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Hiltrud Lautenbach (Berlin/Friedrichsdorf)



Thomas Kotschi, Ulrich Detges und Colette Cortès (2009): Wörterbuch französischer Nominalprädikate. Funktionsverbgefüge und feste Syntagmen der Form <être + Präposition + Nomen>. Tübingen: Gunter Narr.



Funktionsverbgefüge sind verbale Konstruktionen des Typs V (+ Präp) + N, wie z.B. être en préparation 'in Vorbereitung sein', être à profit 'Gewinn bringen/abwerfen', être en mesure de 'in der Lage sein, etw. zu tun', faire faillite 'Pleite gehen' oder mettre en vente 'zum Verkauf anbieten'. Sie treten im Französischen sehr viel häufiger als im Deutschen auf. Als Prädikate im Satz werden sie nach dem in ihnen enthaltenen Nomen Nominalprädikate genannt. In dem komplexen Prädikatsausdruck wird der konzeptuelle Inhalt der Konstruktion durch das Nomen ausgedrückt (vgl. oben préparation/profit/mesure/faillite/vente), dagegen hat das Verb in erster Linie grammatische Funktion ("Funktionsverb") und ist semantisch "blass". In einigen Konstruktionen können unterschiedliche Funktionsverben stehen, deren Wahl die Aktionsart bestimmt, wie z.B. être, rester, entrer (z.B. être en service, rester en service, entrer en service). Der Prädikatsausdruck kann nur als Ganzes, etwa durch ein Vollverb, ersetzt werden, wobei sich in der Regel aber Bedeutungsunterschiede ergeben (vgl. mettre en vente vs. vendre oder mettre au clair vs. éclaircir). Im Französischen können bei den Funktionsverbgefügen drei große Gruppen nach den in der Konstruktion auftretenden Funktionsverben (être, avoir/prendre und faire) unterschieden werden (vgl. etwa Detges 2002).

Das vorliegende Wörterbuch französischer Nominalprädikate widmet sich nun der ersten dieser drei großen Gruppen, den Funktionsverbgefügen der Form <être + Präposition + Nomen>. Dabei werden nicht ausschließlich Konstruktionen mit être berücksichtigt, sondern auch die oben genannten verwandten Verben wie rester, entrer, mettre, tomber, se trouver usw. Außerdem wurden idiomatische Konstruktionen des Typs être dans la lune 'zerstreut/nicht bei der Sache sein' oder être sur son trente et un 'sehr gut gekleidet sein' aufgenommen, da sie die gleiche Struktur wie die behandelten Funktionsverbgefüge aufweisen. Es handelt sich hier um die im Untertitel genannten zumindest teilweise undurchsichtigen "festen Syntagmen", deren Bedeutung sich nicht aus den Einzelbedeutungen seiner Konstituenten ergibt.




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Die Gemeinsamkeiten der im Wörterbuch zusammengestellten Funktionsverbgefüge beschränken sich letztlich auf die einheitliche Struktur V (+ Präp) + N, denn die tatsächlichen grammatischen Eigenschaften der Kategorien Verb, Präposition und Nomen variieren von Konstruktion zu Konstruktion und müssen daher jeweils erlernt werden. Diese grammatischen Informationen können im Wörterbuch französischer Nominalprädikate nachgeschlagen werden.

Bei dem Wörterbuch handelt es sich um ein Konstruktionswörterbuch im doppelten Sinne, denn es sind sowohl die internen als auch die externen grammatischen Eigenschaften der Funktionsverbgefüge/Nominalprädikate erfasst. Einerseits finden sich Angaben, wie dieser bestimmte Typ von Funktionsverbgefügen konstruiert wird: Ein gegebenes Nomen wird mit welchem Verb (être und Verwandte) verbunden? Welche Präposition wird verwendet? Und bei mehreren Möglichkeiten: Mit welcher Bedeutungsdifferenzierung geht etwa ein Austausch der Präposition einher? Steht das Nomen im Singular oder im Plural? Wird ein Artikel verwendet? Welcher? Kann das Nomen durch Adjektive erweitert werden? Ist eine Verwendung von Präp + N auch als Attribut oder Adverbial möglich? Auf der anderen Seite begnügen sich die Autoren aber nicht mit der Konstruktion der Funktionsverbgefüge, sondern geben auf valenztheoretischer Grundlage auch die jeweils dazugehörigen Satzbaupläne an, d.h. die Valenz oder Wertigkeit des jeweiligen komplexen Prädikatsausdrucks. Hierbei sehen sich die Autoren ausdrücklich "in der Tradition des Französischen Verblexikons von Busse/Dubost (1977/1983)" (IX).

