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A. Roberto Ubbidiente (Wien)



Depressionszüge in Giacomo Leopardis Briefwechsel


Tendencies of depression in Giacomo Leopardi's correspondance
As his philosophical diary, the Zibaldone, Leopardi's letters, represent highly valuable documents which in regard to the investigation of the sensitive and pained his soul become a privileged source for the reception of the poet. The letters offer an ideal access for a better understanding of his inner world, as the foundation of his poetry and his philosophical thoughts. The focus of the essay is on Leopardi's leaning towards a sensibility which characterizes a depressive personality and which is connected to his life in the conservative atmosphere of Recanati and the suffocating climate of his parent's home.


Seit seinem ersten Erscheinen1 und nach jeder darauffolgenden neubearbeiteten Auflage2 hat der Briefwechsel von Giacomo Leopardi immer wieder für heftige Debatten unter den Freunden und Bekannten des Dichters sowie unter den Literaturkritikern gesorgt. In der Tat enthalten Leopardis Briefe so viel an Informationen, an bedeutenden Einzelheiten über sein Leben und Werk, an wichtigen biographischen Daten unter anderem über sein seelisches Befinden, an Überlegungen poetischer und philosophischer Natur, daß das Bild des Dichters und die kritische Lektüre seiner Werke nach jeder Veröffentlichung unbekannter Briefe von oder an Leopardi nie dieselben blieben wie vor deren Erscheinen. In dieser Hinsicht werden die Briefe von Leopardi auf Grund ihrer entscheidenden Bedeutung für die kritische Auseinandersetzung mit seinem Werk oft mit dem Zibaldone di pensieri verglichen, nämlich jenem Werk des Dichters, auf dessen Erscheinen 1898 die erste entscheidende Wende in der Geschichte der Kritik zu Leopardi zurückgeführt werden kann.3 Denn genau wie beim philosophischen Tagebuch Leopardis boten oft seine Briefe das notwendige biographische Material zur Untermauerung, Richtigstellung oder sogar Widerlegung bestimmter kritischer Auslegungen und des daraus folgenden Leopardi-Bildes.4 So ist Francesco Moroncini durchaus zuzustimmen, wenn er meint, Leopardis Briefwechsel sei in erster Linie

[una] raccolta di dati e documenti indispensabili al critico che, a traverso i fatti della vita penetrando nell' intima conoscenza dell'uomo, voglia giungere alla piena e giusta valutazione dello scrittore. Basterebbe considerare lo stato della letteratura leopardiana prima e dopo che apparvero i due volumi dell'Epistolario del 1849. E quanto maggiormente gli studi sul Leopardi si avvantaggiarono, allorché via via quei due primi volumi si andarono per successive aggiunte arricchendo ed ampliando".5




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Ihre mit dem Zibaldone geteilte, besondere Stellung in der kritisch-wissenschaftlichen Bewertung und Anwendung der biographisch-literarischen Quellen verdanken Leopardis Briefe vor allem ihrem privaten Charakter, und zwar der Tatsache, daß sie – im Gegensatz zu anderen, für die Öffentlichkeit bestimmten Schriften des Dichters – zum größten Teil 'currenti calamo' verfaßt wurden, das heißt, unmittelbar seiner Seele entstammten und daher das beste Zeugnis für die jeweilige psychologische Lage darstellen, in der sie geschrieben wurden. Zwar pflegte Leopardi anfangs nach einer ersten groben Fassung, seine Briefe zu revidieren, zu ergänzen und ihren Stil auszufeilen, doch diese Änderungen, die sich ohnedies nur auf wenige frühe Briefe beschränken, betrafen nicht das Originalschreiben, das zwischenzeitlich abgesandt worden war, sondern dessen Abschrift, die der Autor persönlich oder seine Geschwister Carlo und Paolina angefertigt hatten.

Il che, mentre prova da un lato la cura meticolosa e instancabile ch'egli poneva nella forma di tutti i suoi scritti, prova dall'altro che anche di quelle sue lettere dovesse non mediocramente compiacersi, e chi sa?, fin d'allora pensasse all'eventualità che potessero un giorno divenire di pubblica ragione.6

Man kann also davon ausgehen, daß diese Gewohnheit Leopardis so gut wie nichts an dem biographisch-dokumentarischen Charakter seiner Briefe geändert hat und letztere als 'Zeugnis einer Seele' die jeweilige geistige, körperliche und psychologische Verfassung ihres Autors am besten widerspiegeln.7 Wie modernere Studien über die Operette morali gezeigt haben8, dient das gewaltige biographisch-dokumentarische Material der Briefe nicht nur dem besseren Verständnis der Lebenslage des Dichters und der biographischen Analyse seines Verhältnisses zur Außenwelt9, sondern wird immer mehr auch in kritische Auseinandersetzungen mit dessen literarischer Produktion miteinbezogen und bietet dabei ein einleuchtendes Bild des biographischen und psychologischen Rahmens, in dem die verschiedenen Werke Leopardis entstanden. Somit hat Leopardis Briefwechsel längst aufgehört, eine bloße Sammlung von Briefen zu sein, welche lediglich dem Biographen von Nutzen sein kann, um sich immer deutlicher sowohl als "banco di prova sul quale il Leopardi esegue il collaudo espressivo di determinate esperienze" als auch als "serbatoio di immagini e suggestioni poetiche ricorrenti e delle parole destinate per scelta ad esprimerle"10 zu erweisen. Angesichts dieser entscheidenden Rolle, welche neben dem Zibaldone die Briefe des Dichters in der kritischen Auslegung seiner Werke spielen, sollte eine Lektüre des Briefwechsels in erster Linie nicht darauf abzielen, im Dienste eines pedantischen Biographismus Leopardis Leben in seinen kleinsten, oft belanglosen Einzelheiten zu rekonstruieren, sondern vielmehr im Zusammenhang mit der Frage nach den geistigen und psychologischen Voraussetzungen seines literarischen Schaffens eine möglichst vollständige Darstellung dessen bezwecken, was seine durchaus komplexe und nicht selten widersprüchliche Persönlichkeit und deren tiefste Beweggründe ausmacht. Doch nicht nur die entscheidende Frage nach der Entstehung der einzelnen Werke, sondern auch jene nach ihrem Verhältnis zueinander könnte in den zahlreichen Seiten des Epistolario mehr als eine Antwort finden. Diese Überlegung scheint Grund genug zu sein, einen den Anforderungen der modernen Leopardi-Forschung und -Kritik gerechten Ansatz seiner Briefsammlung zu versuchen. Ein solcher Ansatz setzt eine Lektüre voraus, die – im Gegensatz zu der traditionellen, lebensbeschreibenden Analyse der Briefe in ihrer chronologischen Reihenfolge – grundsätzlich diachronisch erfolgt, eine persönlichkeitsbezogene Methode anwendet und vor allem sämtliche Hinweise und Äußerungen des Autors in Bezug auf seine innere Welt und geistige Lage unter die Lupe nimmt.




