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Reinhard Meisterfeld (Tübingen)



Reduktive Verfahren

Reduction in syntax
Scholars have made a distinction, since linguistic thought exists, between lexical items, used to describe the world of human experience, and function elements (morphemes, grammatical words), serving to indicate relationship between lexical items, and, to a smaller extent, their modification. Grammar can thus be conceived of as a procedure of determination in addition to lexical meaning. Few attention has been paid to the opposite procedure, subtraction or reduction of pre-grammatical meaning. Pre-grammatical meaning subject to reduction may be classified as lexical, classematic, referential. Means of reduction procedures may be categorematic words, suppression of classematic distinction, syntactic neutralisation. Some examples are given, among them a case of reductive polygrammaticalization from Tupí-Guaraní.


1 Syntax und Reduktion

Die Sprachwissenschaft kennt von alters her die Unterscheidung von lexikalischen, weltbeschreibenden Einheiten und Funktionselementen (Morphemen, Formwörtern), welche die Beziehungen zwischen den Einheiten der ersten Art bezeichnen. Die Grammatik kann daher in bezug auf die lexikalischen Einheiten in allgemeiner Hinsicht als ein Verfahren der hinzufügenden Bestimmung aufgefaßt werden. Wenig Aufmerksamkeit hat man bisher der Tatsache zugewandt, daß es in den Sprachen okkasionell auch zum Phänomen der Subtraktion oder Reduktion von vorgrammatischer Bedeutung kommen kann. Welche Sektionen der vorgrammatischen Bedeutung von der Reduktion betroffen sein können, und mit welchen Verfahren diese Reduktion vorgenommen wird, soll im folgenden zur Sprache kommen.


1.1 Der Terminus Syntax meint die 'Zusammenfügung' mehrerer sprachlicher Zeichen zu einer größeren bedeutungstragenden Einheit, im eigentlichen Sinne aber: nach welchen Regeln diese 'Zusammenfügung' in den Einzelsprachen erfolgt. Geht man nun von einem ausgewählten Zeichen aus, so erscheint seine Erweiterung zu einer größeren bedeutungstragenden Einheit jedenfalls als 'Hinzufügung' von etwas, als 'Anfügung' (mindestens) eines weiteren Zeichens an das zunächst genannte. Zur Illustration einer solchen Anfügung wählt man mit Bedacht oder intuitiv in der Regel eine jener Bedeutungseinheiten, die man etwa "weltbeschreibend" oder "lexematisch" genannt hat, als Basis und ergänzt sie dann um ein sogenanntes grammatisches Element, zum Beispiel ein Zeichen für den Plural oder ein Zeichen für die Aktualität:




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Auf die weiteren Schritte der syntaktischen Verfahren, welche nach gewissen einzelsprachlichen Prinzipien der funktionellen Distinktion und Hierarchisierung erfolgen, braucht hier nicht eingegangen zu werden. Für unsere Zwecke genügt die Feststellung, daß die Syntax (oder Grammatik) sich einer ersten Schicht von benennenden Bedeutungen bedient, um sie unter Zuhilfenahme bestimmter formaler Elemente und nach bestimmten Regeln "zu verknüpfen".1 Der "Sprachbau" setzt also den "Sprachschatz" voraus, um es mit den Termini Georg von der Gabelentz' zu sagen (1901: 121). Die Bedeutung der zusammengesetzten Einheiten ist jeweils komplexer als die der einfachen, welche in ihnen enthalten sind; sie bedeutet noch etwas "über diese einfachen Elemente hinaus." Umgekehrt wird dabei vorausgesetzt, daß die lexikalische Basisbedeutung bei der Anwendung der syntaktischen Verfahren in der Regel erhalten bleibt. So enthält Bilder den Inhalt 'Bild' und dazu den Inhalt 'pluralisierend'. Vereinfachend2 kann man daher sagen, die Bedeutung der syntagmatischen Verknüpfung verhält sich zu der vorgrammatischen Bedeutung additiv.

Während dieser Sachverhalt in der Syntax eigentlich immer vorausgesetzt oder stillschweigend mitverstanden wurde, hat man ihn in der engeren Grammatiksektion der morphologischen Verfahren zuweilen ausdrücklich thematisiert und ihm unter den (leider mehrdeutigen) Termini der Ikonizität oder der Isomorphie als universelles ("natürliches") Prinzip dargestellt:3

À une charge sémantique supérieure doit normalement correspondre une masse phonique plus considérable ou, en d'autres termes, une marque sémantique doit être accompagnée d'une marque phonique.
Martinet (1965: 183).

Wiewohl sich der eine oder andere ihm widersprechende Fall auffinden läßt, (vgl. Meisterfeld 1998: 18), ist dieses Prinzip doch im großen und ganzen annehmbar und wird nicht bestritten.4 Analog gilt dies auch für die additive Natur der determinierenden Verfahren der Syntax im allgemeinen und die Bewahrung der dabei integrierten Basisbedeutungen des Wortschatzes.


1.2 Doch findet man in der Syntax der Einzelsprachen zuweilen auch die Reduktion von Teilen der vorgrammatischen Bedeutung, obschon in viel geringerem Maße. Welche Teile der benennenden Elementarbedeutungen hierfür in Frage kommen und mit welchen technischen Mitteln ihre reduktive Einschränkung in den Sprachen bewirkt werden kann, soll im folgenden gezeigt werden.

Die Möglichkeit der Reduktion ist als Verfahrensprinzip bisher kaum beachtet worden, obwohl die entsprechenden Phänomene fast alle gut bekannt und beschrieben sind, zum Teil sogar ausdrücklich als reduktiv. Voraussetzung für das Phänomen der Reduktion ist die natürliche Verflechtung der lexikalischen Basisstruktur mit der Grammatik. Die lexikalischen Bedeutungen sind uns nämlich nicht rein gegeben, sondern schon mit gewissen Merkmalen der Zurüstung für ihre grammatische Verwendung. So enthält dt. geben neben seiner weltbeschreibenden Bedeutung noch die syntaktischen Merkmale: 'Wortart Verb' und 'Verbklasse transitiv' bzw. 'dreiwertig'; und bei Rose wissen wir nicht nur, daß dies der Name einer Blume ist, sondern auch, daß es sich um ein Substantiv handelt, welches zu der Klasse der Feminina gehört, deren Begleitwörter mit femininen Endungen kongruieren. Diese zusammengesetzte Natur der Einheiten auf der ersten Ebene der sprachlichen Gestaltung ermöglicht es nun, daß okkasionell und zu bestimmten Zwecken des Ausdrucks eine ihrer Komponenten "entfernt", bzw. eigentlich "außer Kraft gesetzt", "aufgehoben" oder "neutralisiert" werden kann. Denn der Begriff der "Reduktion" erfordert eben auch, daß nach einer "Verminderung" "noch etwas verbleibt".




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Die Elemente der ersten benennenden Schicht der sprachlichen Struktur haben also im allgemeinen ihrerseits die folgenden Bestandteile:

– den eigentlich beschreibenden lexikalischen;

– den kategoriellen, die Wortarten betreffenden;

– den klassematischen, die Bedeutungsklassen betreffenden.

Jeder dieser Bestandteile kann Gegenstand der Reduktion werden. Doch ist die Reduktion im Bereich der Wortarten ein Grenzfall der Konversion, der hier unberücksichtigt bleiben soll.5 Andererseits werden wir sehen, daß man in gewisser Hinsicht (und für gewisse Sprachen) noch einen Bestandteil hinzufügen muß, welcher die im Lexikon gegebene Referenzdisposition betrifft.

In der sprachlichen Realisierung erscheint die Reduktion durch bestimmte sprachliche Kategorien oder mit syntagmatischen Mitteln. Die syntagmatischen Verfahren der Reduktion können passiv oder aktiv sein. Die aktive syntagmatische Reduktion erfolgt in der Regel durch kategorielle Reduktoren. Dies soll im folgenden näher erläutert werden.