Das Wörterbuch enthält eine etwa 12seitige Einführung zum Gegenstand des Wörterbuchs sowie zu seiner Makro- und Mikrostruktur. Die Autoren haben etwa 950 Nomina des Französischen ausgewählt, mit denen eine solche Konstruktion möglich ist und bieten damit eine "weitgehend exhaustive Beschreibung dieses Ausschnittes aus dem System der französischen Sprache" (XII). Die alphabetische Anordnung der ausgewählten Nomina von abandon bis zigzag ergibt die Makrostruktur des Wörterbuchs. Den Hauptteil der Einführung macht die Beschreibung der Mikrostruktur aus, in dem auch beispielhaft einige Einträge aus dem Wörterbuch vorgestellt werden. Der Aufbau der Einträge ist zweispaltig. In der linken Spalte stehen unter dem halbfett gesetzten Lemma die möglichen Konstruktionen mit ihren grammatischen Eigenschaften (Verb, Präposition, Numerus, Argument(e)). In der rechten Spalte finden sich die jeweils vorgeschlagenen deutschen Übersetzungen zu den einzelnen Konstruktionen und die Beispielsätze, die allesamt aus konkreten Verwendungszusammenhängen stammen. Als Quellen werden Belletristik und Sachtexte (bes. FRANTEXT), Presseartikel und Internetpublikationen genannt. Für den Fremdsprachenlerner und Textproduzenten wurde ein Register eingerichtet (801–896), in dem "die im Wörterbuch angegebenen Übersetzungen alphabetisch aufgelistet" (801) sind.




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Das Wörterbuch französischer Nominalprädikate umfasst nicht ganz tausend Seiten, hat einen festen Einband und stabile Fadenheftung und wird auch häufigen Gebrauch lange aushalten. Die Einträge in dem Wörterbuch sind in ihrer zweispaltigen Struktur nahezu selbsterklärend, klar und plausibel und machen das Wörterbuch auf Anhieb benutzbar. Auch die Materialfülle ist beeindruckend. Zu den 950 Lemmata werden jeweils authentische Beispiele präsentiert und belegt, und sie sind – so die Autoren in der Einleitung (vgl. XXI) – von französischen Muttersprachlern auf ihre Akzeptabilität hin überprüft worden. Das Wörterbuch eignet sich somit nicht nur sehr gut als "Grundlage für eine weitere wissenschaftliche Beschäftigung mit den Funktionsverbgefügen" (XII), es ist auch für jeden Fremdsprachenlerner und Textproduzenten des Französischen, für den Übersetzer vom Französischen oder ins Französische eine sinnvolle Ergänzung zu herkömmlichen Wörterbüchern, die die entsprechenden Informationen in der Regel nicht bieten. Zu empfehlen ist das Wörterbuch insbesondere auch als Ergänzung zu dem Valenzlexikon von Busse/Dubost. Auch wenn man sich (oft) ohne die Verwendung von Funktionsverbgefügen im Französischen verständlich machen kann, für einen idiomatischen Gebrauch des Französischen sind sie – und ist damit das neue Wörterbuch – unverzichtbar.

Von den bei der ersten Benutzung des Wörterbuchs gemachten Beobachtungen sei folgendes erwähnt: Die als Übersetzung von discrétion angegebenen Nomina 'Takt(gefühl), Rücksichtnahme' sind im Register nicht enthalten. Es finden sich nur Takt mit Verweis auf 'cadence' und 'mesure2' sowie Rücksicht mit Verweis auf 'mépris'. Bei den Quellenangaben der Beispielsätze könnten bei "www" die Textsorte und bei älteren literarischen Texten – wenn aus aktuellen Ausgaben zitiert wurde – die Entstehungszeit angegeben werden. In der Einführung wäre neben dem Hinweis auf die zugrundegelegte Valenztheorie eine (ganz) kleine Erläuterung hilfreich, werden doch als Adressaten auch schon "alle fortgeschrittenen Lerner des Französischen an Schule" (XII) usw. angesehen.

Bei den angegebenen deutschen Übersetzungen ergibt sich für den Benutzer ohne deutsche Muttersprache eine Unsicherheit. In der Einführung (und auch schon im Klappentext) wird darauf hingewiesen, dass Funktionsverbgefüge im Französischen sehr viel häufiger verwendet werden als im Deutschen. Bei den angebotenen deutschen Übersetzungen sind oft auch Funktionsverbgefüge gewählt worden. Hier könnte markiert werden, ob eine Angabe als Übersetzung möglich und gebräuchlich oder nur als Hinweis auf die Bedeutung zu verstehen ist. So sind etwa die Konstruktionen in Verbindung stehen mit/in Beziehung stehen zu (hier für être en relation) im Deutschen durchaus gebräuchlich, wohingegen sich in der Genesung befinden (hier für être en rémission – zusätzlich wird das Verb genesen angegeben) nur als Übertragung aus dem Französischen angesehen und im Deutschen nicht verwendet werden kann.




