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Jörg Dünne (Paris/München)



Der blinde Passagier im Containerschiff
Überlegungen zum Verhältnis von Raumtheorie und Literaturwissenschaft anlässlich aktueller Sammelbände



The Blind Passenger in the Container Ship
Reflections on the Relationship between Spatial Theory and Literary Studies on the Occasion of Some Recent Publications

In 2004, several edited volumes with a focus on the constitution of cultural space were published in the field of literary studies. Three of them are discussed in this review. Whereas many of the articles in Kulturelle Topografien (edited by V. Borsò and R. Görling) and in Raum – Dynamik (edited by F. Hofmann / S. Lazaris / J.E. Sennewald) stress the primacy of the corporal experience of place in the constitution of cultural spaces, some authors of Wege des Kybernetes (edited by A. Maier and B. Wolf) propose to regard space rather as a result of technical and cybernetic control. The review concludes with a proposal to mediate between these opposite positions by drawing upon an anthropological approach that states the openness of human constitution of space, and encourages further research on how to accomodate the paradigm of a "spatial turn" in literary studies.




Im Jahr 2004 sind verschiedene Sammelbände erschienen,1 die sich mit Fragen der Raumkonstitution in Literatur und anderen ästhetischen Konfigurationen beschäftigen. Drei davon sollen hier im Zuge einer gemeinsamen Besprechung untersucht und verglichen werden. Es handelt sich um den von Vittoria Borsò und Reinhold Görling (2004) herausgegebenen Band Kulturelle Topografien; um den Band Raum – Dynamik, herausgegeben von Franck Hofmann, Stavros Lazaris und Jens E. Sennewald (2004), sowie um den von Anja Maier und Burkhardt Wolf (2004) herausgegebenen Band unter dem Titel Wege des Kybernetes.

Alle drei Publikationen reagieren, wenn auch in unterschiedlicher Weise, auf eine sich in den letzten Jahren abzeichnende Konjunktur des Raumes, die sich als "spatial" bzw. "topographical turn" (zu den Begriffen vgl. Soja 1996 und Weigel 2002) zu den vielen in letzter Zeit ausgerufenen Kehren der Sozial- und Geisteswissenschaften hinzugesellt hat.

Die Häufung von übergreifenden Konjunkturen, Trends und Moden in den Kulturwissenschaften verlangt, wenn man nicht einfach an deren zuehmender Beschleunigung mitwirken will, ihre durchaus vorsichtige, wenn nicht kritische Prüfung, verbunden mit einer realistischen Einschätzung der damit verbundenen Ansprüche. Dabei fällt zunächst auf, dass sich die Herausgeber der drei hier zu analysierenden Sammelbände mit sehr unterschiedlicher Emphase auf die Konjunktur des Raumes beziehen.




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Am deutlichsten darauf Bezug nehmen Borsò und Görling, wenn sie sich in ihren einleitenden Aufsätzen (13–41, v.a. 13f; 43–65, v.a. 45f)2 explizit und affirmativ auf die Wende zum Raum der Kulturwissenschaften beziehen, während der Raum in dem Sammelband von Maier und Wolf zunächst einmal nur Funktion eines anderen, im Vordergrund stehenden Untersuchungsgegenstands ist, nämlich der Steuerung oder Kybernetik (vgl. dort das Vorwort: 8–12). Ebenfalls zentral ist Räumlichkeit in dem Band von Hofmann, Sennewald und Lazaris, wobei die Herausgeber den komplementären Begriff der 'Dynamik' aus einem Gebiet zu gewinnen versuchen, das in den kulturwissenschaftlichen Moden und Methodenstreits der letzten Jahrzehnte eher eine untergeordnete Rolle spielte, nämlich aus der Symbolphilosophie Cassirers sowie der Phänomenologie (vgl. die Vorüberlegungen: 11–19).

Gerade dieses letzte Beispiel zeigt, dass die Aneignung (bzw. Wiederaneignung) von Raumfragen in der Literaturwissenschaft mit einer spezifischen Umakzentuierung der Wende zum Raum verbunden sein könnte, die in den Sozialwissenschaften und der Humangeographie in Anlehnung an Edward Soja (Soja 1989/1996) sowie in den Geschichtswissenschaften ausgehend von Jürgen Osterhammels (1998) und Karl Schlögels (2003) Wiederaufnahme jahrzehntelang zumindest in Deutschland eher verfemter 'geopolitischer' Debatten stattgefunden hat – in Zusammenhang damit hat auch eine philosophische Rückbesinnung auf Raumfragen eingesetzt (vgl. Sloterdijk 1998–2004).3 Ob bzw. in welchem Rahmen sich Möglichkeiten einer aussichtsreichen, spezifisch literaturwissenschaftlichen Perspektive auf Räumlichkeit überhaupt abzeichnen, soll Gegenstand dieser Besprechung sein. Die Etablierung der Forschung zu Raumfragen in den Kulturwissenschaften zeichnet sich schon seit einiger Zeit ab, auffälligerweise ist jedoch die Zahl der Einzelveranstaltungen zum Thema4 (noch?) deutlich höher als die Zahl der größeren, bereits institutionalisierten Forschungsprojekte in Form von Netzwerken, Graduiertenkollegs und Forschergruppen.5 Um sinnvoll in die aktuellen Diskussionen eingreifen zu können, muss sich die literaturwissenschaftliche Forschung sicherlich mit ihrer eigenen Tradition des Raumdenkens auseinandersetzen – z.B. die Raumsemiotik in Anschluss an Michail Bachtin (1989) und insbesondere Jurij Lotman (1973) –, aber angesichts der sich abzeichnenden allgemeinen kulturwissenschaftlichen Relevanz des Raum-Paradigmas auch die Falle einer Isolierung 'rein' literaturwissenschaftlicher Fragen vermeiden.

Bei diesen Überlegungen handelt es sich weniger um eine Besprechung im klassischen, 'bilanzierenden' Sinn, die Beitrag für Beitrag der drei zu besprechenden Sammelbände rezensiert (was angesichts der Gesamtzahl der Beiträge ohnehin unmöglich wäre), sondern um eine Suche nach gemeinsamen Paradigmen und ggf. auch sich abzeichnenden Konfliktlinien auf dem Weg zu einer breiten literaturwissenschaftlichen Diskussion um Raumfragen. Dies bedeutet allerdings notgedrungen, dass die durchaus produktive Heterogenität jedes Sammelbands zugunsten der Fiktion von mehr oder weniger 'einheitlichen' Positionen in der Diskussion um Raumfragen verkürzt wird und einige Einzelbeiträge dadurch überhaupt keine Erwähnung erfahren.

