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Dietrich Scholler (Berlin)



Jörg Helbig (1996): Intertextualität und Markierung. Heidelberg: Winter.



Anzuzeigen ist ein Buch, das in allen Philologien großes Interesse wecken dürfte, und zwar aus verschiedenen Gründen, von denen vorweg gleich der wichtigste genannt sei: Indem Helbig ein bedeutendes Detail der Intertextualitätsdiskussion, das Phänomen der Markierung, einer systematischen Untersuchung zuführt, schafft er ein Arbeitsinstrument, das von übereinzelsprachlicher Bedeutung ist und womöglich den Rang eines Handbuchs gewinnen könnte.

Helbigs Studie ist in sieben Kapitel unterteilt. In den ersten drei Kapiteln werden Erkenntnisziele, Forschungsansätze und theoretische Grundlagen referiert und diskutiert. Das Kernstück mit Tendenz zum Nachschlagewerk bilden die Kapitel vier ("Arten intertextueller Markierung") und fünf ("Funktionen markierter Intertextualität"), während die abschließenden Kapitel neben Applikationen auf die englischsprachige Literatur weiterführende Perspektiven bieten.

Eigentlich hätte Helbigs Studie "Markierung und Intertextualität" oder einfach nur "Markierung" betitelt werden können: Im Zentrum steht eindeutig das Phänomen der Markierung, während der Stand der Intertextualitätsdiskussion (zum Glück) nicht referiert wird und sich Helbig stattdessen mit kurzen Hinweisen auf einschlägige Veröffentlichungen begnügt.1 Zwar gibt es zum Problem der Markierung von Intertextualität ebenfalls einige Untersuchungen (u.a. Broich 1985, Füger 1989 und Holthuis 1993), aber der kritische Kommentar des Verfassers überzeugt, wenn er zum einen die mangelnde Unterscheidung von "'Markierung' und 'Markiertem'" (41), zum zweiten die Unvereinbarkeit punktuell richtiger Analysen (52) und schließlich eine "gravierende Forschungslücke" (55) im Bereich der Funktionen von Markierung moniert.

Bevor im vierten und fünften Kapitel eine Lösung dieser offenen Fragen präsentiert wird, bemüht sich Helbig um eine "theoretische Grundlegung intertextueller Markierung" (58-82). Dabei wird in der gebotenen Kürze zwischen Kristevas (1969) textontologischem und Pfisters (1985) textanalytischem Ansatz unterschieden, wobei letztgenannte Position aufgrund ihrer "Applizierbarkeit und Operationalisierbarkeit" (58) den Vorzug erhält.



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Eine solche beherzte Stellungnahme hätte man sich auch in bezug auf einen zweiten, äußerst umstrittenen Punkt gewünscht: Die Rede ist von Hempfers (1991) gegen Pfister mit bedenkenswerten Argumenten vorgebrachtem Plädoyer für einen wieder eingeschränkten Intertextualitätsbegriff. Wohlgemerkt, beide Autoren sind sich einig in ihrer Ablehnung von Kristevas entgrenztem Verständnis von Intertextualität. Indes hält Pfister daran fest, daß auch Systemreferenzen mit Hilfe der von ihm aufgestellten Kriterien2 angemessen erfaßt werden können. Dagegen will Hempfer den Intertextualitätsbegriff auf Fälle von Einzeltextreferenz beschränkt wissen. Sein Argument, das an dieser Stelle nur verkürzt wiedergegeben werden kann:

[Texte sind] immer und notwendig Aktualisierung allgemeinerer textkonstitutiver Strukturen, zusätzlich können sie Bezüge zu anderen, konkreten Einzeltextreferenzen aufweisen. Das, was fakultativ ist, muß speziell markiert werden, textkonstitutive Strukturen müssen notwendig verwendet werden (Hempfer 1991: 15).

