Vortrag
Christoph M. Vogtherr (Potsdam)
Die Erwerbungen
Friedrich Wilhelms III. für die Berliner Museen und die königlichen
Sammlungen
(ca 25 min.)
Vortragstext (überarbeitete
Fassung)
Die Sammlung Giustiniani zumindest
ein wesentlicher Teil wurde 1815 vom preußischen König Friedrich Wilhelm
III. in Paris für das zukünftige königliche Kunstmuseum erworben.
Sie spielt seit dieser Zeit eine besondere Rolle auch für die Frühgeschichte
der europäischen Kunstmuseen. Mit ihr begann in Preußen eine dichte
Folge von Erwerbungen direkt für das Berliner Museum, die über 15 Jahre
bis zur Eröffnung des später so genannten Alten Museums 1830 anhielt.
Die meisten von ihnen wurden von Friedrich Wilhelm III. genehmigt, doch nur wenige
von ihm initiiert zu diesen Ausnahmen gehört allerdings gerade die Sammlung
Giustiniani. Bei ihrem Ankauf handelte es sich um einen ungewöhnlichen Schritt,
entsprach diese Sammlung doch keineswegs besonderen Geschmacksvorlieben der Zeit.
Das Merkwürdige dieser Erwerbung übersieht man aus heutiger Perspektive
leicht, ist die Bedeutung der Sammlung für uns doch offensichtlich. Die
persönliche Initiative Friedrich Wilhelms III. beim Ankauf der Sammlung Giustiniani
ist belegt. Dieser Beitrag versucht, den Anteil des preußischen Königs
an der Erwerbung genauer zu untersuchen und zu erklären. Er will die Haltung
des Königs gegen eine im Entstehen begriffene Expertenkultur abgrenzen, die
in Berlin um die Wende zum 19. Jahrhundert die Betrachtung historischer Kunst
radikal veränderte. Es ist dabei eine inhaltliche und organisatorische Ablösung
der neu entstehenden Institution Museum vom Hof zu beobachten und
damit parallel auch eine wachsende Kluft zwischen höfischem und "kunsthistorischem"
Geschmack. Die Erwerbung der Sammlung Giustiniani für Preußen muß
natürlich im Kontext der Berliner Museumsplanungen gesehen werden. Sie hat
ihre Wurzeln in der Reform der Akademie der Künste, die Minister von Heinitz
seit 1786 betrieb. 1797 schlug der Archäologe Aloys Hirt das erste Mal ein
solches Museum vor und arbeitete im folgenden Jahr einen umfassenden Plan aus.
Daraus folgten wegen des Regierungswechsels zu Friedrich Wilhelm III. keine konkreten
Schritte. Das Geschehen verlagerte sich zunächst zur königlichen Kunstkammer,
deren zielstrebig vorangetriebene Systematisierung ein neues Sammlungsverständnis
spiegelte. Mit der Entführung zahlreicher Kunstwerke nach Paris durch die
französische Armee erreichte auch diese Initiative erst einmal ihr Ende.
Ein neuer Anlauf wurde erst 1815 genommen, als die Kunstwerke aus königlich
preußischem Besitz nach Berlin zurückkehrten. Ein wesentlicher Teil
dieser Werke wurde im Akademiegebäude öffentlich ausgestellt. Dazu erschien
ein Katalog, das "Verzeichniß von Gemälden und Kunstwerken, welche
durch die Tapferkeit der vaterländischen Truppen wieder erobert worden und
auf Verfügung eines Hohen Ministerii des Innern in den Sälen der königl.