2 Mittel und Verfahren der Reduktion


2.1 Die Reduktion der lexikalischen Bedeutung auf ihre kategorielle Kontur

Daß die Einsparung der beschreibenden lexikalischen Bedeutung möglich ist, hängt mit der Tatsache zusammen, daß Sprechen und Verstehen in Situationen und Kontexten geschieht, welche das mit den Bedeutungen Gesagte ergänzen und modifizieren: Die sprachlichen Bedeutungen bedeuten das, was sie konkret bedeuten, mit den Fakten der Welt zusammen. Dieses Zusammenwirken eröffnet den Sprachen zugleich eine Möglichkeit der Ökonomie. Das, worüber in Situation und Kontext schon Einverständnis besteht, kann durch einen einfachen Verweis evoziert werden, es braucht nicht mehr beschreibend benannt zu werden. Einem solchen Verweisen, also einem Verfahren der Designation, das um die Beschreibung verkürzt wurde, dient eine besondere Klasse von Wörtern, die man u. a. Kategoremwörter (Coseriu 1987: 85–96) oder Umrißwörter (Brinkmann 1971: 743) genannt hat, weil sie nur die kategorielle Kontur eines weltbeschreibenden Wortes enthalten. Dazu gehören vor allem die sogenannten Pronomina.6

Bei den Personalpronomina bezeichnen die ersten beiden Personen (ich, du; wir, ihr) Rollen der Sprechsituation. Dagegen zeigen die Personalpronomina der dritten Person (d. er, lat. is) die Reduktion der beschreibenden Bedeutung. Sie sind den Anaphorika zuzuordnen:

Der Vertrag ist fertig. Er liegt auf dem Tisch.

Er enthält also von den Merkmalen des Bezugslexems die Genuskategorie mit Numerus und Kasus mitsamt einem Grad der Referenz: er wird zugleich als 'bestimmt' interpretiert.

Ein Sonderfall der pronominalen Anapher ist die "Rückwendung" der Referenz auf das Subjekt. Ihr Ausdrucksträger ist das (freilich meist nur für den bereich der dritten Person besonders kategorisierte) Reflexivpronomen:

Sie versteckt sich.

Komplementär zu den anaphorischen Kategoremwörtern stellen sich die Indefinita. Auch bei ihnen fehlt die beschreibende Bedeutung, hier aber nicht, weil sie wie bei den Anaphorika als bekannt vorausgesetzt wird, sondern, weil sie unbekannt ist oder als unerheblich betrachtet wird. Die Reduktion führt zurück auf die Kategorie der Substanz, bei der jedoch die belebte Person von der Sache unterschieden wird:




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Sie haben jemand vergessen.

Sie haben etwas vergessen.

Oft findet sich eine Differenzierung in spezifische Indefinita mit diskursiv relevanter Identität (lat. quidam 'jemand bestimmtes') und unspezifische Indefinita mit irrelevanter Identität (lat. (ali) quis 'irgendjemand'). Der Sinn der Reduktion läßt sich auch beim Indefinitum ökonomisch deuten: Die Behauptung der Unbestimmtheit macht den weiteren Diskurs über die genaue Beschaffenheit bzw. die Identität des Gemeinten entbehrlich oder weist ihn ab.

Zu den adjektivischen Indefinita s. 2.3.

Die Demonstrativa enthalten zu der anaphorischen Funktion noch direkt (situationell) oder indirekt (textverweisende) situierende Merkmale. Manchmal integrieren sie identifizierende Anaphorika vom Typ lat. ipse (Brugmann 1904 a: 121–127).

In adjektivischer Verwendung haben die Anaphorika und Demonstrativa keine reduzierende Funktion. Doch findet man bei der Substitution durch das Archilexem (den Oberbegriff) von der Art: ein Hund – das Tier; ein Hammer – das Werkzeug (Harweg 1968: 186–187) eine partielle Reduktion semischer Merkmale beim Substituens. Die Norm der Einzelsprachen macht von dieser anaphorischen Möglichkeit unterschiedlichen Gebrauch.

Nominalbegleitende Spezifizierungen sind reduziert bei den Korrelativa wie lat. talis, tantus u.ä.

Die anaphorischen Reduktionen sind nicht auf die vorgrammatischen Elemente (Einzellexeme) beschränkt, sondern betreffen auch Pro-Formen für komplexere Antezedentien (Vater 1975, Braunmüller 1977, Pérennec (Hg.) 1996).

Die Reduktion der lexikalischen Bedeutung auf ihren kategoriellen Wert ist unter den reduktiven Verfahren eigentümlich und privilegiert. Denn sie geschieht durch eine besondere (empirisch universelle) Klasse von Elementen die eigens hierzu bestimmt sindund nicht durch ein syntaktisches Verfahren. Diese Besonderheit entspricht der alleinstellenden Andersartigkeit des weltbeschreibenden Bestandteils der lexikalischen Bedeutung gegenüber dem kategoriellen und klassematischen. Im übrigen wird sich zeigen, daß die kategoriellen Redukta gerade als technisches Verfahrensmittel anderer Reduktionen dienen.


2.2 Die Reduktion der klassematischen Bedeutung

Semantische Merkmale mit klassenbildender Funktion hat man als Klasseme bezeichnet (vgl. Pottier 1963, Coseriu 1968). Sie gliedern den Wortschatz über die engeren Wortfeldgrenzen hinweg in größere Sektionen. So gehört etwa das Lexem Hund zum Wortfeld der Haustiere, im weiteren Sinne aber zur Klasse des Belebten, zu der man auch menschliche Wesen zählt; und das Verb abschneiden läßt sich dem Feld der Gegenstandsbearbeitung zuordnen, in allgemeinerer Hinsicht aber der Klasse der perfektiven Verbalbedeutungen, zu der u.a. auch abstrakte Handlungsverben wie beschließen gehören. Die Klassenzugehörigkeit der Lexeme hat einen gewissen Einfluß darauf, wie diese im Diskurs zu behandeln sind. Sie bedingt nämlich distributive Selektionen, meist lexikalischer, öfter aber auch grammatikalischer Art. So wird man füttern vorwiegend in Bezug auf Tiere oder Kleinkinder verwenden und reif vor allem in Bezug auf Früchte, dann auch auf ein Stadium organischer Entwicklung im allgemeinen. Sind die klassenbedingten Selektionen grammatischer Art, so grenzen sie syntaktische Klassen ab (vgl. Bloomfield 1933: 184–206, 264–280; Coseriu 1968: 12–16). Von dieser Art sind etwa die Genera des Nomens in den indogermanischen Sprachen (maskulin, feminin, neutrum), welche die Kongruenz der Nominalbegleiter erfordern oder die Valenzklassen des Verbums (wie transitiv vs. intransitiv), deren Wertigkeit durch ihre obligatorischen Argumente kenntlich wird. Wenn die Klassen von Lexemen nur in bestimmten syntaktischen Umgebungen erscheinen, spricht man von verdeckten Klassifizierungen (vgl. Whorf 1956: 65–86). Darunter versteht man die Tatsache, daß die jeweilige Klasse eines Wortes nicht wie im Falle der offenen Klassifizierungen ohne weiteres ersichtlich ist, sondern erst dadurch ein äußeres Merkmal erhält, daß eine andere Funktion auf die lexematische Basis angewendet wird (daß diese Anwendung etwa je nach der Klasse des zugrundeliegenden Basislexems in unterschiedlicher Weise erfolgen muß). So erscheint das Merkmal der Belebtheit am Substantiv im Slavischen nur zusammen mit der Objektkennzeichnung: Rückt ein Substantiv, welches ein belebtes Wesen bezeichnet, in die Funktion des direkten Objektes ein, so erhält es statt des Akkusativs den Genitiv als Kasuskennzeichen. Das Klassenmerkmal der Belebtheit ist also: '[für die Funktion des direkten Objekts] "Genitiv"'. In gewissen Fällen kann nun die offene oder verdeckte Kennzeichnung der Klassen aufgehoben oder zurückgenommen werden und damit auch das jeweils Besondere ihrer Bedeutung, ihre semantische Merkmalhaftigkeit. Es kommt damit zu einer Reduktion eines Teils der vorgrammatischen Bedeutung.