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Auf Grund der Vielfalt der behandelten Themen, der deutlichen Hinweise auf die äußeren Lebensbedingungen des Autors sowie auf dessen Persönlichkeitsbild, aber auch angesichts der zahlreichen biographischen Daten, des mehrmals angesprochenen problematischen Familienlebens sowie des tiefen Unbehagens in dem "natio borgo selvaggio" und seiner oft dramatischen Auswirkungen auf die körperliche und geistige Verfassung des Dichters zeigt sich bei einer psychologisch orientierten Briefanalyse bald deutlich, daß Leopardis Briefwechsel einen bislang nicht hinreichend gewürdigten Schlüssel zur Darstellung und Untersuchung seiner Persönlichkeitsstruktur und somit einen entscheidenden Zugang zum tieferen Verständnis seines poetischen Schaffens darstellt. Denn vor allem eine diesem psychologischen Ansatz zugrunde liegende, dia-synchronisch durchgeführte Lektüre der Briefe Leopardis wird es ermöglichen, die wesentlichen Beweggründe zu erkennen, welche Leopardi sein ganzes Leben über innerlich beschäftigten und zu seinen philosophischen Überlegungen beziehungsweise seinem poetischen Schaffen anregten. Dabei handelt es sich in erster Linie um den Versuch, über die rein biographischen Daten – das heißt die mehr oder weniger entscheidenden Ereignisse und Umstände im Leben des Dichters – hinauszugehen und zu untersuchen, welche Auswirkungen sie auf die Persönlichkeit des Betroffenen und welche Bedeutung sie für sein geistiges Leben hatten beziehungsweise welche Spuren sie in seinen Werken hinterließen. Im Mittelpunkt einer derartigen Analyse steht also Leopardis Brief in seinem großen dokumentarischen Wert und seiner vollen psychologischen Relevanz: als beredtes Zeugnis eines seelischen Prozesses, als unmittelbar und unzensiert zu Papier gebrachter Gedanke, als direkte Widerspiegelung einer ununterbrochenen Beschäftigung mit der Realität und ihrer Härte.

Eine große psychologische Bedeutung kommt dabei klassischen, immer wiederkehrenden 'loci deputati' der Kritik zu Leopardi zu, die mittlerweile fast zu Klischees geworden sind, wie etwa sein unerfreuliches kränkliches Aussehen, sein gespanntes Verhältnis zum Vater, die Verachtung des Geburtsorts, der lang gehegte Fluchtwunsch, die verzweifelte Sehnsucht nach ewigem literarischem Ruhm, aber auch positivere Aspekte wie die Liebe für zu den Geschwistern, das tiefe Freundschaftsverhältnis mit Pietro Giordani und Antonio Ranieri. Eine psychoanalytisch orientierte Lektüre des Epistolario läßt sich aber nicht nur mit einem externen Faktor, nämlich den Anforderungen der modernen Leopardi-Forschung, begründen, sondern beruht in erster Linie auf dem äußerst symbolischen, ausgesprochen intimen, poetischen Charakter dieser Briefsammlung. Wie die Kritik längst erkannt hat,11 bieten bestimmte Ereignisse und Angelegenheiten poetischer Natur zwar den Anlaß für die meisten Briefe, doch geht der Autor gleich weit über sie hinaus und zieht es vor, über deren Auswirkungen auf sein seelisches Befinden, auf sein ausgesprochen sensibles Gemüt zu berichten.12 So sind die Hauptthemen, die wesentlichen Gründe der Briefe Leopardis woanders zu suchen als in dem jeweils auslösenden Moment, zum Beispiel in den in einer gottverlassenen Provinzstadt vergeudeten unglücklichen Jugendjahren,13 in dem gestörten Verhältnis zum Vater14, in der kühlen Beziehung zur Mutter, die nur viermal als Adressatin auftaucht, aber auch in der tröstenden Freundschaft zu Pietro Giordani15, in der ständigen Auseinandersetzung mit der Einsamkeit und dem bitteren Schicksal eines Genies, mit der feindlichen Natur und der Zuflucht in Illusionen, sowie in dem beharrlichen Streben nach Ruhm16 und außerdem in der verachtenden Ablehnung eines kranken, häßlichen Körpers17 und in einem immer lockenden Suizidgedanken18, ferner in der intensiven Beschäftigung mit Krankheit und Tod. Insbesondere dieser letztere Aspekt scheint einen wichtigen roten Faden darzustellen, der sich durch die gesamte Korrespondenz Leopardis zieht, so daß darin mancher Kritiker den Kernpunkt des Briefwechsels erkannt hat.19 In der Tat scheint Leopardi in seinen Briefen keine Gelegenheit zu versäumen, den jeweiligen Adressaten über seinen schlechten Gesundheitszustand zu informieren, wobei diesbezügliche Mitteilungen in den verschiedensten Formen erfolgen: vom fast distanzierten, äußerst detailliert geschilderten Symptombild20 über verbitterte Feststellung21 über Ausdrücke tiefster Verzweiflung22. Und auch wenn er dieses Thema zu übergehen scheint, geschieht dies nur auf Grund einer geschickt angewandten rhetorischen Präterition.23 Es ist daher nicht übertrieben, wenn man sich der Meinung von Ferdinando Bandini anschließt: "L'infermità appare quasi come l'urgenza primaria della comunicazione epistolare". 24




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Das Hauptinteresse des Absenders Leopardi jedoch liegt nicht bloß darin, seinen Brieffreunden ein möglichst präzises und detailliertes Bild seiner körperlichen und seelischen Leiden zu liefern, sondern, weit über die Symptome hinaus, auf die Krankheit als aussagekräftigen Ausdruck der doglia universale seines seelischen Unbehagens in dieser Welt hinzudeuten:

La malattia dette al Leopardi una coscienza particolarmente precoce ed acuta del pesante condizionamento che la natura esercita sull'uomo, dell'infelicità dell'uomo come essere fisico [...] l'esperienza della deformità e della malattia non rimase affatto nel Leopardi un motivo di lamento individuale, un fatto privato e meramente biografico, nemmeno un puro tema di poesia intimistica ma divenne un formidabile strumento conoscitivo. Partendo da quell'esperienza soggettiva il Leopardi arrivò a una rappresentazione del rapporto uomo-natura che esclude ogni scappatoia religiosa25.

In diesem Sinne ist die von Leopardi selbst gestellte Diagnose zu interpretieren, welche alle Leiden des jungen Dichters auf sein zu sensibles Gemüt und stark beeinflußbares seelisches Empfindungsvermögen zurückführt.26 Wie die Empfänger seiner Briefe oft zu lesen bekamen, war sich Leopardi bewußt, daß sein angeschlagener Organismus allein nicht der Grund für seine Leiden sein konnte:

Tutti i miei organi, dicono i medici, sono sani: ma nessuno può essere adoperato senza gran pena, a causa di una estrema, inaudita sensibilità [...], quasi ogni sensazione mi dà dolore,

schreibt er an Antonietta Tommasini,27 und vor einem eventuellen Verdacht, alles sei bei ihm bloße Einbildung, scheint er in einem anderen Brief die Flucht nach vorne anzutreten: "Pare impossibile che si accusi d'immaginaria una così terribile incapacità d'occhi e di mente, una così completa infelicità di vita"28.