Nach diesen Vorbemerkungen nun zu den Büchern, die ich zunächst einzeln vorstellen möchte, bevor ich zu einer vergleichenden Zusammenschau komme:




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1 Kulturelle Topografien: Körperräume I

At that time, there were many blank spaces on the earth, and when I saw one that looked particularly inviting on a map (but they all look that) I would put my finger on it and say, "When I grow up I will go there."
(Joseph Conrad: Heart of Darkness, zit. nach Stephan Trinkaus, in: Borsò/Görling 2004: 384)


Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei dem von den beiden Düsseldorfer Literaturwissenschaftlern Vittoria Borsò und Reinhold Görling herausgegebenen Sammelband um denjenigen, der sich vielleicht am emphatischsten innerhalb des gegenwärtigen "topographical turn" verortet, wobei bei der Mitherausgeberin Borsò bereits zu Beginn eine terminologische Unsicherheit deutlich wird: Ist die proklamierte Wende, von der die Herausgeber ausgehen, nun "topographischer" (so der Titel des Bandes) oder "topologischer" Natur (so Borsò in ihrem einleitenden Beitrag: 14)? Diese Frage mag kleinlich scheinen, sie ist aber insofern entscheidend, weil sie Aufschluss darüber gibt, welche Art von Raumanalysen im Vordergrund stehen: die Beschreibung konkreter geographischer oder kultureller Räume ('Topographie') oder die sie fundierende Logik der räumlichen Koexistenz ('Topologie') überhaupt.6

In dem Band von Borsò und Görling, wie auch in den beiden anderen, werden sowohl die Ebene konkreter kultureller Räume als auch die allgemein begründende Ebene thematisiert, wobei die für letztere herangezogenen Theoriemodelle als auch die Beschreibung des Verhältnisses beider Ebenen von Band zu Band (und teilweise auch innerhalb der Beiträge eines Bandes) sehr unterschiedlich ausfällt: Ein bevorzugtes topologisches Modell zur Beschreibung konkreter topographischer Räume, das sich wie ein roter Faden durch den Band von Görling und Borsò hindurchzieht, ist der in den letzten Jahren in der Literaturwissenschaft allgegenwärtige Begriff des Zwischenraums bzw. der Heterotopie, wenn von den Beiträgern in erstaunlicher geographischer Breite kulturelle Räume beschrieben werden, die von Mexiko über Südafrika bis Hawaii reichen. Dass diese Begrifflichkeit inzwischen nicht mehr unbedingt originell wirkt, hängt u.a. auch mit der langen Entstehungszeit des Bandes zusammen, dessen älteste Diskussionsbeiträge, wie im Vorwort erwähnt, bis 1995 zurückgehen. Die Konjunktur dieser Begriffe allein schon als 'Wende' der Literaturwissenschaft zum Raum zu verstehen, wäre allerdings voreilig, zeugt die Konjunktur dieser Begriffe doch de facto eher von einem teilweise recht vagen Raumbegriff, der metaphorisch auf alle möglichen anderen Bereiche übertragen werden kann und wobei die Literatur bzw. die Ästhetik allgemein manchmal etwas vorschnell per se zu heterotopischen Orten erhoben werden.

Ob Untersuchungen zu ästhetischen Zwischen-Räumen überzeugend ausfallen, hängt ganz von der Plausibilität ab, mit der es im Einzelfall gelingt, die allgemein kulturgeschichtlichen Bedeutung der Heterotopie oder Zwischenräumlichkeit, ob sie nun von Foucault (1994), Bhabha (1994) oder anderen Theoretikern hergeleitet wird, in eine produktive und nicht nur metaphorische Verbindung zu einer medial gebundenen, z.B. sprachlichen oder bildlichen Heterotopie zu setzen, d.h. mit anderen Worten die medial gebundene énonciation als eigenständige Analyseebene ernst zu nehmen und nicht nur als Mittel zum Ausdruck kultureller Sachverhalte zu verstehen. An einem solchen Anspruch müssen sich heute auch Beiträge messen lassen, deren Konzeption vielleicht schon einige Jahre zurückliegt: Erfolgreich verhandelt wird ein solches 'Dazwischen' bspw. bei Kay Sulk (193–212), der von einem kulturellen "Transpositionsraum" am Beispiel der "Truth and Reconciliation Commission" in Südafrika ausgeht, und diese Fragestellung auf die Texte von J. M. Coetzee verlängert, die sich einer einfachen Form des kathartischen "nation building" verweigern.




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Ausgehend von einem Bildmedium greift Susanne Stemmler in einem weiteren lesenswerten Beitrag (97–124) beherzt in eine Diskussion um die Funktion früher erotischer Postkarten aus dem 'Orient' ein und verteidigt die konkrete pragmatische Interaktion, die mit solchen Postkarten möglich wird, mit Jacques Derridas Carte postale: Sie setzt gegen den stereotypen Vorwurf der klischeehaft-orientalistischen Objektivierung nackter Frauenkörper die Möglichkeit einer Dezentrierung des kolonialen Subjekts. Schließlich unternimmt auch Timo Skrandies in seinem Beitrag zu Walter Benjamins Passagen-Räumen einen fundierten Versuch, kulturelle Räume und Texträume aufeinander zu beziehen, wofür sich natürlich bereits die Konzeption des Benjaminschen Passagen-Werks als Klassiker der literarischen "Zwischen-Räumlichkeit" anbietet (327–346).

Daneben gibt es in dem Sammelband jedoch nicht wenige Beiträge, die den Status der Zwischenräumlichkeit allzu sehr im Vagen lassen bzw. allzu naiv das Heterotopische bzw. die Zwischenräumlichkeit dort einfordern, wo sie ohnehin schon längst offene (Zwischen-)Türen einrennen, also bspw. in der sog. Migrantenliteratur. Generell macht sich in dem Band fast durchgängig ein bemerkenswerter Affekt gegen den Begriff der 'Grenze' bemerkbar. Eine reflektierte Ausnahme von der Rhetorik der Auflösung kultureller Grenzen stellt allerdings der Beitrag von Heike Brohm zur Triestiner Grenzliteratur dar (255–286), in dem gerade die produktive Funktion von Schwellen bzw Grenzen verteidigt wird.