Akademie der Künste zu Gunsten der verwundeten Krieger des Vaterlandes vom
4ten Oktober an [
] öffentlich ausgestellt sind". Schon aus diesem Titel
wird deutlich, daß diese zweite Planungsphase des Berliner Kunstmuseums
sich direkt auf den napoleonischen Kunstraub bezog und sehr im Gegensatz zu Hirts
erster Initiative einen stark "vaterländischen" Charakter trug. Mit dem
Einzug der alliierten Truppen in Paris sah die gesamte politische Führungsschicht
Preußens das Musée Napoleon. Auch Friedrich Wilhelm III. wurde noch
einmal der vergleichsweise wenig beeindruckende Zustand und Umfang der Berliner
Kunstsammlungen vor Augen geführt. Der Berliner Kunstsammler Edward Solly
beschrieb einige Jahre später diesen Effekt in einem Brief an Altenstein
so: "Die Reisen des Kön.gs nach Hauptstädten hatte den wunsch B.[erlin]
zu verschönern und den andren es gleich zu machen reger gemacht. Der Kauf
der Giustiniani Sammlung war eine Folge." Beim Pariser Kunsthändler Ferréol
Bonnemaison stand zu dieser Zeit die römische Gemäldesammlung Giustiniani
zum Verkauf. Bonnemaison hatte zunächst kein Glück und konnte die 1812
nach Paris gesandte Sammlung mehr als zwei Jahre lang nicht verkaufen. Tatsächlich
war Paris damals kein besonders günstiger Standort für Kunsthändler,
da während der Napoleonischen Feldzüge nur sehr wenige bedeutende Privatsammlungen
in Frankreich aufgebaut wurden. Erst mit dem Ende der Herrschaft Napoleons konnten
sie ihre wichtigsten Kunden der Zeit, die englischen Sammler, wieder wesentlich
leichter erreichen. In dieser Situation entschloß sich 1815 der preußische
König Friedrich Wilhelm III. zum Kauf. Angeregt durch seine Umgebung und
wahrscheinlich auch noch in euphorischer Stimmung wegen des alliierten Sieges,
erwarb Friedrich Wilhelm III. die schwer verkäufliche Sammlung und zusätzlich
weitere 14 Bilder von Bonnemaison. Ein besonders günstiger politischer
Umstand hatte bei der Erwerbung der Sammlung Giustiniani mitgespielt, wie Finanzminister
Bülow es 1815 in einem Brief aus Paris an Staatskanzler Hardenberg sehr direkt
formulierte: "Man kann mit Grund behaupten, daß alle diese Gemählde
dem S[t]aate eigentlich nichts kosten, und daß ein glücklicher Zufall
den fonds dazu verschaft hat." Die französische Regierung hatte Kosten zur
Armenfürsorge in Paris übernommen, die eigentlich Preußen tragen
sollte. Preußen hatte auf diese Weise 596.000 Francs eingespart. Die Sammlung
Giustiniani kostete 540.000 Francs, die 14 zusätzlich gekauften Einzelbilder
64.000 Francs. Insgesamt hatte Preußen für eine Sammlung von 171 Gemälden
also nur 8.000 Francs angelegt. Erst dieser finanzielle Glücksumstand dürfte
den außergewöhnlich sparsamen Friedrich Wilhelm III. dazu bewogen haben,
der teuren Erwerbung zuzustimmen. Ende desselben Jahres trafen die Gemälde
aus Paris in Berlin ein. Wenige Monate später, ab dem 12. Mai 1816, wurde
die Sammlung bereits in den Räumen der Akademie der Künste gezeigt.
Auch die Einnahmen dieser Wohltätigkeitsausstellung waren für verwundete
preußische Soldaten bestimmt. Die Sammlung Giustiniani wurde also wie die
aus Paris zurückgekehrten Kunstwerke aus königlichem Besitz als eine
Art Kriegstrophäe angesehen, was sie nach den Ausführungen Bülows
auch im buchstäblichen Sinne war. Friedrich Wilhelm III. ordnete unmittelbar
danach an, die Sammlung an die Akademie zu übergeben, sie also nicht in die
Kunstsammlungen der Schlösser einzugliedern. Seit dem Februar 1818 gab
es in Berlin also eine öffentliche Gemäldegalerie, wenn auch in eher
provisorisch anmutender Form. Ein Verzeichnis erschien umgehend und wurde mehrfach
neu aufgelegt die Galerie besaß also auch einen gedruckten Katalog. Die
Gemälde waren nach Schulen angeordnet. Die Aufstellung der Sammlung Giustiniani
im Universitätsgebäude erfüllte damit viele Kriterien, die ein
Kunstmuseum ausmachen. Dieser Begriff und die damit verbundene Vorstellung wurden
auch tatsächlich auf die Sammlung übertragen. Unter der Perspektive,
mit der Erwerbung der Sammlung Giustiniani "[...] den andren es gleich zu machen
[
]", mußte dieser Ankauf allerdings befremden. Eine gewisse Reserviertheit
