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Wulf Oesterreicher (München)



Mehrsprachigkeit als Bedingung geisteswissenschaftlicher Produktivität und die Aufgabe einer Hierarchisierung der europäischen Sprachen



Polyglossy as a Condition of Productivity in Humanities and the Necessity of a Hierarchical Ranging of European Languages
This contribution proposes a model of a multi-linguistic european policy dealing with several legitimate interests. Starting from a theoretical discussion of language, knowledge and science, the major european cultural languages are brought into relation to English as a global language. On one hand this demands a hierarchical ordering of the respective languages and, on the other , the integration of the concept of neighbourhood language, which, besides the hierarchical relations, implies a set of lateral relations between the languages. This allows us to develop a notion of european polyglossy able to garantee the future of Europe on a cultural level.




1

Ein Phänomen wie Mehrsprachigkeit kann nicht kurzerhand und direkt einerseits zu Kreativität und Produktivität und andererseits zur Wissenschaft, genauer zu den Geisteswissenschaften, in ein Verhältnis gesetzt werden; diese Zusammenhänge sind jedoch zu besprechen, bevor die Frage einer Hierarchisierung der europäischen Sprachen angegangen werden kann.1

Ich beginne mit einer knappen sprachtheoretischen Skizze, die den Hintergrund meiner Betrachtung bildet. Es sind mindestens die folgenden, aus dem Begriff der menschlichen Sprache deduzierbaren Bestimmungsstücke zu nennen, die selbst wiederum ganz spezifische 'Interaktionen' untereinander aufweisen: 1. Semantizität oder Bedeutungshaftigkeit, 2. Alterität oder 'Zwischenmenschlichkeit', also der für eine Sprache konstitutive Bezug auf ein alter ego, 3. Kreativität, verstanden als je neue, im konkreten Sprechen zu erbringende Vermittlungsleistung zwischen – abgekürzt benannt – Wissen, Situation, sprachlichen Ausdrucksmitteln und Ausdrucksintentionen, 4. Historizität, die gewissermaßen als Ausgleichsprodukt von Alterität und Kreativität betrachtet werden kann, also aus diesen beiden deduzierbar ist, 5. Exteriorität, die die ausdrucksbezogen-mediale Manifestation des Sprachlichen meint, 6. Diskursivität, die als Universale auf die notwendig linearitätsbezogene einzelsprachliche Synchronisierung von Semantizitätstypen und Ausdrucksmustern auf den verschiedenen Ebenen der Sprachzeichenbildung zielt.

Wenn man die genannten Universalien mit dem von Eugenio Coseriu und anderen immer wieder in methodischer Absicht in die Diskussion eingespeisten Ebenenmodell der menschlichen Sprache verbindet, in dem universelle Aspekte des Sprechens oder der Sprechtätigkeit von den historischen Aspekten der Sprache und der Diskurstraditionen sowie den aktuellen Aspekten der konkreten Diskurse unterschieden werden, dann gewinnt man einen Rahmen, in dem auch Aspekte unserer Themenstellung sinnvoll behandelt werden können.

Es ist evident, daß dabei vor allem die historischen und aktuellen Aspekte des Sprachlichen Interesse hervorrufen, sind sie doch mit dem verbunden, was konkrete, historisch in Raum und Zeit verankerte sprachlich-diskursive Gestaltungen und Regelzusammenhänge als Hervorbringungen der Sprecher und ihrer Sprachgemeinschaften leisten. Der individuelle Diskurs, in dem der angedeutete Prozeß der sukzessiven Determination des Sprechens stattfindet – also die universelle Sprechtätigkeit sich durch die Applikation einer historischen Sprachtechnik im Rahmen ebenfalls historischer Textmuster in einem aktuellen Sprechereignis konkretisiert –, dieser individuelle Diskurs muß grundsätzlich als ein Geschehen begriffen werden, bei dem immer sprachliche und nichtsprachliche Vollzüge und Vorgaben synthetisiert werden.




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François Rastier bringt die dynamisch-offene Verbindung des Sprachlichen mit Welt, Wissen und Situationen, mit Wahrnehmung, Handlungen und Wertungen, die die konkrete Historizität unserer sprachlich vermittelten Welt- und Selbstbegegnung ausmacht, treffend zum Ausdruck:

Le langage est simplement un lieu privilégié de l'activité interprétative que nous déployons pour constituer et modifier notre entour. En d'autres termes, le langage est une partie du monde où nous vivons. Apprendre une langue, ce n'est pas régler des paramètres, c'est s'y adapter [...]. Elle exige une activité interprétative spécifique et prolongée [...]. Formations culturelles, les performances linguistiques et sémiotiques composent le milieu où s'opère la socialisation, par le partage parfois polémique des objectivités et des valeurs. Le langage est une partie commune de l'entour, et c'est ainsi que l'on peut comprendre l'hypothèse que les normes linguistiques sont tout à la fois l'effet et la cause du lien social [...]. Qu'on se serve du langage et des autres systèmes sémiotiques à des fins de représentation ou de communication ne suffit pas à les transformer en instruments dédiés à ces usages voire configurés par eux. Les usages ludiques ou esthétiques, à vocation hédonique, sont aussi universellement attestés. (Rastier 1997: 77)


2

Der XXVII. Deutsche Romanistentag, der im Oktober 2001 in München stattfand, stand unter dem Motto "Die Einheit der Vernunft in der Vielzahl ihrer Stimmen". Dieses Motto spiegelt die auch für sprachliche Fakten gültige Tatsache wider, daß die Konkretion des Sprachlichen letztlich überhaupt nur als historische zu denken ist, und das heißt, daß Sprache allein 'in der Mehrzahl' erscheint.2

Die Konsequenzen dieser Feststellung, die dem Universale der Historizität3 entsprechen, sind vielfältig. Sie dürfen allerdings gerade nicht allein auf die sogenannte Sprachverschiedenheit bezogen werden. Die Historizität unserer Sprachen, und zwar jenseits der Fragen von Sprachwandel und Sprachentwicklungsprozessen, wird nämlich grundsätzlich gerade in zwei Formen sichtbar, die abkürzend als 'innen-' und 'außensichtbezogen' gekennzeichnet werden können. Der Innenaspekt soll hier Sprachvariation heißen, der Außenaspekt Sprachverschiedenheit; anders ausgedrückt: die Historizität der Sprache darf keineswegs mit der linguistischen Diachronie gleichgesetzt werden, und die genannten zwei Aspekte sind als 'synchronisch' greifbare Phänomene eben auch Kennzeichen der fundamentalen Historizität der menschlichen Sprache.