Hiergegen könnte immerhin eingewandt werden, daß auch texttypologische Referenzen wie z.B. Schreibweisen oder das Anzitieren von Gattungen durchaus fakultativ und keineswegs obligatorisch sind. Welche Not Helbig mit diesen ungelösten Problemen hat, wird in einem (wohl nicht zufällig) dreizehnzeiligen Satz deutlich, aus dem letztlich hervorgeht, daß er zwar einerseits von einem engeren Intertextualitätsbegriff auszugehen gedenkt, aber zugleich möchte er sich das Tor zu einem textontologisch gefaßten Verständnis offenhalten, um der "kontrovers geführten Diskussion [...] ein ergänzendes Modell zur Seite zu stellen" (60).

Bei der Entwicklung seines vorläufigen Modells greift der Verfasser auf den von den Prager Strukturalisten entwickelten Markierungsbegriff zurück, demzufolge weniger komplexe, erwartete Formen als unmarkiert gelten. Umgekehrt sind markierte Formen von geringerer Distribution und wirken im poetischen Kontext als Störsignale, die den Rezipienten zur Reflexion anhalten und, rezeptionsseitig, in einem Prozeß des ständigen Neuarrangierens letztlich die Durchsichtigkeit des Textganzen erhöhen können. Da auf dem Feld der Literaturwissenschaft das Problem der Markierung insbesondere in bezug auf die Ironie diskutiert wird, knüpft Helbig im folgenden an diesen bereits ausdifferenzierten Diskussionsstand an. Umstritten ist in diesem Zusammenhang der Stellenwert von Ironiesignalen wie "eine besondere Intonation, eine Häufung bombastischer Ausdrücke, gewagte Metaphern, [...] Kursivdruck und Anführungszeichen" (Weinrich 1966). Der Dreh- und Angelpunkt der Diskussion, von Helbig mit bemerkenswerter Klarheit wiedergegeben, läuft letztlich auf die Streitfrage hinaus, ob derartige Signale auf der Ebene der langue anzusiedeln oder besser der parole zuzuordnen sind. Da sich die Waage aber zugunsten letzterer Position senkt, weil die Signale der literarischen Ironie von so verborgener Art sind, "daß es schon nicht mehr statthaft ist, überhaupt noch von Signalen zu sprechen" (Allemann 1970: 19)3 und dadurch nicht systematisiert werden können, kommt Helbig zu der Einsicht, daß das Phänomen Ironie keinen "geeigneten Zugang[...] zum Problemkreis intertextueller Markierung" (71) bieten könne. Daher fragt man sich, was den Verfasser – bei aller Brillanz der Darstellung – dazu bewogen haben könnte, überhaupt auf diese Diskussion einzugehen.



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In der Intertextualitätsforschung hat sich in der Zwischenzeit eine verwirrende Fülle von Begriffen zur Bezeichnung von Text und Bezugstext angestaut. Diese werden vom Verfasser in übersichtlicher Tabellenform4 präsentiert und anschließend aufgrund mißverständlicher Konnotationen verworfen. So wird zum Beispiel das Begriffspaar source text/target text wegen seiner Nähe zur EDV-Fachsprache5 und seiner mißverständlichen intentionalen Bedeutungskomponente ebenso kritisiert wie die Bezeichnung Prätext bzw. pre-text; letztere, weil sie fälschlicherweise "einen chronologischen Nexus in den Vordergrund rückt, der am Wesensgehalt des Relationsmodus beider Texte vorbeizielt" (78). Ob allerdings Helbigs Lösung der Weisheit letzter Schluß ist, sei dahingestellt. Sein Vorschlag, den alludierenden Text einfach als Text zu bezeichnen, verschiebt das Problem nur auf die zusätzlich vorgesehenen Epitheta (z.B. aktuell, manifest, präsent), die jeweils verwendet werden sollen und nicht weniger assoziationsträchtig sind.6

Es ist Helbig hoch anzurechnen, daß er im Hauptteil ("4. Arten intertextueller Markierung"; 83-142) seine systematische Vorgehensweise historisch relativiert, indem er darauf aufmerksam macht, daß die von ihm aufgestellten Kategorien keine Geltung für die vorviktorianische Literatur beanspruchen können, denn:

Vor dem 19. Jahrhundert war [...] die intertextuelle Kompetenz des intendierten Lesers innerhalb eines klassischen Kanons in wesentlich stärkerem Maße gewährleistet, so daß im Kontext derartiger Rezeptionsbedingungen eine eigene und in mancher Hinsicht grundlegend andere Markierungstheorie erforderlich scheint, die beispielsweise der Frage einer expliziten Markierung von Referenzen deutlich geringere Bedeutung beimessen dürfte (84).