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2.2.1 Das elementarste Verfahren hierzu ist die Rückführung einer Einheit aus der differenzierten Klasse in diejenige ohne das entsprechende Differenzierungsmerkmal. Insofern dieses einfach im Verzicht auf eine Differenzierung besteht, kann man es ein passives Verfahren nennen.


2.2.1.1 So finden wir in den westeuropäischen Artikelsprachen eine grammatisch relevante Klassifizierung der Substantive in konturierte gegenständliche und diffuse stoffliche Repräsentationen. Zu der ersteren gehören etwa Mensch, Haus, zu der zweiten etwa Wasser, Stahl. Dabei erscheint das Klassenmerkmal der Konturiertheit bei der Anwendung der Verfahren der Quantifikation. So müssen die Konturnamen etwa in dem folgenden Kontext im Plural erscheinen, Diffusnamen nicht:

Was die Menschen dort am dringendsten brauchen, sind Häuser. vs.:

Was die Menschen dort am dringendsten brauchen, ist Wasser.

Ebenso erfordern sie im Falle des Singulars die obligate Indefinitquantifikation durch den unbestimmten Artikel, die Diffusnamen nicht:

Sie aß einen Apfel. vs.:

Sie aß Ø Reis.

Allerdings können gewisse Einheiten des Wortschatzes auf Grund lexikologischer oder enzyklopädischer Gegebenheiten mit unterschiedlicher Bedeutung ohne weiteres in beiden Klassen erscheinen :

ein Brot kaufen vs.:

Ø Brot kaufen

Oder:

einen Fisch kaufen vs.:

Ø Fisch kaufen.

Darüber hinaus aber kann ein Substantiv aus der konturierten Klasse durch Umdeutung, also Konversion, in die unkonturierte zurückgeführt werden. Dies geschieht durch den Verzicht auf die syntaktischen Begleitmerkmale der Kontur. So könnte man etwa auf eine entsprechende Frage antworten:

Das ist ein Ei.

oder aber:

Das ist Ø Ei.




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Im zweiten Fall aber wäre nicht von einem Gegenstand die Rede, sondern von einer diffusen Substanz, etwa einem Flecken auf dem Tischtuch: Die Auflösung der materiellen Gegenstandskontur ist mit sprachlichen Mitteln zum Ausdruck gelangt. Diese Mittel aber gehören zu den allgemeinen Verfahren der Reduktion klassematischer Bedeutung.

Bei dieser Reduktion handelt es sich nicht, wie man zunächst vermuten könnte, einfach um eine Neutralisierung, bei der unter bestimmten Bedingungen das merkmallose Glied der Opposition den Gesamtbereich beider Sektionen vertreten kann. Zwar sind auch bei den Wortklassen die Oppositionen überwiegend binär-inklusiver Art. Zudem ist das zusätzliche Merkmal historisch meist sekundär ausdifferenziert worden. Aber die grammatisch relevanten Wortklassen sind prinzipiell diskret, und die syntaktischen Implikationen stehen eben im Dienst der Distinktion als sprachlicher Formung. Daher erscheint die Reduktion der klassematischen Bedeutung auch nicht als merkmallos, sondern als Konversion. Und als solche steht sie der gegenläufigen Abweichung, nämlich der Erfassung des Unkonturierten als konturiert, komplementär gegenüber, wobei die metaphorische Natur beider Verwendungen in etwa vergleichbar ist.

Wenn solche Konversionen nun häufig bis habituell werden, dann beginnen sich die Nomina aus der Fixierung in ihren jeweiligen apperzeptiven Klassen zu lösen, und es kommt zu einem Grammatikalisierungsprozeß der klassematischen Zuordnung. Für die nun bis zu einem gewissen Grade frei verfügbar gewordene Zuordnung oder "Sichtweise" der Nominalvorstellung haben wir den Terminus Nominalaspekt vorgeschlagen.7


2.2.1.2 Die Klassen des Verbums werden in der jüngeren Sprachwissenschaft vorwiegend nach ihrem syntaktischen Verhalten beschrieben und gekennzeichnet, nämlich nach der Anzahl ihrer Argumente, dem Kriterium der Valenz. Eigentlich ist dieses Verhalten, aber wie bei den angeführten Beispielen eine syntaktische Implikation ihrer semantischen Klassifizierung.8 Allerdings sind die beiden Perspektiven beim Verbum auf Grund seiner kategoriellen Natur besonders schwer zu trennen.

Die Verbindung der verbalen Bedeutung mit der syntaktischen Kategorie der Transitivität bzw. Intransitivität hat Manfred Sandmann ([1954], 1979: 172–176) im Rahmen seiner "Anschauungsgrammatik" in der folgenden Weise dargestellt. Die "innere Verbalkonstruktion" (inner verbal construction, in: Sandmann [1954], 1979: 273) einer aktiven transitiven Handlung (The hunter kills the deer) gliedert sich in vier Phasen: zunächst in eine vorbereitende intentionelle; sodann innerhalb der eigentlich als aktualisiert gedachten Handlung in eine kausative (aktive) und eine affektive (objektive); schließlich in eine resultative Phase der Rückschau. Die erste und die vierte Phase stehen den beiden mittleren aktuellen Phasen als virtuell gegenüber. Die beiden ersten (subjektiven) Phasen entsprechen der Intransitivität, der Einbezug der beiden übrigen der Transitivität. Auch das intransitive Verb in The hunter runs drückt nach Sandmann die Beziehung zu einem potentiellen Ziel aus. Dieses befindet sich jedoch außerhalb des verbalen Zeitkontinuums. Wenn nun ein transitives Verb ohne einen explizit genannten Zielpunkt erscheint wie bei We eat, dann verbleibt nur die allgemeine Vorstellung eines solchen Zieles. Gemeinsam ist aber dem primär intransitiven Verb und dem analog gebrauchten transitiven die Rückführung der Aufmerksamkeit auf die Entstehungsphase des Vorgangs (Sandmann [1954], 1979: 187). Damit beschreibt Sandmann die Reduktion.

Die passive Reduktion der Transitivität ist in den europäischen Sprachen weit verbreitet und synchronisch wie diachronisch feststellbar.9 Der elliptische Ausdruck (der Verzicht auf das Zielargument) wird durch verschiedene Bedingungen gefördert. Essen, waschen, schreiben u.ä. setzen zwar grundsätzlich Objekte der Handlung voraus. Diese sind aber in ihrer allgemeinen Form so selbstverständlich oder mit der Verbalbedeutung solidarisch, daß sie ohne weiteres fehlen können. Selbst ein Kausativum wie beruhigen kann allein prädizieren, wenn sein Ziel (die Nerven, die Sinne) nicht in Frage steht. In anderen Fällen erfordert die Ellipse Informationen aus dem jeweiligen Umfeld. So ist in einer bestimmten Werkstatt klar, daß sich ein Satz wie Ich schneide jetzt auf bestimmte Materialien oder Werkstücke bezieht. Spezifische Texte können anaphorische Verkürzungen möglich machen, die ohne diesen Zusammenhang als ungrammatisch erscheinen müssen. Immer aber steht bei diesen Verwendungen die Tätigkeit selbst im Mittelpunkt, oft im Kontrast zu möglichen Alternativen.




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Der absolute Gebrauch des Verbums mit dem Fehlen des direkten Objekts führt nun zweifellos zu einer "Wertigkeitsreduzierung" (Busse 1974: 224) und zu einer Betonung des Vorganghaften. Der "ungesättigten Verbvalenz" (Koch / Oesterreicher 1990: 87) entspricht aber in semantischer Hinsicht immer noch eine "effizienzgesättigte" Verbalbedeutung. Zur eigentlichen Intransivierung (nämlich zur Reduktion von der effizienten zur immanenten Verbalbedeutung)10 bedarf es vielmehr einer funktionellen Umwertung von Aktion und Aktanten:11

Nauta navem appellit.
'Der Seemann landet das Schiff an'

Nauta appellit.
'Der Seemann landet an'.