Nun könnte eine psychosomatische Interpretation der von Leopardi beklagten Beschwerden, im Gegensatz zu einer unzulänglichen, ausschließlich auf physischen Daten beruhenden Diagnose, einiges mehr über deren Ursache sagen und somit einen wichtigen Ansatz zum besseren Verständnis seines Lebens und Werkes bieten. In diesem Zusammenhang läßt sich beobachten, daß des Dichters wichtigste und häufigste Schmerzen, mögen sie physischer oder seelischer Natur gewesen sein, sich alle auf das für die Depression typische Krankheitsbild zurückführen lassen. Dies trifft nicht nur bei Störungen wichtiger Vitalsymptome, wie etwa Atemschwierigkeiten, Augen- und Stirndruck, Druck und Stechen in der Herzgegend, Verdauungsstörungen mit folgender Konstipation oder Diarrhφe etc.29 zu, denn auch Leopardis Denk- und Antriebsfunktionen scheinen nicht selten von einer tief depressiven Stimmung wesentlich beeinträchtigt. Dabei denken wir vor allem an die mehr oder weniger verschleierten Suizidideen, auf welche sowohl manche Briefe als auch mehrere Zibaldone-Eintragungen hinweisen, und natürlich an jene Apathie, ja jenen regelrechten Stupor, von dem einige Briefe erzählen.30 Doch am auffallendsten von tiefer Depression zeugen Leopardis Affekte: Traurigkeit, Melancholie, gestörte Stimmungslage, mangelnde Freude, tiefe Bedrücktheit, Passivität und Perspektivlosigkeit (vor allem nach dem gescheiterten Fluchtversuch von 1819) bis hin zur Gleichgültigkeit und inneren Leere, die für den Dichter aus Recanati fast zum Klischee-Bild geworden sind und somit dazu beigetragen haben, aus ihm den Dichter des Weltschmerzes zu machen 31.




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In der Tat läßt sich bei genauerer Lektüre des Epistolario nicht übersehen, daß angesichts ihrer Dauer und Schwere Leopardis gedrückte Verstimmtheit und dumpfe Regungslosigkeit, die zahlreiche Briefe des Dichters prägen, weit über einen für normal gehaltenen Zustand von Traurigkeit hinausgehen. Zwar muß man in diesem Fall einerseits vor einer eventuellen Überbewertung des depressiven Aspekts bei Leopardi nachdrücklich warnen, um die Gefahr einer pauschalierenden, vereinfachenden Interpretation abzuwenden, welche – alles auf diese Komponente seiner komplexen Persönlichkeitsstruktur setzend – sein Gesamtwerk lediglich auf das niedrige Niveau von philosophischen Ergüssen eines depressiven Geistes herabwürdigen würde32 , doch andererseits darf man Ausmaß, Tragweite und Auswirkungen der wiederkehrenden depressiven Krisen in der Biographie des Dichters auch nicht unterschätzen.

Il diagramma della sua esistenza ha impennate e cadute: momenti di esaltazione, di fervore mentale sono cancellati da uno stato depressivo, la tentazione del suicidio è seguita dall'ansia di ribellarsi con un cambiamento definitivo, ma impedimenti inconsci cospirano a frustrarlo.33

Geht man also davon aus, daß depressive Stimmungslage und eng damit verbundene Symptome zu den wesentlichen Zügen der Persönlichkeitsstruktur des Dichters zählen, ist der Schritt zur Frage nach der genauen Depressionsart und deren allerletzten Ursachen kein großer.

Nun läßt sich, wie eine vor allem nach Briefdatum orientierte Untersuchung des Epistolario viel besser und genauer als die vorliegende Analyse zeigen würde, ein erster auffallender Zusammenhang zwischen depressiven Äußerungen vieler Briefe und dem Monat beziehungsweise der Jahreszeit, in der sie geschrieben wurden, leicht erkennen. Tatsächlich scheinen gedrückte Stimmung und viele körperliche Beschwerden, über die Leopardi in den kalten Monaten klagt, bei Frühlingswiederkehr abzuklingen, wenn nicht ganz zu schwinden. Selbst der Absender ist sich dieses Phänomens bewußt, wenn er manchmal seine depressionsbedingte Klagsucht durch eine erhoffte, mit dem bevorstehenden Frühlingsbeginn begründete Verbesserung seines Gesundheitszustandes begrenzt.

Io sto grazie a Dio passabilmente di salute, e forse, o anche senza forse, starei bene, se non fosse l'inverno, che per me sarà sempre una malattia grave. Aspetto e invoco a ogni minuto la primavera.

So Leopardi in einem Brief an seinen Vater vom 13. Januar 1826, und wenige Tage später: "Grazie a Dio, sto bene di salute. Sospiro continuamente la primavera"34.

Angesichts dieser und ähnlicher, zum Teil indirekt ausgedrückter35 Äußerungen liegt zunächst die Diagnose einer Winterdepression, in die der Dichter mehr oder weniger regelmäßig verfiel, sehr nahe. Weil jedoch eine jahreszeitlich bedingte Depression uns lediglich einige Passagen in einer beschränkten Zahl von Briefen (oder auch Zibaldone-Eintragungen) erklären kann, empfiehlt es sich, das depressive Krankheitsbild von Leopardi mit einer wesentlich tieferen und anhaltenderen Depressionsart, wie etwa einer speziellen Form psychogener Depression, in Verbindung zu bringen. Denn es läßt sich zwar nicht verkennen, daß gedrückte Stimmung, Perspektivlosigkeit und pessimistische Gedanken über die eigene Person, die Welt und das Leben die wichtigsten und entscheidendsten Briefe des Dichters zu färben scheinen, doch dies geschieht angesichts der unterschiedlichen Lebenssituationen und -phasen, in denen die Briefe verfaßt wurden, mit ausgesprochen ungleicher Intensität und in verschiedenen Nuancen.




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Diese Feststellung dient nicht nur einer sorgfältigen Analyse der depressiven Charakterzüge Leopardis und der Art, in der sie sich in seinen Briefen niedergeschlagen haben, sondern spielt auch in der Erörterung ihrer Ursachen eine entscheidende Rolle. Beim Epistolario lassen sich nämlich mindestens zwei große Gruppen von Briefen auf Grund des unterschiedlichen Grades ihrer depressiven Äußerungen und Gedanken voneinander unterscheiden: die Briefe aus Recanati und die aus anderen Aufenthaltsorten des Dichters. Dabei zeigt eine Gegenüberstellung der Briefe aus questa prigione36 mit denen aus anderen Städten (vor allem Bologna, Florenz und Neapel), daß die Klage über die für die Depression typischen körperlichen Beschwerden in Verbindung mit Anzeichen von seelischer Bedrücktheit, Niedergeschlagenheit und stetem Grübeln am häufigsten in der ersten Gruppe vorzufinden sind, während sie im übrigen Briefwechsel beträchtlich seltener werden.