Zwar verliert sich die Allusionskompetenz des Lesepublikums im Zeitalter der Gleichheit, was für die literarische Produktion den Gedanken deutlicherer Markierung nahelegte. Aber diese Diagnose verleitet den Verfasser nicht zu einer kulturpessimistischen Haltung, vielmehr erkennt er ganz zu Recht, daß diesem Verlust im 20. Jahrhundert "eine sozial-, national- und kulturübergreifende, außerordentlich profunde Allusionskompetenz im Bereich jüngerer Medien" (84) gegenüberstehe, die mittelfristig eine stärker intermediale Ausrichtung erfordere. Dennoch kommt auch Helbig nicht ohne überliefertes Kulturgut aus, greifen seine Klassifizierungen doch immer wieder auf diejenigen der antiken Rhetorik zurück.7 Seine Progressionsskala intertextueller Markierung unterscheidet zwischen unmarkierten, implizit bzw. explizit markierten und thematisierten intertextuellen Einschreibungen, die einer Nullstufe, Reduktionsstufe, Vollstufe oder Potenzierungsstufe entsprechen.

Im Falle unmarkierter Intertextualität fügt sich die Einschreibung nahtlos in den manifesten Text ein, ohne daß es graphischer Signale oder etwelcher Interferenzen bedürfte: "eine Art literarischer Mimikry" (88), wie der Verfasser treffend bemerkt.

Implizite Einschreibungen geben sich dem allusionskompetenten Leser durch Emphase zu erkennen, und zwar zum einen durch deren Quantität (etwa Repetition oder Häufung) und zum anderen durch die Position. Im letzteren Fall ist zwischen Haupt- und Paratexten zu unterscheiden. Emphaseträchtig sind naturgemäß Anfänge und Schlüsse von alludierenden, aber auch von alludierten Haupttexten: Das Incipit beispielsweise, weil es aufgrund seines kataphorischen Charakters dem Leser erhöhte Aufmerksamkeit abverlangt. Von Textausgängen wird dagegen traditionell die Lösung offen gebliebener Fragen erwartet.



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Schließlich eignen sich Paratexte von jeher als Spielwiese für implizit markierte Intertextualität, weil es sich um "lieux privilégiés de la dimension pragmatique de l'œuvre, c'est-à-dire de son action sur le lecteur" (Genette 1982: 9) handelt, um strategische Punkte, an denen der Pakt mit dem Leser geschlossen und damit die phatische Sprachfunktion in den Mittelpunkt gerückt wird. Dabei kommt Titeln der höchstmögliche Aufmerksamkeitsgrad zu, so sehr, daß auf weitere intertextuelle Einschreibungen oder Markierungen im Haupttext verzichtet werden kann. Helbig zeigt am Beispiel von Edward Bellamys "ebenso einflußreicher wie umstrittener Utopie" (109) Looking Backward: 2000-1887 (1888), wie sich unter Umständen ein regelrechter Dialog der Titel entfalten kann8: Bis zum Jahrhundertende entstanden nicht weniger als achtzehn Folgetexte, "die bereits in Haupt-, Neben- oder Untertitel ihren intertextuellen Charakter deutlich signalisieren" (109) und durch entsprechende Abwandlungen bereits die jeweilige Funktion verraten. So dürften die Autoren W. W. Satterlee (Looking Backward; and What I Saw, 1890) und Richard C. Michaelis (Looking Further Forward ... An Answer to Looking Backward; 1890) wohl kaum mit Bellamys Visionen einverstanden gewesen sein, während Philipp Wasserburg (Etwas später! Fortsetzung zu Bellamys Rückblick aus dem Jahre 2000; 1891) letzteren anscheinend noch etliche hinzuzufügen hatte.