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Zusätzlich erscheinen einige feste Syntagmen der gleichen Struktur <être + Präp + N> (vgl. oben être dans la lune), die nicht im eigentlichen Sinne zu den Funktionsverbgefügen zu rechnen sind, deren Aufnahme sich aber im Gebrauch des Wörterbuchs gerade für den Nicht-Muttersprachler als sinnvoll erweist.

Über die Beschreibung von Funktionsverbgefügen hinaus gehen auch die Fälle, bei denen die Beispiele mit "(attr)", "(adv)" oder "(div)" markiert sind. Die Abkürzungen (attr) und (adv) stehen dabei für Sequenzen von Präposition + Nomen aus einem Funktionsverbgefüge, wenn sie ohne Funktionsverb "usuell und häufig" (XVI) in attributiver oder adverbialer Funktion vorkommen. Als Beispiele für "adv" finden sich etwa en mer, 'auf See', en avance 'zu früh, vorzeitig', en sûreté 'in Sicherheit', au propre 'im wörtlichen Sinn'. Sie treten mit verschiedenen Vollverben auf und gehen keine sehr enge semantische Verbindung mit diesen Verben ein. Die Abkürzung "div" wird zur Markierung verwendet, wenn ein "adverbialisiertes Funktionsverbgefüge" – gemeint ist hier die im Funktionsverbgefüge enthaltene Sequenz aus Präposition und Nomen und nicht die ganze Konstruktion – "eine enge Verbindung mit einem verbalen Element ein[geht], das selbst kein Funktionsverb, sondern ein Vollverb ist" (XVII). Beispiele für (div) sind etwa prendre en fermage 'pachten', envoyer en cure 'zur Kur schicken' oder rouler en code 'mit Abblendlicht fahren'. Diese Konstruktionen werden, da sie nicht mit Funktionsverben, sondern mit Vollverben auftreten, nicht als Funktionsverbgefüge angesehen. Es handelt sich bei dem jeweiligen nominalen Teil (mit Präposition) – nach der zugrundegelegten Valenztheorie – um nicht-valenzabhängige Satzglieder (circonstants, Zirkumstanten, Angaben), die kein Teil des Prädikats sind, mit dem jeweiligen Verb aber eine enge semantische Verbindung eingehen. Sie werden hier in einem Wörterbucheintrag aufgeführt, wenn das in ihnen enthaltene nominale Element auch in einem Funktionsverbgefüge auftritt. Anders ist dies nur etwa im Eintrag hommage, wo einzig eine adverbiale Konstruktion angegeben wurde, ohne ein entsprechendes Funktionsverbgefüge.

Es ergeben sich Übergänge – mit möglichen Grenzfällen – zwischen den ganz eindeutigen Funktionsverbgefügen mit dem neutralen Funktionsverb être über die mit être verwandten Verben, die eine zusätzliche Information über die Aktionsart enthalten, bis zu den Vollverben mit nicht mehr als zu einem Funktionsverbgefüge gehörig empfundenen nominalen Teilen eines Satzes, die im Satz ein zusätzliches Satzglied darstellen. Die Unterscheidung erfolgt nach dem semantischen Gehalt des an der Konstruktion beteiligten Verbs. Wörterbucheinträge, in denen ein Nomen in allen genannten Konstruktionen vorkommt (neutrales Funktionsverb, Verben verschiedener Aktionsarten und Vollverb) dürften noch wichtige Erkenntnisse aus diesem Bereich der französischen Syntax und Semantik bereithalten.

Dieser letzte Aspekt ist besonders interessant, und das vorliegende, übersichtlich aufbereitete Material mag zur weiteren wissenschaftlichen Beschäftigung mit diesem Thema animieren. In jedem Fall aber wird der Fremdsprachenlerner des Französischen großen Nutzen aus diesem Wörterbuch ziehen. Vielleicht kann nach Vorbild des besprochenen ersten Bandes ein weiterer folgen, der sich den anderen beiden großen Gruppen von Funktionsverbgefügen, den Verben avoir/prendre und faire, widmet.




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Bibliographie

Busse, Winfried und Jean-Pierre Dubost (1977/1983): Französisches Verblexikon. Die Konstruktion der Verben im Französischen. Stuttgart u.a.

Detges, Ulrich (2002): "Funktionsverbgefüge", in: Handbuch Französisch. Sprache – Literatur – Kultur – Gesellschaft. Hg. von Ingo Kolboom u.a. Berlin, 237–240.