Mi fa infelice primieramente l'assenza della salute, perché ;, oltreché io non sono quel filosofo che non mi curi della vita, mi vedo forzato a star lontano dall'amor mio che è lo studio. [...] Perché ora, cosa diabolica!, amo più il dormire che il vegliare. [...] L'altra cosa che mi fa infelice è il pensiero. Io credo che voi sappiate [...] in che modo il pensiero possa cruciare e martirizzare una persona che pensi alquanto diversamente dagli altri, quando l'ah in balia. [...] A me il pensiero ha dato per lunghissimo tempo e dà tali martirii, per questo solo che m'ha avuto sempre e m'ha intieramente in balia",

so der Dichter in einem seiner ersten Briefe an Pietro Giordani (8. August1817). Und ein halbes Jahr später:

Quanto alla necessità di uscire di qua; con quel medesimo studio che m'ha voluto uccidere, con quello tenermi chiuso a solo a solo, vedete come sia prudenza, e lasciarmi alla malinconia, e lasciarmi a me stesso che sono il mio spietatissimo carnefice"37 .

Noch ein halbes Jahr später muß Leopardi wieder feststellen:

Ma quanto a me non ti dare altro pensiero che d'amarmi, giacché in questo è collocata la mia consolazione e nella speranza della morte che mi pare la sola uscita di questa miseria. [...] Poich'il trovar da vivere a primo tratto uscendo di qua, non è cosa possibile, come voi mi fate certo, assicuratevi ed abbiate per articolo di fede ch'io mai e poi mai non uscirò di Recanati altro che mendicando, prima della morte di mio padre, la quale io non desidero avanti la mia.38

Und gleich nach dem fehlgeschlagenen Fluchtversuch:

Aggiungete le infinite e micidiali malinconie inevitabili nel mio carattere e in una vita come quella ch'io son costretto a menare. Le quali mi rovinano la salute in modo che qualunque male mi sopravvenga una volta, non mi parte mai più, per la somma forza di un animo tutto angustiato e ristretto nella sua tristezza, sopra un corpo debolissimo e travagliato.39




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Tatsächlich sollte sich Leopardis unbehagliche Lage eben infolge seines mißlungenen Fluchtplans, auf den er offensichtlich all seine Hoffnungen gesetzt hatte, und der daraus entstandenen tiefen Enttäuschung derartig zuspitzen, daß ihm zum ersten Mal seine Situation wahrhaft hoffnungs- und aussichtslos schien. Seine Briefe aus dieser Zeit enthalten einige der deutlichsten Hinweise auf die Erschöpfungsdepression, in die er nunmehr geraten war.

Questa è la prima volta che la noia non solamente mi opprime e stanca, ma mi afanna e lacera come un dolor gravissimo; e sono così spaventato della vanità di tutte le cose, e della condizione degli uomini, morte tutte le passioni, come sono spente nell'animo mio che ne vo fuori di me, considerando ch'è un niente anche la mia disperazione.40

Anstelle der früheren Hoffnungen auf Entfaltung und unabhängige Selbstentwicklung beziehungsweise des Bestrebens, den lang ersehnten Ruhm zu erlangen, treten nun ein Gefühl der Gleichgültigkeit dem Leben gegenüber41, der Resignation vor dem bitteren Schicksal42, der Verbitterung über ein grausames Leben43 und eine tiefe Einsamkeit44. Leopardis pessimistischster Erkenntnis steht nichts mehr im Wege:

Cului che disse che la vita dell'uomo è una guerra, disse almeno tanto gran verità nel senso profano quanto nel sacro. Tutti noi combattiamo l'uno contro l'altro e combatteremo fino all'ultimo fiato, senza tregua, senza patto, senza quartiere. Ciascuno è nemico di ciascuno, e dalla sua parte non ha altri che se stesso.45

Einziger Trost: Wahre Freundschaft (Giordani, Ranieri).

Völlig verschieden hingegen klingen Leopardis Briefe aus Rom, der Stadt, in der er sich dank der wirksamen Überzeugungskraft seines Onkels und der darauf zurückzuführenden Sondergenehmigung des Vaters vom 23. November 1822 bis Ende April 1823 aufhielt. Den meisten Raum in ihnen nehmen nämlich vor allem die bekanntlich eher enttäuschenden Eindrücke der ewigen Stadt auf den jungen Dichter ein sowie dessen Hoffnungen auf eine mögliche Anstellung, der einzige Weg, um dem Käfig von Recanati endgültig zu entkommen, und schließlich die Sehnsucht nach seinem geliebten Bruder Carlo, weil "la lontananza ravviva in qualche modo le affezioni o sopite o spente"46 .

Auch erscheinen hier die von Leopardi beklagten körperlichen Beschwerden weniger depressions- als eher saisonbedingt47. Doch kaum nach Hause zurückgekehrt, nimmt das Leben wieder die gewohnten grauen Formen an:

Je vis ici comme dans un ermitage: mes livres et mes promenades solitaires occupent tout mon temps. Ma vie est plus uniforme que le mouvement des astres, plus fade et plus insipide que les parole de notre Opéra.48

So muß Leopardi wieder zur Kenntnis nehmen:

La mia salute è ridotta in grado tale, ch'io non posso fissar la mente in una menoma applicazione, neppure per un istante, senza che lo stomaco vada sossopra immediatamente, come mi accade appunto adesso, per la sola applicazione di scrivere questa lettera. E quanto al futuro, non ardisco più formare alcun progetto"49




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Daß das unbefriedigende und aussichtslose Leben in der Provinzstadt auf irgendeine Weise in Verbindung mit Leopardis seelischem Unbehagen stehen könnte, vermutete mehr als nur ein Korrespondent: So beispielsweise empfahl ihm Pietro Giordani wiederholt, stark zu sein und auf den günstigen Moment zu warten, während der Onkel Carlo Antici versuchte, seinem Neffen gerade diesen Gedanken auszureden und ihn sogar von dem großen Glück zu überzeugen, in Recanati leben zu dürfen. Eine gewisse, wenn auch nur leichte Verbesserung des Gesundheitszustandes von Leopardi konnte jedoch erst im Juli 1825 wieder gemeldet werden, diesmal aus Bologna.50 Abgesehen von körperlichen, wetter- und klimabedingten Beschwerden, über die sich der Dichter sein ganzes Leben lang beklagte, werden fern dem erstickenden Leben von Recanati die für einen depressiven Dauerzustand sprechenden Symptome wie anhaltende Melancholie, seelische Bedrücktheit und Antriebsverlust de facto seltener gemeldet, als wenn sich der Dichter in seiner Geburtsstadt aufhält. Daß dieses Phänomen viel mehr in Verbindung mit der Entfernung aus Recanati als mit dem jeweils neuen Aufenthaltsort gebracht werden muß, zeigen Leopardis kritische Urteile über die meisten Städte, in denen er sich länger aufhielt. Paradoxerweise treten gerade aus der Entfernung von zu Hause eine starke Sehnsucht nach der Familie51 und eine brennende, unverhohlene Neugier auf eventuelle neue Ereignisse im sonst für viel zu monoton gehaltenen Leben in der Provinzstadt ein. Doch den Dichter erwarteten in Recanati wieder bedrückte Stimmung und eine vitale, Psyche und Soma erfüllende Traurigkeit. So meldet er erneut: "Sono risoluto [...] di pormi in viaggio per cercare salute o morire, e a Recanati non tornare mai più."52