sprach deshalb auch aus der Rede des Archäologen Aloys Ludwig Hirt vor der
Berliner Akademie der Wissenschaften, in der er die Neuerwerbung für das
Berliner Publikum kunsthistorisch kommentierte. Auch Schadows erster Bericht
in seiner Chronik Kunstwerke und Kunstansichten klang wenig enthusiastisch:
"Am Ende des Jahres erhielten wir [die Akademie der Künste] die in Paris
vom König erkaufte Galerie Giustiniani, ehemals in Rom und nachmals dem Maler
und Kunsthändler Bonnemaison gehörig. Die alten Verzeichnisse von den
Kunstwerken des Palastes Giustiniani lassen ersehen, daß mehre der kostbarsten
Stücke nicht in den Teil des Bonnemaison gekommen waren." Unbestrittene
Hauptwerke nach einhelliger Meinung aller Generationen und Gruppen wären
Gemälde der italienischen Hochrenaissance gewesen, die nur in relativ kleiner
Zahl in der Sammlung vertreten waren. Hier waren die Gewichtungen ganz anders
gesetzt als bei einem heutigen Blick auf den Bestand. Denn Hirt hob insbesondere
einen Evangelisten Johannes hervor, den er Penni zuschrieb. Wie generell zu beobachten,
wurden auch hier gute, alte Kopien hoch geschätzt, ebenso wie alle Werke,
die in einem Zusammenhang mit dem Raffael-Kreis standen. Unter der Gruppe
von 14 Gemälden, die zusammen mit der Sammlung Giustiniani in Paris erworben
wurden, befanden sich als heute bekannteste Werke Terborchs sogenannte "Väterliche
Ermahnung" und Annibale Carraccis Flußlandschaft. Trotzdem lag auch hier
der Schwerpunkt eigentlich auf Werken der italienischen Hochrenaissance, die in
einer Reihe weniger wichtiger Originalwerke, darunter allerdings Luca Cambiasos
"Caritas", sowie in zwei Kopien präsent war. Aus heutiger Sicht wesentlich
bedeutsamer war eine ganze Gruppe von Landschaftsgemälden, darunter Werke
von Annibale Carracci und Vernet. Eine kleine Gruppe von Niederländern des
17. Jahrhunderts, darunter der Terborch, vervollständigten die Gruppe. Ebenso
wie die Sammlung Giustiniani zeugten also auch diese Einzelerwerbungen von einer
traditionellen Auswahl. Aus heutiger Sicht ist schwer verständlich, warum
die Sammlung Giustiniani in Berlin so reserviert aufgenommen wurde. Hier äußerte
sich ein grundlegender Geschmackswandel, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts in
mehreren Ländern Europas zu beobachten war. In Berlin war 1815 das eigentliche
kunsthistorische Gesprächsthema Memlings Danziger Weltgerichtsaltar. Er war
von Denon aus Danzig für den Louvre beschlagnahmt worden und 1815 zusammen
mit den Werken der preußischen königlichen Sammlung aus Paris nach
Berlin gebracht worden. Dort war er in der Ausstellung der zurückgekehrten
Werke zu sehen. Unter den Berliner Intellektuellen war dieses Bild bevorzugtes
Thema, wie aus einem Bericht der Akademie der Künste über die Ausstellung
hervorgeht: "Es erregte dies Bild das lebhafteste Interesse, weil es zu einem
der vorzüglichsten Werke dieser Art gehört, zugleich erwarb es sich,
seiner Vortrefflichkeit in so manchen wichtigen Theilen der Kunst [wegen], der
Kenner Beifall & Bewunderung. Vor allem die Zuschreibungsfrage bewegte die gebildete
Öffentlichkeit." Als Friedrich Wilhelm III. die Ausstellung am 1. November
1815 mit einem Adjutanten besuchte, wies Schadow deshalb bei seiner Führung
auf die Bedeutung des Bildes hin: "Beym Danziger Bilde führte Herr
Vice Direktor Schadow an, daß dieß Bild die Aufmer[k]samkeit des Publicums
besond[ers] erregt habe, weil jetzt eine große Vorliebe für alt-Deutsche
Kuns[t]werke hersche, hierauf äusserten S[ein]e Majestät, dieß
müße nich[t] zu weit getrieben werden, ind[em] wir sonst statt vorwarts,
leicht rückwärts kommen möch[ten]." Friedrich Wilhelm III. zeigte
mit dieser Bemerkung deutlich, daß er den neuesten Geschmacksentwicklungen
in der Hauptstadt nicht zu folgen bereit war. Eine ähnliche Reaktion berichtete
Schadow von der Großherzogin von Weimar, die ausdrücklich zwischen
dem Geschmack der Künstler und dem des Adels unterschied. Francis Haskell
hat gezeigt, daß der Geschmack für die vor- und nachklassischen Kunstepochen,
der sich im späten 18. Jahrhundert allmählich regte, um die Wende zum
