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Hiltrud Lautenbach (Berlin)



Oliver Gschwender (1999): Internet für Philologen. Eine Einführung in das Netz der Netze. Unter Mitarbeit von Arno Müller. Berlin: Erich Schmidt Verlag.


Auch unter Philologen hat es sich inzwischen herumgesprochen, daß das Internet kein Hexenwerk ist und man es für wissenschaftliche Zwecke nutzbar machen kann, allein der Einstieg fällt nicht allen leicht.

Das soeben im Erich Schmidt Verlag erschienene Buch Internet für Philologen von Oliver Gschwender wendet sich daher "an Studierende sowie an Dozenten und Lehrer der philologischen Fachrichtungen", um diesen "einen schnellen und erfolgreichen Einstieg ins Internet zu ermöglichen" (10). Das Buch hat einen Umfang von 125 Seiten und gliedert sich in neun etwa gleichlange Kapitel. Erläutert werden Grundbegriffe des World Wide Web (Kap. 1 und Glossar), die Konfiguration von Software (Kap. 5 und 8), die Funktionen verschiedener anderer Internet-Dienste (Kap. 2 und 6), Suchmaschinen (Kap. 3), Schutz vor Werbung und Viren (Kap. 7), einige WWW-Adressen (Kap. 4) und die Produktion eigener WWW-Seiten (Kap. 9). Zu den ersten drei Kapiteln gibt es jeweils Übungsaufgaben, die den Leser animieren sollen, das Gelernte umzusetzen.

Im ersten Kapitel "Schnellstart ins Internet" erklärt der Autor, was sich hinter den wichtigsten Grundbegriffen des World Wide Web verbirgt und wie das erste imaginäre "Surfen" in seinem Ablauf aussehen könnte: Am Netz anmelden ("Login"), die notwendige Software ("Browser") aktivieren, Verweisen ("Links") folgen, bekannte Internet-Adressen ("URL"s) eingeben und die Seiten aufrufen, mithilfe von Schlagwörtern nach bestimmten Informationen suchen ("Suchmaschine") und die so gefundenen Adressen (als "Lesezeichen" bzw. "Bookmarks") sowie Texte und Bilder zur weiteren Verwendung auf eigenen Datenträgern speichern.

Im zweiten Kapitel fragt Gschwender "Was ist elektronische Post?" und erläutert den Aufbau von E-Mail-Adressen, das Empfangen und Senden von E-Mails, das Versenden von Dateien als Attachments und die Benutzung des im Browser "Netscape Communicator" integrierten "Adreßbuchs". "Suchmaschinen effektiv nutzen" (Kap. 3) kann man, indem man ihre Funktionsweise kennenlernt und Suchbegriffe logisch so miteinander verknüpft, das die Ergebnisse auf ein handhabbares Maß reduziert werden.

Das vierte Kapitel "Internetlinks für Philologen" enthält die Zusammenstellung einiger Links zu den Themen "Bibliotheken", "Datenbanken", "Institute und Gesellschaften", "Linksammlungen", "Medien", "Nachschlagewerke und Lexika", "Sozial- und Geisteswissenschaften", "Sonstige", "Internationale Suchmaschinen", "Deutsche Suchmaschinen" und "Metasuchmaschinen", wobei die aufgeführten URLs jeweils kurz kommentiert werden.



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Und wer selbst die notwendige Software auf seinem Rechner installieren möchte, findet im fünften Kapitel "Hinweise zur Browsersoftware", in dem Gschwender sich ausführlich mit dem weit verbreiteten Browser "Netscape Communicator" beschäftigt. Es folgen einige knappe Bemerkungen zu einem weiteren Browser, dem "Microsoft Internet Explorer". Die einzelnen Schritte zum Einrichten der Software werden durch Abbildungen ergänzt.

Im sechsten Kapitel über "Weitere Internetdienste" wird deutlich, daß das Internet nicht nur aus dem World Wide Web besteht, obgleich diese beiden Begriffe häufig synonym gebraucht werden. Gschwender stellt als weitere Nutzungsmöglichkeiten des Internets vor: Newsgroups (auch: Usenet) als "Schwarze Bretter" des Internets, Telnet zur "Fernbedienung" von Rechnern, d.h. der eigene Rechner wird für die Dauer der Verbindung zu einem Terminal des fremden Rechners, ferner die Übertragung von großen Datenmengen in kurzer Zeit mit dem Internetdienst FTP (File Transfer Protocol) und schließlich IRC (Internet Relay Chat) zum "Schwatz" mit der Welt. Im siebten Kapitel "Vorsicht Falle! – Viren, Hacker und Mißbrauch" werden verschiedene Virentypen (Hoax-, Boot-, Datei- und Makroviren) vorgestellt. Als Schutz vor Viren werden Virenscanner, als Schutz gegen unerwünschte Werbung per E-Mail werden Alias-Adressen empfohlen.