Nun ist zweifellos über Leopardis gestörte Beziehung zu seiner Sadt viel geschrieben worden, so daß sie längst kein Geheimnis mehr ist und zu den festen Bestandteilen seines biographischen Profils gehört. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung aber soll die Aufmerksamkeit besonders auf einen bestimmten Aspekt dieses unbehaglichen Verhältnisses gerichtet werden, indem davon ausgegangen wird, daß gerade für einen wißbegierigen und ehrgeizigen Geist wie Leopardi, der ausschließlich die Lyrik und den literarischen Ruhm zu seinem Lebensinhalt gemacht hatte, das unbefriedigende geistige Leben und die kleinliche, mittelmäßige Mentalität der Provinzstadt in Verbindung mit dem erstickenden Klima bei den Eltern einen ausgesprochen fruchtbaren Boden für eine depressive Persönlichkeitsentwicklung und das damit verbundene seelische Unbehagen boten. In dieser Hinsicht ist die deutliche Zunahme der depressiven Züge in seinen Briefen aus Recanati beziehungsweise deren Seltenheit in der restlichen Korrespondenz keine große Überraschung. Zwar weisen auch diese Briefe gelegentliche Anzeichen eines depressiven Tiefs auf, doch ist dies in der Regel auf den immer schlechter werdenden Gesundheitszustand des Absenders und das regelmäßige Scheitern jeglichen Versuchs, durch eine geeignete Anstellung unabhängig von zu Hause zu werden, zurückzuführen. "Io ho grandissimo, forse smoderato e insolente desiderio di gloria" teilte entschlossen ein neunzehnjähriger Leopardi seinem besten Freund mit.53 Doch das monotone Leben in Recanati (so weit entfernt von Italiens damaligen Kulturzentren), die finanzielle Abhängigkeit von seinen Eltern und vor allem deren konservative, ja bornierte Mentalität sollten sich auf das seelische Gleichgewicht des Dichters nicht gerade fördernd auswirken. Wie oft beklagt sich Leopardi in seinen Briefen über diese unerträgliche Situation, über jene "catene domestiche ed estranee", die ihn an seinen Kerker fesselten und seinen Geist erstickten:

Di Recanati non mi parli. M'è tanto cara che mi somministrerebbe le belle idee per un trattato dell'Odio della patria, per la quale se Codro non fu timidus mori, io sarei timidissimus vivere. Ma mia patria è l'Italia per la quale ardo d'amore, ringraziando il cielo d'avermi fatto italiano.54




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Neben dem unbefriedigenden Leben in Recanati lag das größte Hindernis für eine ausgeglichene und harmonischere Persönlichkeitsentwicklung des Dichters gewiß in dessen mangelhaftem, gestörtem Verhältnis zu seinem Vater, von dem er sich – zumindest auf geistiger Ebene – mehr und mehr distanzierte.

Il rapporto che corre tra Monaldo e Giacomo sul piano sentimentale e familiare è identico a quello che corre tra Monaldo e il popolo sul pino politico e sociale. In ambedue i casi le esigenze complesse e profonde della vita stanno di fronte ad un'incomprensione totale dovuta non già a malafede o a cattiveria bensì alle esigenze non meno sentite di quella che potremmo chiamare la non vita.55

Zwar sollten die psychologischen Folgen der äußerst kühlen, distanzierten Beziehung von Adelaide Antici zu ihrem 'Mucciaccio' nicht unterschätzt werden, doch wesentlich schwerwiegender scheint die von Monaldo gespielte Rolle beim Nichtzulassen beziehungsweise Hindern oder Verschieben jeglicher, wenn auch geringen oder rein theoretischen, Möglichkeit für den Sohn, fern von zu Hause finanziell (und geistig) unabhängig zu werden und sich dadurch als autonome Persönlichkeit entwickeln zu können. Dieses besitzergreifende Verhalten von Monaldo gegenüber seinen Kindern folgte nicht nur aus den einfachen Verhältnissen der Familie, sondern – psychologisch gesehen – viel mehr aus der großen Angst eines alten Reaktionärs, die eigenen Kinder wegen der Emanzipation durch neue, befreiende Ideen zu verlieren. Ein Paradebeispiel dafür liefert die Beurteilung, die Monaldo über den Einfluß von Pietro Giordani auf seine Kinder nach dessen Besuch in Recanati gab:

La venuta sua fu l'epoca in cui i figli miei cangiarono pensieri e condotta ed io forse li perdetti allora per sempre. Fino a quel giorno mai, letterarmente mai, erano stati un'ora fuori dell'occhio mio, e della madre. [...] Coll'occasione della letteratura [Giordani] ha suggerito e favorito la corrispondenza di Giacomo con molti letterati d'Italia. Fra questi vi sono spiriti pericolosi, inquieti. Il fatto sta che alla venuta di Giordani i miei figli cambiarono natura. Mi rispettano perché sono educati, e perché mi farei rispettare se nol facessero, ma non mi danno veruna soddisfazione. Abboriscono la patria che ogni uomo onesto deve amare e servire qualunque essa sia, e quale gli è stata destinata dalla provvidenza; aborriscono quasi la casa paterna, perchée in essa si considerano estranei e prigionieri, e forse abboriscono me che con un cuore troppo pieno di amore per tutti, sono dipinto nella loro immaginazione corrotta come un tiranno inesorabile.56

