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Frank Jablonka (Amiens/Beauvais)



Soziale Utopie und soziolinguistische Realität: Okzitanien – Okzitanisch – Okzitanismus nach Robert Lafont*



Social utopia and sociolinguistic reality: Occitany, Occitan, Occitanism according to Robert Lafont
This paper is a contribution to the diachronic epistemology of contemporary variational, contact and sociolinguistics. Historically, the problematics of french-occitan diglossia, as it appears in the eminent interdisciplinary work of Lafont, is a central motivation of this research paradigm. Although the current of political occitanism in the 60's, 70's and early 80's has not succeeded in attaining its emancipatory democratic targets, it was yet the trigger of what Kuhn calls a « scientific revolution » in the science of language and communication. The paradigm change opens the view to regional identities grounded on linguistic varieties and their interactions within the contradictory gravitational field of national identities, grounded by means of language as well. In France, national identity is traditionally coupled to linguistic jacobinism, that's why this basic conflict becomes periodically virulent in (post)colonial and regional contexts. Furthermore, the direction of sociolinguistics determined by Lafont can be useful in facing the 21st century's challenges of globalization.


1 Der sozialhistorische Makrokontext der Entstehung eines neuen Forschungsparadigmas in der romanischen Sprachwissenschaft

Der vorliegende Beitrag soll an einen Diskursstrang der romansichen Sprachwissenschaft, der sich im deutschen Sprachraum seit den 70er Jahren, insbesondere auf Anregung von Georg Kremnitz entsponnen hat, neu anknüpfen. Das vor allem in den Anfangsstadien hinsichtlich seiner universitären Institutionalisierung keineswegs unumstrittene Programm einer engagierten und emanzipatorischen Soziolinguistik entzündete sich zunächst an den Erfolgen der katalanischen Soziolinguistik im postfrankistischen Spanien, die als Beitrag zu einer substantiellen demokratischen und föderalistischen Erneuerung des Landes angesehen wurde, jedoch gingen mindest ebenso nachhaltige Wirkungen und womöglich wissenschaftstheoretisch noch innovativere Anstöße von der okzitanistischen Soziolinguistik um Robert Lafont aus. Diese Leistung wird durch den historischen Umstand, dass die sprachpolitischen Erfolge der okzitanischen Soziolinguistik sich nicht im Entferntesten mit denen der katalanischen Kollegen messen lassen können, zu Unrecht überschattet.




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In Anbetracht der Institutionalisierung des zunächst peripheren neuen Paradigmas1 ist die epistemologische Triebfeder des vorliegenden Beitrags das Bestreben, der aktuellen Soziolinguistik, insbesondere jener mit Minderheiten- und Regionalsprachen wie insgesamt mit mehr oder weniger konfliktären Sprach- und Kulturkontaktphänomenen befassten soziolinguistischen Orientierung, ihre eigene wissenschaftsgeschichtlichen Wurzeln ins Bewusstsein zu rufen. Dieser diachron-wissenschaftstheoretische "retour aux sources" mit Robert Lafont ist für eine Selbstvergewisserung des eigenen Standortes der Soziolinguistik, die nach Schlieben-Langes (1991) "état des lieux" im zusehends grelleren Lichte der Globalisierung, bei gleichzeitig anhaltender Suche nach ethnischen, regionalen und neuerdings auch wieder verstärkt krisenhafter nationaler Identität, dringend einer Neubestimmung und -orientierung bedarf, ein notwendiger Schritt zugleich zurück und nach vorn. Da sich nun der Mai 1968, der für die hier behandelte Thematik von unmittelbarer Bedeutung ist, zum vierzigsten Male jährt, sollte gerade in der gegenwärtigen Situation zu dieser Selbstbesinnung der Soziolinguistik besonderer Anlass bestehen.

Die Anfänge der romanischen Soziolinguistik waren von dem "Geist der Utopie" (Bloch) der 60er und 70er Jahre beseelt, und manch einer glaubte, hinsichtlich des Problemfeldes von Selbstentfremdung, Selbstbestimmung und Selbstbefreiung2 der akademischen Sprachwissenschaft durch eine emanzipatorische Soziolinguistik, die sich engagiert der unterdrückten regionalen Minderheiten und deren Sprachen und Sprachvarietäten annahm, einen Sinn einhauchen zu können, der über die bloße Reproduktion der geisteswissenschaftlichen Fächer hinausging (vgl. Maas 1989: 9). So ist es innerhalb der Romanistik nachzuvollziehen, dass eine junge Intellektuellengeneration mit fortschrittlichem Selbstverständnis im Kielwasser der neuen sozialen Bewegungen sich etwa für die okzitano-katalanische Soziolinguistik schnell begeistern ließ.3 Im Rückblick4 erscheint es erstaunlich, dass noch im Lichte des Zeitgeistes der 80er Jahre die Erlernung einer nach potentiellen Sprechern gezählten ruralen Minderheitensprache wie des Okzitanischen5 als wenn nicht revolutionärer, so doch sicherlich emanzipatorischer Akt im Dienste der Befreiung der "Verdammten dieser Erde"6 unter dem Zeichen des Katharerkreuzes gelten konnte. Der nach Jean Psichari von Ferguson (1959)7 in die soziolinguistische Diskussion erneut eingebrachte Terminus der Diglossie, der die Dominanz einer prestigereichen und ausgebauten Sprache oder Sprachvarietät über eine andere, dominierte Sprache bzw. Sprachvarietät meint, wurde zunächst zum Schlagwort und dann zum Kampfbegriff.8 Ideologiekritisch wurde das Argument ins Feld geführt, die herrschende Sprache (in den vorliegenden Fällen etwa das Kastilische oder das Französische) sei die Sprache der Herrschenden (hier über das Katalanische bzw. das Okzitanische), womit die Sprachwissenschaft in den Rang eines Kampfinstrumentes der unterdrückten Schichten in der Klassengesellschaft aufrückte.9


2 Lafonts engagierte Sprachwissenschaft und -politik als Katalysator des Paradigmenwechsels

Kristallisationsfigur dieser Entwicklung war die Person Robert Lafonts, in dem die Funktion als Linguist an der Universität Paul Valéry in Montpellier und die Politik, emblematisch repräsentiert in seinen Bemühungen um das Amt des französischen Staatspräsidenten 1974, in einer engagierten, für umfassende Selbstbestimmung eintretenden politischen Sprachwissenschaft organisch zusammenliefen (Lafont 1967, 1971a, 1971b, 1974). Eine dabei zu berücksichtigende Ausdrucksform ist das literarische Schaffen Lafonts in Einheit mit seiner Tätigkeit als okzitanischer Literaturkritiker, insbesondere des Werkes Mistrals (Lafont 1954; vgl. dazu Jablonka 1994).

Einer der wichtigsten zunächst politischen und soziolinguistischen, dann sprachpolitischen Termini, zugleich potentieller Kampfbegriff, ist der der regionalen Identität. Wenn Soziolinguisten von regionaler Identität sprechen, so ist damit vielfach, wenngleich nicht immer, eine Sprache oder Sprachvarietät impliziert, in der sich diese Identität ausdrückt und ausprägt.10 Umgekehrt müsse in dem Maße, wie diese regionalen Sprachformen durch den Druck eines nationalen Standards verloren gehen, die Identität notwendig in einem Entfremdungsprozess aufgeweicht werden. Konsequenterweise drängt sich der Schluss auf, dass die Befreiung aus diesem Entfremdungsprozess durch eine bewusste Wiederaneignung der ursprünglichen Sprachvarietäten und der in ihnen artikulierten Lebensformen zu erreichen wäre. Für eine unter dem Einfluss der neuen sozialen Bewegungen sich partiell erneuernde romanische Sprachwissenschaft schienen Okzitanien und der Okzitanismus hierzu den paradigmatischen Fall und ein ergiebiges Betätigungsfeld zu bieten. Doch hatte nicht Frédéric Mistral in seinem nobelpreisgekrönten Epos Mireille / Mirèio11 gezeigt, dass die Flucht in eine idealisierte rurale okzitanophone Provence nur um den Preis von Realitätsverlust und einer illusionären, rückwärtsgewandten Utopie zu haben ist? Dies ist eine Lektion, die auch auf stecken gebliebene Versuche einer Erneuerung in den Geisteswissenschaften und insbesondere in den philologischen Fächern anzuwenden ist. Aus eben diesem Grund zogen die Okzitanisten um Robert Lafont den Historischen Materialismus zu Rate und waren bestrebt, das Anliegen ihres revolutionären Regionalismus durch die materielle Schubkraft der Arbeiterbewegung europaweit, wenn nicht universell ihrem Ziel zuzuführen. 'Regionalisten aller Länder, vereinigt Euch …' Doch auch dieser utopische Ansatz ist gescheitert – und musste wohl auch scheitern, weil zu stark selbst in jenen unabgeklärten Illusionen verhaftet, die Lafont bei Mistral festgestellt hatte. Ungeachtet dessen ist die Strategie korrekt, wonach als integraler Bestandteil der externen Sprachgeschichte, ohne die die aktuelle Diglossieproblematik in Südfrankreich nicht zu verstehen und noch weniger zu lösen ist, die sozial- und wirtschaftshistorische Analyse der Region, insbesondere in ihrer Beziehung zum Ganzen des Nationalstaates, unverzichtbar ist. Diesen implizit sprachpolitischen Faktoren wird deshalb in den folgenden Kapiteln erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt.12