Woher kommt dieser Affekt gegen die Grenze? Die Beantwortung deser Frage macht es nötig, neben der 'topographischen' d.h. bestimmte kulturelle Grenzen beschreibenden Ebene, noch einen andere, theoretisch grundlegendere Ebene des Bandes mit einzubeziehen, der die Frage nach dem Ursprung und der Funktion von Grenzen und Räumlichkeit überhaupt stellt: Diese Fragestellung, die das methodische Profil des Bandes ausmacht, ist deutlich geprägt vom Herausgeber Reinhold Görling, der bereits vor einigen Jahren eine eigenwillige, aber hoch interessante Monographie zum Thema Heterotopia (1999) veröffentlicht hat und der sich die Verbindung von psychoanalytischer Literaturtheorie und Raumforschung auf seine Fahnen geschrieben hat. Görlings eindringlicher Theoriebeitrag (43–65) versteht sich als eine ethisch geprägte Reflexion auf Räumlichkeit, bei der ästhetische Figurationen (es werden Filme von Michelangelo Antonioni über Ridley Scott bis zu Lars von Trier untersucht) in spezieller Weise als dazu geeignet präsentiert werden, die Verdinglichung des Raums als Container zugunsten einer Revalorisierung des Ortes aufzubrechen, den Görling ausgehend von Foucaults Begriff des "emplacement" beschreibt. Dieses ethische Raumdenken setzt einer politisch ent-ortenden Grenzziehung (hier zieht Görling Carl Schmitt und dessen Kritik durch Giorgio Agamben heran) emphatisch die Gegenkraft von ortsstiftenden Körper-Räumen entgegen, die den Schluss seines Beitrags zu einem Manifest der körperbezogenen Raumkonstitution machen:

Eine solche Ethik erfordert mithin eine Revolution unserer politischen und kulturellen Topografie. Neben einer Loslösung vom Konzept des Raumes als eines Behälters und der damit verbundenen Idee der Grenze braucht es dazu auch eine Loslösung von der Annahme einer vom Raum unabhängigen Körperlichkeit. Wie aber kann diese Loslösung unterschieden werden von gewaltsamen, ja traumatisierenden Überschreitungen? Wenn es die Figur des Souveräns war, der in der europäischen Tradition als Garant der Grenze diente, der über Tod und Leben entschied, der hinrichten und begnadigen konnte, und wenn es die Idee der Identität war, die hierzu das Gegengewicht bildete, wird sich eine Ethik des Ortes auf die Einzigartigkeit jedes einzelnen gründen, vielleicht nicht des Individuums, sondern des Lebens, des einen Lebens, das jedes Leben ist, nicht nur des Menschen, und immer nur ein Leben. (63)




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Diese ethisch motivierte Absage an politische Grenzziehungen zugunsten einer Ethik des Ortes ist nachhaltig und darf als durchaus paradigmatisch für viele der Beiträge des Bandes verstanden werden, allerdings beantwortet sie in gewisser Weise eine Form von Determinismus (durch den Grenzen ziehenden Souverän nach Carl Schmitt) mit einer neuen deterministischen oder zumindest essentialistischen Grundannahme, die vom Körper bzw. einem vitalistischen Lebenskonzept ausgeht – intrikat ist weiterhin, dass als Gewährsmann eines solchen Körperkonzepts Gilles Deleuze herangezogen wird und dabei dessen "organloser" Körper in nicht unproblematischer Weise dem begehrenden Körper der Psychoanalyse angenähert wird.

Unbestritten ist allerdings, dass ein solcher Ansatz gerade in modernen Konstellationen, wo es um die räumliche Beschreibung von 'Unsagbarem' geht, die unter dem Stichwort der Traumatisierung (vgl. den Überblick bei Neumann 2004) verhandelt wird, höchst aufschlussreich ist: Stellvertretend sei hier Stephan Trinkaus’ außergewöhnlich dichte und spannende Lektüre (381–414) von Joseph Conrads Heart of Darkness genannt. Trinkaus beschreibt die Reiseerzählung als einen Text, der um eine nicht zu füllende Leerstelle kreist, die gleichermaßen in kulturellen Topografien (der Kongo als letzter blank space der Kolonialgeschichte) wie in dem nicht einverleibbaren Begehrens des sexuellen Anderen aufscheint und dabei kulturelle Topographien ins Wanken bringt.

Die "Topologie von Heart of Darkness als Bewegung einer grundsätzlichen Deplatzierung" (408) tritt somit in Dialog, wenn nicht sogar in Spannung mit dem Plädoyer Görlings für eine Ethik des "emplacement", die nach weiterer theoretischer Aufarbeitung verlangt.


2 Raum – Dynamik: Körperräume II

Malheureusement l’espace est resté voyou et il est difficile d’énumérer ce qu’il engendre. Il est discontinu comme on est escroc, au grand désespoir de son philosophe-papa.
(Georges Bataille: "Espace", in: Hofmann u.a. 2004: 9)


Der Band zeichnet sich schon rein äußerlich dadurch aus, dass er das zweisprachige Ergebnis einer deutsch-französischen Tagung von Nachwuchswissenschaftlern darstellt.7 Insofern beansprucht auch die französische Tradition des philosophischen Raumdenkens einen besonderen Platz in dem Band, selbst wenn der Band nicht die Funktion eines Überblicks über den deutsch-französischen Dialog in der Raumdiskussion erfüllen kann noch will (dazu fehlen insbesondere wichtige Vertreter der sozialwissenschaftlichen Raumtheorie wie Lefebvre oder Bourdieu, aber auch Ethnologen oder Historiker wie Augé oder Certeau). Das vorausgeschickte Zitat von Georges Bataille darf insofern als paradigmatisch gelten, als es, ähnlich wie schon der Topografien-Band, von einem wesentlichen Entzug des Raumes als theoretische Kategorie gegenüber bisherigen denkerischen Versuchen der Aneignung ausgeht, diese Entzogenheit jedoch nicht so sehr als Opposition zwischen sekundärer politischer Grenzziehung und primärer körperlicher Verortung versteht, sondern zunächst einmal mit dem Begriff der 'Dynamik' eine nach mehreren Seiten offene Alternative zur Negativfolie eines 'statischen', geometrischen Raums formuliert. Anspruch der Herausgeber ist es dabei, räumliche Dynamik auch in der Zusammenstellung des Bandes zu Wort kommen zu lassen. Sie brechen so den Duktus wissenschaftlicher Reflexion auf Raum etwa durch den erwähnten schönen Fund einer Parodie auf einen philosophischen Lexikonartikel von Bataille zum Thema "Espace" (10f) auf.




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Daneben findet man bspw. einen Text des Schriftstellers Alberto Manguel über den Raum der Buchseite (192f), die Vorstellung aktueller Kunstprojekte von Dan Graham (22–25) Didier Fiuza Faustino (144–146) und Masaki Fujihata (264–268) sowie ein Statement des Pariser Kurators Hans-Ulrich Obrist über von ihm geschätzte Rauminstallationen von Gegenwartskünstlern (293–300). Das alles zwischen zwei Buchdeckeln zu versammeln, zeugt von Einfallsreichtum, über den Erfolg der Anregungen kann letztlich nur jeder Leser selbst entscheiden.8

Ein Nachteil der kreativen konzeptionellen Offenheit scheint jedenfalls, dass die 'Dynamik' als Platzhalter-Begriff fungiert, der an keiner Stelle eine befriedigende systematische Klärung erfährt. Historisch gesehen – und somit auf einer "topographischen", d.h. konkrete kulturelle Räume einbeziehenden Ebene – wird die Dynamik der Raumkonstitution am einleuchtendsten in den Beiträgen, die sie aus einer modernen oder avantgardistischen Poetik der Bewegung im kulturell bereits konstituierten Raum herleiten (vgl. den Titel der Sektion: "Dynamik als Raum-Funktion"), wie z.B. Matthias Noell über die Veränderung der Wahrnehmung von Architektur durch Bewegung seit dem frühen 20. Jahrhundert (301–314) oder insbesondere Hanno Ehrlicher in seinem interessanten und differenzierten Beitrag über den Situationismus und die Theorie der "dérive" als Wende zu einem performativen Verständnis von sozialem Raum (269–290).