Diese – psychoanalytisch betrachtet – für zwanghafte Persönlichkeitsstrukturen so typische Urangst lag vielen Erziehungsmaßnahmen und wichtigen Entscheidungen zugrunde, wie etwa dem wiederholten Verbot von Reisen oder der Behinderung von Kontakten durch Briefzensur. Gerade derartige väterliche Eingriffe in Giacomos Leben bildeten oft den Hintergrund für dessen reaktive Depression, die so viele Spuren in seiner Korrespondenz hinterlassen hat. Dabei denken wir vor allem an das Klima von seelischer Unterdrückung und mehr oder weniger offensichtlicher moralischer Erpressung, dem der heranwachsende Giacomo und seine Geschwister für viele Jahre ausgesetzt waren und auf das er in seinen Briefen immer wieder hinwies. Ein beredtes Zeugnis für "questa misera condizione" stellen die zwei Briefe an Carlo und Monaldo dar, die Giacomo am Vorabend jenes Fluchtversuchs schrieb, dessen Scheitern ihn in die vielleicht tiefste Depression seines Lebens versetzen sollte. Besonders der Brief an den Vater ist ein verzweifeltes j'accuse gegen jene "prudenza, astinenza da ogni piacer giovanile, ubbidienza e sommissione ai suoi genitori", welche die Jugendjahre des Dichters so stark geprägt hatten57 und denen er sich widerwillig beugen mußte, obwohl es ihm nie völlig gelungen war. Der darin erhobene Vorwurf gegen Monaldo ist eindeutig und unwiderruflich:

Ella esigeva da noi due il sacrificio non di roba né di cuore, ma delle nostre inclinazioni, della gioventù, e di tutta la nostra vita. [...] Ella lasciava per tanti anni un uomo del mio carattere, o a consumarsi affatto in studi micidiali, o a seppellirsi nella più terribile noia, e per conseguenza, malinconia, derivata dalla necessaria solitudine, e dalla vita affatto disoccupata.




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Gerade dieser sture, verständnislose Umgang Monaldos mit seinen Kindern hatte den Dichter dazu bewogen, an seinem Vater als anregender und entfaltungsfördender Bezugsperson stark zu zweifeln und sich von ihm zu distanzieren.

Das Unbehagen einer solchen Vater-Sohn-Beziehung und die Stumpfheit des Lebens in einem unbedeutenden Nest konnten keinesfalls spurlos an Giacomo vorbeigehen. So sind die vielen Hinweise auf Einsamkeit und Melancholie und die häufigen depressiven Züge in seinen Briefen ein sehr bedeutendes Zeichen für seinen Kampf, die "catene domestiche ed estranee" endlich und endgültig zu sprengen. Schließlich erhält auch die Krankheit (wie wir gesehen haben, ein sehr wichtiges Leitmotiv in der Korrespondenz Leopardis) angesichts des depressiven Verhaltensmusters, das eine andauernde Konfrontation mit einer derartigen unterdrückenden Konfliktsituation auslösen kann, eine tiefere, symbolische Bedeutung als 'Ort' von Zuflucht und Befreiung.

Wie man sieht, bietet die Berücksichtigung des depressiven Aspekts in Leopardis Briefwechsel viele Ansätze zu einer wichtigen Seite seines Profils und kann somit zu einem tieferen Verständnis seiner Seele und darüber hinaus einer vollständigeren Lektüre seiner Werke entscheidend beitragen.



Anmerkungen


1 Wenn man von den 13 Briefen von Leopardi an Puccinotti, die 1842 von Francesco Torricelli di Fossombrone in seiner Antologia herausgegeben wurden, absieht, gilt als erste größere, wenn auch weitaus unvollständige Briefsammlung, das zweibändige, von Prospero Viani 1849 bei Le Monnier herausgegebene Epistolario di Giacomo Leopardi con le iscrizioni greche triopee da kui tradotte e le lettere di Pietro Giordani e Pietro Colletta all'Autore (S. XII-480; 415).

2 Angesichts der ständigen Notwendigkeit, Leopardis Briefwechsel nach der jeweiligen Entdeckung und Veröffentlichung einzelner Briefe von ihm oder an ihn zu ergänzen und neu zu bearbeiten, ist seine Geschichte besonders reich an Beiträgen und Neuauflagen. Hier seien lediglich die wichtigsten Sammlungen erwähnt: Appendice all'epistolario e agli scritti giovanili di Giacomo Leopardi, a compimento delle edizioni fiorentine, herausg. von Prospero Viani, G. Barbera, Florenz 1878, S. LXXXVI-258. Nuovi documenti intorno alla vita e agli scritti di Giacomo Leopardi, herausg. von Giuseppe Piergili, Le Monnier, Florenz 1882, S. LXXXVI-300 (Briefe S. 165-233). Epistolario di Giacomo Leopardi, herausg. von Prospero Viani [aber in Wirklichkeit Piergili], Le Monnier, Florenz 1892, Bd. 3, S. IV-567; 519;442. Epistolario di Giacomo Leopardi. Nuova edizione ampliata con le lettere dei corrispondenti e con note illustrative, herausg. von Francesco Moroncini, Le Monnier, Florenz 1934, Bd. 2, S. XXVII-335.

3 Vgl. z.B. Moroncini, S. VII: "Quando nel 1849 comparve in pubblico, a cura di Prospero Viani, la prima grande raccolta delle lettere di Giacomo Leopardi, si destò negli studiosi del Recanatese un senso di grata meraviglia, come davanti a una rivelazione dell'uomo, la quale veniva a illuminare stupendamente lo scrittore, già ammirato in Italia e fuori, ma non ancora a fondo conosciuto nella sua complessa psiche; nello stesso modo che una meraviglia non minore e non minore profitto doveva procurare, cinquant'anni dopo, la scoperta di quella feconda miniera di pensieri, soliloqui e documenti che fu lo Zibaldone".

4 So ist es beispielsweise der Viani-Ausgabe der Briefe und den Nuovi documenti von Giuseppe Piergili zu verdanken, daß man nunmehr über genügend unwiderlegbare Beweise verfügt, um das von Antonio Ranieri vor und in seinem Sette anni di sodalizio gezeichnete Porträt des Dichters endgültig als falsch abzulehnen.

5 Moroncini, S. XVII-XVIII.




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6 Moroncini, S. VIII-IX.

7 Außerdem ist es gerade dieser Gewohnheit des Dichters zu verdanken, daß viele Briefe von ihm, von denen wir heute kein Original, sondern nur eine eigenhändige Kopie besitzen, doch nicht verloren gingen.

8 Vgl z.B. C. Molinari, "Epistolario e Operette Morali: Tracce di un nuovo itinerario leopardiano", in: Filologia e critica, VIII., Nr. I., Mai-Aug. 1983, S. 178-196.

9 Hervorragende Beispiele für einen derartigen Ansatz zu einer Biographie Leopardis bieten u. a. folgende Werke: G. Leopardi. Storia di un'anima. Scelta dall'epistolario, herausg. von U. Dotti, Rizzoli, Mailand 1982 (1987), S. 589. Leopardi. La vita e le lettere, herausg. von N. Naldini, Garzanti, Mailand 1983, S. CX-594.

10 Molinari, S. 180.

11 Allerdings nicht einstimmig, wenn Momigliano meint, daß "il Leopardi toccò poche corde del suo intimo". Naldini, S. VII.