Navis appellit.
'Das Schiff landet an'.

(García-Hernández 1991: 54)


2.2.2 Die aktive Reduktion eines klassematischen Merkmals geschieht manchmal indirekt durch kategorielle Korrelationen der Syntax. So kann in gewissen Sprachen die Wahl des Partitivs als Objektkasus das Merkmal der Perfektivität beim Verbum neutralisieren:12

Finn. rakensi uutta huonettansa (Partitiv) 'er baute an seinem neuen Haus' vs.:

Finn. rakensi uuden huoneensa (Akkusativ) 'er (er)baute sein neues Haus'

Bezüglich der Transitivität haben Paul J.Hopper und Sandra A. Thompson (1980) in einer onomasiologischen Studie eine Anzahl von Faktoren zusammengestellt, welche die Gezieltheit der Handlung einschränken können, wie Klasse, Kasus und Determination des Objekts, Affirmationsstatus, Aspekt, Modus des Verbs u.ä. (vgl. Hopper, Thompson 1980; Hagège 1982: 49–51; Lazard 1994; Lazard 2002; Fiorentino (Hg.) 2003).


2.2.2.1 Prägnanter aber sind die aktiven Reduktionen, die sich in direkter Weise durch Morpheme oder Instrumentalwörter darstellen.

Unter diesen ist sicher das Reflexivum in diathetischer Funktion die am längsten und am besten bekannte: Bis zu einem gewissen Grade beschreibt ja schon der überkommene (wenn auch nicht antike) Begriff der "Rückwendung" oder "Rückbezüglichkeit" neben dem Verhältnis von Ausgangs- und Zielpunkt der Handlung auch die Neutralisierung bzw. die Reduzierung des Merkmals der Transitivität.

Bei einem transitiven Vorgang können Origo und Ziel gelegentlich zusammenfallen (vgl. Sandmann (1954) 1979: 188–191):

Er verletzte seinen Gegner.

Er verletzte sich.

Die Gleichheit des zweiten Bezugspunktes mit dem ersten13 wird in vielen Sprachen durch das sprecherdeiktische Pronomen (ichmich, du dich) ausgedrückt, für die dritte Person erscheint ein besonderes Reflexivum (sich, das manchmal – wie im Polnischen się – auf die erste und zweite Person übertragen wurde). Doch kommen in den Sprachen auch andere Bezeichnungen der Reflexivität vor.




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Der genannte Sonderfall der Transitivität kann durch Grammatikalisierung zur Verschmelzung von Origo und Ziel führen (sich erinnern, sich freuen) und damit zur medialen Diathese. Die Reflexiva dieses Typs in den modernen europäischen Idiomen setzen in der Tat eine funktionelle Sektion des idg. Mediopassivums fort. Diese Entwicklung ist in vielen Sprachen verbreitet (vgl. Geniušienẻ 1988, Faltz 1988, Kemmer 1992). Sie kann weitergehen bis zur Ausbildung einer authentischen reflexiven Passivdiathese (Brugmann 1904b: 602–603).

Daß die grammatikalisierten Reflexivkonstruktionen sich in die Kategorie der Diathese integrieren, gehört zum traditionellen Wissen. Daher konnte Franz Bopp den (freilich irrigen) Gedanken äußern, die schwer zu erklärenden italo-keltischen r-Formantien des Mediopassivums (amor 'ich werde geliebt', revertor 'ich kehre zurück') gingen möglicherweise auf ein altes Reflexiv-s zurück. Für die romanischen Sprachen hatte schon Diez die Reflexiva zur Diathese gestellt (41877, III: 190–195), und die romanische Ausprägung der Erscheinung ist gut beschrieben.14

Dabei ist stets implizit, öfter aber auch explizit, zur Sprache gekommen, daß die Reflexivierung zu einer Aufhebung der Transitivität führt und damit zur Reduktion der Rollenstruktur des Satzes um einen Partizipanten.15 Und im Rahmen der generativen Grammatik ist von der "argumentabsorbierenden" Funktion der romanischen Reflexivklitika die Rede, welche die Valenz des Verbums um eine Stelle reduziert.16 Hieran zeigt sich nun zugleich die Nähe der diathetischen Reflexiva zu den Intransitiva. Denn die passive Reduktion der Verbvalenz durch Intransitivierung ist funktionell ohne weiteres mit der Bindung einer Valenzstelle durch ein reflexives Erfüllungsmorphem vergleichbar.17

Wird auch auf den Agens verzichtet, so ergibt sich eine Reduktion des Verbalausdrucks auf die Feststellung reinen Geschehens. Im Indogermanischen sind die nullstelligen Prädikate gleichwohl als dritte Personen dem Flexionsparadigma zugeordnet: lat. pluit 'es regnet' Darin liegt vielleicht ein Hinweis auf den vorhistorisch nominalen Charakter dieser Formen.18


2.2.2.2 Objektellipse und Ziel-Origo-Synthese sind indes nicht die einzigen Verfahren der Transitivitätsreduktion. Hopper und Thompson haben in ihrer oben genannnten Untersuchung (1980) auf die Rolle der Objektdetermination für die Prägnanz der Transitivität hingewiesen. Umgekehrt kann die apperzeptive Diffusität des vorgestellten Objekts bzw. die Indefinitheit die Transitivität des Verbums reduzieren.19 In der Tat läßt sich beim Vergleich von: Er liest und Er liest etwas nur ein geringer Bedeutungsunterschied feststellen: Das lediglich kategorematisch dargestellte Objekt vermag den Satzvektor kaum aus den "subjektiven Phasen" (Sandmann) herauszuführen.

Dieser Umstand kann nun in manchen Sprachen dazu benutzt werden, eine sekundäre (reduktive) Absolutheit der Verbalbedeutung darzustellen, welche der Intransitivität nahesteht. So hat Claude Hagège (1984: 360) erwähnt, daß im Nahuatl bei Transitiva das direkte Objekt nicht einfach entfallen kann. Wenn nun in einem gegebenen Kontext die Objektvorstellung völlig unbestimmt ist, so muß sie doch durch das Pronominalwort λa als Platzhalter im Satz erscheinen. Daher entspreche zum Beispiel ni-λa-paka normalerweise im Französischen nur: je lave. Das λa stelle lediglich die obligatorische Transitivität dar.

Wir würden hier dagegen von einer weitgehend grammatikalisierten aktiven Reduktion der Transitivität sprechen und λa eben als Zeichen der (abgeleiteten) intransitivitätsnahen Absolutheit interpretieren. Sein syntaktischer Status ist der eines Erfüllungsmorphems für die Objektfunktion. Dieses ist mutatis mutandis in etwa der Rolle von es bzw. il bei den Geschehnisimpersonalia wie dt. es regnet, frz. il pleut vergleichbar oder auch der Objektprolepse durch es vor subordinierten Objektsätzen im Deutschen.




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Ein ähnliches Verfahren wie im Nahuatl findet sich im Tupí-Guaraní. Dort kann das transitive Verb direkte Objekte durch Inkorporation entaktualisieren und so habituelle absolute Handlungen bezeichnen (vgl. Mithun 1984, Mithun 1986). Viele Idiome dieser Gruppe haben das Verfahren weiter grammatikalisiert und inkorporieren reduzierte (pronominale) Kategoreme (-mba'e-). Sie erzielen damit intransitivitätsnahe absolute Bedeutungen auf rein verbalsemantischer Basis. Allerdings wird bei den inkorporierten Redukta (ähnlich wie bei den indefiniten Kategoremwörtern des Indogermanischen) noch zwischen Personen (-poro-) und Sachen (-mba'e-) unterschieden (Dietrich 1994:110–111):

Das inkorperierte Element -mba'e- erscheint allerdings auch frei als indefinites Kategoremwort mit sehr allgemeiner Bedeutung: 'objects', 'things'‚'possession', 'belongings and (nondomesticated) animals' und – wiederum in Analogie zum Indogermanischen – in interrogativer Funktion:

mba'e pa ko va'e – 'What is this?'