Die Dynamik der Raumkonstitution überhaupt und damit wiederum die fundierende Theorieebene wird dagegen zumindest in der Gesamtkonzeption des Bandes nur ansatzweise befragt. So wird im Einleitungsbeitrag der Herausgeber ein sicherlich zentrales, aber eben nur programmatisch vorgestelltes Modell von Dynamik angesprochen, resultierend aus der Vermittlung zwischen Wahrnehmungs- und Erkenntnisraum:

Raum ist demnach, was sich, mit Merleau-Ponty formuliert, dem "chair du monde" erschließt, ohne jedoch auf einen vor prozessualer Erkenntnis liegenden Wahrnehmungs- oder Tastraum reduziert werden zu können. Er steht vielmehr in komplexer Wechselbeziehung mit dem erkennenden und gestaltenden Bewusstsein und ist damit per se dynamisch. (13f)

Mit dem Namen Merleau-Ponty und der Phänomenologie erhält man dennoch einen Anhaltspunkt, den es sich innerhalb der Beiträge des Bandes zu verfolgen lohnt: Aufschlussreich ist z.B., dass die Herausgeber den "topographical" oder "spatial turn" gleich von vornherein in diesem spezifischen Sinn verstehen, wenn sie von einer "phänomenologischen Wende der Raum-Kategorie" sprechen (13) und dabei insbesondere auf Merleau-Ponty zurückgreifen, dessen Rezeption als Impulsgeber einer französischen Traditionslinie zur Räumlichkeit gerade in Deutschland immer noch weitgehend aussteht. Insofern ist es ein Glücksfall, dass mit Daniel Oskuis Überlegungen zum "espace sauvage" (96–128) ein überaus kenntnisreicher Experte (in französischer Sprache mit deutscher Zusammenfassung) nicht nur in Merleau-Pontys phänomenologisches Raumkonzept einführt, sondern dies auch noch mit einer kleinen Philosophiegeschichte des Raums seit Aristoteles verknüpft. Dabei wird u.a. deutlich, wie Merleau-Ponty sein eigenes Raumverständnis als "troisième spatialité" (112f) jenseits der Dichotomie von intellektuellem und empirischem Raum seit Descartes einführt. In dieser Konzeption könnten die historischen Wurzeln zumindest eines Teils der bereits angesprochenen räumlichen "Figuren des Dritten" liegen,9 auf die ansonsten eher neuere Theorien seit den 80er Jahren Anspruch erheben. Das abschließende Angebot von Oskui zur Verlängerung seiner Überlegungen betrifft den poetischen Raum, womit er an Gaston Bachelard anknüpft: "L’espace poétique est aussi réel et aussi imaginaire que l’espace euclidien." (127)




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Dieses Emanzipationsangebot, demzufolge sich ein phänomenologischer Zugang zu Räumen für die Beschreibung poetischer Räume besonders gut eignen könnte, greift Caroline Torra-Mattenklott in einem weiteren, nicht nur wissenschaftsgeschichtlich interessanten Aufsatz zu der in Deutschland über Spezialistenkreise hinaus gleichfalls wenig bekannten Genfer Schule der Literaturwissenschaft auf (197–215). Anhand von Georges Poulet und Jean-Pierre Richard untersucht sie, wie sich in den Textanalysen der beiden Literaturwissenschaftler der phänomenale "espace du dedans" metaphorisch über Raummetaphern als "imaginative Projektionen" (so Jean Starobinski, der vielleicht international bekannteste Vertreter der Genfer Schule) erschließt. Was in dem Aufsatz nur ansatzweise zur Sprache kommt, sind jedoch die Konsequenzen einer über Texte vermittelten Raumerfahrung für die Relation von phänomenologischem Innen- und empirischem Außenraum: Denkt man den phänomenologischen Ansatz weiter, so ist es letztlich der Text selbst, in dem die vermittelnde Dynamik zwischen Innen und Außen, die Merleau-Ponty als Privileg der körperlichen Erfahrung gilt, zu Stande kommt, oder mit anderen Worten: Erfahrung ist nicht originär, sondern auf Medien angewiesen. Leider geht kein anderer der Beiträge aus den Sektionen, die der Textualität bzw. der Medialität von Räumen gewidmet sind, näher auf die zentrale Gelenkstelle von Phänomenalität und Medialität ein bzw. versucht, erstere explizit mit stärker 'materialistisch'-medienwissenschaftlichen Überlegungen zu verbinden. Eine solche Orientierung hätte z.B. dem interessanten Vergleich, den Stavros Lazaris und Susanne Durr zu Wissensräumen in medialen Dispositiven anhand zweier historischer Schnitte (vom volumen zum codex und vom Buch zum elektronischen Text) anstellen (175–189), noch eine zusätzliche Dimension verleihen können. Dennoch scheint hier sich hier ein höchst wichtiges Feld für künftige Forschungen abzuzeichnen.

In enger Verbindung zum phänomenologischen Ansatz gilt es daneben noch ein weiteres wichtiges Theorie-Paradigma, nicht zuletzt für die Perspektivierung von Raumfragen, hervorzuheben, das allmählich wieder neue Beachtung findet, nämlich die Symbolphilosophie sowie der Erfahungsbegriff in Anschluss an Ernst Cassirer.

Auch hier kehrt die bereits von Oskui ähnlich beschriebene Denkfigur eines Zwischen-Raums, der bei Cassirer der symbolische Raum wäre, wieder, und der in dieser Konzeption zwischen einem bereits von Aby Warburg beschriebenen primitiven Greif- und einem mathematischen Denkraum liegt. Darauf verweist Franck Hofmann in seinem Beitrag (27–50), wobei seine Gesamtthese, die Bibliothek Warburg selbst als einen solchen "dynamischen Raum" zu verstehen, allerdings auf einer durchaus diskutablen Engführung von ganz unterschiedlichen Reflexionsebenen beruht. Sicherlich ist das Symbolische nach Cassirer ein in der derzeitigen Diskussion um Raum bislang zu wenig gewürdigter Ansatzpunkt (vgl. insbesondere Cassirer 1995), der interessante Verbindungen zu Fragen der Medialität eröffnet, jedoch gleichzeitig kritisch auf seine Verhaftung in der subjektphilosophischen Tradition zu befragen wäre – die Frage, wie weit eine an Cassirer angelehnte 'dynamische' Konzeption von Raum reicht, bleibt daher in Hofmanns Beitrag einstweilen offen.