12 "Le lettere nascono da rapporti familiari e di amicizia o sono provocate, nel folto orizzonte degli altri corrispondenti, da scopi e necessità pratiche. [...] Resta la folta somma di notizie biografiche che l'epistolario contiene, ma si tratta in gran parte di confessioni d'infelicità, di sfoghi, di rimpianti, in un fitto alternarsi tra momenti di fredda razionalità e improvvisi abbandoni del cuore". Naldini, S. VII.

13 "La Marca è la più ignorante ed incolta provincia dell'Italia, [...] la mia città è la più incolta e morta di tutta la Marca". Brief an P. Brighenti vom 28.4.1820.

14 "Perché le nostre massime sono opposte". Brief an S. Broglio D'Ajano vom 13.8.1819.

15 "Pel mio Giordani io mi getterei nelle fiamme". Brief an P. Brighenti vom 21.4.1820.

16 "Voglio piuttosto essere infelice che piccolo". Brief an M. Leopardi o.D. [aber Ende Juli 1819]. "Voglio alzarmi e farmi grande ed eterno coll'ingegno e collo studio". Brief an P. Giordani vom 26.9.1817.

17 "L'aspetto miserabile, e dispregevolissima tutta quella gran parte dell'uomo, che è la sola a cui guardino i più; [...] e non solamente i più ma chichessia [...] quasi non ha il coraggio d'amare quel virtuoso in cui niente è bello fuorché l`anima." Brief an P. Giordani vom 2.3.1818.

18 "Prego V.S. che non pensi a me se non come all'uomo il più disperato che si trovi in questa terra, e che non è lontano altro che un punto dal sottrarsi per sempre alla perpetua infelicità di questa mia maledetta vita". Brief an P. Brighenti vom 7.4.1820.

19 "Tema centrale dell'epistolario, distribuito, sia pure in parti diverse, fra tutti i corrispondenti, è quello della propria malattia. [...] L'epistolario, di questo aspetto dell'esistenza di Leopardi, fornisce un quadro clamoroso e ossessionante". Naldini, S. XI.

20 Vgl. Brief an A. Tommasini vom 31.1.1828: "Questi miei nervi non mi lasciano più speranza; né il mangiar poco, né il mangiar molto, né il vino, né l'acqua, né il passeggiare le mezze giornate, né lo star sempre in riposo, insomma nessuna dieta e nessun metodo mi giova. Non posso fissare la mente in un pensiero serio per un solo minuto, senza sentirmi muovere una convulsione interna, e senza che lo stomaco mi si turbi, la bocca mi divenga amara, e cose simili".

21 "Il frutto delle mie fatiche è l'esser disprezzato in maniera straordinaria alla mia condizione, massimamente in un piccolo paese. Dopo che tutti mi hanno abbandonato, anche la salute ha preso piacere di seguirli". Brief an P. Brighenti vom 21.4.1820.

22 "Io so dunque e vedo che la mia vita non può essere altro che infelice". Brief an P. Giordani vom 2.3.1818.




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23 Vgl. z.B. Brief an P. Brighenti vom Juni 1829: "Della mia salute e del mio stato permettimi ch'io non dica nulla".

24 In: Naldini, S. XI.

25 S. Timpanaro, Classicismo e illuminismo nell'Ottocento italiano, Nistri-Lisci, Florenz 1965, S. 157-158.

26 Vgl. z.B. Brief an S. Broglio vom 13.8.1919.

27 Brief vom 19.6.1830.

28 Brief DCCVII in: Moroncini, Bd. III.

29 Man stolpert so oft in Leopardis Briefen über derarige Beschwerden, daß man bei der Quellenangabe lediglich die Qual der Wahl hat. Vgl. z.B. den Brief an P. Giordani vom 21.6.1819: "Da Marzo in qua mi perseguita un'ostinatissima debolezza de'nervi oculari che m'impedisce non solamente ogni lettura, ma anche ogni contenzione di mente", den Brief an P. Giordani vom 30.6.1820: "Anche oggi io mi sento il cuore come uno stesso o uno spino", den Brief an C. Bunsen vom 16.11.1825: "Alle altre mie disgrazie si è aggiunta ora una malattia intestinale". Dazu Bandinis Meinung: "Il discorso sul proprio corpo diventa più ossessivo quando Leopardi parla dei suoi dolori al basso ventre, delle sue 'sciolte' alternate alle stitichezze". Vgl. Naldini, S. XII. Vgl. außerdem: Brief an P. Giordani vom 19.11.1819: "Gli studi che tu mi solleciti amorosamente a continuare, non so da otto mesi in poi che cosa sieno, trovandomi i nervi degli occhi e della testa indeboliti in maniera, che non posso non solamente leggere né prestare attenzione a chi mi legga checché si voglia, ma fissar la mente in nessun pensiero di molto o poco rilievo". Brief an P. Giordani vom 26.7.1819: "Mi conforti ch'io non lasci gli studi. Ma sono quattro mesi che m'hanno lasciato essi per debolezza d'occhi, e la mia vita è spaventevole". Brief an P. Giordani vom 13.7.1821: "Io per lunghissimo tempo ho dovuto dolermi di avere un cervello dentro al cranio, perché non poteva pensare di qualunque menomo nulla, né per quanto breve spazio si voglia, senza contrazione e dolore de'nervi. Ma come non si vive se non pensando, così mi doleva che dovendo pur essere, non fossi pianta o sasso o qualunque altra cosa non ha compagno dell'esistenza il pensiero. Taccio poi degli occhi, i quali m'aveano ridotto alla natura de'gufi, odiando e fuggendo il giorno". Brief an A. Tommasini vom 30.11.1828: "La mia salute è sempre nel medesimo stato: difficoltà estrema di digerire, e impossibilità di applicare, che ne è la conseguenza".

30 Vgl. Brief an P. Brighenti vom 21.4.1820: "E'tempo di morire. E'tempo di cedere alla fortuna; la più orrenda cosa che possa fare il giovane, ordinariamente pieno di belle speranze, ma il solo piacere che rimanga a chi dopo lunghi sforzi, finalmente s'accorga d'esser nato colla sacra e indelebile maledizione del destino". Außerdem Brief an P. Giordani vom 5.1.1821: "Non vorrei vivere, ma dovendo vivere, che giova ricalcitrare alla necessità". Ferner in Zibaldone 505-506 (15.1.1821): "Concepiva un desiderio ardente di vendicarmi sopra me stesso e colla mia vita della necessaria infelicità inseparabile dall'esistenza mia, e provava una gioia feroce ma somma nell'idea del suicidio". Zu den gestörten Antriebsfunktionen s. Brief an P. Giordani vom 6.3.1820: "Ora sono stecchito e inaridito come una canna secca, e nessuna passione trova più l'entrata di questa povera anima".