Explizite Einschreibungen können in Form onomastischer Markierungen (113), durch linguistischen Code-Wechsel (117) sowie durch graphemische Interferenzen (121) auftreten, die ihrerseits von Helbig unter Heranziehung einer beeindruckenden Fülle literarischer Texte in weitere Typen untergliedert werden. Herausgegriffen sei ein Punkt, der noch weiter bearbeitet werden könnte. Die Rede ist von graphemischen Interferenzen, insofern als sie nicht nur Einzeltext-, sondern auch Systemreferenzen indizieren können. Helbig führt als Beispiel die Textsorte 'Bilanz' in Robinson Crusoes Tagebuch an (121). Auch wenn Helbig diese Spur nicht weiter verfolgt, weil er den Zusammenhang zwischen typologischer Intertextualität und Markierung aus heuristischen Gründen ausspart, so wird an dieser Stelle zumindest deutlich, daß diese Frage noch auf eine Antwort wartet.

Die Potenzierungsstufe der Markierungsdeutlichkeit ist schließlich erreicht, wenn literarische Produktion bzw. Rezeption im manifesten Text thematisiert oder Referenztexte expressis verbis identifiziert werden. Als äußerst nützliche Zusammenfassung werden sämtliche Markierungsweisen als Progressionsskala in Gestalt eines Schaubildes dargeboten (S.138): Das Problem literarischer Markierung wird also im Rückgriff auf unterschiedliche Möglichkeiten graphischer Markierung (u.a. Kurven, Skalen, Stammbäume, Körnung) ansprechend präsentiert, ohne dabei der Gefahr der Banalisierung zu erliegen.

Als Grundfunktion intertextueller Markierung wird die Rezipientenorientiertheit postuliert, die durch weitere untergeordnete Funktionen (referenzorientiert, textorientiert, produzentenorientiert) ergänzt wird. Dabei wird klar, daß auch der Verzicht auf Markierung unterschiedliche Funktionen ausüben kann. Wenn zum Beispiel eine unmarkierte Einschreibung allen Rezipienten verborgen bleiben soll, dann übt Intertextualität eine Plagiatsfunktion aus. In die gleiche Richtung weisen auktoriale Posen, die Intertextualität ostentativ negieren, um das eigene Werk prophylaktisch gegen literarische Einflüsse zu schützen (156). Während referenzorientierte Funktionen zentrifugal aus dem manifesten Text hinausweisen, dergestalt, daß Referenztexte durch Folgetexte modifiziert werden9, wirken bei der textorientierten Funktion zentripetale Kräfte. Intertextuelle Markierungen verweisen dann weniger auf andere Texte, sondern üben Funktionen im referierenden Text aus. Indem beispielsweise re-used figures oder Autorennamen fallen, kann ein Autor Textpassagen aus brevitas-Motiven entsprechend gestalten (177) oder den Habitus einer Figur andeuten (178). Bezugnahmen können aber auch produzentenzentriert sein, nämlich immer dann, wenn der Autor bzw. Erzähler pro domo spricht und z.B. Referenzen in legitimatorischer Absicht markiert werden (182).



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Schließlich zeigt Helbigs Studie, daß Typen und Funktionen von Markierung selten miteinander korrelierbar sind:

Wie in jüngerer Zeit die Ergebnisse der Chaosforschung gezeigt haben, unterlieen komplexe Systeme, also auch Texte, einer nichtlinearen Dynamik. Dies wird nicht nur im rezeptionsästhetischen Kontext eines durch den Akt des Lesens permanent modifizierten Textes evident, auch die Entscheidungen eines Autors für oder gegen spezifische Markierungsarten lassen sich grundsätzlich nicht auf eine lineare Kausalität zurückführen (182).