Alles in Allem hält dieser Band im Vergleich sicherlich die ästhetisch anregendsten, aber auch in ihren verschiedenen Perspektivierungen von Raum heterogensten Beiträge bereit.




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3 Wege des Kybernetes: Raum und Steuerung

Doch auf dem Schiff gilt: Die Realität ist der Autopilot. Das ist nichts, das ist scheinbar seelenlos, es muss natürlich immer noch ein menschliches Wesen da sein, weil die Maschine ja ausfallen könnte, aber jeder dort weiß: Dieses Schiff fährt von ganz allein.
(Felicitas Hoppe: "Der Steuermann als Autopilot", in: Maier/Wolf 2004: 22)


Am Ende dieses Durchgangs soll der Band stehen, in dem Raum die am wenigsten 'emphatische' Stellung einnimmt. Aus diesem Grund bieten ein Großteil der Beiträge, die von den Paderborner Literaturwissenschaftlern Anja Maier und Burkhardt Wolf (inzwischen Berlin) als Ergebnisse einer Tagung des Graduiertenkollegs Reiseliteratur und Kulturanthropologie versammelt wurden, ein wertvolles Korrektiv zu den bisher besprochenen Ansätzen. Im Unterschied zum klaren Raumfokus der ersten beiden Bände stehen Steuerungsmodelle in den Bereichen Politik, Reise und Migration im Zentrum des Bandes – Fluchtpunkt ist dabei die Kybernetik als Wissenschaft der Selbststeuerung (vgl. Vorwort, 8).

Das besondere Interesse der Perspektive des Bandes liegt darin, dass die Kybernetik dort nicht nur als 'Meta-Wissenschaft' der Steuerung verstanden wird, sondern dass die beschriebenen empirischen Bereiche von Steuerung gleichzeitig ihre historischen Möglichkeitsbedingungen darstellen – auch wenn in den Sektionen zur Reise und zur Migration der Begriff 'Steuerung' teilweise nicht in dem präzisen Sinn eines sich zumindest potenziell autonomisierenden Dispositivs verwendet wird, in dem sie in der ersten und vielleicht insgesamt interessantesten Sektion zur Politik eingeführt wird. Der Band gewinnt damit zumindest potenziell eine historische Prägnanz, die den Ansätzen zur Raumwissenschaft in den anderen beiden Bänden fehlt.

Als Korrektiv für ein mehr oder weniger emphatisches Raum-Ursprungsdenken kann der Band auch insofern fungieren, als in den theoretischen Vorgaben, die insbesondere im Vorwort der Herausgeber (8–11) sehr klar herausgestellt werden, Steuerung in provokanter Umkehrung der üblichen Perspektive nicht nur als etwas auftritt, was im Raum stattfindet, sondern was Raum allererst erzeugt und somit ihm in gewisser Weise als begründend vorausgeht:

Schon als Steuermann auf hoher See weist er dort Wege an, wo es von Natur aus keine geben kann. Indem er durch den Raum navigiert, ihn kartographisch beschreibt und mit seiner Durchquerung beherrschbar macht, wirkt er (der Steuermann) nachgerade raumerzeugend. Er vereint somit dasjenige, was Carl Schmitt als 'Raumontologie' und Norbert Wiener als Control & Communication benannt haben. (8f)

Raum wird hierbei zuvorderst als Territorialität im Sinn von Carl Schmitt oder Gilles Deleuze verstanden, und der Mitherausgeber Burkhardt Wolf stellt in seinem sehr lesenswerten Beitrag "Zukunftssteuerung" (61–92) zur räumlichen Gestalt von Utopieentwüfen unmissverständlich klar, dass sich die Kybernetik als ein Gegenentwurf zum anthropologischen Ursprung versteht: Wie Wolf an der Auseinandersetzung Heideggers mit dem kybernetischen Denken erläutert, sieht Heidegger die Gefahren der "Grundwissenschaft" der Kybernetik darin, dass sie droht, die daseinsmäßige "Verortung" im Raum, die überhaupt erst Denken ermöglicht, durch eine "Nicht-Orte" produzierende Meta-Architektur der Rechner und Steuerkreise zu ersetzen (vgl. 82–84).




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Was bei Heidegger als Schreckgespenst der Technisierung erscheint, wird von den meisten Beiträgern des Sammelbands deskriptiv als Faktum vorausgesetzt – eine solche Perspektive deckt sich von ihren Prämissen her in etwa mit der 'harten', Kultur von technischen Prämissen aus beschreibenden Annahmen der Kittlerschen Medientheorie, zu der sich zahlreiche Verbindungen ergeben – so z.B. in der Pynchon-Analyse von Martin J. Schäfer, der anhand von Gravity’s Rainbow die Grenzen der Sprachpoetik im Zeitalter der kybernetischen Steuerung auslotet (132–156) und dabei offen lässt, ob die Information von Entropie sprachlich inszeniert wird oder Sprache in Informationsentropie umschlägt. In einem der interessantesten Beiträge des Bandes macht außerdem Benjamin Steininger am Beispiel des Autobahnkurvenbaus nach maschinell-kybernetischer Maßgabe (235–256) die technische 'Determinierung' der Raumerfahrung zum Gegenstand: Steininger zeigt, wie man sich seit der Frühphase der deutschen Autobahnbaus darum bemüht hat, die individuellen Reaktionen der Fahrer in das selbsttätige Steuerungssystem der Klothoide oder "Straßenbauerkurve" einzupassen, die mit speziellen Übergangsbögen von der Geraden zur Kurvenfahrt noch heute auf deutschen Autobahnen dem Steuermann am Lenkrad 'unstetige' ruckartige Einlenkbewegungen erspart.

Die Annahme, für kulturelle Räume in dem Sinn, wie sie in den anderen beiden Sammelbänden beschrieben wurde, sei hier kein Platz, wäre jedoch verfehlt – allerdings geht es durchaus um die Kritik eines emphatischen Raumverständnisses jenseits jeglicher Technik bzw. Steuerung: So verweigert Anja Maier in ihrer kritischen Perspektive auf W.G. Sebald (277–301) einem derzeitigen Modeautor der Germanistik die Gefolgschaft bezüglich des von ihm eingeforderten individuellen Sprech- und Erinnerungsorts jenseits aller Steuerungs- und Ordnungssysteme – vgl. das für ihren Aufsatz titelgebende Kafka-Zitat: "Mein Kahn ist ohne Steuer", das Maier zur Charakterisierung Sebalds heranzieht (281). Wenn sie Sebalds Anspruch als "steuerungsvergessene", sentimentale Regression ins Unhistorische ansieht, verbindet sich ihre Kritik implizit auch mit einer Absage an die phänomenologische Raumästhetik eines Gaston Bachelard, auf dem bspw. Autoren des Raum – Dynamik-Sammelbands durchaus affirmativ Bezug nehmen. Maiers Kritik an vorschnellen Substantialisierungen von anthropologischen Räumen in Abstraktion von technischen Steuerungsdispositiven ist vielleicht nur ein erster, aber durchaus wichtiger Schritt, der es ermöglichen könnte, den Spielraum kultureller und ästhetischer Praktiken in ihrer Spannung mit technischen Dispositiven neu abzustecken (vgl. dazu meine weiteren Auführungen in 4).