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Gleichwohl bleibt unbestreitbar, dass das Werk Lafonts als Artikulationsorgan einer für das 20. Jahrhundert bestimmenden Epoche in einzigartiger Weise erstarrte akademische Traditionen zur Verflüssigung, wenn auch nicht zur Verdampfung gebracht hat, dafür im Gegenzug formgebend für neu entstehende Traditionen in der Forschung war. So ist die von ihm in entscheidender Weise geprägte okzitano-katalanische Soziolinguistik als der (Zeit-)Geist anzusehen, der dem Forschungsrahmen einer gesellschaftskritischen Sprachwissenschaft eingehaucht wurde und die Entwicklung des soziolinguistischen Programms maßgeblich vorantrieb. Diese sozialhistorischen Determinanten sind heute, da der "Geist der Utopie" weitgehend verflogen ist und wir die Dinge erheblich nüchterner, mit wesentlich mehr kritischer Distanz und weit weniger Identifikation sehen, ins Bewusstsein zu rufen, um die Sprachwissenschaft durch eine Selbstbesinnung für die Bewältigung der anstehenden Aufgaben unter sich stetig verändernden Bedingungen um so leistungsfähiger zu machen. Das Abebben des ideologischen Elans mag der Sinnstiftung zwar Abbruch getan haben, erlaubte aber zugleich auch, feine Analyseinstrumentarien zur Erfassung vertikaler Kontaktsituationen insbesondere in regionalen Kontexten zu schaffen. Ebenso wie die Diglossien sich auflösen, hat sich die um den Zentralbegriff der Diglossie drehende, engagierte, von Lafont (1997) zu Recht als zunächst "peripher" bezeichnete Soziolinguistik in einem breit institutionalisierten kontakt- und variationslinguistischen Beschreibungsparadigma kristallisiert (vgl. Kap. 9). Gleichwohl erscheint es geboten, durch eine wissenschaftshistorische 'Anamnese' jener "hitzigen Debatten" und der kritischen Neuaneignung jener in allen Belangen 'heißen' sozialhistorischen Phase die nunmehr gebahnten Traditionen wieder ein Stück weit in Fluss zu bringen und Denkanstöße dafür zu geben, wie diese unter den Zeichen des 21. Jahrhunderts nach Robert Lafont möglicherweise umzuschmieden wären – und dies in zweifacher Hinsicht: sowohl historisch-temporal (après Robert Lafont) als auch logisch-argumentativ (d'après Robert Lafont).


3 Vorgeschichte und Kernpunkte des modernen Okzitanismus

Es kann und soll hier nicht darum gehen, die fernere Vorgeschichte des Okzitanismus seit den Katharern und Albigensern aufzurollen. Näherligend ist im vorliegenden Zusammenhang die unmittelbare Vorgeschichte der Opposition von regionaler und nationaler Identität mit den jeweiligen sprachlichen und sprachpolitischen Implikationen. Diese Vorgeschichte ist maßgeblich durch den Zerfall des französischen Kolonialreiches geprägt. Das Ende des Kolonialismus ist für den Okzitanismus von paradigmatischer Bedeutung, denn so wie Frankreich sukzessiv seine Kolonien auf anderen Kontinenten verlor, sollten nun auch die "inneren Kolonien" (Lafont 1971a) wie Okzitanien, die durch französischen Expansionismus unter die Pariser Zentralgewalt gefallen waren, von diesem kolonialen Joch befreit werden. Von besonderem Interesse ist hier der Algerienkrieg: nicht nur, weil er verloren wurde und damit antikolonial gesonnenen Regionalisten im Hexagon Auftrieb gab; nicht nur, weil er von französischer Seite mit ungemeiner Härte geführt wurde und damit das auch nach innen gekehrte totalitär-repressive Gesicht des französischen Nationalstaates insbesondere gaullistischer Prägung um so deutlicher in Erscheinung brachte; sondern vor allem wegen der Sonderstellung Algeriens im französischen Nationalbewusstsein und Selbstverständnis: Algerien, das war nicht einfach eine ferne und exotische Kolonie wie der Senegal oder ein Protektorat wie Tunesien oder Marokko. Algerien war ein vollgültiges französisches Département und damit Mutterland. Es handelte sich um eine höchst dramatische innenpolitische Zerreißprobe der französischen Nation mit Vorbildcharakter: Denn wenn die Befreiung der "Verdammten dieser Erde" in Algerien möglich war, warum dann nicht auch in anderen Teilen Frankreichs?




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Mit der Entlassung Algeriens in die Unabhängigkeit 1962 erwies sich, dass der französische Traum von der Grande Nation endgültig ausgeträumt war. Die sakrale Aura des französischen Nationalstaates war stark beeinträchtigt.13 Durch diesen Bruch, den das imaginaire collectif bis heute nicht verkraftet hat – und der seit allerjüngster Zeit in Form der Schaffung eines eigens für dieses Ressort zuständigen Ministeriums als akut krisenhaftes Symptom wieder virulent geworden ist –, stellte sich die Frage nach der nationalen Identität neu und machte eine neue Standortbestimmung der französischen Nation in einem von Grund auf veränderten Koordinatensystem notwendig. In dieser verwirrenden Phase der Neuorientierung wurde bei der damaligen Generation ein bis heute anhaltender Prozess in Gang gesetzt, der durch das Aufweichen des Respekts vor der "France éternelle" (Lafont 1967: 207) gekennzeichnet ist, ebenso wurden die bürgerlichen und nationalen Werte tiefgreifend problematisiert. Dieses politisch-kulturelle Klima erzeugte eine Art 'Treibhauseffekt' für allgemein gegen den Nationalstaat gerichtete und insbesondere regionalistische Bewegungen.

Will man einen historischen Anfangspunkt des modernen Okzitanismus setzen, so lässt dieser sich auf den Winter 1961/62 datieren. Der historische Makrokontext ist die Endphase des Algerienkriegs. In diesem Winter brachte der Bergarbeiterstreik von Decazeville den Stein des revolutionären Okzitanismus ins Rollen. Wichtig ist hier, dass erstmals ein Arbeitskampf als regionalistisch, als okzitanistisch aufgefasst wurde. Die streikenden Bergleute sangen Kampflieder auf okzitanisch und schrieben sogar teilweise in dieser Sprache. Dies legte einen Nexus zwischen unterdrückter Sprache und unterdrückter Klasse nahe und rief eine gesellschaftlich verantwortliche Sprachwissenschaft auf den Plan. Der Nouvel Observateur sprach von einer "révolte des colonisés à l'intérieur" (Lafont 1974: 203). Damit trat erstmalig der Begriff des "inneren Kolonialismus" in Erscheinung. Dieser Begriff wurde zum Schlagwort, das zum Ausgangspunkt für eine Analyse des Klassenkampfes wurde: Die Arbeiterklasse könne durch ihren Kampf die Dekolonialisierung herbeiführen und dabei eine dominierte Sprache mit der durch diese artikulierten Kultur als Kampfinstrument einsetzen. Dass und wie dies möglich war, erwies sich mit durchschlagendem Erfolg in Algerien. Strategien des algerischen FLN wirkten, mutatis mutandis, zuerst in Decazeville modellbildend. Dieses Menetekel rückte drei Probleme schlagartig ins Bewusstsein, um die der moderne Okzitanismus kreist und die engstens miteinander verwoben sind:




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a) das Problem der regionalen Unterentwicklung;

b) das Problem des bürgerlichen Zentralstaates;

c) den Koloniecharakter Okzitaniens.

Die Lösung des letztgenannten Problems mache eine Entkolonialisierung erforderlich, die mit einer okzitanischen Kulturrevolution einhergehen und in europäischen, ja globalen Bezügen gedacht werden müsse. Dabei kommt der Minderheitensprachenproblematik aufgrund ihrer symbolischen Trägerschaft einer Opposition zum Nationalstaat eine Schlüsselfunktion zu. Diese zu organisieren ist eine entscheidende Aufgabe der Soziolinguistik (die im übrigen in Katalonien vorbildlich umgesetzt wurde). Denn, so die Argumentation, dieses Syndrom ist Folge des französischen Zentralsystems, das für die wirtschaftliche Unterentwicklung direkt verantwortlich gemacht wird. Entkolonialisierung beseitigt die Abhängigkeit der Region vom französischen Zentralstaat und damit auch die Ursachen der wirtschaftlichen Probleme. Symbolischer Träger des französischen Nationalstaates ist die französische Standardsprache. Damit ist im Rahmen eines Diglossie-Ansatzes die Zielscheibe für soziolinguistische bzw. sprachpolitische Interventionen anvisiert.


