Giusto Fiammingo (1597 - 1681)
Tod des Sokrates
Inv. Nr. 449

Das Gemälde mit der Darstellung des "Sokrates" wurde zunächst der Schule Caravaggios zugeordnet. Jacques Thuillier (1958) glaubte in dem Bild die Hand des Vouet-Schülers Rémy Vuibert (1607-1651) zu erkennen und Roberto Longhi brachte es mit einem unbekannten Meister in Verbindung, der eine Darstellung mit einer Gruppe von sechs Engeln schuf, die in der Galleria Pallavicini in Rom aufbewahrt wird. Luigi Salerno (1960) konnte anhand des aufgefundenen Inventars des Marchese Vincenzo Giustiniani (1638) den Maler Giusto Fiammingo (bzw. den flämischen Maler Justus Sustermans) als Autor des Bildes vorschlagen. Nr.158: "Un quadro sopraporto grande con la morte di Socrate dipinta in tela alta palmi 8 lar. 10 e -senza cornice si crede di mano di Giusto fiammingo". Es hing in der "stanza grande" ebenso als Sopraporte wie Poussins (1594-1655) prominenter "Bethlehemitischer Kindermord", das heute im Musée Condé in Chantilly zu sehen ist, der "Tod Ciceros" von François Perrier (1590-1659), jetzt im Schloß von Bad Hornburg von der Höhe sowie der "Tod des Seneca" von Joachim von Sandrart (1606-1688), das wie der hier gezeigte "Tod des Sokrates" zu den Verlusten der Berliner Museen gehört.

Der gebürtige Antwerpener Maler Justus Sustermans gelangte nach einer Ausbildung bei Willem De Vos (tätig 16.-17. Jh.) und bei Frans Pourbus d.J. (1569-1622) in Paris 1620 nach Florenz, wo er unter dem Namen Giusto Fiamminghi vor allem als Porträtist wirkte. In der Arno-Stadt wurde er zum Hofmaler Cosimo II. Medici ernannt. 1627 gelangte er durch Papst Urban VIII. Barberini nach Rom, wo er einige Jahre blieb. Während dieses Aufenthaltes muß der hier gezeigte "Tod des Sokrates" entstanden sein. Das Bild schildert die Dramatik des Geschehens in einer spannungsvollen, von Caravaggio inspirierten Lichtinszenierung. Sokrates sitzt entkleidet, nur von einem Lendentuch bedeckt, auf seinem Lager, um selbstbewußt und entschlossen den mit Gift gefüllten Becher in Empfang zu nehmen. Im Schatten des Hintergrundes beklagen die um ihn versammelten Schüler den Entschluß des Meisters, während rechts seine Frau und Angehörige mit ihren Kindern den Schauplatz entsetzt verlassen. Das Sujet, die Komposition, wie auch die Dramaturgie und nicht zuletzt die Maße weisen auffällige Parallelen zum "Tod des Seneca" von Joachim von Sandrart (siehe Kat.Nr. 445) auf, so daß wohl beide Bilder von dem Marchese Vincenzo Giustiniani in Auftrag gegeben sein dürften, zumal, wie bereits oben erwähnt, beide als Sopraporten fungierten.

Hans-Ulrich Kessler