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Beide Aspekte sind für unsere Fragestellung insofern fundamental, als im Rahmen des Konzepts 'Sprachvariation' sich schon die Frage stellt, welche Beziehungen zwischen sprachlichen Varietäten und Diskurstraditionen im sogenannten kommunikativen Haushalt von Sprachgemeinschaften existieren, welche Verbindungen diese beiden Größen eingehen. Dabei sind Diskurs- oder Texttraditionen ihrerseits wiederum als ganz spezifische Kristallisationen von erfahrungsbasierten Wissensbeständen zu begreifen, was noch zu betrachten sein wird.4

Für die Problemstellung, die hier interessiert, ist aber die Modellierung des Varietätenraums einer historischen Einzelsprache und die Bezugnahme auf Diskurstraditionen allein nicht ausreichend; der Problemrahmen muß von vornherein komplettiert werden durch den Begriff des Kommunikationsraums, in dem mehrere Sprachen koexistieren können, spezifische Verteilungen aufweisen und ganz spezifische Funktionen übernehmen.5 In der Linguistik werden Sprachen auch nach Ausbaugraden, also nach ihrem Status differenziert.6 Eine extensiv und intensiv voll ausgebaute Sprache ist eine solche, die nicht nur in allen für die Kommunikationsgemeinschaft relevanten Gattungen, Textsorten oder Diskurstraditionen im Spannungsfeld zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit, zwischen dem Bereich kommunikativer Nähe und kommunikativer Distanz vertreten ist, sondern gleichzeitig auch über die für die historisch jeweils gegebenen Kommunikationsziele notwendigen sprachlichen Mittel verfügt, die sie im Laufe ihrer Geschichte entwickelt hat. Für die letzte Ausbauphase einer Sprache ist, nach Kloss, die Präsenz der entsprechenden Sprache in den modernen Medien, die durchgehende Verwendung der Sprache in der Verwaltung und eben auch eine Originalforschung (Kloss) in den modernen Wissenschaften, insbesondere in den Naturwissenschaften und ihren Technologien, kennzeichnend.7

Diesen Ausbaustatus im Bereich der Distanzsprachlichkeit erreichen bestimmte Idiome nie, andere immerhin fast, manche wenigstens teilweise; hier kann man von Teilausbau sprechen. Selbstverständlich kann eine voll ausgebaute oder eine teilausgebaute Sprache ihren Status, ihren Ausbaustand auch wieder verlieren, also auf eine niedrigere Ausbaustufe zurücksinken; es darf dabei aber nicht vergessen werden, daß derartig teilausgebaute Sprachen dann unter Umständen durchaus in historisch ausgesprochen stabile und gut funktionierende kommunikative Konstellationen eingebettet sein können, deren soziokulturelle Rahmenbedingungen natürlich jeweils zu klären sind.8 Eben diese Statusfrage ist auch für unser Problem zentral, denn derartige Konfigurationen, die nur teilweise mit den in der soziolinguistischen Diglossie-Diskussion9 erarbeiteten Konzepten richtig verstanden werden können, zeigen uns eines: Für viele der uns bekannten europäischen Sprachen gilt gerade nicht mehr, daß sie alle für den kommunikativen Haushalt der jeweiligen Nation bzw. des jeweiligen Landes bedeutsamen Diskursbereiche 'abdecken' und mit eigenen Sprachmittelbeständen bearbeiten können. Dies bedeutet aber, daß in diesen nur (noch) teilausgebauten Sprachen schon heute mit Notwendigkeit eine funktionale Zweisprachigkeit impliziert ist: In der distanzsprachlichen, vor allem wissenschaftlich-technischen Kommunikation sind die betroffenen Sprecher gezwungen, auch oder überhaupt eine andere als ihre Muttersprache zu benutzen.




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Der Linguistik steht mit dem Konzept des sprachlichen Ausbaus ein sehr beschreibungsmächtiges Modell zur Verfügung. Es ist anwendbar auf die verschiedensten historischen Situationen, die einmal vom Beginn der Schriftsprachenentwicklung bis zum vollen Sprachausbau, sodann aber auch vom 'Rückbau' bis zum Sprachentod reichen. Gerade aus der Geschichte des Lateinischen und der romanischen Sprachen und Idiome bis heute, aber natürlich auch aus anderen Sprachräumen und Sprachfamilien könnten hierfür zahlreiche Beispiele angeführt werden. Das Ausbaukonzept ist mithin auch für die uns interessierende aktuelle Situation der Sprachen in Europa von größter Bedeutung.10

Gerade wenn man historische Konstellationen wie die angedeuteten betrachtet, kann hier nun eine für unsere Gesamtproblematik wichtige Frage angeschlossen werden: Mit welchen Argumenten ist ein – an sich immer möglicher – Teilausbau oder sogar Rückbau als inakzeptabel zu qualifizieren? Welche Argumente können ins Feld geführt werden, um plausibel zu machen, daß eine ausbaubezogene, deskriptive Bestandsaufnahme, die Schwachstellen und Lücken in der Ausbau-Architektur deutlich macht, zu Eingriffen sprachpolitischer und/oder sprachpflegerischer Art führen sollte? Dies ist genau die Problematik, die uns im Blick auf das Verhältnis zwischen Deutsch, Französisch, Spanisch, Italienisch usw. einerseits und dem Englischen andererseits zu beschäftigen hat.