Genau diese Spannung macht die Schriftstellerin Felicitas Hoppe in ihrem einleitenden Gespräch mit den Herausgebern (16–24) dingfest, wenn sie von ihrer Faszination von Seereisen und der Welt des Autopiloten auf Containerschiffen berichtet – auch dieser Band versucht sich also erfolgreich am Brückenschlag zwischen Theorie und ästhetischer Praxis (außerdem noch in einer Text- und Bildcollage unter dem Titel "selber fahren" von Alexandra Trencséni, 25–34). Hoppe lenkt die Aufmerksamkeit auf das, was dem Funktionieren des Autopiloten entgeht, nämlich den "blinden Passagier", und beschreibt dabei den ständigen Kontrast von subjektlosen und an sich unräumlichen, aber Grenzen ziehenden territorialisierenden Steuerungsmechanismen und ihren deterritorialisierenden, grenzüberschreitenden Widerlagern, die für sie letztlich an menschliche Praktiken gebunden sind.

Auf theoretischer Ebene korrespondiert diese Aufmerksamkeit mit dem, was Burkhardt Wolf die "parasitäre" (89) Funktion der Literatur nennt, die zwar keine aktiven Gegenentwürfe zu politischen Steuerungsmodellen liefert, aber eben Lücken der Steuerungsprogramme sichtbar macht. Damit stellt sich auch die allgemeine Frage nach der Funktion von Literatur im Verhältnis zu den verschiedenen Dispositiven der im Band beschriebenen (räumlichen) Steuerung.




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Hierzu äßert sich u.a. Philip Bracher (334–349), der der Literatur über Migranten an der US-amerikanisch-mexikanischen Grenze eine konterdiskursive Funktion als Subversion der politischen Migrationssteuerung zuweist, wobei allerdings im Gegensatz zu Wolf die mediale Ebene ausgespart wird und somit unklar bleibt, wie überhaupt eine literarische Rückwirkung auf politische Steuerungsdispositive erfolgen soll. Die genaue Gegenposition dazu vertritt zumindest für die Frühe Neuzeit am Beispiel autobiographischer Lebensberichte von Indienreisenden, die im spanischen Archivo de Indias überliefert sind, Bernhard Siegert (260–276). Er geht davon aus, dass literarisches Fingieren, wie z.B. im pikaresken Roman, aus der Notwendigkeit entsteht, sich angesichts der Migrationssteuerung unter dem spanischen Verwaltungsapparat eine möglichst vorteilhafte Subjektposition zu erschreiben.

Einen interessanten Zwischenweg, der vor allem in raumtheoretische Hinsicht neue Perspektiven eröffnet, geht in dieser Frage schließlich der Beitrag von Henning Teschke (38–60). Er bedient sich bei seiner Analyse von Malcolm Lowrys Under the Volcano der Begrifflichkeit von Gilles Deleuze und Felix Guattari und beschreibt, wie literarische Texte 'deterritorialisierend' wirken bzw. territoriale Zuschreibungen fragwürdig machen. Er entfaltet diesen Gedanken vor dem Hintergrund einer inspirierenden Zusammenschau theologischer, biologischer, und anthropologischer Denkansätze zum Begriff der Territorialität, die darauf hinauslaufen, die Verhaftung des Menschen in einer territorialen Bindung generell zu problematisieren, was er mit dem Heideggerschen Begriff des "Offenen" beschreibt, der kürzlich auch von Giorgio Agamben (2003) aufgegriffen wurde – damit kommt er in seiner Deleuze- und Agamben-Lektüre zu einer bemerkenswert anderen Akzentuierung als bspw. Reinhold Görling in seinem bereits besprochenen Versuch (s.o., 1), Räumlichkeit u.a. mit Deleuze nicht als Offenheit, sondern als körpergestützte "Verortung" zu beschreiben. Die lässt sich erneut als Hinweis darauf lesen, dass es darum gehen könnte, die Ortsgebundenheit eines anthropologischen Raumbegriffs in Frage zu stellen.


4 Grenzziehungen und Transversalen

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die beiden zuerst besprochenen Bände, die den Raumbegriff explizit in den Mittelpunkt stellen, diesen Zugriff entweder in dominant psychoanalytischer (Borsò/Görling) oder phänomenologischer (Hofmann u.a.) Weise mit einem körperbetonten Denken verbinden; der Körper nimmt damit in beiden Fällen eine mehr oder weniger deutlich in den Vordergrund tretende begründende Funktion ein, die es erlaubt, setzende oder verändernde Raumdynamiken in kulturellen Ordnungen zu denken. Bemerkenswert ist dabei, dass auf dieser begründenden Ebene der Raum selbst verschwindet und andere, vielleicht theoriegeschichtlich vertrautere psychoanalytische oder phänomenologische Erklärungsmodelle von Körperlichkeit in den Vordergrund rücken. Es bleibt die Frage, wie die Verbindung von Körper und Räumlichkeit näherhin zu beschreiben wäre und ob sie sich auf eine ursprüngliche 'Verortung' im Haus oder Heim reduzieren lässt oder ob ihr nicht auch immer schon eine bestimmte Vektorialisierung über das unmittelbare 'Hier' hinaus eingeschrieben ist (vgl. dazu Certeau 1990: 175f, anlässlich seiner Ausführungen zum Begriff des parcours).




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Der Band von Maier/Wolf verzichtet in seinem theoretischen Rahmen weitgehend auf eine derartige Ursprungserzählung, wenn er Modelle der Steuerung zwar als begründend annimmt, aber gleichzeitig aufzeigt, dass eine Wissenschaft der Steuerung, die Kybernetik, ihre historischen Usprünge nicht jenseits einer sozialen Dynamik hat, sondern sich aus ihr entwickelt und abgekoppelt hat – charakteristisch auch, dass Steuerungsmodelle und mediale Dispositive aufs Engste miteinander verknüpft sind. Raum erscheint in dieser Perspektive zunächst 'nur' als etwas sozial Gesetztes (Stichwort 'Territorialisierung') und nicht als etwas Vorgängiges (vgl. die Kritik Wolfs und Teschkes an einer wie auch immer gedachten vorgängigen 'Örtlichkeit').