(Dietrich 1994: 110–111)

Seine Grammatikalisierung hat also noch nicht den Status eines rein formalen Erfüllungsmorphems erreicht. Das Verfahren zur Erzeugung der intransitivoiden Absolutheit ist aber wie im Falle des Nahuatl die aktive Reduktion:

'Ich koche den Fisch' > 'Ich koche etwas' > 'Ich koche'.


2.3 Die Reduktion der nominalen Grundgestalt


2.3.1 Das gleiche Kategorem mba'e wird im Tupí-Guaraní auch noch zur Reduzierung eines anderen sprachlichen Strukturmerkmals verwendet, welches in den präkolumbianischen Sprachen weit verbreitet ist. Benjamin Lee Whorf ([1956] 1974:140–142) hat den weniger spezialisierten Leser darauf aufmerksam gemacht, daß die Einteilung der Nominalrepräsentationen in konturierte und diffuse, wie wir sie in den westeuropäischen Artikelsprachen antreffen (s.o. 2.2.1.1) keineswegs einer allgemeinen apperzeptiven Evidenz entspreche. Allenfalls einige Naturphänomene wie Wasser, Sand oder Fels stellten sich uns empirisch als unbegrenzte Kontinua dar. Vielmehr gingen wir mit den meisten Stoffen wie Butter, Fleisch, Tuch oder Glas in wohlkonturierten Zumessungen um. Möglicherweise sei unsere Vorstellung von ihrer uferlosen Stofflichkeit gerade in der sprachlichen Trennung dieser Zumessung von der Substanz begründet: ein Stück Holz, eine Tüte Mehl, eine Tasse Kaffee. Dem Hopi seien die beiden Klassen des Nomens denn auch fremd:

Hopi is again different. It has a formally distinguished class of nouns. But this class contains no formal subclass of mass nouns. All nouns have an individual sense and both singular and plural forms. Nouns translating most nearly our mass nouns still refer to vague bodies or vaguely bounded extents.
Whorf [1956] 1974: 141

Die besondere Konfiguration der Nominalvorstellungen im Hopi gehört zu jenem Phänomenbereich der Apprehension (der sprachlichen Erfassung von Gegenständen; vgl. Seiler / Lehmann / Stachowiak 1982–1986), für den wir den Terminus nominale Grundgestalt vorgeschlagen haben (Meisterfeld 2000: 305–309). Die nominale Grundgestalt betrifft das allgemeine Verfahrensprinzip der Einzelsprachen bei der nominalen Quantifizierung, d.h. die Art und den Umfang der Mittel, durch welche zwischen Einheit und Vielheit, zwischen Individuen und Stoffen unterschieden wird.




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Die bekannteren europäischen Sprachen kennen in dieser Hinsicht die von Whorf angesprochene Klassifizierung der Nominalvorstellungen in diskrete konturierte auf der einen Seite und kontinuierliche diffuse auf der anderen. Die dieser Klassifizierung zuzuordnende Grundgestalt ist die plastische. Denn die Anwendung der Klassifizierung und die Wahl des Numerus folgt in diesen Sprachen im großen und ganzen den jeweils vorfindlichen empirischen Gegebenheiten, jedenfalls in der von den Sprechern empfundenen Weise. Sie paßt sich diesen Gegebenheiten plastisch an.

Dagegen überlassen die Sprachen mit kompakter Grundgestalt die Unterscheidung von Stoffen und Individuen und von Einheit und Vielheit im allgemeinen der Weltkenntnis ihrer Sprecher und verwenden beim Nomen in dieser Hinsicht normalerweise keine kategorielle Modifikation. Allerdings können manche dieser Sprachen für den Fall des besonderen Bedarfs bewußt als konturiert und einzeln vorgestellte Exemplare der gemeinten Gattung mit gesonderten Formen kennzeichnen, welche man (zur Unterscheidung von den Singularia) Singulative nennt. So wird zum Beispiel im klassischen Arabisch die kompakte Grundgestalt des Nomens daran deutlich, daß tamr(un) undifferenziert 'Dattel' oder 'Datteln' bezeichnet. Der abgeleitete Singulativ tamrat(un) bezieht sich hingegen ausdrücklich auf 'eine Dattel'.

Das von Whorf beschriebene Verhalten des Hopi bezüglich der nominalen Quantifikation entspricht nun einem Prinzip, welches dem soeben genannten der Kompaktheit gleichsam entgegengesetzt ist, und man kann es als partikuläre Grundgestalt bezeichnen. In der Tat gehört das Hopi wie andere präkolumbianische Idiome zu den Sprachen mit partikulärer Primärgestalt der nominalen Apprehension. Hier werden alle Nominalvorstellungen, auch die stoffhafter Substanzen, als diskret und abgegrenzt betrachtet. Und oftmals werden sie bereits als determiniert und als ihrem Umfeld des Sprechens in bestimmter Weise zugeordnet aufgefaßt. Sie tragen also implizit schon diejenigen Funktionen in sich, welche die meisten europäischen Sprachen durch eigens beigefügte Determinanten, wie Artikel, Demonstrativa und Possessiva, erzeugen. So stellt Wolf Dietrich für verschiedene Varietäten des Tupí-Guaraní fest:

The basic word refers to determined possessed things. (Dietrich 1994: 116)

Ähnlich aber wie die Sprachen mit kompakter Grundgestalt zum Teil durch die Singulative ein sekundäres Verfahren zur Ausgliederung abgegrenzter Individualvorstellungen ausgebildet haben, findet sich nun in gewissen Varietäten des Tupí-Guaraní ein sekundäres Verfahren der Entkonturierung und der Verallgemeinerung. Für gewisse Redeintentionen kann nämlich das Merkmal der impliziten Bestimmtheit entfernt werden. Das sprachliche Ausdrucksmittel dafür ist wiederum das Kategoremwort mba'e, das wir schon als Reduktor der transitiven Verbalbedeutung kennen (vgl. 2.2.2.2):

The enlargement by means of mba'e- marks the generic, nondetermined and nonpossessed character of the same notion. (Dietrich 1994: 116)

Die Reduktion betrifft die Gestaltkonturierung und die Determination:




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Das Verfahren aber ist wiederum eines der aktiven Reduktion.20

Interessant und eigentümlich ist das Phänomen der Reduktion an dieser Stelle, weil es dem allgemeinen System der nominalen Determinationsverfahren, die wir bei den europäischen Sprachen kennen, entgegenzulaufen scheint.


2.3.2 Bei genauerer Betrachtung aber ist die Entdeterminierung im Tupí-Guaraní kein völlig isoliertes exotisches Phänomen, und sie ist den europäischen Sprachen nicht so fern, wie es zunächst den Anschein haben könnte. Das klassematische Merkmal der Konturierung der Nominalvorstellung steht in diesen Sprachen nämlich im Zusammenhang mit der Determination. Und auch in den neueren indogermanischen Artikelsprachen erscheinen die Merkmale der Gestaltapprehension in Verbindung mit den Verfahren der Aktualisierung. Diese aber verhalten sich wiederum komplementär zu gewissen Gegebenheiten von Situation und Umfeld des Sprechens (vgl. Coseriu [1955] 1975: 253–290). Die sogenannte Bestimmtheit der Artikelbedeutung entsteht erst durch ihren Bezug auf den wohlumschriebenen Rahmen des Gemeinten in Raum oder Vorstellung. Es ist daher anzunehmen, daß auch die Determination der Nominalbedeutung durch den gleichsam stummen Bezugshintergrund des Sprechens der Reduktion unterworfen werden kann. Dies ist nun in der Tat der Fall. Und verdeutlichen läßt es sich, wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf eine gut bekannte Sprache richten, welche weder den bestimmten, noch den unbestimmten Artikel kennt, nämlich das Lateinische. Die Differenzierung des Bestimmten und des Unbestimmten geschieht im Lateinischen durch die Mittel der lexikalischen Bedeutung selbst, durch den Kontext und durch Sachkenntnis und Welterfahrung.21 So lassen sich bei dem folgenden Vulgata-Zitat die im Deutschen notwendigen Zeichen der Determination bzw. Indetermination (sc. die Artikelformen und Possessiva) leicht zuordnen und einfügen:

Et ecce viri portantes in lecto hominem qui erat paralyticus […] Et non invenientes qua parte illum inferrent prae turba, ascenderunt supra tectum per tegulas submisserunt illum cum lecto in medium ante Iesum. (Luc. 5, 18–20)

Und siehe, da trugen Ø Männer auf einem Bett einen Menschen, der gelähmt war […]. Und da sie wegen der Menschenmenge nicht wußten, wo sie ihn hätten hineintragen können, stiegen sie auf das Dach und ließen ihn mit seinem Bett durch die Ziegeln hinab mitten vor Jesus hin.