Schon hier zeigt sich übrigens deutlich, warum die verschiedentlich vorgenommene Gleichsetzung unserer heutigen Situation, die durch die Dominanz des Englischen geprägt ist, mit der Situation des im europäischen Mittelalter die romanischen und nichtromanischen Volkssprachen dominierenden Lateinischen nicht akzeptabel ist. Zunächst ist zu sagen, daß das Englische als eine plurizentrische Kultursprache verglichen mit dem mittelalterlichen Lateinischen, das ja außerdem nirgends mehr in Europa eine Muttersprache war, einen völlig anderen Status besitzt.11 Es kommt jedoch vor allem darauf an festzuhalten, daß damals das sukzessive Eindringen etwa der romanischen Volkssprachen in die dem Lateinischen vorbehaltenen distanzsprachlichen Diskurs- und Textbereiche einerseits und heute der Kampf für einen Verbleib bestimmter europäischer Nationalsprachen im höchsten Ausbaubereich andererseits geradezu 'gegenläufig' funktionieren. Vergröbert gesprochen ging es, bezüglich des Lateinischen, für die romanischen Volkssprachen um die Durchsetzung eines Anspruchs auf Ausbau, heute geht es demgegenüber um den Erhalt und die Pflege eines Ausbaustands, der allerdings – dies ist schon angedeutet worden – in bestimmten Bereichen auch schon in großen europäischen Kultursprachen teilweise zurückgenommen werden mußte; dies gilt für Medizin, Naturwissenschaften usw., der Slogan lautet dann entsprechend 'Die Spitzenforschung spricht englisch!'.




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In beiden historischen Fallbeispielen wird allerdings mit Argumenten gearbeitet, die Werte und Wertungen ins Feld führen, die durch strikt sprachwissenschaftliche Gesichtspunkte allein nicht mehr zu rechtfertigen sind. Welcher Art sind diese Argumente?


3

Hier muß ich die Perspektive wechseln und noch einmal etwas ausholen. Wir haben schon verschiedentlich die Argumente der Verfechter der Durchsetzung des Englischen kennengelernt, das ja nicht nur in den Wissenschaften und in der internationalen Politik gebraucht werden soll, sondern auch in den vom Sog der Globalisierung12 erfaßten Bereichen des Industrie-, Banken- und Versicherungsmanagements favorisiert wird. Was die Wissenschaften angeht, so gilt Mehrsprachigkeit den Vertretern dieser Positionen als hinderliches Relikt einer geschichtlich-lebensweltlichen Praxis, die in einem einheitlichen, globalen Kommunikationszusammenhang als Fremdkörper ausgemerzt werden sollte.

An dieser Stelle ist ein Blick auf phänomenologisch orientierte Ansätze weiterführend, die ja ausdrücklich mit Konzepten wie Lebenswelt, Sinnwelten, Subsinnwelten usw. arbeiten und insofern den Zusammenhang unterschiedlicher, auch sprachlich-kommunikativer Sinn-Gestaltungen thematisieren.13 Wenn wir uns von der phänomenologisch-lebensweltanalytischen Perspektivierung anregen lassen, gilt es ganz generell, nach dem Aufbau von Wissensbeständen zu fragen. Ich kann hier nicht das von der Entwicklungspsychologie und der Wissenssoziologie entwickelte begriffliche Instrumentarium im einzelnen nachzeichnen. Dabei wäre etwa auf die eindrucksvollen Arbeiten von Alfred Schütz, Peter Berger und Thomas Luckmann einzugehen, in denen die Identifizierungs-, Konstantisierungs-, Habitualisierungs- und Legitimierungsprozesse diskutiert werden, die Aufbau und Ausbau sowie die Einübung in Wissen und Wissensmuster charakterisieren und die eben in jeder Phase durch sprachlich-begriffliche und strategisch-diskursive Muster gestützt und determiniert sind. Aspekte dieser Zusammenhänge sind in anderer Akzentuierung natürlich schon früher diskutiert worden, was uns etwa der Begriff Sprache als werktätiges Wissen bei Schelling oder die schöne Bestimmung der Sprache als scienza aurorale (also etwa 'Wissenschaft im Zustand der Morgenröte') durch Benedetto Croce zeigen könnten. Beide beziehen sich auf die alltagssprachliche Wissensverarbeitung, die je schon in Sprache gegeben ist.




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Entscheidend ist, daß diese Bestimmungen gerade auch für die Art von Wissen gelten, um die es in der Wissenschaft geht und deren letztlich sprachlich-diskursive Verfaßtheit ja ebenfalls außer Zweifel steht. Auch hier liegt aber natürlich kein monolithischer Gesamtkomplex vor, vielmehr gilt es, Gegenstandsbereiche und regionale Methodologien zu differenzieren und Richtung und Stufen der dabei jeweils gültigen Abstraktionen zu kennzeichnen. An dieser Stelle wird die Betrachtung der ganz unterschiedlichen Wissensbestände und Wissensformationen wichtig, die von einem fundamentalen lebenspraktischen Erfahrungs- und Handlungswissen über verschiedene Formen der sozialen Distribution von Wissen und unterschiedliche Stufen der Abstraktion zu dem führen, was wir abkürzend Wissenschaft und wissenschaftliche Erkenntnis nennen.14