Im Hinblick auf Raum ließe sich mit den Wegen des Kybernetes so einerseits das 'Ursprungsdenken' der ersten beiden Bände durch ein diskurs- bzw. mediengeschichtliches Modell von Raumkonstitution in Frage stellen, das eine bestimmte Art von Räumlichkeit nicht als vorgängig setzt, genau damit aber die historische Konstituiertheit sozialer Räume überhaupt in einem starken Sinn – etwa in Anschluss an Henri Lefebvres (1974) These von der "Produktion" des Raums – erst denkbar macht.

Gleichwohl kann man sich fragen, ob 'real' bzw. wie gesellschaftlich 'imaginär' ein Steuerungsmodell ist, das selbst frei sein soll von territorialer Räumlichkeit und somit von sozialen Widerständen – wichtig wäre in diesem Zusammenhang sicherlich eine explizite kritische, in dem Band aber nicht explizit betriebene Auseinandersetzung mit der politischen wie theoretischen Utopie der kybernetischen Steuerbarkeit in der der jüngeren Vergangenheit seit den 1940er Jahren.

Im Sinn einer solchen Kritik läge es nahe, einerseits nach den "Permanenzen des (materiellen) Raums" (vgl. Maresch/Werber 2002) in kybernetischen Steuerungsmodellen zu fragen; noch wichtiger aber scheint die Frage, ob Steuerungsmodelle vollständig ohne Rekurs auf eine andere, körperbezogene Räumlichkeit auskommen können. Um den Gedanken von Felicitas Hoppe aufzunehmen: Wo sitzt der blinde Passagier im Containerschiff?

Ausgehend von diesen kritischen Fragen abschließend noch drei Thesen zu möglichen verbindenden raumtheoetischen Fragestellungen in der Literatur- und Kulturwissenschaft:

1) Die Herausforderung einer allgemein kulturwissenschaftlichen Theorie des Raumes könnte darin bestehen, die Opposition oder zumindest die Spannung zwischen technischer Konstruiertheit und körpergebundener Ursprünglichkeit von Raum genau für das fruchtbar zu machen, was der Band von Hofmann als "Dynamik" des Raums beschwört, ohne diese Dynamik so richtig dingfest machen zu können. Ein möglicher Versuch in diesem Sinn wäre eine bestimmte Art von anthropologischem Denken, das sich nicht damit begnügt, z.B. anhand des Körpers Konstanten menschlicher Raumerfahrung zu bilden, die in sozialen Räumen erweitert würden (so die klassische 'Extensions'-These von McLuhan) und/oder in ihrer Ursprünglichkeit verloren gegangen wären (so bspw. der Tenor bei Görling). Ausgangspunkt wäre vielmehr eine differenzielle Anthropologie – ein Denken, das die Lösung menschlicher Praktiken aus einer fest zugewiesenen Territorialität zu Grunde legt. Eine solche Position scheint z.B. der Beitrag von Henning Teschke zu vetreten, wenn er sich mit Heidegger auf das "Offene" der menschlichen Raumerfahrung bezieht.




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2) In diesem Zusammenhang ist auch auf die Frage nach der Funktion ästhetischer Räume, spezieller: literarisch konstituierter Räume zurückzukommen. In allen drei Bänden, die durchgehend von Literaturwissenschaftlern herausgegeben wurden, gibt es keine Berührungsängste vor bild-, kultur- oder medienwissenschaftlichen Kontextualisierungen, und das ist sicherlich sinnvoll so. In allen Bänden tauchen aber auch Reflexionen auf den spezifischen Status von ästhetischen und im engeren Sinn literarischen Figurationen auf. Die Bandbreite der hierbei vertretenen Positionen ist, wie bereits ausgeführt, groß: Sie reicht von einer emphatisch verteidigten Eigenständigkeit des Literarischen bzw. Ästhetischen bis zur Negierung des Spezifikums literarischer Kommunikation im Verhältnis mit anderen Diskursen und sozialen Praktiken und reproduziert damit die wesentlichen Positionen der aktuellen Debatte zwischen literaturwissenschaftlicher Kulturwissenschaft und Rephilologisierung (vgl. Erhart 2003). Es ist auch nicht sehr erstaunlich, dass die Verteidigung einer emphatischen Konzeption von Literatur in den Bänden von Borsò/Görling und teilweise auch Hofmann u.a. stärker ausgeprägt ist als bei Maier/Wolf; die Frage ist, ob die Beschäftigung mit Räumen dazu beitragen könnte, dieser Diskussion eine neue Richtung zu verleihen und die Kontroverse um kultur- bzw. medienwissenschaftlichen Entgrenzung oder Rephilologisierung zu entschärfen.

Auffällig ist, dass sich in allen drei Bänden eine große Anzahl von Ansätzen abzeichnet, die ästhetische Räume über "Figuren des Dritten" einführen, die in irgendeiner Weise zwischen originären Körper- und abgeleiteten Gesellschaftsräumen, zwischen Empirie und Intellekt, zwischen Subjekt und Objekt vermitteln sollen. In Bezug auf die grundlegende Frage der Konstitution von Räumlichkeit produktiv werden solche Fragestellungen allerdings m.E. erst, wenn sie nicht nur symbolisch reproduzierte kulturelle Räume und deren Semantiken untersuchen, sondern wenn sie auch auf die Ebene der medialen Produktion von Räumlichkeit überhaupt ausgreifen. Hier sind die Kompetenzen einer Literaturwissenschaft gefragt, die sich zur Arbeit an der medialen 'Materialität' bzw. 'Technizität' von Texten bekennt, und hier kann sich die Literaturwissenschaft auch bspw. an den Techniken der Bildwissenschaften zur Raumkonstitution orientieren, wo die Technizität bspw. der Perspektive nicht so einfach zum Verschwinden gebracht werden kann wie in einer bestimmten, rein an Semantik orientierten Literaturwissenschaft (vgl. dazu bspw. die interessante Kritik bildlicher Repräsentationstechniken von Ludger Schwarte in Hofmann u.a., 73–95). Aus dieser Perspektive relativiert sich auch die phänomenologische Annahme, nach der es eine Realität sui generis des poetischen Raums geben kann: Es müsste zumindest ergänzt werden, dass dieser Raum zu seiner Konkretisierung, ja Konstitution auf Medien angewiesen ist, die nicht allein dem Ästhetischen eigen sind. Wenn es überhaupt eine Besonderheit des Ästhetischen gibt, so muss diese am spezifischen Mediengebrauch liegen, also etwa an einem pragmatischen Umgang in der Form, dass mediale Widerstände gegen räumliche Steuerungen nicht eliminiert, sondern als solche wahrnehmbar werden. In diesem Sinn kann auch die schon fast zum Klischee herabgesunkene Rede von der Literatur als Zwischenraum, Heterotopie etc. ihren Sinn behalten, wenn man Literatur als mediales Aufzeichnungssystem versteht, das einen besonderen Umgang mit Sprache und Medialität pflegt.