4 Zentralismus und Kapitalismus

Robert Lafont (1967: 22) stellt den Regionalismus dem Jakobinismus gegenüber, der den Staat als eine feste Einheit verstand, die nach Rousseau durch den contrat social zusammengehalten wird. Für Lafont (1967: 23) ist der contrat social das, was einen Nationalstaat gegenüber einem Primär- oder ethnischen Staat auszeichnet. Wenn der Staat gleichsam als Emanation einer in sich geschlossenen Ethnie entsteht, ist ein solcher Vertrag hinfällig, er wird vielmehr durch organische Solidarität funktional ersetzt. Im Gegensatz zum multiethnischen Staat Frankreich wäre nach der Vorstellung Lafonts ein okzitanischer Staat ein solcher Primärstaat.14 Im Nationalstaat Frankreich habe der contrat social zur Identifikation von Staat und Nation geführt. Die staatliche Geschlossenheit wurde mit der nationalen Geschlossenheit in eins gesetzt, woraus sich die Nation une et indivisible ergab, die alle ethnischen und regionalen Differenzen von einem Zentrum aus tendenziell nivelliert. Regionale Identät tritt damit ebenso wie jegliche andere sozialpsychologisch – und auch sprachlich – relevante Identitätsform unwiderruflich gegenüber der nationalen Identität ins zweite Glied zurück. Damit wurde der Zentralismus zu jenem Herzstück des bürgerlichen jakobinischen Staates, das anzutasten als Angriff auf den Staat selbst angesehen wurde.15 Dem Zentralstaat steht der einzelne citoyen direkt und unmittelbar gegenüber: Es gibt keine Zwischeninstanzen.16

Die industrielle Revolution löste eine wahre Lawine implizit sprachpolitischer Entwicklungen aus. Für den Regionalismus relevant ist hier eine erste starke regionale Differenzierung Frankreichs. Es bildeten sich einige fortschrittliche Regionen heraus (Ile-de-France, der Norden) und einige rückständige (Bretagne, Aquitanien), die den Anschluss an die Industrialisierung verpasst hatten. Okzitanien selbst hat dieses Schicksal jedoch nicht erlitten: Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war Okzitanien eine blühende Region mit florierender Bergbau- und Textilindustrie, auch die Landwirtschaft (Weinbau) war schwunghaft. Für den darauf einsetzenden Einbruch ist die deregulierte Wirtschaft im Rahmen eines zentralistischen Staates verantwortlich, indem er regionale Bedürfnisse zu kurz kommen lässt. Der Zentralstaat bietet in die Krise geratenen Regionen keinen Schutz, die deregulierte Wirtschaftsdynamik entfaltet sich in den Grenzen des Staatsganzen. Protektionsmaßnahmen gibt es nur auf nationaler Ebene, so dass Eingriffsmöglichkeiten zu Gunsten von Krisenregionen lange Zeit nicht oder kaum vorhanden waren. Als in Okzitanien im 19. Jahrhundert der Bergbau und der Weinanbau in die Krise gerieten, wurde von staatlicher Seite nicht reagiert, und dies kann historisch als die Wurzel der wirtschaftlichen Unterentwicklung im 20. Jahrhundert angesehen werden.




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Die Folge ist, dass der Bevölkerung keine andere Wahl blieb, als ihrer Region den Rücken zu kehren, sei es durch Kapitalflucht oder durch Arbeitsemigration. Gerade die Landbevölkerung hatte keine Chance, sich auf den industriellen oder tertiären Sektor hin zu orientieren. Es kam zu Landflucht in die industrialisierten Regionen. Diese Entwicklung zog eine Erosion der gewachsenen Sozialgefüge mit den damit organisch verflochtenen kulturellen Lebenswelten nach sich, die die sozialökologischen Rahmenbedingungen für Regionalsprachen darstellen. Die genannten Migrationsbewegungen weisen in der Tat recht große Affinitäten zu denen einer Kolonie auf, deren Bevölkerung es ins industrialisierte Mutterland zieht. Hinzu kommt, dass die Abwanderung das Elend derjenigen, die blieben, verstärkte: Der Teufelskreis schließt sich.

Die Unterentwicklung ist nicht nur abstrakte Statistik, sondern, wie Lafont (1967: 73) darstellt, "vécu par les populations concernées comme le drame même de leur existence". Die Bevölkerung gelangte dazu, sich ihrer selbst in ihrer gesellschaftlich-politischen Situation mit ihren historischen und, damit verbunden, der sprachlich-kulturellen Determinanten bewusst zu werden. Darin liegt das soziolinguistische Geheimnis der Explosion des Pulverfasses von Decazeville.


5 Okzitanien als Kolonie

Eng verknüpft mit dem Problem der Unterentwicklung ist der informelle Status Okzitaniens als französische Kolonie (Lafont 1971a). Eine Krisenregion hat wenig Handlungsspielraum, wenn sie die Krise nicht aus eigener Kraft bewältigen kann und auch der Staat ihr nicht zur Seite steht. Sie muss sich in vielfältiger Weise verkaufen, sie macht sich selbst zur Ware und steigert damit den Grad ihrer Selbstentfremdung. Dies ist einer der entscheidenden Mechanismen des Kolonialismus. Damit stellt sich das diglossische Regionalsprachenproblem in Analogie zur Kolonialsprachenproblematik dar.17

In der Tat ist für Lafont die Situation Okzitaniens in vielfältiger Hinsicht vergleichbar mit der einer außereuropäischen Kolonie. In diesem besonderen Falle einer "inneren Kolonie" besteht allerdings die Aufspaltung der Bevölkerung mit gleichen bürgerlichen Rechten und Pflichten in zwei Gruppen: die der Kolonisatoren und die der Kolonisierten. Unter diesen Vorzeichen widersetzen sich die Kolonisierten nur unter verstärktem Leidensdruck, da sie als reguläre französische Staatsbürger zunächst die französische Einheitsideologie verinnerlicht haben. Dies ist ein Symptom von entfremdetem Bewusstsein. Dementsprechend werden die Betroffenen auch geneigt sein, ihre autochthone Kultur preiszugeben, insbesondere die eigene Sprache als patois zu verleugnen und sich in ihrem Verhalten insbesondere auf verbaler Ebene den normativen Anforderungen derjenigen anzupassen, die "symbolische Gewalt" (Bourdieu 1982) ausüben. Der Kolonisierte ist in einem Prozess fortschreitender Akkulturation befangen: Seine eigenen kulturellen und sprachlichen Wurzeln wird er als "illegitim" verraten und als minderwertig ablehnen, damit lehnt er letztlich aber auch sich selbst ab und begeht Selbstverrat. Es kommt zu Selbsthassphänomenen ("auto-odi" in der Tradition der katalanischen Soziolinguistik, vgl. Ninyoles 1979), zu gesteigerten Formen der Selbstentfremdung. Dies bildet einen fruchtbaren Humus für Kollaborateure, die sich durch Aufgabe ihrer selbst den sozialen Aufstieg im Rahmen der von den Herrschenden festgesetzten Spielregeln erkaufen. Treten derartige Erscheinungen als Massenphänomene auf, so wird die fortgesetzte Zerstörung der Kultur und die Aufgabe der Regionalsprache zugunsten der dominanten Sprachform durch Assimilation nur noch eine Frage der Zeit sein. Auf sprachpolitischer Ebene sind die sprachlich-kulturelle Entfremdung und die wirtschaftliche Abhängigkeit ein und dieselbe historische Realität. Auch hier ist die Position der Okzitanisten wieder analog zu der der algerischen Unabhängigkeitskämpfer.