Durch ecce und den Berichtsbeginn geschieht die Neueinführung der Diskursaktanten viri portantes hominem in lecto implizit. Die Kohärenz der Welterfahrung mit der präsentierten Szene liefert die Bestimmtheit bei den vier dann folgenden Referenten. Denn besonders für die als Individuen vorstellbaren Gegenstände gilt im Lateinischen primär stets die Bestimmtheit im Kontiguitätsraum von Erfahrung, Diskurs und Situationsbild: War von einem Mann die Rede, so bedeutet manus 'seine' Hand, folgt auf mulier filius, so geht es um 'ihren' Sohn und handelt der Text von einem Haus, so meint ianua 'die' Tür (ebendieses Hauses) usf. Insofern ähneln die Verhältnisse des Lateinischen in diesem Bereich bis zu einem gewissen Grade denen der Sprachen mit partikulärer Grundgestalt. Das bedeutet aber zugleich, daß die diskursive Unbestimmtheit im Lateinischen nicht in jedem Falle einfach durch das Fehlen von Determinanten bezeichnet werden kann. Vielmehr muß die primäre bestimmte Referenz, falls sie der Aussageintention entgegensteht, durch geeignete Mittel abgewiesen werden. Solche Mittel sind im Lateinischen die Indefinitadjektive, also vor allem aliquis (aliqui) für die unspezifische und quidam für die spezifische Indefinitheit.22 Diese Abweisung selbst aber gehört zu den Verfahren der Reduktion vorsyntaktischer Bedeutung.




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Daher warnt Hermann Menge in seinem Repetitorium der lateinischen Syntax ([1873] 1979) vor möglichen Verständnis- und Übersetzungsfehlern:

Man unterscheide: lege librum Ciceronis 'lies das (genannte oder bekannte) Buch Ciceros'; lege librum aliquem Ciceronis 'lies irgendein (= dieses oder jenes, das erste beste) Buch Ciceros' (Menge [1873] 1979: 275)

Ein Beispiel kann dies verdeutlichen. Beim Bericht von der Verleugnung des Petrus heißt es in der Vulgatafassung:

Accenso autem igni in medio atrio et circumsedentibus illis erat Petrus in medio eorum. Quem cum vidisset ancilla quaedam sedentem ad lumen et eum fuisset intuita dixit: Et hic cum illo erat. (Luc., 22,55–56)

'Nachdem ein Feuer im Hof angezündet worden war, und alle sich darum gesetzt hatten, war darunter auch Petrus. Den sah eine Magd im Schein des Feuers sitzen, schaute ihn an und sagte: "Der war auch bei ihm."'

Die Indefinitreduktion durch quaedam löst die Namensvorstellung ancilla 'Magd'aus ihrer kontextuellen und situationellen Bindung heraus und verhindert so etwa eine Zuordnung zu "Petrus".


3 Reduktion und Syntax

Abschließend seien noch einige Bemerkungen zur Abgrenzung des Begriffs der Reduktion und zu seiner sachlichen und methodischen Integration in den Phänomenbereich der Syntax angefügt.


3.1 Bei den beschriebenen reduktiven Verfahren bezog sich der Begriff der Reduktion nicht wie bei einer homologen Verwendung auf die morphologische oder semantische Degeneration lexematischen Materials durch Grammatikalisierung. Auch ging es dabei nicht um die marginalen Fälle, in denen einer hinzugefügten grammatischen Determination auf der Ausdrucksebene eine Diminution des Wortkörpers entspricht bzw. eine Form des Paradigmas durch ein Nullmorphem vertreten wird wie oft im Slavischen bei den nichtmaskulinen Pluralgenitiven (poln. drzewo 'Baum', drzewa 'Bäume', drzew 'Bäume' [Gen.]; vgl. zu diesem Phänomenbereich Lemaréchal 1997). Ebenso war nicht an die Nullableitungen in der Wortbildung gedacht (anschau-en > Anschau-ung vs. schauen > Schau). In Korrelation mit dem hier gemeinten Begriff steht es allerdings, wenn man die Neutralisierung von Valenzleerstellen bei der Nominalisierung als Reduktion bezeichnet hat (vgl. Iturrioz 1982; Vogel 1996: 128–142). Doch gehört die Integration syntaktischer Relationen bei der Wortbildung zu einem besonderen deskriptiven Bereich. Behandelt werden sollten hier hingegen grammatische Verfahren, welche geeignet sind, die durch die benennende Schicht der Sprache in den Diskurs eingebrachten Inhalte einzuschränken.23 Aus dem Konsensus der bisherigen Literatur kann man die Valenzneutralisierungen beim Verbum sowie die Konversionen der Nominalklassen (vgl. Vogel 1996: 112–128; Meisterfeld 1998: 34–54), insofern sie unter dem Gesichtspunkt der Reduktion behandelt wurden, ausdrücklich zu dieser Intention stellen.


3.2 Da die Feststellung der Reduktion in der Syntax geschieht und ihre Ausdrucksmittel dem grammatischen Instrumentarium entstammen, kann man fragen, in welchem Verhältnis die reduktiven zu den übrigen syntaktischen Verfahren stehen. Dazu läßt sich das folgende sagen: Zweifellos gehört auch die Reduktion zu den Verfahren der grammatischen Determination, unter denen sie einen Sonderfall darstellt.Während ein grammatisches Determinans im allgemeinen ausdrückt, welche Funktion der lexikalischen Basis noch hinzugefügt wird, weist es im Falle der Reduktion darauf hin, daß ein bestimmtes Merkmal dieser Basis für die vorliegende Verwendung nicht gelten soll. Reduktion und Determination entsprechen insofern einem vergleichbaren Grad begrifflicher Allgemeinheit. Als negativer Begriff bleibt die Reduktion gleichwohl hinter der Determination zurück. Denn die Determination stellt ein offenes universelles Verfahren der Sprachen dar, während sich die Reduktion auf das schon sprachlich Gestaltete beziehen muß. Daher lassen sich die Reduktionen auch im Rahmen der grammatischen Kategorien und Determinationen beschreiben (was auch geschehen ist, wenn man sie bemerkt hat).