3) Zu klären bliebe in dem skizzierten Panorama einer Literaturwissenschaft, die Raumkonstitution medial untersucht, allerdings, ob es zwischen diesen medialen Voraussetzungen, durch die sich Räume konstituieren können, und den konkreten, symbolisch konstituierten Räumen mehr oder weniger unmittelbare Zusammenhänge gibt. Dass solche Zusammenhänge existieren, ist eine Behauptung, die spätestens seit der Foucaultschen Diskurs- und der Kittlerschen Medienanalyse durchaus geläufig ist.




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Die Frage wäre, ob sich eine Geschichte diskursiver medialer Formationen, die ihre eigenen Bedeutungen hervorbringen, nicht in besonders prägnanter Weise als Geschichte der Konstitution von Raumsemantiken schreiben ließe, und ob von einer solchen Raumgeschichte nicht neue Aufschlüsse über das Funktionieren kultureller Ordnungen im Zeitalter der 'Globalisierung' zu erwarten wären. Um das literatur- und kulturwissenschaftliche Raum-Paradigma also stärker profilieren zu können, scheint eine theoretisch reflektierte Raumgeschichte unerlässlich.

Eine solche Raumgeschichte muss in Ansätzen, die einen invarianten Ursprung von Räumlichkeit annehmen, per definitionem begrenzt bleiben und kann bestenfalls Formen der Verdrängung oder Wiederentdeckung des Ursprünglichen zu verschiedenen Zeitpunkten beschreibbar machen. Eine Raumgeschichte im eigentlichen Sinn wird dagegen erst möglich, wenn sie nicht einfach von einem Ur-Raum ausgeht, wobei sich natürlich auch die Gegenfrage stellt, wie weit sie sich guten Gewissens der kulturalistischen Konstruktion von Räumlichkeit überantworten soll bzw. welche Rahmenbedingungen anthropologischer, aber auch geographischer Art der 'Produktion' von Raum trotz allem gesetzt bleiben. Hier tun sich ganz neue, bislang noch weithin unbeschrittene Möglichkeiten, ja sogar Notwendigkeiten des Dialogs der Literaturwissenschaft, nicht zuletzt mit den Geowissenschaften auf, die in einer zukünftigen Perspektivierung des Themas 'Räumlichkeit' nicht fehlen sollten.


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Anmerkungen

1 Dieser Text ist der erste von zwei geplanten Forum-Beiträgen in PhiN, die der Besprechung von literaturwissenschaftlichen Neuerscheinungen zu Fragen der Raumtheorie gewidmet sind. Der erste Beitrag befasst sich mit Publikationen zu allgemeinen Fragen der Raumtheorie in der Literaturwissenschaft, der zweite spezieller mit Publikationen zum Verhältnis von Literatur und Kartographie. Mit den beiden Beiträgen verknüpft sich das Ziel, die Frage nach der Eignung der Themen 'Raum' und, spezieller, 'Kartographie' zu einem Schlüsselthema aktueller literaturwissenschaftlicher Forschung zur Diskussion zu stellen.

2 Wo die Zuordnung eindeutig möglich ist, zitiere ich in der Folge die drei im Zentrum stehenden Bände nur mit Seitenzahlen im laufenden Text.

3 Einen ersten anthologischen Überblick aus angelsächsischer Perspektive mit Schwerpunkt Humangeographie und Sozialwissenschaften liefern: Hubbard/Kitchin/Valentine (2004); eine Anthologie von raumtheoretischen Texten der europäischen Tradition erscheint voraussichtlich 2006 (Dünne / Günzel i.V.).

4 Stellvertretend seine die folgenden Tagungen genannt: das Germanistische DFG-Symposium 2004 unter dem Titel "Topographien der Literatur" (5.–8.10.2004, Publikation der Beiträge: Böhme i.V.), die Berliner Tagung "Topos Raum. Die Aktualität des Raums in den Künsten der Gegenwart" (17.–20.11.2004, vgl. http://www.adk.de/toposraum/), sowie die 2005 wiederum in Berlin durchgeführte Tagung "Auszug aus dem Lager – Die Überwindung des modernen Raumparadigmas" (1.–3.12.2005, vgl. http://www.adk.de/raum/sites/vera_bildende_kunst-5.htm). Aktuelle Informationen zu raumtheoretischen Tagungen, Neuerscheinungen und Forschungsprojekten liefern das Raumtheorie-Weblog "Cyberplace" (http://cyberplace.blogger.de/) sowie die "Aktuelles"-Seite der Münchener Arbeitsgruppe "Raum – Körper – Medium" (http://www.raumtheorie.lmu.de/aktuelles/).

5 Was allgemeine Fragen der kulturwissenschaftlichen Raumforschung betrifft, wäre hier etwa der Forschungsschwerpunkt "Andere Moderne(n): Topographie und Archäologie" der Berliner Zentrums für Literaturforschung zu nennen (http://www.zfl.gwz-berlin.de/research/index.htm?what=sub1&fsp=3&show=research); ansonsten bleibt die Forschung zu Raumfragen häufig noch dem bekannten Großstadtparadigma untergeordnet, das bspw. auch einem vor Kurzem eingerichteten DFG-Netzwerk "Räume der Stadt. Perspektiven einer kunstgeschichtlichen Raumforschung" (http://www.raeume-der-stadt.de/) als thematischer Ausgangspunkt dient.

6 Spricht man von 'Topologie', so handelt es sich dabei um einen abstrakten Raum, der als eine gedankliche "Ordnung des Koexistierenden" (so Dagmar Reichert 1996: 18, in Anlehnung an Leibniz) aufgefasst werden kann. Die 'Topographie' erfasst dagegen materiell gegebene Räume der geographischen, aber auch der sozialen Umwelt (vgl. zu dieser Unterscheidung u.a. bereits Lotman 1974).

7 Alle Beiträge sind mit einem Abstract in der jeweils anderen Sprache versehen, wobei leider ausgerechnet das erste französische Abstract zur Einleitung der Herausgeber (11) sehr fehlerhaft ist und einen französischen Leser schnell von der weiteren Lektüre abhalten könnte.

8 Vielleicht wäre es allerdings noch wirksamer gewesen, nicht alle dieser Beiträge von Herausgeberseite noch einmal durch Kommentare zu rahmen oder essyistisch zu verlängern wie in einem als doppelte Reflexionsschleife inszenierten, aber nur mäßig informativen Dialog zwischen Oliver Lubrich und Franck Hofmann über Alberto Manguel (194–196), sondern für sich wirken zu lassen.

9 Vgl. zur "Figur des Dritten" allgemein das gleichnamige Konstanzer Graduiertenkolleg (http://www.uni-konstanz.de/figur3/), sowie Breger / Döring 1998.