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Eine materialistische diachrone soziolingusitische Analyse kann nun nachweisen, dass der Transmissionsriemen der französischen und frankophonen Vereinnahmung der Region die wirtschaftlich-industrielle Entwicklung war. Mitte des 19. Jahrhunderts setzte ein Ausverkauf okzitanischer Infrastruktur an französische Kapitaleigner ein, der sich im 20. Jahrhundert weiter verschärft hat. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm der Wirtschaftskolonialismus europäische, ja weltweite Dimensionen an. Durch die internationale Kapitalverflechtung, gerade auch innerhalb der EG, gelangte immer mehr ausländisches, insbesondere europäisches Kapital nach Okzitanien. Gleichzeitig wurde der Zugriff amerikanischen Kapitals auf Frankreich und auf Europa insgesamt immer massiver. In diesen Prozess wurde Okzitanien immer tiefer verstrickt. Diese Quasi-Kolonialsituation hatte Auswirkungen auf mehreren Ebenen:

a) Die Profite flossen nicht in die Region zurück. Dadurch kam es nicht zu neuen Investitionen, der Keynessche Multiplikatoreffekt kam zum Erliegen, die Wirtschaft stagnierte.

b) Die Produktion konzentrierte sich auf Rohstoffe (v.a. Bodenschätze) und Halbfertigwaren, die exportiert wurden und hinterher als Fertigprodukte wieder eingeführt werden mussten – eine für Kolonialsituationen typische Erscheinung. Paradoxerweise profitierte die Region nicht selbst von der industriellen Verarbeitung, sie musste sogar noch dafür bezahlen.

c) Hochmoderne Industrieanlagen (z.B. Atomkraft) kamen von außerhalb in die Region. Spezialistenkader wurden direkt mitgeliefert. Diese lebten meist separat in eigenen Siedlungen, der Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung war spärlich, während Einheimischen zu wenig Möglichkeiten geboten wurden, sich ihrerseits zu qualifizieren.

d) Die ins 'gelobte Land' des Nordens, vor allem nach Paris abgewanderten Okzitanen wurden durch ausländische Migranten ersetzt, die aus Ländern kamen, deren wirtschaftliche Situation noch prekärer war bzw. ist: aus Griechenland, Italien, Spanien, Portugal, aus Nord- und Schwarzafrika strömten Arbeitskräfte ist Land, die sich auf das Französische, nicht etwa auf das Okzitanische hin integrierten und eine etwaige relative ethnische Homogenität der okzitanischen Bevölkerung rasch unterhölten. Diese Situation wurde von den Arbeitgebern teilweise durch Niedriglöhne ausgenutzt. Dies verschäfte bei der betroffenen einheimischen Bevölkerung die Anfälligkeit für rechtspopulistische Strömungen, so dass Migrantenpopulationen bis heute zur Zielscheibe aggressiver, ja chauvinistischer Projektionen und Reaktionen werden. Le Pens Front National kommt diese Xenophobie in südfranzösischen Städten besonders zu Gute.

e) Der Tourismus: Entlang der südfranzösischen Küste wurden mit auswärtigem Kapital riesige trabantanstadtartige Betonferiensiedlungen errichtet, von denen insbesondere La Grande Motte zu zweifelhafter Berühmtheit gelangte. Dies schaffte nicht nur für die Immobilienspekulation ungeahnte Freiräume, sondern trieb auch den Kolonialisierungsprozess voran. Das kulturelle Erbe der Region wurde seiner lebendigen Funktionen beraubt, als Ware folklorisiert und zum exotischen Konsumartikel und Regenerationsrohstoff für die erholungsbedürftige nordfranzösische Mittel- und Oberschicht instrumentalisiert. Dabei flossen die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr nicht etwa der Region selbst zu, sondern sie landeten in den Taschen der auswärtigen Investoren. Die Folge war, dass in dieser auf den Status eines Campingplatzes für halb Europa herabgesunkenen Region das ohnehin angegriffene kulturelle Erbe mit seinen organisch gewachsenen Sprach- und Lebensformen unter dem Run touristischer Massen vollends ruiniert wurde.




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6 Die weitere Entwicklung der okzitanistischen Bewegung

Aus den Unruhen von Decazeville ging 1962 der C.O.E.A. (Comité Occitan d'Etudes et d'Action) hervor. Diese Organisation war gewerkschaftlich orientiert und verfolge das Ziel, den Kampf um die Dekolonialisierung theoretisch und praktisch voranzutreiben. Dabei floss der okzitanischen Sprache in der bewussten Verwendung ebenso wie hinsichtlich der theoretischen sprachpolitischen Reflexion erhebliche Bedeutung zu. So brachte der C.O.E.A. 1965 die erste Nummer der Zeitschrift mit dem plakativen oktitanischen Titel Viure ('Leben') heraus, die sich als Organ des sich entwickelnden Okzitanismus verstand und auch zur Vorbereitung der Revolte von 1968 beitrug. Viure veröffentlichte nicht nur politische und theoretische Texte, sondern engagierte sich auch auf kultureller Ebene und trug zur Entwicklung einer neuen okzitanischen Literatur bei (vgl. Kap. 8).

Anfang 1968 war es dem C.E.O.A. gelungen, das Problem der Regionen im französischen Bewusstsein zu verankern. Unterstützt wurde diese Entwicklung durch ähnliche Tendenzen in verschiedenen übrigen "inneren Kolonien", die sich durch die Präsenz von Regionalsprachen auszeichnen, in Korsika, im Baskenland, in der Bretagne, ebenso auf den Antillen. Im Januar 1968 verübten bretonische Befreiungsorganisationen mehrere Attentate. Es kam zur Verurteilung von Separatisten aus Gouadeloupe. Insgesamt zeigte sich Paris der Verschärfung der Konflikte gegenüber recht hilflos.

Nach diesen Ereignissen folgten zwei Überraschungen: zunächst de Gaulles Rede vom 24.3.1968 in Lyon. Er wollte den revolutionären Regionalisten den Wind aus den Segeln nehmen, indem er seinerseits Dezentralisierungsmaßnahmen ankündigte. An punktuellen Regionalisierungsreformen sollten die Angriffe des radikalen Regionalismus abprallen. Angekündigt wurde ein Referendum zu einem Gesetz, das den Regionen mehr Selbständigkeit einräumen sollte: In allen Regionen sollten direkt gewählte Regionalversammlungen, die der Region eine selbständige, nur der Regionalversammlung unterstellte Exekutive geben sollten, eingerichtet werden. Die Okzitanisten, die eine neue List witterten und den Gesetzesentwurf für föderale Makulatur hielten, vermissten so wesentliche Forderungen wie die Aufwertung des Okzitanischen, Sozialismus, Dekolonialisierung und machten daher Stimmung für ein Nein. Das Referendum wurde tatsächlich abgelehnt (27.4.1969), was zum Abschied de Gaulles führte. De Gaulles Nachfolger Pompidou sollte aber erste, wenn auch zaghafte Schritte in Richtung einer administrativen Dezentralisierung einleiten.

Die zweite Überraschung war die Revolte vom Mai 1968, bei der der C.O.E.A. keine besonders glückliche Figur machte. Zu den langfristigen Folgen dieser gescheiterten Revolte gehörte aber das Bestreben, erneut eine revolutionäre Situation herbeizuführen, und zwar natürlich längst nicht nur bei den Okzitanisten und den anderen Regionalisten. In Lutte occitane, der 1971 gegründeten Nachfolgeorganisation des C.O.E.A., flossen nun radikalere Strömungen ein, die auch ein militantes Vorgehen keineswegs mehr ausschlossen. Als Vorbilder dienten bewaffnete Befreiungsorganisationen in aller Welt, ETA, IRA (zu denen in den 60er Jahren auch schon okzitanische Kontakte bestanden hatten), natürlich die algerischen Befreiungskämpfer des FLN, aber auch der Vietkong. Man erkennt, dass zwar bei zahlreichen der genannten Bewegungen sprachpolitisch relevante Implikationen eine Rolle spielen, jedoch nicht bei allen (Vietkong). Man erkennt daran, dass das Hauptziel prinzipiell die mehr oder weniger militante Gesellschaftsveränderung in Richtung Sozialismus ist, auf welche diglossische Sprachkonflikte, sofern vorhanden, als besonders bewusstseinsnahe "Nebenwidersprüche" quasi aufgepfropft werden können. Es scheint damit, dass diglossische Konfliktsituationen funktionale Äquivalente etwa für religiöse Gegensätze bilden, sofern diese sich gleichermaßen zur Widerspiegelung von Klassenantagonismen eignen (vgl. Maas 1989: 20). Als Fallbeispiele ließen sich Nordirland oder auch Algerien heranziehen. Dies wird zwar von den Protagonisten der engagierten Soziolinguistik – wohl aus guten Grund – nirgendwo in dieser Klarheit gesagt, liegt aber auf der dialektisch-materialistischen Linie. So ist es denn auch keineswegs inkonsequent, dass sich die okzitanistische Bewegung theoretisch in Richtung eines Konzepts bewegte, das sich völlig abgelöst von sprachpolitischen Auseinandersetzungen entwickelt hatte. So orientierte man sich zunehmend an Guerillastrategien ("action directe") und an Che Guevara, dessen Vorbild man durch gezielte Operationen mit kleinen, autonom agierenden lokalen Gruppen nachzueifern trachtete.18 Die Bewegung wurde zum Sammelbecken für revolutionäre Linke aller Schattierungen: Trotzkisten, Maoisten, Anarchisten etc., kurz all das, was man in Frankreich unter der Bezeichnung gauchisme zusammenfasst. Wohlgemerkt, und dies ist bezeichnend, die gauchistes, deren Besorgnisse keineswegs primär um diglossische Konfrontationen kreisten, entdeckten den Okzitanismus für sich – und nicht etwa umgekehrt – eben weil sie dort wie nirgendwo anders in Frankreich ein revolutionäres Potential witterten. Konzepte einer einheitlichen parteipolitischen Organisation wurden hingegen als bürgerlich verworfen.