Doch machen wir uns diesbezüglich nichts vor: Die sogenannte Wissenschaft ist nicht nur nicht einheitlich zu konzipieren; sie ist nicht nur objektbezogen individualisiert, sondern einzelne Forschungsdisziplinen weisen in ihrer kommunikativen Verfaßtheit selbst noch Stufungen auf, die sogar die 'harten' Naturwissenschaften betreffen. Bekannt sind ja Untersuchungen, in denen innerhalb von Fachdisziplinen interessante systematische kommunikative Abstufungen beschrieben werden, das heißt von den sog. Werkstattgesprächen über einen relativ informellen Gedankenaustausch, über Lehrwerke, den akademischen Unterricht mit den entsprechenden Qualifikationsarbeiten, wissenschaftliche Diskussionen und Kolloquien bis hin zu Publikationen und der Theorie-Formulierung. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Wissenschaftspublizistik. Ihr kommt nicht nur in einer außerfachlichen Hinsicht, also im Blick auf Nichtwissenschaftler, große Bedeutung zu, sie ist gleichermaßen wichtig für die interdisziplinäre Diskussion, also die von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen untereinander. Auch in einer naturwissenschaftlichen Subsinnwelt und ihrem Kommunikationsgeflecht gibt es unterschiedliche Formalitätsgrade, spezifische Formen der Diskursivität und der konzeptionellen Prägung. Gute Beispiele hierfür sind etwa neuere Diskussionen in Disziplinen wie der Quantenphysik oder der Chaostheorie – zu denken wäre hier beispielsweise an Physiker wie Hans-Peter Dürr, Schüler von Werner Heisenberg, sowie an Hermann Haken und viele andere Naturwissenschaftler. Es wäre interessant nachzuzeichnen, welche sprachlich-diskursiven, gerade nicht ausschließlich 'hart naturwissenschaftlich' geprägten Muster in diesen Fällen vorliegen.




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Kurz: es ist nicht verfehlt, gegenüber den Versuchen, Wissenschaft und Lebenswelt rigoros zu trennen, genau diesen, wie auch immer vermittelten und indirekten Zusammenhang auch der abstraktesten und exaktesten Forschungsdisziplinen mit anderen, lebensweltlichen Kommunikationsformen näherstehenden Formen der Wissensproduktion und Wissenstransformation zu betonen. Man ist versucht, in diesem Kontext den von Carl Friedrich von Weizsäcker im Jahre 1959 von der Bayerischen Akademie der Schönen Künste publizierten Vortrag mit dem Titel "Sprache als Information" zu zitieren; Weizsäcker sagt von der exakt definierten Begrifflichkeit der Naturwissenschaften: "Die ganz in Information verwandelte Sprache ist die gehärtete Spitze einer nicht gehärteten Masse".15

Ich glaube, man ist berechtigt, die bei der oben angedeuteten, szientistischen Wissenschaftsauffassung im Hintergrund wirksamen Grundüberzeugungen deshalb als latent positivistisch zu bezeichnen, weil diese extremen Positionen – ich sage dies einmal so ungeschützt – die Trennung, den Hiat von 'Wissenschaft' und 'Leben' unhinterfragt voraussetzen und diese Trennung auch in der Wissenschaftssystematik strikt einfordern.16 Auf jeden Fall kann demgegenüber die hier vertretene 'weichere' Position nicht nur den Bereich der Wissenschaften intern leichter differenzieren, was dann zu den bekannten, schon verschiedentlich angesprochenen Wissenschaftsgruppierungen führt – also etwa Geisteswissenschaften, Gesellschaftswissenschaften, Naturwissenschaften, formale Wissenschaften. Die wichtigste Konsequenz der angedeuteten Argumentation scheint mir jedoch in der Tatsache zu liegen, daß mit der skizzierten Position eine disjunktive Ausgrenzung und Abwertung bestimmter wissenschaftlicher Bereiche und Wissensformationen, etwa gerade, aber nicht nur derjenigen einer geistes- oder kulturwissenschaftlichen Provenienz, vermieden wird. Sie wird dort unreflektiert vorgenommen, wo man 'Wissenschaft' kurzerhand mit dem englischen Begriff science identifiziert, was für Naturwissenschaftler naheliegen mag, in unserer Perspektivierung aber natürlich nicht angeht, weil damit das beschriebene Problem eskamotiert, zum Verschwinden gebracht wird.17

Eine solche Ausgrenzung und Abwertung würde nämlich zur Folklorisierung ganzer Wissenschaftsbereiche und ihrer reichen Ergebnisse führen – und diese 'Folklore' wäre dann auch der Ort, den die Sprachenvielfalt zugewiesen bekäme.18 Im Gegenzug würde diese Ausgrenzung die Kolonisierung der noch in der Mehrsprachigkeit bestehenden sprachlich-diskursiven wissenschaftlichen Kommunikationsräume durch die prestigebesetzte wissenschaftliche Tätigkeit implizieren – diese ginge dann natürlich, dies versteht sich von selbst, mit dem Einsatz des Englischen Hand in Hand.