Immerhin korrespondieren spezifische Wirkungsabsichten mit einschlägigen Markierungsarten: Folgetexte in werbestrategischer Absicht können sinnvollerweise nur in der Titelperipherie markiert werden; Parodien, die eine intendierte Leserrolle schaffen müssen, werden eher Markierungen im Bereich des Textanfangs enthalten (184).

Zwar muß das Ergebnis einer systematischen Beschreibung von Markierungsfunktionen auch für Helbig wohl enttäuschend ausgefallen sein, aber durch die Fülle des nicht zuletzt im Anwendungskapitel interpretierten Primärtextmaterials ist es ihm ohne Zweifel gelungen, das Funktionspotential von Markierungsarten zu erfassen. Ganz abgesehen davon beschert Helbigs Studie dem Leser – gerade auch dem anglistischen oder amerikanistischen Laien – durch die gekonnte Beispielauswahl ein großes Vergnügen. – Auf S. 90 muß es film noir statt "film noire" heißen, auf S. 92 jedoch statt "jeoch", auf S. 114 evozieren statt "evozierenen", auf S. 115 den Rand statt "der Rand", auf S. 135 Tolstoi statt "Tostoi", auf S. 138 Fokussierung statt "Fokusierung", auf S. 248 Laermann statt "Lärmann".

 

Bibliographie

 

Allemann, Beda 1970: "Ironie als literarisches Prinzip", in: Schaefer, Albert (Hg.): Ironie und Dichtung. München: Beck, 11-37.

Broich, Ulrich 1985: "Formen der Markierung von Intertextualität", in: Broich, Ulrich und Manfred Pfister (Hgg.): Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien. Tübingen: Niemeyer, 31-47.

Ette, Ottmar 1985: "Intertextualität: Ein Forschungsbericht mit literatursoziologischen Anmerkungen", in: Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte 9, 497-519.

Füger, Wilhelm 1989: "Intertextualia Orwelliana: Untersuchungen zur Theorie und Praxis der Markierung von Intertextualität", in: Poetica 21, 179-200.

Genette, Gérard 1982: Palimpsestes. La littérature au second degré. Paris: Seuil.



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Hempfer, Klaus W. 1991: "Intertextualität, Systemreferenz und Strukturwandel: die Pluralisierung des erotischen Diskurses in der italienischen und französischen Renaissance-Lyrik (Ariost, Bembo, Du Bellay, Ronsard)", in: Titzmann, Michael (Hg.): Modelle des literarischen Strukturwandels. Tübingen: Niemeyer, 7-43.

Holthuis, Susanne 1993: Intertextualität. Aspekte einer rezeptionsorientierten Konzeption. Tübingen: Stauffenberg.

Kristeva, Julia 1969: Sémeiotiké: Recherches pour une sémanalyse. Paris Seuils.

Lachmann, Renate 1990: Gedächtnis und Literatur: Intertextualität in der russischen Moderne. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

Lausberg, Heinrich 41971: Elemente der literarischen Rhetorik. München: Hueber.

Pfister, Manfred 1995: "Konzepte der Intertextualität", in: Broich, Ulrich und Manfred Pfister (Hgg.): Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien. Tübingen: Niemeyer, 1-30.

Strauß, Botho 1993: "Anschwellender Bocksgesang", in: Der Spiegel 6, 202-207.

Weinrich, Harald 1966: Linguistik der Lüge. Heidelberg: Lambert Schneider.

 

 

Anmerkungen

1 Angesichts der hervorragend dokumentierten Forschungslage zum Problemkreis der Intertextualität (vgl. Genette 1982, Ette 1985, Pfister 1985, Lachmann 1990 und Hempfer 1991) fragt man sich, warum anwendungsorientierte Dissertationen ihren intertextuellen Untersuchungen immer noch langatmige Darstellungen des Forschungsparadigmas vorausschicken.