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Die enorme Fluktuationsdynamik der damaligen sozialgeschichtlichen Gesamtentwicklung schlug sich auch darin nieder, dass diese extremistischen Vorstellungen ebenfalls bald wieder zu Gunsten eines breiteren und weniger realitätsfernen Konzepts revolutionärer Praxis aufgegeben wurden. Nachdem der Okzitanismus in Frankreich zu einer Modeerscheinung geworden war, wandten sich die gauchistes 1971-73 größtenteils wieder vom Okzitanismus ab. Nunmehr verfolgten die Okzitanisten eine Linie der konkreten Zusammenarbeit mit Arbeitern und Bauern und tendierten eher zu der realpolitischen Linie der Kommunistischen Partei Frankreichs. Eine ernstzunehmende parteipolitische Organisation hat es jedoch, anders als in anderen europäischen Minderheitenregionen (Katalonien, Aosta-Tal, Südtirol, Baskenland, Nordirland …), in Okzitanien auch später nicht gegeben. Dies ist ein Indiz dafür, dass der Sprachkonflikt von der breiten Masse der Bevölkerung in Okzitanien nicht als so dramatisch wahrgenommen wurde wie in anderen Regionen und die Minderheitensprache nicht in gleichfalls eklatanter Weise einen identitätsfundierenden Kontrast zur dominanten Nationalsprachen bildet. In der Tat scheint es, dass das Okzitanische in Opposition zum Französischen nur in jener sozialhistorisch "heißen" Phase das Material für die "feinen Unterschiede" (Bourdieu) lieferte, in denen sich sozioökonomische Konflikte vorübergehend objektivieren konnten, was von Intellektuellen wie Robert Lafont aufgegriffen und theoretisch ausgebaut, dabei auch sicherlich verstärkt wurde; jedoch hob diese akademische Tätigkeit so weit von der Basis der Bewegung ab, dass bei weitem nicht jene Intensität erzielt werden konnte, die für die Herbeiführung einer echten revolutionären Situation und zur Spaltung des Landes notwendig gewesen wäre. Für diese These spricht auch, dass es Robert Lafont nicht gelungen ist, 1974 die für die Anmeldung seiner Präsidentschaftskandidatur erforderliche Zahl von 500 Unterschriften von Amtsträgern zusammenzubringen, obwohl der potentielle Pool hierfür allein in der Provence mehr als groß genug sein sollte.

Trotz der Zersplitterung in zahlreiche mehr oder minder radikale Gruppierungen mit einander widersprechenden ideologischen Orientierungen durfte man Anfang der 70er Jahre von klaren Erfolgen auf dem kulturellen Sektor sprechen: beachtliche Steigerungsraten der Publikationsaktivität in okzitanischer Sprache; verstärkte Ausbildung von Okzitanischlehrern, die seit 1951 auf Grund der "loi Deixonne" möglich war, wenn auch in höchst dürftigem Ausmaß. Lutte occitane hatte einige Tausend Mitglieder, die okzitanische Soziolinguistik an und um Lafonts Lehrstuhl an der Universität Paul Valéry in Montpellier blühte und wurde auch von deutschen Soziolinguisten, in der Nachfolge der 68er-Bewegung und getragen durch die hieraus hervorgehenden aufkeimenden neuen sozialen Bewegungen, als richtungsweisend wahrgenommen.19 Diese "renaissance d'oc" wurde auch durch den Rundfunk und die Chansons angeheizt, wobei insbesondere Martís Kultlied Volém viure al país, quasi eine neuokzitanische Hymne, zu nennen ist.




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7 Grundlagen und Perspektiven des Dekolonialisierungskampfes

Lafont vertritt als Soziolinguist einen revolutionären Regionalismus, der auf die Erneuerung ganz Frankreichs in europäischen Bezügen zielt. Seine Charakterisierung der Französischen Republik lautet: "La France est une nation révolutionnaire aliénée." (Lafont 1967: 183) Frankreich könne sein wahres Gesicht nur durch Dekolonialisierung wiederfinden. Eine soziale Revolution sei in Frankreich möglich und notwendig, und sie finde einen fruchtbaren Humus bei den kolonisierten ethnischen Minderheiten. Der Kampf gegen den "inneren Kolonialismus" versteht sich zugleich als Kampf gegen den bürgerlichen Zentralstaat. Der Widerstand wachse, wenn die Unterdrückung unerträglich werde, wenn die Krise sich zuspitze und ausweite, wenn die Widersprüche des Systems sich verschärften, und dies stehe auf dem historischen Fahrplan.

Das historisch-materialistische Verständnis der Dynamik der gesellschaftlichen Entwicklung, das Lafonts Analyse zu Grunde liegt, vertraut der Dynamik der Kräfte, die der historischen Entwicklung der Gesellschaft inhärent sind. Die unterdrückten Völker müssten sich diese Dynamik zu Nutze machen, und hierzu müssten sie sie erst einmal einsehen und damit die Ursachen ihrer Misere begreifen.

Um die Probleme einer Lösung zuzuführen, bedürfe es eines gleichzeitigen Kampfes auf der ökonomischen und auf der kulturellen Ebene, da beide miteinander verzahnt sind. Eine wichtige Aufgabe der Soziolinguistik ist dabei, diese Einsicht zu beflügeln. Eine Kulturrevolution unter Einschluss und vermittelt durch die Regionalsprache müsse notwendig mit einer politisch-wirtschaftlichen Revolution zusammengehen; die eine sei sinnlos ohne die andere.

Die regionalistische Revolution soll die Regionen vom Gängelband der Pariser Zentralverwaltung befreien. Jede Region soll die Möglichkeit erhalten, jeden Aspekt ihrer Entwicklung eigenverantwortlich zu organisieren, inklusive der grundlegenden Aufwertung der regionalen Sprachformen zu vehikularen Ausbausprachen. Das schließt die Selbstverwaltung der Betriebe ein, die kooperativ und solidarisch und nicht konkurenziell agieren sollen. Zur Regelung des Wirtschaftssystems soll auf regionaler Ebene demokratisch ein Plan entworfen werden. Die Segnungen dieses planwirtschaftlichen Prinzips sollten das anarchische Prinzip kapitalistischen Wirtschaftens rasch beseitigen und einer wesentlich wirtschaftlicheren Produktionsweise Platz machen. Durch die zu erwartende Steigerung der Produktivität sei mit einer raschen Sanierung der bedrohten Regionen zu rechnen.

Die utopische Dimension dieser Vision greift in präziser Argumentation auf die europäische Ebene aus. Ein Art "Sozialismus in einer Region" führe nicht weiter, der Aufbau einer vereinigten Front aller revolutionären Regionen in Europa sei erforderlich, um eine effiziente Vernetzung der wirtschaftlichen, theoretischen und politisch-strategischen Zusammenarbeit zu gewährleisten.20




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In der Tat hat Lafont recht konkrete Vorstellungen von einem vereinten föderalistischen Europa, einem Europa der Regionen. Allerdings setzt der Föderalismus, wie er Lafont vorschwebt, eine sozialistische Revolution voraus, um ein veritables Europa der Regionen zu schaffen, im Gegensatz zur gaullistischen Vorstellung eines Europa der Nationalstaaten. In Lafonts Konzeption muss ein Europa der Regionen jeder einzelnen Region die Möglichkeit eröffnen, ihre Selbständigkeit und ihre ethnisch-kulturelle Identität inklusive ihrer sprachlichen Partikularität zu bewahren. Freie Kooperation unter den Regionen wäre selbstverständlich. Regionale Autonomie lasse sich überhaupt nur sinnvoll innerhalb eines vereinten Europa der Regionen durchführen, da hierzu solidarische Zusammenarbeit unter den Regionen lebensnotwendig sei. Regionale Selbstbestimmung dürfe nie hierarchisch, sondern müsse stets basisdemokratisch strukturiert sein. Ein Zusammenschluss aller Bürger auf unterster Ebene sei notwendig, quasi als Neuauflage des contrat social. Von dort aus solle es zu Zusammenschlüssen zu immer größeren Einheiten kommen: Gemeinde – Region – Nation – Europa.

Unter solchen Lebensverhältnissen wäre mit der Entwurzelung ein für allemal Schluss, und der zum Slogan geronnene Songtitel Martís, "Volém viure al país", wäre in Erfüllung gegangen. Weder bräuchte sich noch irgendwer durch Verleugnung seiner Herkunft, Kultur und Sprache den sozialen Aufstieg zu erkaufen, noch wäre er zur Arbeitsemigration gezwungen und/oder zum Selbsthass verdammt. Was hier vorliegt ist nichts anderes als eine soziolinguistisch-regionalistische Wendung des Marxschen "Reichs der Freiheit" mit universellem Anspruch. Das Partikulare gibt sich universal. Die regionale absorbiert die nationale Identität und greift zugleich internationalistisch über diese hinaus. Es handelt sich um ein dezidiert antijakobinistisches Programm.

Der Dimension der Entfremdung werden zwei humanistische Dimensionen entgegengesetzt:

1. dimension profonde: der Mensch soll die Möglichkeit haben, in der Nähe seines Geburtsortes zu leben, und dort alle Möglichkeiten zu Wohlstand und intellektueller Entfaltung haben. Also wieder nach Robert Lafont: retour aux sources – oder, auf okzitanisch: Volém viure al país!