19. Jahrhundert durch die plötzlich gestiegene Zahl verfügbarer klassischer
Werke der Hochrenaissance und des Barock zunächst noch einige Zeit nicht
zum Durchbruch kam. Als sich dieser tiefgreifende Geschmackswandel kurz darauf
durchsetzte, waren seine Träger im wesentlichen bürgerliche Sammler
teilweise solche mit geringeren Mitteln, die jenseits der Marktspitzen kaufen
mußten. Eine wichtige Rolle bei dieser Entwicklung spielten ideologische,
insbesondere nationale und konfessionelle Motive, wie gerade auch im Zusammenhang
mit der Sammlung Boisserée. 1820 mußte William Hazlitt in England
dann bereits sagen, daß er mit seiner besonderen Vorliebe für Tizian,
Raffael, Reni und die Carracci "the old school in painting" repräsentiere.
Es ist für Friedrich Wilhelm III. durchaus logisch und seiner Stellung entsprechend,
daß auch er diese "old school in painting" vertrat. Seine Erwerbung spiegelte
einen altmodischen und spezifisch adligen Kunstgeschmack, wie er sich schon in
der zitierten Bemerkung des Königs zum Danziger Bild ausdrückte. Aus
den Unterlagen Hardenbergs geht außerdem hervor, daß Wilhelm von Humboldt
eine wichtige Rolle beim Erwerb der Sammlung spielte, der ebenfalls einen dezidiert
konservativen Geschmack besaß. Träger dieser Entscheidung waren also
Mitglieder der unmittelbaren Umgebung des Königs. Hirts sehr zurückhaltendes
Urteil über die Sammlung Giustiniani ist dagegen kennzeichnend für die
neuen geschmacksbestimmenden Schichten und die zunehmende Bedeutung einer wissenschaftlichen
Sichtweise. Als Bülow im Jahre 1815 Hardenberg detailliert aus Paris
von der Erwerbung der Sammlung Giustiniani berichtete, bot er an, sich dort weiter
für das zukünftige Museum umzusehen: "Vor allen Dingen halte ich aber
dafür, daß auf die vaterländische Kunst Rücksicht genommen
und daher versucht werden müße, die Boisseretsche Sammlung in Heidelberg,
welche besonders vaterländische Gemählde hat, zu erhalten. [Absatz]
Wird diese mit den sehr vorzüglichen Sachen aus der italienischen Schule,
welche die Giustinianische Galerie enthält, vereinigt, so wird das neue Museum
die Vergleichung mit der Dresdner Gallerie nicht mehr fürchten dürfen."
Bülow schrieb seinen Brief direkt nach der ersten Berliner Ausstellung, der
als eine unmittelbare Reaktion angesehen werden kann. Bülow nahm deshalb
den Begriff des "Vaterländischen" auf, der so eng mit der Ausstellung verbunden
war. Das erste Mal wurde hier im Zusammenhang mit den Berliner Museumsplanungen
die Gemäldesammlung der Brüder Boisserée erwähnt. Die Sammlung
Boisserée hatte von Anfang an eine nationale Grundausrichtung sie diente
als Projektionsfläche für das erhoffte, zukünftige Deutschland
und verkörperte direkt die Vorstellungen der Romantikergeneration. Mit seinem
Vorschlag, als Ergänzung zur Sammlung Giustiniani die Sammlung Boisserée
anzukaufen, forderte Finanzminster Bülow also die Verbindung einer alten,
großen Adelssammlung rein italienischer Prägung mit einer Sammlung
"vaterländischer" Ausrichtung. In der Praxis ist schwer vorstellbar,
wie aus diesen disparaten Elementen eine neue Einheit entstehen sollte. Als Verbindungsglied
wären zumindest die Bilder aus der königlichen Sammlung mit ihrer Reihe
von Cranach bis Rubens nötig gewesen. Doch trotz der allgemeinen Forderung,
die königlichen Bilder nach der Ausstellung von 1815 nicht wieder in den
Schlössern verschwinden zu lassen, wurde von offizieller Seite aus noch mehrere
Jahre lang nicht explizit zugesichert, daß auch diese Bilder in der neuen
Galerie aufgehen sollten. Man kann sich die damals geplante Berliner Gemäldegalerie
also in verschiedenen Varianten vorstellen: als gemeinsame Ausstellungen der Sammlungen
Boisserée und Giustiniani im Akademiegebäude, ergänzt durch einzelne
Neuerwerbungen; als umfassende Kollektion, die auch noch eine Gruppe von Werken
aus den königlichen Schlössern enthielt; oder wie bei den Verhandlungen
mit den Boisserées vorgesehen als eine Kombination der Galerie im Akademiegebäude
mit der Sammlung Boisserée im Schloß Monbijou, wo sie weiterhin eine
separate Einheit unter Leitung der Boisserées gebildet hätte.