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4

Damit komme ich zu unseren geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschungskontexten. Ein gutes Beispiel für die angedeuteten Gefahren bieten zur Zeit die sogenannten Kognitionswissenschaften, in denen ein stark einheitswissenschaftlicher Habitus den alten Traum einer unified science wiederbelebt.19 Ich kann diese Feststellung hier leider nicht substantiieren.20 Erst kürzlich aber hat wiederum François Rastier für die linguistischen Bemühungen in diesem Bereich Folgendes klargestellt, was uns deutlich den historischen Charakter gerade auch von Wissens- und Wissenschaftsformationen zeigt:

Il reste que si la scission de fait entre la linguistique universelle (qui traite du langage), et la linguistique générale (qui prend pour objet les langues) venait à se consommer, y compris dans le domaine académique, la seconde, exclue de fait du champ des sciences cognitives, trouvera sa place dans une sémiotique générale des cultures. Elle pourrait articuler les sciences sociales et les sciences cognitives en faisant la part des facteurs culturels dans la cognition. C'est là une question d'avenir, autant pour les sciences sociales que pour les sciences cognitives elles-mêmes. (Rastier 2001: 83–84)

Was für die Geistes- und Sozialwissenschaften zu fordern ist, kann folgendermaßen formuliert werden: Sie müssen offensiv eine grundsätzliche Kritik vertreten am Ideologem einer selektiv-reduktionistischen Wissenschaftsauffassung, die einer restfreien 'Übersetzbarkeit' lebensweltlich fundierter wissenschaftlicher Inhalte, Kategorien und Strukturen in die angeblich objektivistischen Theoriezusammenhänge 'reiner' Wissenschaft das Wort redet. Wer die Diskussionen in der Nachfolge der Positionen von Thomas S. Kuhn21 verfolgt hat, weiß ja, welchen Anteil Metaphorizität und figurale Begriffsbildung in bestimmten Etappen der Theorie-Entwicklung eben auch in den naturwissenschaftlichen Fächern besitzen.22 Vor allem sind jedoch die – den Universalien vor allem der Semantizität und der Alterität entsprechenden – diskursivitätsbezogenen und argumentativen Aspekte des Wissenschaftsbetriebs hervorzuheben, die Wissenschaftstraditionen mit konstituieren und die scientific community im Sinne Kuhns bestimmen.

Bei alledem ist natürlich unbestritten, daß die soeben angesprochenen, gewissermaßen idiosynkratischen Elemente und Aspekte in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften besonderes Gewicht haben und dort auch eine stärkere Wirkung entfalten.23 Trotzdem ist auf der oben beschriebenen Anerkennung der Einbettung aller Wissensformen in jeweils kulturell überformte lebensweltliche Zusammenhänge zu bestehen.

Was nun die Medialität der Wissenschaftskommunikation und auch der in der Wissenschaft verwendeten Sprachen angeht, so sind die graphisch-schriftbezogenen Aspekte in der Tat zentral. Es darf jedoch nicht vergessen werden, daß in allen Wissenschaften in unterschiedlichem Ausmaß und unterschiedlicher Interessenorientierung eine konkret dialogische Diskursivität – auch wenn sie in der Disziplin gelegentlich nur noch residual erscheint – bei Vermittlung und Aufbau dieser Wissensformen und Kenntnisse jeweils notwendig gegeben ist.




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In den sogenannten Geisteswissenschaften sind derartige Überlegungen deshalb so wichtig, weil besonders für sie nicht nur der konkrete Zeitkern kommunikativer Prozesse Differenzqualitäten konstituiert, sondern gerade auch der Ort der wissenschaftlichen Erkenntnisbemühungen und die dabei sichtbaren 'Verwurzelungen' Bedeutung haben.24 Wer diese Forschungstraditionen und ihre Standortgebundenheit – im Sinne eines lieu de l'énonciation – ernst nimmt (und sie müssen ernst genommen werden), ist gezwungen, nicht nur die durch diese Prägungen entstandenen Differenzen in Inhalten und Interessen zu akzeptieren, sondern gerade auch die formbestimmenden, nur linguistisch-diskursanalytisch zu etablierenden Parameter der sprachlich-verstehensstrategischen und argumentativ-begriffsbezogenen Ausdrucks-Variation als konstitutiv für Wissenskonstruktion und Sinnbildung anzuerkennen.25

Produktivität und Kreativität ergeben sich in sozial- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen nun aber gerade nicht nur aus der Spannung in der Relation 'Objekt – erkennendes Subjekt', einer Relation, die nicht allein in den 'harten' Wissenschaften als primär gelten muß. Kreativität wird wegen der lebensweltlichen Konstitution des in Frage stehenden Objektzusammenhangs in den Kulturwissenschaften – im Sinne des Neukantianismus – auch von den sprachlich-diskursiven Differenzen und deren hermeneutischen Vorgaben stimuliert. Es sind also Unterschiede in der Begriffsbildung und im wissenschaftlichen Stil und Habitus, in Argumentationsmustern und in der Formulierung von Interessenlagen, die hier von größter Bedeutung sind.

Allerdings gilt es hier einen wichtigen Punkt hervorzuheben, der in der Diskussion um Mehrsprachigkeit gerne 'vergessen' wird: Die angesprochenen Differenzen zeigen sich schon innerhalb einer historischen Einzelsprache besonders deutlich in den Schulbildungen mit ihren jeweiligen 'Sprachen' und ihrem forschungsbezogenen Design, wie man heute sagt. Man vergleiche nur etwa die Arbeiten der Gruppe Poetik und Hermeneutik mit, sagen wir, der konstruktivistischen Poetik und Literaturwissenschaft eines Siegfried S. Schmidt oder bestimmten Positionen postmoderner Kultur- und Literaturwissenschaft. Die Herausforderungen, die in dieser keineswegs konfliktfreien Koexistenz von Denkschulen, methodisch differenten Disziplinteilen und auf unterschiedliche Formalobjekte bezogenen Gestaltungen vorliegen, zwingen förmlich zum Dialog, der eben auch Aspekte der sprachlich-diskursiven Präsentation der Forschung betrifft. All dies spielt sich ab in einem Bereich des innersprachlichen Kontakts von Wissenschaftsformen und Wissenschaftsstilen.