Das achte Kapitel widmet sich noch einmal der technischen Seite, nachdem im ersten Kapitel davon ausgegangen worden war, daß man bereits an einem fertig konfigurierten Rechner sitzt. In diesem Kapitel soll der Leser lernen, wie er seinen "Internetzugang von zu Hause einrichten" kann, indem er den Vorschlägen zu Hard- und Software folgt. Die Hinweise zur Konfiguration der besprochenen Software werden auch hier durch Abbildungen unterstützt. Das neunte Kapitel zeigt einen "Weg zur eigenen Homepage", hier mithilfe des im "Netscape Communicator" enthaltenen "Netscape Composer". Das Buch schließt mit einem Glossar, in dem die wichtigsten englischen Begriffe und Abkürzungen rund um das Internet in deutscher Sprache erklärt werden.

Der Autor kann mit seinem Internet für Philologen die Erwartungen des Lesers nicht erfüllen. An Aufbau, Form und Inhalt des vorliegenden Buches ist einiges zu kritisieren: Schon beim Aufschlagen des Bandes fällt die schwer nachvollziehbare Abfolge der Kapitel auf, stehen doch die beiden Kapitel über die Konfiguration der Software (Kap. 5 und 8) und die neben dem WWW existierenden Internet-Dienste (Kap. 2 und 6) jeweils weit auseinander, dazwischen finden sich Kapitel über Link-Sammlungen (Kap. 4) oder Computerviren (Kap. 7).

Auch in redaktioneller Hinsicht macht das Buch keinen guten Eindruck: Die Hinweise auf die Benutzung der "automatischen Rechtschreibprüfung" (27, 112) hätte der Autor selbst beherzigen sollen, denn es finden sich außerordentlich viele Tippfehler. Besonders ärgerlich sind Ungenauigkeiten bei Titeln von Zeitungen und Zeitschriften, wie "El Pais" für El País (8), "La Vaguardia" für La Vanguardia (8) und "Philologie im Internet" für PhiN. Philologie im Netz (53).



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Die mangelnde Sorgfalt läßt auch eine fehlerhafte Wiedergabe der Internet-Adressen vermuten. Telefongebühren werden in der Form "DM 1.90,-" (97ff.) angegeben, wobei diese Angabe kaum zu entschlüsseln ist. Leider stimmen auch die meisten der im Inhaltsverzeichnis angegebenen Seitenzahlen nicht mit den tatsächlichen Kapitelanfängen im Buch überein.

Das Buch ist aus studentischer Sicht geschrieben. Dies zeigt sich nicht nur an häufigen Hinweisen auf studentische Belange (etwa Auslandsstudium, Benutzer-Account für Studenten, Adressen von Seiten, auf denen man fertige Referate und Hausarbeiten finden kann usw.), sondern auch an der zuweilen sehr saloppen Sprache:

Grundsätzlich gilt: lieber eine E-Mail, als wegen Zeitmangel und Schreibfaulheit gar keine Post von Freunden erhalten. Die Erfahrung zeigt, daß E-Mail-Freundschaften in der heutigen Zeit wesentlich beständiger sind, als solche, die über den konventionellen Briefwechsel miteinander kommunizieren. (29)

Die technischen Informationen sind zwar recht ausführlich, sie beziehen sich jedoch fast ausschließlich auf den "Netscape Communicator", so daß die Konfigurationshinweise nur dann sinnvoll sind, wenn man genau diese Software benutzen möchte. Lediglich auf den "Netscape Communicator" stützt sich auch die "Anleitung" zur Herstellung einer eigenen Homepage. Nach den hier gegebenen Anleitungen wird es wohl niemand schaffen, eine Site im WWW zu veröffentlichen. So ist denn auch der letzte Absatz des Buches nicht sehr ermunternd:

Falls auch das nicht zum Erfolg führt, könnte vielleicht ein Blick in die relativ gut und verständlich aufgebaute Hilfefunktion des Netscape Composers bei der Suche nach möglichen Fehlern nützlich sein. Oder man fragt bei seinem Provider bzw. beim zuständigen Unipersonal nach, worin das Problem bestehen könnte. (118)

Das könnte man allerdings auch tun, ohne das vorliegende Buch zu lesen, denn solche "Hilfefunktionen" sind ohnehin vorhanden. Bei all diesen technischen Informationen fehlen vielmehr Anleitungen zum Umgang mit dem im Internet aufgefundenen Material, d.h. die Zeit nach dem "Download". Interessanter als die Konfiguration eines bestimmten Browsers wäre etwa eine Erklärung des Verfahrens zur Umformatierung von HTML-Dokumenten in Text-Dokumente gewesen, d.h. die Möglichkeit der Nutzung des Materials bei der eigenen Textverarbeitung (z.B. eine Version von Word), so daß Textpassagen, Listen, Tabellen usw., die zitiert werden sollen, dort integriert werden können. Hier wäre auch der Hinweis auf Konkordanz-Programme wünschenswert gewesen, mit deren Hilfe man auch große Korpora nach bestimmten Textstellen oder sprachlichen Beispielen durchsuchen, einzelne Wörter zählen und sich die Ergebnisse nach eigenen Wünschen anzeigen lassen kann.



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Das Problem der Zitierweise von Texten aus dem Netz löst sich nicht dadurch, daß man, wie der Autor vorschlägt (40), die verwendeten Sites ausdruckt und eigenen Aufsätzen als Anhang beifügt. Es hat sich mittlerweile durchgesetzt, daß auch Internet-Dokumente in Bibliographien mit Angaben über Autor, Titel, URL und Datum der Konsultation aufgenommen werden. Das Problem der "Überprüfbarkeit" von Zitaten stellt sich bei alten Handschriften und Interviews genauso, auch hier muß man sich auf die Sorgfalt des zitierenden Autors verlassen (können).

Nicht erläutert werden etwa Mailing-Listen (z.B. "http://linguistlist.org" findet sich nur in der Linksammlung unter "Sonstige" (56)) oder die rechnerunabhängige Programmiersprache Java, mit der z.B. animierte Grafiken dargestellt werden können. Eine Bibliographie fehlt.

Ein einziges der neun Kapitel (Kap. 4) enthält mit einer knapp kommentierten Link-Sammlung tatsächlich Informationen für Philologen. Hier finden sich u.a. URLs von großen Bibliotheken, einige Hinweise auf Volltexte literarischer Werke, auf Link-Sammlungen zu Germanistik und Romanistik, zu Zeitungen und Zeitschriften oder Wörterbüchern. Aber selbst diese "Internetlinks für Philologen" sind nur zu einem geringen Teil spezifisch philologisch, denn unter den dort aufgelisteten URLs befinden sich auch solche zu Suchmaschinen und Metasuchmaschinen, zu Seiten, auf denen man Referate und Hausarbeiten findet, zu Praktikumsplätzen und Studienplatztausch usw. Zudem entsteht der Eindruck, Philologen seien in erster Linie Germanisten, vielleicht noch Anglisten, Amerikanisten oder Romanisten. Ein Slawist etwa erfährt in diesem Buch nicht einmal das Kürzel der Domäne für Rußland oder die Adresse einer tschechischen Tageszeitung.

Der Autor kennt sich in der Handhabung des "Netzes der Netze" offenbar aus, hat jedoch mit der Wahl des Titels seine Zielgruppe verfehlt. Das Buch sollte nicht "Internet für Philologen" heißen, sondern allenfalls "Internet für Anfänger". Philologen würden so von dem recht dünnen spezifisch philologischen Angebot in diesem Buch nicht enttäuscht. Aber auch für Anfänger ist dieses Buch nur geeignet, wenn sie sich auf die Benutzung eines DOS-Rechners und die deutsche Version des "Netscape Communicator 4.05" festlegen lassen wollen.

Oliver Gschwender schreibt kein Buch, das zu dem Titel "Internet für Philologen" paßt, sondern eine allgemeine Einführung ins Internet. Die darin enthaltenen spezifischen Informationen für Philologen sind so gering, daß sich die Lektüre des Buches nicht lohnt. Sie lohnt sich auch nicht für den Internet-Anfänger, denn der Markt bietet an allgemeinen Einführungen weit Informativeres und Lesbareres.

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