In der Folge der Pariser Gemäldeerwerbungen wurde von Preußen ein ernsthafter
Versuch unternommen, auch die Sammlung Boisserée für Berlin zu gewinnen,
der aber fehlschlug. Der neue Enthusiasmus für die frühe Malerei führte
stattdessen 1821 zum Ankauf der Sammlung Solly selbst, die in vielerlei Hinsicht
als direkter Ersatz für die Sammlung Boisserée gelten kann. Meine
bisherigen Ausführungen haben die Berliner Museumsplanungen als ein kollektives
Projekt der preußischen Regierungsbehörden unter dem wesentlichen Einfluß
einer sich neu formierenden Gruppe Berliner Intellektueller charakterisiert. Man
kann in Berlin beobachten, wie der Staat das Projekt Museum vom König
übernimmt. Die Berliner Museumsgründung ist entsprechend auch häufig
als eine verspätete preußische Reform beschrieben worden und steht
unter dem unmittelbaren Eindruck des Pariser Vorbilds, wo erstmals ein eigener
Expertenapparat die Führung übernahm. Es ist Friedrich Wilhelms größtes
Verdienst in diesem Bereich, diese Entwicklung geduldet und sogar unterstützt
zu haben. Vor diesem Hintergrund scheint der Anteil des Königs an den
Entscheidungen schwer zu bestimmen und im einzelnen auch nicht mehr relevant.
Die Erwerbung der Sammlung Giustiniani erinnert jedoch daran, daß das direkte
Eingreifen des Königs durchaus von Bedeutung sein konnte. Dabei sollte man
nicht nur seinen spezifisch adligen Geschmack der entstehenden Berliner Kunstgeschichte
gegenüberstellen. Das Bild wird komplizierter, wenn man die gleichzeitigen
Erwerbungen des Königs für die Schlösser betrachtet. Friedrich
Wilhelm III. hat während seiner Regierungszeit weit über 800 Gemälde
für die Schlösser ankaufen lassen, insbesondere große Gruppen
von Portraits und Veduten sowie eine Reihe von Genregemälden. Fast alle Gemälde
wurden von zeitgenössischen deutschen hier ganz überwiegend preußischen
Malern ausgeführt. Portraits und Veduten erreichten selten ein herausragendes
Niveau, vielmehr stand das Interesse am Bildgegenstand im Vordergrund häufig
kombiniert mit dem Wunsch, einheimische Künstler zu fördern. Aus heutiger
Sicht sind unter den topographischen Ansichten nur die Gemälde von Blechen
und Gärtner von großer künstlerischer Bedeutung. Die Veduten stellen
teils Orte von besonderer persönlicher Bedeutung für die Mitglieder
der königlichen Familie dar, teils dienten sie als Geschenke. Ähnliches
galt auch für die Historienmalerei. Zur Berliner Akademieausstellung des
Jahres 1799 ordnete der König Aufträge an preußische Künstler
eigens für die Ausstellung an. Die Themen sollten nicht aus der klassischen
Mythologie und Geschichte stammen: "Weit eher, und in einem größeren
Maaß kann man sich dieselbe [die Anteilnahme des Publikums] versprechen,
wenn Gegenstände der vaterländischen Geschichte, welche reichen Stoff
dazu bietet, besonders für die Historien-Maler und Zeichner ausgesucht wurden."