31 Vgl. Brief an P. Giordani vom 30.6.1820: "[...] debolezza somma di tutto il corpo e segnatamente dei nervi, e totale uniformità, disoccupazione e solitudine forzata, e nullità di tutta la vita". Brief an G. Perticari vom 30.3.1821: "La debolezza del corpo, la malinconia profondissima e perpetua dell'animo [...] e le facoltà del cuore, anch'esse poco meno che spento col vigore del corpo e colla speranza di qualunqua felicità; questi sono i premi che ho conseguiti con le mie sventuratissime fatiche". Brief an C. Leopardi vom 6.1.1826: "La malinconia, che spesso mi prende qui come a Recanati, ha ora per me un carattere più nero di prima". Außerdem Brief an P. Giordani vom 19.11.1819: "Sono così stordito [...] se in questo momento impazzissi, io credo che la mia pazzia sarebbe di seder sempre cogli occhi attoniti, colla bocca aperta, colle mani tra le ginocchia, senza né ridere né piangere, né muovermi altro che per forza dal luogo dove mi trovassi. non ho più lena di concepire nessun desiderio, neanche della morte, non perché io la tema in nessun conto, ma non vedo più divario tra la morte e questa mia vita". Brief an C. Leopardi vom 25.11.1822: "Carlo mio. Se tu credi che quegli che ti scrive sia Giacomo tuo fratello, t'inganni assai, perché questi è morto o tramortito, e in sua vece resta una persona che a stento si ricorda il suo nome. [...] In somma io sono in braccio di tale e tanta malinconia, che di nuovo non ho altro piacere se non il sonno: e questa malinconia, e l'essere sempre esposto al di fuori, tutto al contrario della mia antichissima abitudine, m'abbatte, ed estingue tutte le mie facoltà in modo ch'io non sono più buono da niente, non ispero più nulla, voglio parlare e non so che diavolo mi dire, non sento più me stesso e son fatto in tutto e per tutto una statua".




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32 Spätestens seit dem Erscheinen der sich auf Cesare Lombroso berufenden Literaturkritik, die nach den psychosomatischen Wurzeln der pessimistischen Weltanschauung Leopardis ("prodotto specifico della sua [Leopardis] biopsicologia") suchte, soll jeder Leopardi-Forscher und Literaturkritiker davor gewarnt sein. Außerdem war selbst dem Dichter die mögliche Gefahr einer derartigen Fehlinterpretation durchaus bewußt. Vgl. dazu Brief an L. De Sinner vom 24.5.1832.

33 Naldini, S. XXXVII-XXXVIII.

34 Brief an M. Leopardi vom 25.1.1826. Vgl. außerdem Brief an C. Bunsen vom 1.2.1826: "Tuttavia, la mia guarigione non essendo punto disperata, ed i medici promettendomi che a primavera io sarò ristabilito e migliorato assai ...".

35 Dabei handelt es sich um Stellen, in denen sich Leopardi über den Winter und dessen verheerende Folgen auf seinen Gesundheitszustand beklagt, und die also indirekt als Freude auf den bevorstehenden Frühling verstanden werden können. Vgl. z.B. Brief an F. Maestri vom 6.2.1829: "La mia salute inferma richiede certe comodità di vita che ad altri non bisognerebbero, e specialmente dovrei spendere più che un altro per custodirmi dal freddo, il quale costì è lungo, e riuscirebbe grande a me che sono assuefatto ai climi più dolci. E in questi ancora, l'inverno è per me un pericolo continuo e prossimo di malattia grave". Aber auch die Ausnahme eines milden Winters kann die Regel bestätigen: "Qui l'inverno è stato non solamente mite, ma tale che non meritava questo nome. Io non me ne sono accorto, e a dirvi il vero, non finirò mai di lodarmi di questo benedettissimo clima di Pisa, che mi par proprio un paradiso ogni giorno di più".

36 Auch: "Questo infame paese, sepoltura di vivi". Vgl. Brief an G. Tommasini vom 30.1.1829.

37 Brief an P. Giordani vom 2.3.1818.

38 Brief an P. Giordani vom 26.4.1819.

39 Brief an S. Broglio D'Ajano vom 13.8.1819.

40 Brief an P. Giordani vom 19.11.1819.

41 "Era un tempo che la malvagità umana e le sciagure della virtù mi muovevano a sdegno, e il mio dolore nasceva dalla considerazione della scelleraggine. Ma ora io piango l'infelicità degli schiavi e de'tiranni, degli oppressi e degli oppressori, de'buoni e de'cattivi, e nella mia tristezza non è più scintilla d'ira, e questa vita non mi par più degna d'essere contesa". Brief an P. Giordani vom 17.12.1819.

42 "L'animo dopo lunghissima e ferocissima resistenza, finalmente è soggiogato, e ubbidiente alla fortuna". Brief an P. Giordani vom 5.1.1821.

43 "La fortuna ha condannato la mia vita a mancare di gioventù: perché dalla fanciullezza io sono passato alla vecchiezza di salto, anzi alla decrepitezza sì del corpo come dell'animo. Non ho provato mai da che nacqui un diletto solo; la speranza alcuni anni, da molto in qua neppur questa". Brief an G. Perticari vom 30.3.1821.

44 "Il mondo è fatto così, e non come ce lo dipingevano a noi poveri fanciulli. Io sto qui, deriso, sputacchiato, preso a calci da tutti, menando l'intera vita in una stanza, in maniera che, se vi penso, mi fa raccapricciare". Brief an P. Brighenti vom 22.6.1821.

45 Ibidem.

46 Brief an C. Leopardi vom 22.1.1823.




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47 So z.B. die Frostbeulen, die den Dichter zu "duecent'ore giuste di letto" zwangen. S. Ibid.

48 Brief an A. Jacopssen vom 23.6.1823.

49 Brief an C. Antici vom 5.3.1825.

50 Vgl. Brief an M. Leopardi vom 22.7.1825.

51 "Per l'indicibile sollecitudine che ho d'ogni cosa loro. In questa mia lontananza, che mi riesce sempre più amara". Brief an M. Leopardi vom 28.8.1828. Vgl. auch Brief an M. Leopardi vom 7.9.1825: "Finalmente [...] ho ricevuto nuove di casa mia per mezzo della cara sua del 30 Agosto. Ella s'immagini che consolazione fosse questa per me, che passai quella sera quasi in festa. Mi pareva di trovarmi quasi in mezzo alla mia famiglia, l'amore verso la quale è anche accresciuto in me dalla lontananza".

52 Brief an P. Vieusseux vom 21.3.1830. Vgl. auch Brief an A. Maestri vom 31.12.1828 "Quanto a Recanati, vi rispondo ch`io ne partirò, ne scoppierò, ne fuggirò subito ch'io possa: ma quando potrò!".

53 Brief an P. Giordani vom 21.3.1817.

54 Brief an P. Giordani vom 21.3.1817.

55 A. Moravia, L'uomo come fine, Bompiani, Mailand 1976, S. 76.

56 Brief von Monaldo Leopardi an P. Brighenti vom 3.4.1820.

57 Vgl. Brief an M. Leopardi vom Ende Juli 1819.