2. dimension horizontale: der Mensch soll bei der Entwicklung immer breiterer gesellschaftlicher Zusammenschlüsse mitwirken können, verantwortlich an der Gestaltung der Welt arbeiten können im Rahmen unmittelbarer und umfassender Solidarität.

Beide Dimensionen sind miteinander untrennbar verwoben: "L'homme a besoin de retrouver ses racines pour accepter l'élargissement de son destin. L'homme moderne doit être à la fois enraciné et cosmopolite."21 (Lafont 1967: 248)

In der Tat lassen sich bereits in der politisch-kulturellen Konzeption die lyrischen Passagen identifizieren, die anzeigen, wo die okzitanistische Gesellschaftsanalyse in eine eschatologische Heilsvision überzugleiten neigt, so etwa in dem kämpferischen Ethos: "Le régionalisme est une morale combattante." (Lafont 1968: 248) Es handelt sich um einen Kampf um die humanistischen Werte, denn der revolutionäre Regionalismus sei fähig, einen Frieden "fondée sur la compréhension de l'homme par l'homme" zu schaffen (Lafont 1967: 249). Darin liege der Charakter der "universalité du monde occitan" (Lafont 1967: 250). Die Werte des Okzitanismus verstehen sich als verbindliche Botschaft an die ganze Welt: Sie sind "un patrimuni mondial" (Formulierung von Kirsch, zitiert in Abel 1973: 54). Und im Dienste dieses Kampfes steht natürlich auch die sprachwissenschaftliche Beschäftigung mit der Diglossieproblematik. Hier haben wir eine Sprachwissenschaft, die vom göttlichen Funken einer säkularisierten Eschatologie entflammt ist. Gleiches gilt für die literarische Umsetzung im Dienste einer poetischen "renaissance d'oc", die sich bemüht, Mistral vom Kopf auf die Füße zu stellen, sich dabei jedoch ebenso wie dieser in den Wolken utopischer Illusionen verirrt. Wie zu sehen ist, hat sich die der "Dialektik der Aufklärung" (Horkheimer/Adorno 1981) innewohnende Bewegung des Rückfalls in den Mythos auch hier vollzogen.




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8 Die kulturelle Dimension

Im Rahmen der okzitanistischen Bewegung hat nicht nur eine breite theoretische Auseinandersetzung um kulturelle Probleme stattgefunden. Es wurde auch eine umfangreiche literarische Produktion hervorgebracht, in der offensiv die okzitanischen Interessen vertreten werden. Viele Texte sind in der Zeitschrift Viure veröffentlicht worden.22 Einflüsse stammen u.a. aus Afrika und aus Literaturen anderer unterdrückter Sprachen sowie aus Wandsprüchen aus der 68er-Zeit. Charakteristisch für diese neue okzitanische Literatur ist eine expressive Sprache. Sie ist als Antithese gegen die Massenkulturindustrie zu verstehen. Diese Literatur will mit der Einheit von Schreiben und Handeln, der Unmittelbarkeit des hic et nunc – oder, auf okzitanisch, des aicí e ara, Ernst machen. Das Okzitanische verkörpere diese Unmittelbarkeit deswegen in besonderer Weise, weil sie als rural gebundene, noch traditionell-lebensweltlich verankerte Sprache den Kontakt "zu den Sachen selbst", zu den gelebten Situationen erhalten habe. Es ist nicht zu bestreiten, dass zumindest im literarischen Bereich Okzitanien – oder genauer: seine engagierte intellektuelle Elite – durchaus seine Kulturrevolution vollzogen hat:

Ici et maintenant. Dans ce pays et dans ce siècle, l'homme. […] L'homme responsable. Il n'y a nulle part aucune justification de l'acte d'écrire et de lire, de vivre. Il n'y en a pas non plus, ni pour l'écrivain ni pour l'homme occitan quand il est devenu majeur. A cette libération de tout homme et de tout l'homme nous avons donné le nom d'occitanisme. D'autres l'appellent révolution, d'autres encore poésie. Nous sommes avec eux. Pour nous, ici, l'occitanisme est la révolution ou rien. Poètes ou non, nous faisons nôtre la volonté toujours perdue, toujours regagnée de la poésie moderne : bâtir pour l'homme avec son pays et son temps un monde habitable. Par le pouvoir de la parole. Et par la violence de l'acte. (Zitat aus einem Artikel aus Viure, an dem auch Lafont selbst beteiligt war, zitiert in Lafont 1974: 292)

Auch im Bereich des literarischen Schaffens hat sich Lafont in besonderer Weise exponiert. Sein literarisches Hauptwerk, der Roman L'icona dins l'iscla (L'icône dans l'île, Lafont 1980) soll hier kurz vorgestellt werden.

Nach einem Atomkrieg sind nur noch zwei Menschen auf einer griechischen Ferieninsel übrig geblieben: der Ich-Erzähler, französischer (präziser: okzitanischer) Tourist, seines Zeichens Linguist, und Athanassia, eine Einheimische. Nachdem alles verloren scheint, kehrt nach und nach das Leben zurück. Die beiden Überlebenden verstehen sich ohne Worte. Athanassia findet einige Samen, die sie einpflanzt. Das aufkeimende Pflänzchen fällt dem Napalmangriff einer übriggebliebenen Kriegsarmada zum Opfer. Allerdings findet Athanassia später neue Keime, die Armada vernichtet sich versehentlich selbst, das Leben kann wieder neu beginnen. Schließlich berichtet der Ich-Erzähler, wie ihn ein Sklavenschiff abholt und nach Schwarzafrika bringt.23

Die Insel symbolisiert Okzitanien. Es ist sinnlos, sich im Sinne einer rückwärtsgewandten Utopie in der Heimat verkriechen zu wollen. Die weltweiten Konflikte holen auch die Insel ein. Aber die Insel ist beständig: Eine ständig tropfende Zisterne zeigt an, dass die Insel die selbstzerstörerische Welt überdauern wird. Sie ist der Ausgangspunkt eines Neubeginns der Menschheit; die Basis hierfür liefert das verbliebene Paar, das in nuce das okzitanische Volk symbolisiert. Athanassia, das ist, wie der griechische Name besagt, die Negation des Todes, das ewige Leben. Das okzitanische Volk wird nicht vergehen, es wird Keim eines neuen Verhältnisses von Mensch zu Mensch sein. Obwohl die beiden Hauptfiguren des Romans keine gemeinsame Sprache sprechen, haben sie keine Mühe, auf die innigste Weise zu kommunizieren: Sie schaffen sich ihr kommunikatives Universum selbst, indem sie tätig sind, indem sie ihre Körper sprechen lassen, sich spontan ihren Ausdrucksmöglichkeiten überlassen.24 Diese innige Kommunikation ist offenbar ein Symbol für das Okzitanische, das derart eng mit den Wurzeln des Lebens und seinem unmittelbaren Ausdruck verbunden ist, dass tiefes Verstehen möglich ist: Die Kommunikation geht in Kommunion auf. Dazu steht im Gegensatz das Französische als entfremdete Sprache in einer entfremdeten Kultur, die weit davon entfernt ist, über den konsumhaften Gebrauch hinaus etwas zu leisten:




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Mais comment te donner une image exacte de ce monde qui se prenait pour la totalité du monde, ce monde prisonnier de mots et de bruits, avec ses rues bourdonnantes d'automobiles, ses kiosques sur les trottoirs où s'étalaient la violence et le sexe à la première page des quotidiens et des hebdomadaires, ses inscriptions et lettres de lumière géantes vantant les mérites d'une machine à laver, d'un produit alimentaire, de tous les objets qu'il était impossible alors de vendre. Ces lettres transmettaient aussi les désastres advenus de l'autre côté de la planète, tempête ou tremblement de terre, guerre ou accident d'avion. En mots et en images, nous digérions le monde, nous nous digérions et de cette digestion nous vivions ou nous croyions de vivre. Des mots et des images: des hommes et des femmes, assis devant leur poste de télévision, se repassent de mots et de modes. (Lafont 1980: 105 f)

Dazu die Antithese:

Je voudrais seulement dire ton nom, inventer un langage à partir de lui seul. Imaginer un avenir dérisoire, mais un avenir malgré tout à partir des quatre syllabes à travers lesquelles, femme, tu continues à vivre avec moi sur cette île qui est au centre du monde et dans ce monde qui est au centre de l'univers. (Lafont 1980: 104)

Tu ris. Tu danses. Tu chantes et ton chant, mieux que des paroles, dit tout. (Lafont 1980: 107)

