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Isabelle Mensel (Bonn)



Helmut Berschin, Josef Felixberger und Hans Goebl (22008): Französische Sprachgeschichte. Hildesheim: Georg Olms.



Mit Spannung wurde die Veröffentlichung der lang ersehnten zweiten Auflage der Französischen Sprachgeschichte von Berschin/Felixberger/Goebl erwartet. Dieses Werk hat Generationen von Studierenden durch Kurse der älteren Sprachstufen begleitet und wurde schon bei seinem Ersterscheinen zu Recht hochgelobt. Die Bewährung im universitären Unterricht in Verbindung mit den äußerst positiven Kritiken hat die Verfasser dazu bewogen, an dem erprobten Konzept festzuhalten und nur behutsame Änderungen vorzunehmen. Zu diesen zählen die notwendige bibliographische Aktualisierung, die Modernisierung des umfangreichen Kartenmaterials – insbesondere die Erstellung von Farbkarten – sowie die Veröffentlichung zweier gänzlich neuer Kapitel: 'Zur historischen Varietätenlinguistik des Französischen' (394–399) sowie 'Tendenzen der französischen Sprachpolitik in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts' (408–411).

Alles andere bleibt erhalten und so stellt dieses Werk das vorzüglich geglückte Unternehmen dar, Grundlegendes zum sprachlichen Wandel des Französischen der letzten 2000 Jahre zu vermitteln. Das Buch deckt die Römerzeit bis zur Gegenwart in fünf großen Teilen ab: Der A-Teil widmet sich den Grundbegriffen der historischen Sprachwissenschaft; der B-Teil beschäftigt sich mit der lateinischen Basis; Teil C behandelt die interne Geschichte (phonetische und morphosyntaktische Entwicklung vom Altfranzösischen hin zur modernen Sprachstufe); Teil D gehört der untrennbar damit verbundenen externen Geschichte, die von der römischen Eroberung Galliens über die Ausgliederung der romanischen Sprachen bis zur Entstehung, Entwicklung, Ausbreitung und Normierung des Französischen reicht; Kapitel E zur sprachlichen Gliederung Frankreichs – das in moderneren Termini vielleicht mit 'Diatopische und diastratische Gliederung Frankreichs' zu überschreiben wäre – beschließt den breiten Themenkreis.






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Die Ergänzungen und Präzisierungen zu den einzelnen Abschnitten wurden in einem gesonderten 'Nachtrag' vorgenommen, welcher der Reihenfolge der fünf großen Teile entspricht. Das von den Autoren ins Feld geführte preisliche Argument für diesen gestalterischen Kompromiss leuchtet ein, stellt jedoch nicht die leserfreundlichste Lösung dar.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen die beiden gänzlich neuen Kapitel, die explizit gekennzeichnet werden. Das erste bildet Kapitel 6 des A-Teils und bietet einleitend einen Abriss zu Situation und Problematik der historischen Varietätenlinguistik des Französischen. Im Anschluss werden drei aussagekräftige Beispiele aus zwei verschiedenen Jahrhunderten auszugsweise abgedruckt und detailliert kommentiert: Louis XIII für die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts, Chavatte für die 2. Hälfte desselbigen und die Transkription von Äußerungen einer jungen Frau in einer telefonischen Ratgebersendung für die aktuelle Zeit. Die gewählten Textausschnitte demonstrieren anschaulich die Arbeit der historischen Varietätenlinguistik und bieten daher einen guten Einstieg für vertiefte Untersuchungen aus diesem Bereich, in dem noch viel zu entdecken bleibt.

Das zweite neue Kapitel ergänzt als 6. Kapitel den D-Teil und widmet sich den Haupttendenzen der französischen Sprachpolitik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Im Vordergrund stehen zu Recht die viel diskutierten Themen 'Kampf gegen Fremdwörter/Anglizismen' und 'Feminisierung von Personenbezeichnungen'. Erfreulich ist, dass die Darstellung keinesfalls rein beschreibend bleibt, sondern konsequent auch die Auswirkungen der Gesetze auf die Sprachbenutzer schildert, soweit jene durch Studien bereits zuverlässig erfasst sind.

Das Werk wird mit Sicherheit seine herausgehobene Position behaupten. Die Lektüre bleibt auch nach drei Jahrzehnten weiterer Forschung unverändert lehrreich. Sie gewinnt sogar an Gewicht, da die Umstellung der Lehrpläne auf das Bachelor-System wenig bzw. keine Zeit für die älteren Sprachstufen mehr vorsieht. Die Französische Sprachgeschichte ist damit nicht nur uneingeschränkt zu empfehlen, sondern auch dringend anzuraten.