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Der abgeleitete Charakter der reduktiven Funktionen bleibt übrigens bei ihrer Anwendung meist noch kenntlich, und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen unterliegt die Anwendung oft deutlichen Beschränkungen oder ist von eher marginaler Rekurrenz. Besonders bei den reduktiven Wortklassenkonversionen zeigt sich vielfach, daß die Basiskategorisierung doch dominant bleibt. Zum anderen kann man öfter feststellen, daß die funktionelle Reduktion nicht erfolgt, ohne einen gewissen Bedeutungsrestwert zu hinterlassen. So hat man darauf hingewiesen, daß die Reflexivdiathese durch eine besondere subjektive Färbung charakterisiert bleibt, obgleich das reduktive Verfahren gerade in diesem Bereich weitgehend grammatikalisiert ist.24

Die sekundäre Natur der Reduktion wirft aber auch die Frage auf, ob es spezielle Voraussetzungen gibt, die ihre Entstehung begünstigen. Dies scheint nun allerdings zuzutreffen. Denn bei den Wortklassenkonversionen läßt sich beobachten, daß die Reduktion (die Tilgung eines Klassenmerkmals) bevorzugt da eintritt, wo es durch die sachlich-kognitiven Verhältnisse zu Klassenüberschneidungen kommt: Wenn in bestimmten Sektionen der Bedeutung, je nach Sichtweise, zwei unterschiedliche Klassenzuordnungen möglich sind (Sie kaufte Ø Fisch vs. sie kaufte einen Fisch; wir lagern das Holz im Hof vs. das Holz lagert im Hof), dann liegt es nahe, daß, bei entsprechendem kommunikativen Bedarf, auch Reduktionen akzeptiert werden, die sachlich weniger begründet sind.

Die Weltwahrnehmung ist wohl auch im Spiel, wenn es zur Reduktion monopolarer Klassenkonfigurationen kommt. Denn in gewissen Fällen scheint sie mit den sprachlich vorausgesetzten Determinationen zu kontrastieren. So sind in Sprachen mit partikulärer Grundgestalt die Designata der jeweiligen Redekonstellation stets als bestimmt zugewiesen und in sie eingebunden. Das in der Sprache Normale, die "Unmarkiertheit", entspricht hier also in kognitiver Hinsicht gerade einer "Merkmalhaftigkeit". Offenbar wird nun in solchen Sprachen zuweilen das Bedürfnis empfunden, diese immer schon gegebene Bindung zu lösen. Die hierzu eingesetzten Mittel sind solche der aktiven Reduktion. In vergleichbarer Weise dürfte es zur Entstehung des unbestimmten Artikels im Spätlateinischen und Protoromanischen gekommen sein (vgl. Meisterfeld 2000).


3.3 Daß man die verschiedenen Erscheinungsformen der Reduktion in der Syntax der Sprachen bisher nicht zusammengeführt und unter einem gemeinsamen Gesichtspunkt betrachtet hat, obwohl sie im einzelnen keineswegs unbemerkt geblieben sind, hängt sicher mit ihrem heterogenen Charakter zusammen. Denn zum Teil handelt es sich, wie bei der Pronominalisierung, um konstitutionelle Basisverfahren, zum Teil um Wortklassenkonversionen, zum Teil um die Konstitution syntagmatischer Paradigmen. Überdies sind die Phänomene teils flüchtig und okkasionell, teils deutlich sekundär, aber ziemlich gut stabilisiert, zum Teil aber auch schon weitgehend grammatikalisiert und in die Syntax integriert.




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Man kann daher ohne weiteres die Frage stellen, ob durch den Begriff der Reduktion nicht eine willkürliche Segmentierung sprachlicher Fakten vorgenommen wird, bzw. ob die hier angesprochenen Phänomene nicht der inneren Kohärenz entbehren. Drei Gründe sind es, die es u.E. vermögen, den Begriff der Reduktion in der Syntax gegenüber diesem Einwand zu rechtfertigen: ein allgemein methodologischer, ein historisch erklärender und ein synchronisch-integrierender.

Methodologisch gesehen entspricht die Zusammenstellung verschiedener sprachlicher Erscheinungen unter dem Oberbegriff der Reduktion einer onomasiologischen Betrachtung der allgemeinsten Ebene der Beschreibung grammatischer Verfahren als Determination (als Verbindung von Determinatum und Determinans). Die durch Reduktion gewonnenen Formen bilden zusammen mit bezeichnungsähnlichen Primäreinheiten Varianten einer anwendungsorientierten "synthetischen" Grammatik, wie sie Georg von der Gabelentz vorgeschlagen und konzipiert hat.25 Sie sind den Sprechern als verwandte Alternativen bewußt und können in bestimmten Kontexten ausgetauscht werden. So kann man im Spätlateinischem eine ziemlich freie Variation von sekundären (durch passive Reduktion entstandenen) Intransitiva, Reflexiva und Mediopassiva finden (vgl. Reichenkron 1933, Wistrand 1941, García-Hernández 1990a, 1990b). Im Neuenglischen ist das häufige Erscheinen der als "Medium" aufgefaßten sekundären Intransitiva wie to wash, to dress (oneself), to sell (im Sinne von 'sich verkaufen lassen') etc. auffällig (vgl. Kemmer 1992). Und ein Sprecher des Französischen weiß intuitiv, daß er zum Ausdruck eines vorgangsorientierten Sachverhalts oftmals neben einem intransitiven Verb, einem unpersönlichen Ausdruck mit on, einer passivischen Wendung, auch die reduzierte Transitivform mit se zu seiner Verfügung hat. Die reduzierten Lexeminstanzen gehören daher zum Varianteninventar einer onomasiologischen Diskursgrammatik der Sprachen.

Die Verfahren der Reduktion entsprechen aber zum Teil auch einer historischen Entwicklung, und es kann durch Grammatikalisierung Kategorien bilden. So ist in vielen Sprachen das Reflexivum in das System der Diathese integriert worden. Die Entdeterminierung vermag das gesamte System der nominalen Aktualisierung und Quantifizierung umzugestalten, wie es beim Übergang vom Lateinischen zum Romanischen geschehen ist. Und die Konturneutralisierung ist ein bestimmendes Element bei der Ausprägung der Kategorie des Nominalaspekts. Das abstrakte Prinzip der Reduktion orientiert sich also durchaus an dem, was man auch konkret in der historischen Entwicklung der Sprachen feststellen kann.

Der Abstraktionsgrad des Begriffes der Reduktion gestattet es andererseits, auch überkategorielle Entsprechungen festzustellen. Wir haben in diesem Zusammenhang erwähnt, daß zwischen nominaler Determination und verbaler Valenz Korrelationen bestehen. In verschiedenen Sprachen besteht eine Solidarität zwischen verbaler Perfektivität und nominaler Kontur-Kategorisierung. Manchmal verwirklicht sich eine solche Korrelation sogar durch ein einheitliches Verfahren. Am Beispiel der Reduktion im Tupí-Guaraní war zu sehen, wie das Kategoremwort mba'e zum einen bei der Entdeterminierung der nominalen Partikularität eingesetzt wird, zum anderen bei der Erwirkung sekundärer Immanenzbedeutung beim Verb. Aus der Sicht der einzelsprachlichen Kategorien erscheint die Ausbildung einer derartigen übergreifenden Funktion allerdings als Grammatikalisierung eines Elements hin zu verschiedenen Funktionen gleichzeitig, wofür man den Begriff der Polygrammatikalisierung geprägt hat (s. Craig 1991). Eigentlich aber erfüllt hier ein gemeinsamer Reduktor eine grammatische Archifunktion, eine Erscheinung, die man sehr selten antrifft. Denn die höheren Einheiten der sprachlichen Abstraktionshierarchien verbleiben meist immateriell.


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Anmerkungen

1 Aus der langen Tradition dieser Erkenntnis sei hier nur die Stimme Wilhelm von Humboldts zitiert: "Die Wörter und ihre grammatischen Verhältnisse sind zwei in der Vorstellung durchaus verschiedne Dinge. Jene sind die eigentlichen Gegenstände in der Sprache, diese bloss die Verknüpfungen, aber die Rede ist nur durch beide zusammengenommen möglich." ([1822], 1963: 31–63, hier: 37–38). Ihr erstes Zeugnis im Sprachdenken des Abendlandes dürfte Platons Unterscheidung zwischen dem όνομάζειν, dem 'Benennen' und dem λέγειν, dem 'Aussagen' als den Grundfunktionen der Rede in seinem Dialog Sophistes sein (vgl. Coseriu 2003: 61–64).