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Es gibt sie also gar nicht, die deutsche Wissenschaftssprache, sondern es existieren nur Verwendungen des Deutschen in den unterschiedlichen Disziplinen und Diskurszusammenhängen, wobei diese 'Varietäten' zusätzlich eben auch von den möglicherweise sehr divergenten Schulen geprägt sind.26

Gesteigert wird sprachlich-diskursive Differenzqualität nun allerdings – und sie bekommt dadurch auch eine besondere Qualität in der Wahrnehmung – im Kontext eines mehrsprachigen Wissenschaftskontakts. Auch bei dieser offensichtlichen, auf der Sprachverschiedenheit beruhenden Zuspitzung des Problems ist vernünftiges Abwägen erforderlich. Zwar gibt es einen Anteil wissenschaftlicher Forschung und Erkenntnis, der in der Regel sogar den 'Kern' der entsprechenden Bemühungen ausmacht und der, sachbezogen korrekt übersetzt, selbstverständlich auch fremden Wissenschaftstraditionen nahegebracht werden kann.27 Faktisch sind derartige transfers aber in der Regel nicht ohne Verluste, also ohne Modifikationen, Umakzentuierungen und Vereinfachungen möglich. Dies sollte uns nicht hindern, die produktive Spannung, die in derartigen Übertragungen, in diesen 'Einbürgerungen ins Fremde' liegt, energisch zu betreiben.

Auch diese Problematik des mehrsprachigen Wissenschaftskontakts ließe sich leicht etwa an dem faszinierenden, allerdings nicht immer gelungenen Dialog der französischen Philosophie mit Heidegger und Gadamer oder mit dem Denken der Frankfurter Schule zeigen; ein ähnlicher Befund gilt für das soziologische Denken beider Länder; auch ein Vergleich etwa der deutschen Textlinguistik mit den Traditionen der französischen Diskursanalyse würde diesbezüglich Wichtiges ans Tageslicht fördern. Besonders eindrucksvoll – und ich kann hier direkt in eigener Sache sprechen – sind im mehrsprachigen Wissenschaftskontakt die begrifflich-terminologischen und argumentativen Differenzqualitäten im Bereich der Mündlichkeits- und Schriftlichkeitsforschung, in der sich anglo-amerikanische Positionen, französische und andere romanische Ansätze sowie deutsche Richtungen gegenüberstehen. In der Regel sind sie alle kaum mit den von meinen Freunden und mir vertretenen, letztlich hermeneutisch-pragmatisch geprägten Positionen zu vermitteln, die auch in ihrer sprachlich-terminologischen und argumentativen Gestaltung gelegentlich schon als 'typisch deutsch' bezeichnet wurden.28 Es versteht sich von selbst, daß es sich bei den zuletzt genannten wissenschaftlichen Bemühungen gerade nicht um eine den mainstreams entsprechende Linguistik handelt.




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5

Unsere voll oder weit ausgebauten europäischen Kultursprachen und ihre Diskursproduktion sind aber nicht nur im angedeuteten Sinn Tresore der Erkenntnis und Fundamente der Wissensformationen, die ihre je eigenen Innovations- und Kreativitätspotentiale besitzen. Sie stellen auch wichtige, historisch legitimierte Identifikationsangebote für ihre jeweiligen Sprecher bereit.29 Gleichzeitig geben sie den Sprechern anderer Sprachen eine Möglichkeit, sich in fremde Lebenswelten, Wissens- und Handlungskontexte sowie in andere Wissenschaftswelten hineinzubegeben.

Sicherung und Ausbau derartiger Angebote im Eigenen und Fremden werden nach meiner Meinung über die politische Zukunft eines nicht mehr bloß ökonomisch-finanztechnisch geeinten Europas entscheiden.

Gerade weil der Siegeszug des Englischen als global language nicht aufgehalten werden kann30 und weil eben nicht alle europäischen Sprachen für die skizzierten heutigen und zukünftigen kulturellen und wissenschaftlichen Kommunikationszwecke gleichermaßen gerüstet sind, stellt sich uns Europäern das heikle, aber leider unumgängliche Problem einer Hierarchisierung unserer europäischen Kultursprachen. Dieses Problem muß, gerade auch im Blick auf die Erweiterung der Europäischen Union, beherzt und selbstbewußt angegangen werden. Es muß nämlich verhindert werden, daß Gremien der Europäischen Gemeinschaft und europäische Sprach-Nachbarn auf diesem weiten Feld falsche sprachpolitische Entscheidungen treffen und mit teilweise durchaus nachvollziehbaren, aber eben falschen Entscheidungen faktisch einer politisch erst noch zu etablierenden europäischen Mehrsprachigkeit entgegenarbeiten, die die großen Kultursprachen großflächig zu sichern und die kleineren Sprachen in nachbarsprachlichen Kontexten zu fördern hätte.

Mein Vorschlag, der ein Umdenken im Verständnis der Rolle gesellschaftlich relevanter Kommunikation und eines hierfür zielführenden Fremdsprachenunterrichts beinhaltet, sieht für die Europäische Union folgendermaßen aus. Ich bitte dabei zu beachten, daß dieser Vorschlag in seiner Zielrichtung und seiner Grundstruktur diskutiert werden sollte, der Entscheid über durchführungsbezogene Einzelheiten ist dem nachgeordnet:

  1. Das Englische, das jedem Europäer mit Sekundarabschluß selbstverständlich geläufig sein sollte, wird in jedem Falle – allerdings keineswegs notwendig als erste Fremdsprache, und schon gar nicht acht oder neun Jahre lang – unterrichtet.




