PhiN-Beiheft 1/1998




Vorwort*


Die zweihundertste Wiederkehr des Geburtstages von Giacomo Leopardi (1798-1837) ist den Herausgebern der vorliegenden Sondernummer der virtuellen Zeitschrift PhiN Anlaß, dem größten Dichter der italienischen Moderne den Weg in eine ihm noch völlig unvorstellbare Welt zu ebnen: in die Welt der elektronischen Medien. Damit soll gerade jener technische Fortschritt für den Geist nutzbar gemacht werden, über den Leopardi in der Palinodia al Marchese Gino Capponi so souverän die Schale des Spotts ausgegossen hat. Denn nicht um Straßenbeleuchtung, Tunnel unter der Themse, Möbel und Sozialstatistik geht es hier, sondern um den Dichter Leopardi selbst und seine Versuche, die eigene Sicht auf die Welt mit der Realität, so wie er sie erlebte, in Einklang zu bringen. Vielleicht kann dies eine Rechtfertigung sein, Leopardi ins Internet zu bringen: Leopardi für alle, jetzt, hier und sofort! Sein persönliches Schicksal wie seine philosophischen Reflexionen, seine Prosa und seine Gedichte kommen in den nachfolgenden Beiträgen deutscher und italienischer Autoren gleichermaßen zur Sprache, Beiträge, die sich als Versuche verstehen, Leopardi in eine Welt einzugliedern, die er schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts vorausgeahnt hat. Wenn etwas uns daran hindern kann, das Ende der menschlichen Zivilisation selbst herbeizuführen, so ist es jenseits aller Entscheidungen und Verzichte auch die Reflexion auf Gedanken wie die, die Leopardi dazu in der ihm eigenen Radikalität formuliert hat. Und vielleicht verdienen wir uns damit auch das Recht, die Schönheit der Verse wahrzunehmen, mit denen er sich als Dichter unsterblich gemacht hat. Tolle et lege!


Sebastian Neumeister (Präsident der Deutschen Leopardi-Gesellschaft)

Dietrich Scholler (Freie Universität Berlin)




* Wir danken Hiltrud Schweitzer für die Durchsicht und Korrektur der Druckfahnen, Peter Schneck für die Korrektur bzw. Übersetzung der Abstracts.