2 In Wirklichkeit wird nämlich die grammatische Bedeutung mittels eines Formwortes der lexikalischen Bedeutung nicht einfach linear hinzugefügt, sondern sie besteht eben in der Kombination der lexikalischen Bedeutung mit einem grammatischen Formativ. Vgl. Eugenio Coseriu, "Grundzüge der funktionellen Syntax" (in: Coseriu 1987: 133–176, hier: 143).

3 Vgl. Mayerthaler (1980); Haiman (1980). Mayerthaler spricht von "konstruktionellem Ikonismus". Für einen noch weiter gehenden Ikonismus hat sich Roman Jakobson ausgesprochen: vgl. Jakobson ([1949] 1990: 395–406; [1966] 1990: 407–421, 1979).

4 Differenzierter zu beurteilen ist das Prinzip des "konstruktionellen Ikonismus" in der Wortbildung beim Verhältnis von Basis und Ableitung. Denn hier verfahren die Einzelsprachen in gewissen Bereichen durchaus unterschiedlich bei der Präfigurierung des Primären und des davon Abgeleiteten. Vgl. Haspelmath (1993). Zur Frage der Null-Derivation vgl. das Kapitel "Merkmalloser Wortartwechsel" in Vogel (1996: 6–46).

5 Vgl. zu diesem Phänomenbereich wiederum Vogel (1996).

6 Wir skizzieren die Arten der Pronomina nur in äußerst allgemeiner Weise und insofern selektiv, als sie den hier behandelten Phänomenbereich der Reduktion betreffen. Zu den indogermanischen Verhältnissen s. etwa den Überblick bei Brugmann (1904b: 399–413); Szemerényi (1980: 195–204).

7 Zur kategoriellen Unterscheidung einer äußeren und einer inneren Sektion des Nominalspekts und zur Untergliederung der letzteren vgl. Meisterfeld (1998: 34–54). Die Termini nominaler Aspekt oder Nominalaspekt (e. nominal aspect) sind gelegentlich auch von anderen Autoren mit Bezug auf verschiedene Verfahren der nominalen Apprehension und Referenz verwendet oder ausdrücklich vorgeschlagen worden (zu den Einzelheiten vgl. Meisterfeld 1998: 34, Anm. 40), zuletzt in einer mit der unsrigen im Grundsätzlichen übereinstimmenden Intuition nachdrücklich von Jan Rijkhoff (1991, 2002). Rijkhoff versteht unter nominal aspect: "the overt inflectional expression of shape and homogenity" (2002: 59) (deren inhärente Gegebenheit er hingegen analog zur verbalen "Aktionsart" Seinsart nennt) und führt als Beispiel insbesondere die Singulativbildung an; doch ist sein Begriff des Nominalaspekts sowohl hinsichtlich seiner inneren Gestaltung als auch bezüglich der Ebenen der einzelsprachlichen Kategorisierung, auf denen er erscheint, u. E. zu wenig differenziert. Zur genauen Situierung unserer gestaltbezogenen Kategorie des Nominalaspekts innerhalb dieser Verfahren vgl. Meisterfeld (2000: 304–311).

8 Keinen Zweifel daran läßt Christian Touratier (1987: 406): "Il nous semble, dans ces conditions, que les choses seront plus claires, si l'on admet d'entrée de jeu que la valence est fondamentalement une notion sémantique […]". [Hervorh.v. uns]. Aus der Fülle der diesbezüglichen Arbeiten seien hier nur kursorisch genannt: Busse (1974), Koch (1981), Hagège (1982), Kailuweit/Hummel (Hgg.)(2004).

9 Zur Valenzreduktion allgemein s.Tesnière (1969: 272–282). Zum Lateinischen s. Leumann/Hofmann/Szantyr (1965: 295–297); Feltenius (1977); Touratier (1987); García-Hernández (1990a, 1990b, 1991); zum Lateinischen und Romanischen: Oesterreicher (1996: 330–334).

10 Die umgekehrte Konversion, nämlich die Expansion der immanenten zur effizienten Verbalbedeutung, findet sich etwa im Falle der oft benannten Transitivierung romanischer Bewegungs-Richtungsverben wie fr. sortir 'hinausgehen' > sortir qc. '(etwas) hinausbringen'.

11 Den Grund für diese konstellative Umwertung sieht García-Hernández (1990 b) vor allem in der kognitiven Prominenz des Subjekts.

12 Vgl. Meisterfeld (1998: 54); zur Korrelation von verbalem Aspekt und nominaler Referenz vgl. Verkuyl (1972) und Krifka (1989).

13 Genau genommen handelt es sich freilich nicht um eine strikte Identität von Ziel und Origo, sondern um eine Zurückführung des Handlungsziels auf einen Origobereich, innerhalb dessen man eine gewisse metonymische Bezugsvariation feststellen kann, wie Richard Waltereit gezeigt hat (1998: 109–143).

14 Vgl. u.v.a.: Reichenkron (1933), Wistrand (1941), Kontzi (1958), Cartagena (1972), Martín Zorraquino (1979), Melis (1990), Albrecht (1993), Wehr (1995).

15 Vgl. Sandmann ([1954] 1979: 189); Tesnière (1969: 272–275); Coseriu (1988: 192); García-Hernández (1991); Oesterreicher (1996: 331–334).

16 Vgl. Waltereit (1998: 122) und die dort verzeichnete Literatur.

17 Schön herausgestellt hat dies in neuerer Zeit Benjamín García-Hernández (1991), der bezüglich der klassematischen Valenz des Verbums konsequenterweise von "lexikalischer Diathese" spricht. Koch (2004) benennt die "Reduktion einer Partizipantenrolle" als einen der Typen des Wandels semantischer Rollen (2004: 426–427) und vergleicht verschiedene Verfahren zur Rollenstrukturbildung darunter auch Intransitivierung und Reflexivierung (2004: 429–430).

18 In einigen Sprachen, wie dem Deutschen und dem Französischen, muß in diesem Fall ein Pro-Wort die Funktion des Subjekts materiell vertreten, das zugleich vom Kategorem zum Erfüllungsmorphem reduziert wird: pluit'es regnet'. Bedeutung und Interpretation der argumentlosen Geschehnisprädikate weisen eine reiche Diskussionsgeschichte auf, weil sie der prädikativen Grundstruktur des indogermanischen Satzes zu widersprechen scheinen.

19 Zur Korrelation von gestaltapprehensiven Merkmalen der Nominalvorstellung und (determinierenden) Referenzverfahren vgl. Meisterfeld (2000: 309).

20 Es entspricht diesem Befund, daß nur das partikuläre Basiswort, (nicht aber die Reduktion mit mba'e) situativ präzisiert werden kann (Dietrich 1994: 120). Die Verwendung des Reduktivelements in der Wortbildung (Dietrich 1994: 110–111) scheint gleichfalls der Gewinnung der Inaktualität zu dienen.

21 Eine etwas ausführlichere Darstellung von Faktoren und Verfahren der Referenz im Lateinischen und von deren Umstrukturierung beim Übergang zum Romanischen findet sich in Meisterfeld 2000.

22 Dazu das seltene quispiam und die Indefinita der Wahlbeliebigkeit quilibet und quivis sowie ullus bei negativer Implikation.

23 Im weiteren Sinne gehören zu den vorgrammatischen Implikationen auch die Präsupposition sinnvoller Informationsabfolge (Grice 1979, Kiklevič 1998) und das Welterfahrungswissen der Sprecher. Insofern können partikuläre Einreden dagegen als Reduktionen betrachtet werden. Die betreffenden Verfahren sind aber eher diskursiver als grammatischer Natur.

24 So Sandmann ([1954] 1979: 189–190); zur paradigmatischen Charakterisierung der romanischen Reflexiva s. Wehr (1995).

25 "So ergeben sich zwei einander nothwendig ergänzende grammatische Systeme: das eine nenne ich das analytische, weil in ihm die Spracherscheinungen durch Zerlegung erklärt werden; das andere nenne ich das synthetische, weil es lehrt, die grammatischen Mittel zum Aufbaue der Rede zu verstehen." (von der Gabelentz 21901: 85).

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