2 Gemäß einem dieser Kriterien, das stellvertretend zur Illustration herausgegriffen werden soll, dem der Kommunikativität, wird Intertextualität "nach dem Grad der Bewußtheit des intertextuellen Bezugs beim Autor wie beim Rezipienten, der Intentionalität und der Deutlichkeit der Markierung im Text selbst" (Pfister 1985: 27) skaliert. In diesem Punkt wären z.B. epigonale Texte in bezug auf ihre Bezugstexte nur schwach intertextuell, weil Intentionalität und Epigonentum einander ausschließen. Dagegen wäre ein Text wie La Guerre de Troie n'aura pas lieu (1935) von Jean Giraudoux in bezug auf das Kriterium der Kommunikativität stark intertextuell, weil die Verbindung zur Ilias vom Autor beabsichtigt und der Homersche Prätext allgemein bekannt ist, und zwar so sehr, daß Giraudoux schon im pseudoproleptischen Titel die Differenz zum Ausgangstext ironisch ausspielen kann.

3 Daß Helbig sich Allemanns Diktum zu eigen macht und es wie ein Schlußwort präsentiert, kann nicht ganz unwidersprochen hingenommen werden, weil es m. E. eine präskriptive Norm aufstellt, die wohl bestimmte Fälle artistischer Dissimulation – hier wären die Namen Flauberts und Leopardis zu nennen – abdeckt, einer vorurteilsfreien Beschreibung ironischer Formen aber nicht gerade dienlich ist. Gewiß besteht die höchste Form der Ironie gerade darin, daß sie in der Schwebe zwischen Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit steht, so daß für den Rezipienten nicht klar wird, ob etwas ironisch gemeint ist oder nicht. Aber ganz abgesehen davon, daß auch komplexe Ironien nach dem Satz vom Widerspruch in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt werden oder zumindest die Gründe angegeben werden können, warum dies ggf. nicht möglich ist, gibt es daneben zahlreiche Formen des Ironischen, die markiert sind und folglich einer rationalen Beschreibung zugeführt werden können.



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4 Auf dem Feld der Literaturwissenschaft eher ungewöhnlich, macht Helbig dezenten Gebrauch von Tabellen und Schaubildern, was der Klarheit der Darstellung in optimaler Weise zugute kommt: kognitive Sachverhalte werden veranschaulicht und können vom Leser gut erfaßt oder schnell wieder in Erinnerung gerufen werden.

5 Unwillkürlich würden die Begriffe source disk und target disk als Bezeichnung von Quelldatenträger und Kopie evoziert (77). Zu Zeiten des Betriebssystems MS-DOS mochte diese Assoziation in der Tat störend wirken. Seit Einführung von Windows gilt das Argument freilich nicht mehr, weil diese und viele andere (verbale) Konzepte und Befehle zugunsten graphischer Benutzeroberflächen im Papierkorb der EDV-Geschichte gelandet sind. Seit es Browser (= Zugangssoftware für das Internet) gibt, ruft die Bezeichnung source text viel eher den Begriff document source wach, womit der Quellcode eines HTML-Textes gemeint ist.

6 Für das Adjektiv manifest etwa sieht der Duden die Synonyme eindeutig und offenkundig vor. Für den Referenztext werden dadurch die mißverständlichen Antonyme zweideutig oder zweifelhaft nahegelegt.

7 So sind Helbigs Wiederholungs-, Additions- und Propositionsmarkierungen etwa mit Lausbergs Kategorien zur Beschreibung der figurae sententiae vergleichbar (Lausberg 1971).

8 Die Kombination aus Fin de siècle und Utopie scheint besonders trächtig für anschwellende Intertitularität, wenn man an die zahlreichen Antworten auf den Bocksgesang-Aufsatz des deutschen Jahrhundertwende-Bellamys denkt (Strauß 1993). Wollte man sich, so wie Helbig im Falle Bellamys das vorführt, einmal die Mühe machen, einen Teil dieser Antworten aufzulisten, so enthielte dieses Korpus von der unmarkierten über die explizit markierte bis zur thematisierten Intertextualität sicherlich sämtliche Einschreibungstypen auf der von Helbig vorgesehenen Progressionsskala.

9 Texte – ließe sich einwenden – werden keineswegs dadurch modifiziert, daß andere auf sie referieren. Vielmehr erhalten sie dadurch eine zusätzliche Interpretation.

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