Hier wird eine scharfe Kulturkritik geübt, eine Kritik an der westlichen Zivilisation, die dazu fähig ist, sich dasselbe Leid anzutun, das sie über Jahrhunderte hinweg anderen Völkern, Kolonien angetan hat. Die Absurdität dieser Zivilisation wird dargestellt an der übriggebliebenen Kriegsarmada, die völlig sinnlos nach diesem Atomkrieg alles verbliebene Leben mit Napalm beseitigt und sich selbst schließlich unbeabsichtigt in die Luft sprengt. Dies gerade zu einem Zeitpunkt, wo auf den Trümmern des Überkommenen ganz zaghaft tastend völlig neu und anders begonnen werden könnte. Sie zerstören das gerade schwach aufkeimende Pflänzchen aus Athanassias Keimen. Der Ich-Erzähler kommentiert diese Säuberungsaktion: "Les hommes blancs ne nous ont pas tués, ils ont tué l'espoir." (Lafont 1980: 116) Die westliche Zivilisation hat sich nicht nur überlebt, sie hat sich aufgrund ihrer Autodestruktivität ihr eigenes Grab geschaufelt. Der Neuanfang wird von der Gegenseite, der der jahrhundertelang unterdrückten Völker, eben der "Verdammten dieser Erde", in Angriff genommen. Lafont, der sich als Vertreter eines kolonisierten Volkes versteht, ergreift Partei für diese "Verdammten", die im Schlusskapitel durch die Schwarzen symbolisiert werden. Ihre Ankunft, ihre Zeit war schon durch die Ikone, die sich bezeichnenderweise in der Zisterne befindet, angekündigt worden: Sie stellt Malcolm X dar, den mythenumrankten Führer der Black Muslims, "martyr de la négritude".25 Okzitanien ist hier eine Metapher für ein unterdrücktes subversives Potential der Kreativität, für eine radikal andere Kultur, im Sinne des Lebens und der Menschheit. Alle tragen ein solches keimhaftes Residuum – eine solche Insel – in sich, um durch Selbstbefreiung zu Selbstbestimmung zu gelangen.26 In dieser säkularisierten Apotheose Okzitaniens kulminiert eine messianische Heilsvision, die historisch-materialistisch interpretierte Geschichte Okzitaniens wird zur Heilsgeschichte eines Gelobten Landes mit universellem Geltungsanspruch, geschrieben in einem Okzitanisch, das als keimhafte Ursprache einer erneuerten Menschheit figuriert. Wie bei Mistral nimmt auch bei Lafont das Okzitanische den Charakter einer quasi-sakralen Sprache an. Hier treffen sich Lafont und Mistral durch die dialektische List der Vernunft in der mythisch-utopischen Illusion. Denn bekanntlich verlief die Geschichte keineswegs nach dem historisch-materialistischen Fahrplan. Insbesondere auch die Sprachgeschichte nicht.




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9 Ausblick und Perspektiven für eine Soziolinguistik "nach Robert Lafont"

Okzitanien und das Okzitanische sind heute nur noch ein Residuum, längst keine Bastion mehr. Sollte die Dynamik in der gleichen Richtung und mit der gleichen Intensität anhalten, ist nicht auszuschließen, dass der okzitanische Stern27 in absehbarer Zeit verlöschen könnte. Das ändert nichts an der Stichhaltigkeit vieler Positionen der okzitanistischen Bewegung innerhalb ihrer konkreten historischen Situation. Dies tut auch der Sympathie keinen Abbruch, der ihrer utopischen Visionen aufgrund ihrer humanistischen Stoßrichtung entgegenzubringen ist. Darin liegt aus heutiger Sicht auch ihre Tragik – aber auch der Punkt, wo es sich anzuknüpfen lohnt.

Im Rahmen einer Soziolinguistik "nach Robert Lafont" (après und d'après) ist in erster Linie darauf hinzuweisen, dass zwischen dem auf den Antillen geführte Diskurs der Négritude (Césaire 1955, 2004) und dem insbesondere literarischen Werk Lafonts klare Bezüge bestehen (vgl. Kap. 8). Hier trifft sich der revolutionäre Okzitanismus mit dem (allerdings viel weniger radikalen) kreolischen Diskurs der Créolité (vgl. neben den zitierten Schriften von Aimé Césaire insbesondere Bernabé/Chamoiseau/Confiant 1993). Die im Kontext der Kreolistik geführte Gesellschafts-, Kultur-, Zivilisations- und Sprachkritik betont, wenngleich weniger radikal als Lafont, parallel zum okzitanistischen Diskurs die universelle Dimension der partikularen Entfremdungssituation der kreolischen, insbesondere karibischen Völker und deren Kampf um Selbstbefreiung und -bestimmung: "montrer ce qui, au travers d'elles [des pratiques créoles], témoigne à la fois de la Créolité et de l'humaine condition". (Bernabé/Chamoiseau/Confiant 1993: 40) Die diglossische Sprachsituation wird ebenfalls weniger radikal gesehen, da dem Französischen eine legitime Position als Zweitsprache auf den Antillen ausdrücklich zugestanden wird. Auch die eschatologische Heilserwartung ist nicht in derselben Weise präsent, wenn auch klar auf eine umfassende kulturelle Erneuerung abgezielt wird: "La Créolité c'est « le monde diffracté mais recomposé »". (Bernabé/Chamoiseau/Confiant 1993: 27)

Es ist deutlich, dass die Diglossiesituation in Südfrankreich heute kaum noch Stoff für einen ideologisch aufgeladenen Sprachkonflikt Okzitanisch-Französisch bietet. In einer Generation ist die Sprachdynamik so weit fortgeschritten, dass das Okzitanische, sofern es überhaupt noch realisiert wird, nur noch als mit starken französischen Interferenzen versetzter Interlekt zu hören ist. Für südfranzösische Schüler, die die Regionalsprache Okzitanisch als fakultatives Schulfach mit einer Wochenstunde wählen, ist der Zusammenhang zwischer der Sprache Mistrals und dem, was ihre Großeltern auf dem Lande vielleicht noch sprechen, keineswegs evident. In der Tat hat sich die Diglossie seit längerer Zeit bereits in eine Staffelung von Interferenzvarietäten zwischen den Kontaktextremen Okzitanisch und Standardfranzösisch aufgelöst.28 Freilich unterliegt auch das Französische den Einflüssen des untergehenden Okzitanischen. Es existiert eine von zahlreichen okzitanischen Interferenzen geprägte Varietät des Französischen, die unter dem Namen francitan ('Franzitanisch') Anlass zu zahlreichen Diskussionen gegeben hat. Das deutlichste sprachliche Merkmal, das als Massenphänomen verbreitet ist, ist jedoch heute das südfranzösische Regionalfranzösisch (français d'oc), in Stehls Kontaktterminologie ein "Standardfranzösisch mit wenigen okzitanischen Interferenzen", das insbesondere durch die Denasalisierung der Nasalvokale (Nasalvokal → Oralvokal + Nasalkonsonant) sowie weitere strukturelle Merkmale auffällt. Regionale Identitäten werden in Phasen fortgeschrittener Sprachdynamik bevorzugtermaßen durch solche regionalen Standardvarietäten gestiftet. Das Okzitanische als identitätsstiftender Faktor lebt quasi subkutan, unter der Oberfläche des französischen Standards weiter – nachdem es als vitale Regionalsprache so gut wie untergegangen ist, geht es in der regionalen Standardvarietät gleichsam wieder auf. Damit besteht auch zwischen regionaler und nationaler Identität keine sprachlich fundierte Opposition mehr; vielmehr fließt erstere in eine als in sich plural verfasste und neu zu definierende bzw. in europäischen Bezügen zu rekonstruierende nationale Identität ein.




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Heute, da dem Okzitanischen die Verankerung in der Sprachpraxis der südfranzösischen Bevölkerung mittlerweile fast vollends abhanden gekommen ist, entbehrt auch der politische Okzitanismus seiner auf die sprachlichen Verhältnisse gegründeten Argumente. Erschwerend kommt hinzu, dass das Ende des real existierenden Sozialismus die politischen Visionen aus den 60er, 70er und noch frühen 80er Jahren inzwischen wenig glaubwürdig erscheinen lässt und dass der ökonomische Rückstand zugleich weitestgehend aufgeholt werden konnte. Diese auf verschiedenen Ebenen angesiedelten Entwicklungen entfalten eine Synergie, die eine realpolitische 'Läuterung' des Okzitanismus eingeleitet hat. So ist in Lafonts Buch La Nation, l'Etat, les Régions (1993) von Sozialismus nicht mehr viel die Rede, dafür aber von grenzübergreifenden Euroregionen. Die regionale Bewegung in Okzitanien setzt die Kritik am Nationalstaat aus der militanten Zeit unter neuen Vorzeichen fort, indem er im Zeitalter der Globalisierung und dem Zusammenwachsen Europas folgerichtig die nationalen Anachronismen nachweist. Insbesondere erlauben die Analysen Lafonts, die in Frankreich neuerdings verstärkt um sich greifenden Bemühungen um eine angeblich zu bewahrende "nationale Identität" aus soziolinguistisch-regionalistischer Sicht als anachronistisches reaktives Krisensymptom erkennbar werden zu lassen, das einer fehlgeschlagenen Adaptation an die systemischen Widersprüche global dereguierter Märkte entspringt.

