der Verdrängung auch ein Scheitern, ein Nicht-Bewältigen mit sich bringt, zeigt sich im stückweisen Erhalt Rebeccas, durch ihre unvergänglichen Spuren in Manderley, da Rebeccas Gesetz der Transgression, ihre "anarchic force" (Jagose 2002: 109), letztlich triumphieren. Dies evoziert schon die anfängliche Traumsequenz der Heldin, in der die Ruine Manderleys von einer aggressiv kopulierenden, dämonisierten Natur verschlungen wird, was als "sexual perversity's overturning of heterosexual supremacy, as is everywhere apparent in the botanical fantasy of interbreeding" (Jagose 2002: 109) interpretiert werden kann. Maxims Aussage 'Rebecca has won' bewahrheitet sich also auf allen Ebenen und einmal mehr hat auch der Roman selbst gewonnen, der, wie sich gezeigt hat, jenseits einer Gothic-Romance psychoanalytische Paradigmen und patriarchale Systemkritik in Szene setzt.




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Bibliographie

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Kristeva, Julia (1982): Powers of Horror. An Essay on Abjection. New York: Columbia UP.




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Lindhoff, Lena (1995): Einführung in die feministische Literaturtheorie. Stuttgart/Weimar: Verlag J. B. Metzler.

Papp, Klaudia (2008): "Inscription and Encryption. Daphne du Mauriers Rebecca.", in British and American Studies, XIV, 121–128.


Anmerkungen

1 Im folgenden als "R" mit Seitenzahl zitiert.

2 Der Vortrag "Frauen kommen aus dem Wasser, Frauen gehen ins Wasser zurück" war als Einleitung zur Eröffnung der 2005 stattfindenden Ausstellung "Sirenen, Nixen, Meerjungfrauen" im Museum Strauhof Zürich konzipiert. Thematisch und argumentativ folgt Bronfen hier den Thesen ihrer bedeutenden Habilitationsschrift Nur über ihre Leiche. Tod, Weiblichkeit und Ästhetik (Bronfen 1993). Die Seitenzahlen beziehen sich auf die PDF Fassung des Vortrags.

3 Mit Kristeva verwende ich das Konzept der 'symbolischen Ordnung' in Anlehnung an Jacques Lacan und in Abgrenzung zu Kristevas verdrängtem Vorsymbolischen. Die symbolische Ordnung ist die sinnstiftende und ordnende Struktur der eigenen Umwelt als festgelegtes Bedeutungssystem, in dem sich über die alltäglich kommunikative Funktion der Sprache Bedeutung als eindeutig und besitzbar darstellt. Somit fällt die symbolische Ordnung mit dem gültigen Herrschaftsdiskurs in eins und regelt über eine binäre Strukturierung der Zeichensysteme die sozialen Verhältnisse. Somit steht sie stellvertretend für die patriarchale Gesellschaft (Lindhoff 1995: 111ff.).

4 Derrida bezeichnete die Ordnung der westlichen philosophischen Denksysteme als 'Phallogozentrismus', da die abendländische Metaphysik über Sinn, Ursprung, Rede und Vernunft Sinnstiftung zu ihrem Zentrum und Ziel erklärte. Patriarchal werden diese hilosphischen Diskurse über Lacans zentralen Signifikanten des Phallus, Konzept von Macht-, Welt- und Sprachaneignung, über den Zeichensysteme in binär hierarchische Oppositionen aufgespalten und somit verfügbar und letztlich sinnstiftend gemacht werden (vgl. Lindhoff 1995: 97).

5 Als Welt- und Menschenbild, das Heterosexualität sowie biologische und soziale Zweigeschlechtlichkeit zur unantastbaren Norm erklärt, fügt sich heteronormatives Denken widerstandslos in eine phallogozentrische Gesellschaftsordnung und macht somit auch einen Teil der symbolischen Ordnung um Maxim und Manderley aus.