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  1. Durch die Obligatorik einer zweiten großen Fremdsprache, deren Wahl durchaus regional- und schulspezifisch variieren kann, sollten die großen Kultursprachen großflächig gesichert werden. Von den romanischen Sprachen sind hier mindestens Französisch, Spanisch und Italienisch zu berücksichtigen; hinzu kommen müssen Deutsch und eine slawische Sprache (Polnisch oder Tschechisch). Hier müssen auch das Lateinische und das Griechische als Optionen ihren Platz finden.
  2. Sodann – und diesen Punkt halte ich für das Neue und Entscheidende – gilt es institutionell zu gewährleisten, daß die jeweiligen Nachbarschaftssprachen je nach den innereuropäischen Grenzgebieten obligatorisch für einige Schuljahre unterrichtet werden. In diesem nachbarschaftssprachlichen Unterricht käme es – bezogen auf die Alltagskommunikation – auf solide Grundkenntnisse im Hören und Sprechen sowie dem Lesen und Schreiben an. In Deutschland wären – je nach Region – beispielsweise Italienisch, Tschechisch, Polnisch, Schwedisch, Dänisch, Niederländisch und Französisch Nachbarschaftssprachen; in Frankreich Katalanisch, Spanisch, Italienisch, Deutsch, Niederländisch; in Großbritannien Irisch, Niederländisch, Französisch, Dänisch, Norwegisch usw.
  3. Alle Europäer mit Sekundarabschluß müßten so insgesamt mindestens drei Sprachen kennen oder kennengelernt haben, also in drei Sprachen unterrichtet worden sein.
  4. Davon unabhängig sind selbstverständlich die Schultypen, die eine spezielle neu- oder altsprachliche Orientierung aufweisen und dementsprechend weitere Sprachen fordern können.
  5. Es versteht sich von selbst, daß eine derartige Regelung auch für den Sprachgebrauch in den zentralen Institutionen der Europäischen Union Konsequenzen haben müßte.

Diese Probleme müssen diskutiert, geklärt und politisch entschieden werden. Die Mobilität von Familien in einem Land, durch die sich Veränderungen von Nachbarschaften ergeben, oder die Rekrutierung von offiziellen EU-Übersetzern für das Sprachenpaar, sagen wir, Maltesisch-Finnisch und ähnliche Fragen sind im Vergleich dazu zwar durchaus ernstzunehmende Angelegenheiten – sie dürfen uns aber nicht den Blick auf die wirklichen Erfordernisse unserer historischen Situation verstellen.




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Erinnern möchte ich in diesem Kontext auch an die fatalen Konsequenzen der Arbeit bestimmter linguistischer Kolleginnen und Kollegen, die romanische Klein- und Kleinstsprachen immer in einem Atemzug mit den großen romanischen Kultursprachen nennen und die den hier dargelegten Gedankengang nicht nur nicht akzeptieren, sondern ihn nicht einmal verstehen. Auch gilt es, bestimmte Wiederbelebungsversuche europäischer Idiome mit Skepsis zu betrachten, für die man vor allem – aber nicht nur – auf der Iberischen Halbinsel Beispiele findet. Dies gilt aber gerade nicht für das Katalanische, das diesbezüglich 'privilegiert' ist, besitzt es doch eine hervorragende Verankerung in der Bevölkerung, besonders auch in einem selbstbewußten städtischen Bürgertum, das sein català auch spricht. Daher sind in unserem Zusammenhang die Katalanen durchaus zu kritisieren, bei denen der ein Stück weit historisch verständliche Affekt gegen das Spanische gelegentlich zur absurden Situation führt, daß sie – leider auch gegenüber Ausländern – vorgeben, kein Spanisch zu verstehen, oder daß sie, nur um das Spanische zu vermeiden – das sie alle perfekt beherrschen –, es vorziehen, Englisch oder Französisch zu sprechen oder zu schreiben. Es handelt sich hier um den historisch wohl äußerst seltenen Fall, daß Personen über Sprachkenntnisse unglücklich sind ...

Derartige Positionen und Handlungsweisen, die – um hier nur die romanische Sprachenwelt anzusprechen31 – die francophonie, die hispanicidad oder die italianità empfindlich schwächen, können nicht mehr akzeptiert werden.

Es geht also gerade nicht darum zu bestreiten, daß alle europäischen Sprachen prinzipiell die Möglichkeit zum Ausbau besitzen – dies wäre absurd. In der Tat geht es aber darum, daß es in der heutigen historischen Situation sehr gute Gründe gibt, die Rolle der großen historisch gewachsenen Kultursprachen nach Kräften zu stärken: Als immer noch voll ausgebaute Sprachen mit einem enormen Kommunikationsradius und einer erstaunlichen Identifikationskraft, die letztlich auch durch die Kontinuität und Präsenz mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Kulturleistungen und die dadurch gegebene Geschichtstiefe befördert wird, haben sie allein die Chance, im Zeitalter der globalisierten und medialisierten Welt echte Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt zu erhalten und gleichzeitig die kleineren Sprachen, die sich gewissermaßen in ihrem 'Windschatten' bewegen würden, zu schützen.

Eine Lösung des Problems der Hierarchisierung europäischer Kultursprachen im angedeuteten Sinne wird nicht leicht zu bewerkstelligen sein, denn sie wird von einigen Betroffenen zweifellos als Zurücksetzung verstanden werden. Die Zumutung eines Verzichts auf Ausbau oder gar eines Rückbaus mit dem Verlust von schon erreichten Ausbauqualitäten, wobei in allen diesen Fällen für die Sprecher der Erwerb einer Zweitsprache für den kommunikativen Distanzbereich ja unausweichlich ist, kann für sprachbewußte Sprecher und für ihre Sprachgemeinschaften eine – auch im Freudschen Sinne – nicht zu unterschätzende Kränkung darstellen. Trotz alledem: Es führt kein Weg daran vorbei, eben diese Hierarchisierung vorzunehmen.


Somit: Englisch + eine große Kultursprache + eine Nachbarschaftssprache.