Ein dem Zentralismus entgegengesetztes und auf die europäische Ebene transponiertes föderales Prinzip würde erlauben, das kulturelle Erbe der Regionen in seiner Pluralität in einem vereinten Europa aufgehen zu lassen. Dieses Erbe, in dem das humanistische Potential (vielleicht) eine Chance hat, zu überdauern, hat die okzitanische Variante des Regionalismus heute angetreten. Wissenschaftstheoretisch bestätigt sich hier die Auffassung Kuhns (1976), dass der Übergang von einem wissenschaftlichen Paradigma zum nächsten in außerwissenschaftlichen, nämlich gesellschaftspolitischen, kulturellen und sozialpsychologischen Entwicklungen wurzelt und weniger auf der Ebene rationaler Reflexion und Kognition liegt, sondern die Eigenschaften einer "Konversion" (Kuhn 1976: 162) aufweist. Auch wenn der Okzitanismus seine ursprünglichen revolutionären Bestrebungen politisch nicht einzulösen vermochte, hat er dennoch innerhalb der Sprachwissenschaft zu jener "wissenschaftlichen Revolution" beigetragen, die, als angemessene Antwort auf eine sich zur Zivilisationskrise auswachsenden Gesellschaftskrise, als Geburtshelfer der gegenwärtigen Sozio-, Kontakt- und Variationslinguistik gelten kann. Je weniger diese globalen krisenhaften Phänomene als behoben angesehen werden können, desto stärker drängt sich die Strategie auf, die bei Lafont selbst sich andeutenden weit über Okzitanien und Frankreich hinausgreifenden Bezugspunkte aufzugreifen und konsequent zu einer Soziolinguistik der Globalisierung auszubauen.

Um abschließend eine paradoxe Formulierung zu wählen, die erlaubt, den Bogen zu der eingangs angeschnittenen Problematik der Marginalität zu spannen: In der historischen Situation des beginnenden dritten Jahrtausends zeigt uns Okzitanien im französischen Zentralstaat als paradigmatischer Fall, dass weder der Regionalismus noch die soziolinguistische Analyse regionaler Sprachkontakte peripher ist. Im Gegenteil, beide sind absolut zentral.




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Literatur

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Bazalgues, Gaston (1977): L'occitan lèu-lèu e plan. Le cours de langue d'oc pour tous, Nouvelle édition revue et augmentée pour la partie sonore, Paris.

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Césaire, Aimé (1955 / 2004): Discours sur le colonialisme suivi de Discours sur la Négritude, Paris.

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Anmerkungen

* Der vorliegende Text ist eine erweiterte Fassung eines Vortrags, der am 8. Februar 2005 am Historischen Seminar der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster gehalten wurde.

1 Der wissenschaftstheoretische Begriff des Paradigmas wird hier im Sinne von Kuhn (1976) verwendet.

2 Exemplarisch und symptomatisch ist dafür der Titel der von Kremnitz herausgegebenen Anthologie zur okzitanischen Soziolinguistik, Entfremdung, Selbstbefreiung und Norm (Kremnitz 1982).

3 Über die bereits zitierten Titel hinaus vgl. für einen umfassenden Überblick Kremnitz (1990).

4 Bereits 1994 staunte Stehl rückblickend über die seinerzeit geführten "hitzigen Debatten" (vgl. Stehl 1994: 127 f).

5 Etwa mittels des – bezeichnenderweise in Paris erschienenen – Lehrbuchs von Bazalgues (1977).

6 Vgl. den Titel des breit rezipierten Kultbuchs des von den Antillen stammenden Algerienkämpfers und Psychiaters Frantz Fanon (1991), das in der Regionalismusdebatte allgemein und im Diskurs des Okzitanismus im Besonderen bereits früh Furore machte.

7 Vgl. dazu Fishman (1965), Kremnitz (1981).

8 Dies bot sich insbesondere nach der begrifflichen Erweiterung des Diglossiebegriffes durch Fishman (1965, 1967) an, wonach dieser Terminus auch auf den konfliktären Kontakt zwischen Varietäten, die nicht derselben historischen Sprache angehören, anzuwenden ist. Bereits bei einem der von Ferguson selbst angeführten paradigmatischen Fälle, der vertikalen Kontaktsituation zwischen dem Standardfranzösischen und französisch basiertem Kreol, war dies problematisch. Für Einzelheiten vgl. Kremnitz (1981).

9 Allerdings kritisiert Utz Maas (1989: 356), dass selbst vom marxistischen Standpunkt die Gleichung "herrschendes X = X der Herrschenden" in Bezug auf die Sprache grob vereinfachend ist.

10 Zu diesem Themenkomplex vgl. Stehl (1994).

11 Mistral (1978). Vgl. dazu Lafont (1954); vgl. auch Jablonka (1994).

12 Zur "impliziten" im Gegensatz zur "expliziten" Sprachpolitik vgl. Kremnitz (1990: 44).

13 Denn hier wurde der Einbruch der Geschichte unabweisbar. Lafont (1993: 153) diagnostiziert im französischen imaginaire collectif die Repräsentation von Frankreich als einem gleichsam ungeschaffenen, überzeitlichen, überhistorischen ("incréé") Gebilde. Die historischen Einschnitte führten zu kognitiven Dissonanzen.

14 Lafont scheint hier eine gemeinschaftliche Konzeption im Sinne Tönnies' (1963) – im Gegensatz zur gesellschaftlichen – vorzuschweben. Unter modernen Vorzeichen stellt eine solche gemeinschaftliche Staatsform eine Paradoxie dar. So ist es denn auch kein Wunder, dass die hier skizzierte Staatsform nie eine Chance hatte, je das Licht der Welt zu erblicken – ganz abgesehen davon, dass Okzitanien schon in den 70er Jahren längst nicht ethnisch homogen war und dies unter den Vorzeichen massiver Mobilität, zumal Immigration aus den ehemaligen 'äußeren' Kolonien und anderen Ländern, immer weniger ist.




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15 Allerdings sei die Einschränkung gestattet, dass der Zentralismus natürlich keine Erfindung der Jakobiner ist: Bereits im Ancien Régime war der Zentralismus ein wirksames Instrument in den Händen des Königs. Der legendäre Satz des Sonnenkönigs "L'Etat, c'est moi" ist durchaus wörtlich zu verstehen. Nach der Revolution nahmen die Jakobiner den Zentralismus auf und wollten ihn zu einer Waffe im Dienste des Volkes umschmieden, um die Nation als Ganzes zusammenzuschweißen.

16 Daher im übrigen auch in Frankreich – im Gegensatz zu Großbritannien – die Ablehnung des Kommunitarismus, der in der gegenwärtigen Debatte um die Migrantengruppen diskutiert wird.

17 Damit ist im übrigen zugleich eine wichtige Entwicklungslinie der Soziolinguistik, zumal hinsichtlich der Analyse di- bzw. polyglossischer Situationen benannt, die im Zusammenhang mit dem Kolonialismus und deren Folgen stehen, sei es in den (ehemaligen) Kolonien, sei es in Bezug auf die Auswirkungen auf das industrialisierte Mutterland infolge Migration.

18 Ob sich die verschiedenen Doktrinen umstandslos aus ihren ursprünglichen Kontexten (Vietnam, Kuba etc.) herauslösen und auf den okzitanischen Fall übertragen ließen, stand offenbar nicht im Zentrum der Reflexionen.

19 Insbesondere in der Pionierarbeit von Kremnitz (1974).

20 Schade, dass Lafont nur von westeuropäischen Regionen spricht. Was wäre vor dem Mauerfall und der Auflösung der Sowjetunion sowie anderer osteuropäischer Staaten wie etwa von Slowenien, der Slowakei oder von Estland zu sagen gewesen? Und wie wäre diese Vision heute, im Zeitalter des Europa der 27, zu beurteilen?

21 Plastischer und weniger lyrisch heißt es bei Greenpeace: Think globally, act locally.

22 Vgl. die Anthologie von Kirsch (1980).

23 Dabei bleibt allerdings offen, ob es sich hier um den Fiebertraum eines Sterbenden handelt oder nicht.

24 Es sei darauf verwiesen, dass all diese sprachrelevanten Aspekte auf literarischer Ebene eindeutig Lafonts auf marxistischem Boden entwickelte Sprachtheorie, die Praxematik, reflektieren. Hierauf kann im vorliegenden Beitrag nicht näher eingegangen werden. Vgl. Lafont (1978).

25 Einleitung zu L'icône dans l'île von Auzias (Lafont 1980: 11).

26 Hier drängen sich die Bezüge auf, die zu dem Diskurs der négritude und dem damit zusammenhängenden Diskurs der créolité bestehen; vgl. Kap. 9.

27 Man denke an die sternförmige Gestalt des Katharerkreuzes.

28 Diese die Variations- und Kontaktlinguistik betreffende Sprachdynamik wurde eingehend von Stehl untersucht, insbesondere in seiner Habilitationsschrift (Stehl 1992), für einen Überblick vgl. Stehl (1994).