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Anmerkungen

1 Vgl. zum Folgenden Coseriu 1974; Oesterreicher 1979; Schlieben-Lange 1983; Koch/Oesterreicher 1994; Raible 2001.

2 Dieses Motto, dessen Herkunft offen bleiben muß, ist sicherlich im Umkreis der sprachtheoretischen Überzeugungen von Johann Gottfried Herder und Wilhelm v. Humboldt anzusiedeln; vgl. vor allem Humboldts berühmte Arbeit "Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts [1830–1835]" (Humboldt 1963).

3 Vgl. hierzu Coseriu 1973 und 1980; Oesterreicher 2001.

4 Vgl. Schlieben-Lange 1983; Luckmann 1997; Koch 1997a; Oesterreicher 1997.

5 Vgl. hierzu Oesterreicher 1995 und 2001: 1564; Koch/Oesterreicher 2001.

6 Vgl. Kloss 1978; auch Muljačić 1986.

7 Vgl. Kloss 1978; auch Koch/Oesterreicher 1990, 1994 und 2001.

8 Davon zu unterscheiden sind selbstverständlich die Fälle, in denen zwei Sprachen in distanzsprachlichen Ausbaubereichen und ihren Diskurstraditionen gemeinsam präsent sind; diese Fälle einer diskursbezogenen Koexistenz gibt es im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit häufig (Latein und Volkssprache etwa in der Historiographie), aber gerade auch heute (Englisch und Deutsch in der Psychologie, der Linguistik und anderen Wissenschaften); vgl. etwa Schiewe 1996, auch 2000.

9 Vgl. die an Ferguson 1959 und vor allem Fishman 1967 anschließende Diskussion; vgl. auch Koch 1997b und Meisenburg 1999.

10 Vgl. hierzu etwa Janich/Greule 2002.

11 Zur Plurizentrik von Sprachen vgl. Clyne 1992; Oesterreicher 2000.

12 Vgl. hierzu Gardt/Hüppauf 2004.

13 Vgl. zum Folgenden Schütz/Luckmann 1979/1984; Berger/Luckmann 1980; Luckmann 1997; Oesterreicher 1997; vgl. auch Trabant 1998.

14 Vgl. hierzu Habermas 1958 und 1969; Oesterreicher 1979.

15 Weizsäcker 1959: 76; zur Physik allgemein vgl. Herrmann 2000.

16 Vgl. Oesterreicher 1979: Kap. 1–4.

17 Dies wird etwa deutlich in der Beurteilung, die der bedeutende Mediziner Wolfgang Gerok bezüglich einer – in unserem Sinne wichtigen und völlig korrekten – Äußerung von Harald Weinrich vornimmt: "Im Blick auf mögliche Auswirkungen des Wechsels der Wissenschaftssprache von Deutsch zu Englisch hat Harald Weinrich den häufig zitierten Satz geprägt: 'Das Deutsche muß Wissenschaftssprache bleiben, nicht nur um der Zukunft der deutschen Sprache, sondern auch um der Zukunft der Wissenschaft willen'. Ich habe große Hochachtung vor Harald Weinrich, halte aber diese These zumindest im Blick auf die Sprache der wissenschaftlichen Medizin für unzutreffend" (Gerok 2000: 236); vgl. hierzu vor allem Pörksen 1986 und 1994; vgl. auch Weinrich 2000 und 2001.

18 Man vergleiche diesbezüglich etwa das Buch von Helena Drysdale mit dem bezeichenden Titel Mother Tongues. Travels Through Tribal Europe (2001), das allerdings mit unverholener Sympathie in vierzehn Kapiteln einen Reisebericht gibt über die "voices and cultures that are already fading away"; besprochen werden bei den romanischen Sprachgebieten unter anderem etwa das Okzitanische, das Katalanische, das Sardische, das Korsische, das 'Elsässische', das Rätoromanische.

19 Vgl. hierzu besonders Rastier 1989, 1997 und 2001.

20 Vgl. aber Oesterreicher 2001.

21 Zu Kuhn vgl. Oesterreicher 1977.

22 Vgl. Swiggers 1990: 26; vgl. auch Lakoff/Johnson 1999.

23 Vgl. etwa die Beiträge in Oksaar u.a. (Hg.) 1988; vgl. auch Trabant 2003.

24 Birgit Scharlau sieht gerade in den Kulturwissenschaften eine "räumliche oder geokulturelle Sensibilität" am Werk, die man in ortsabstrakten Traditionen vergeblich sucht. Es geht also nicht allein um ein "Interesse an räumlicher Kontingenz" von wissenschaftlicher Erkenntnis, sondern eben um die Tatsache, daß dieses Interesse den Disziplinen "nicht nur äußerlich bleibt, sondern sie [...] von innen her zu remodellieren beginnt" (Scharlau 2000: 395).

25 Das angedeutete Problem stellt sich natürlich nicht allein für wissenschaftliche Disziplinen und ihre Erkenntnis, sondern für alle historischen Wissensformationen.
– Zur romanischen Sprachwissenschaft vergleiche diesbezüglich etwa Gauger u.a. 1981; Gumbrecht 1984; Scharlau 2000.

26 In diesem Sinne wären auch so unterschiedliche Positionen wie die von Ulrich Ammon und Konrad Ehlich zu differenzieren; vgl. Ammon 1991, 1998 und 2000; Ehlich 1997 und 2000; vgl. auch Klein 2000.

27 Vgl. Oksaar 1988; Skudlik 1988; Stackelberg 1988; vgl. auch Pörksen 1994.

28 Vgl. Koch/Oesterreicher 1985, 1990, 1994 und 2001; vgl. auch Ehlich 1994.

29 Vgl. beispielsweise Berchem 1992 und 1997

30 Vgl. hierzu den Artikel von Hans-Martin Gauger mit dem provokanten Titel "Warum nicht Englisch?" (Gauger 2000); vgl. auch Gauger 1988.

31 Über die skandinavischen Länder will ich hier nichts sagen.

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