Der Geschmack des Publikums sollte durch vaterländische Geschichtsdarstellungen
bedient werden ein Geschmack, den der König offensichtlich teilte. Dagegen
können die Erwerbungen von Altmeistergemälden durch den König für
die Schlösser an einer Hand abgezählt werden. Alte Meister wurden entweder
als "reine Kunst" gleich für das Museum gesammelt und auch 1829 in großem
Umfang an die Gemäldegalerie abgegeben oder waren bei besonderem Interesse
des Königs als Kopien präsent. So stellen die Kopien nach Raffael und
anderen Meistern der Hochrenaissance die einzige nennenswerte Gruppe von "Alten
Meistern" dar, die unter Friedrich Wilhelm III. für die Schlösser erworben
wurde. Man kann davon ausgehen, daß die gänzlich traditionelle Auswahl
der Vorbilder hier den Vorlieben des Königs entsprach. Während Friedrich
Wilhelms Interesse an der zeitgenössischen Kunst zeittypisch war, hat er
die neue Sichtweise auf Mittelalter und Frührenaissance nicht geteilt. Er
ermutigte die vaterländisch-preußische Ausrichtung der
Berliner Kunstproduktion, schreckte aber vor der rückwärtsgewandten
Utopie einer nationalen Kunst im Sinne der Boisserées zurück. Auch
das neue Interesse an den italienischen Primitiven teilte er nicht, sein Geschmack
war weitgehend durch Hochrenaissance und Barock geprägt. So stand bei ihm
nahezu unverbunden ein sentimental-politischer und weniger sachkundiger Geschmack
in der zeitgenössischen Kunst einer klischeehaften Vorliebe für Hochrenaissance
und Barock kulminierend in der Verehrung insbesondere Raffaels gegenüber.
Eine Trennung von zeitgenössischer Kunst und Alten Meistern hatte sich vergleichbar
schon bei Friedrich II. gefunden. Sein Großneffe ließ jedoch den Alten
Meistern einen eigenen Bezirk schaffen, den er den Kunsthistorikern überließ.
Auf der Grundlage der von ihm persönlich geschätzten Sammlung Giustiniani
integrierten die neuen Experten diese Werke in eine Darstellung der Kunstgeschichte,
die weit über die vom König geschätzten Epochen hinausging. Eingebunden
in und geschützt durch die Kunstgeschichte konnten sich so die Primitiven
etablieren. Friedrich Wilhelm III. erwarb die Sammlung
Giustiniani bei seinem Aufenthalt in Paris 1815 für das geplante Berliner
Museum. Die Auswahl und Erwerbung der Sammlung ging weitgehend auf die persönliche
Initiative des Königs zurück. Damit begann eine gezielte Erwerbungstätigkeit
für das 1830 eröffnete Museum.
Vortragstext
(überarbeitete Fassung)
italienische Zusammenfassung
Fu durante il suo soggiorno a Parigi nel 1815 che Federico Guglielmo
III acquisì la collezione Giustiniani per il previsto museo di Berlino.
La scelta e l´acquisizione della collezione risalivano ampiamente all´iniziativa
personale del sovrano. In questo modo iniziava una mirata attivita´ di acquisizioni
per il museo inaugurato nel 1830. A Berlino l´acquisizione del sovrano fu
oggetto di un´accoglienza moderata, poiche´ non corrispondeva affatto
al nuovo gusto del pubblico. Verso il 1815 si era infatti stabilito nella città
un nuovo gruppo di "Storici dell´arte", che perseguivano una concezione storica
dell´idea di evoluzione e il cui interesse era particolarmente rivolto al
Medioevo ed al Rinascimento. In questo modo si trovavano a confronto due tipi
distinti di gusto, di cui uno piuttosto superato di stampo cortigiano ed uno moderno,
borghese, di orientamento patriottico.
In seguito Federico Guglielmo rinuncio´
completamente ad occuparsi della fondazione del museo di Berlino e l´affido´
ad un gruppo di funzionari di governo e di esperti d´arte. In questo modo
si affermò il punto di vista evoluzionistico della storia dell´arte
e fu messo l´accento sulle epoche precedenti, come si è manifestato
anche con l´acquisizione della collezione Solly.
Le acquisizioni di
Federico Guglielmo III per i castelli reali riguardano quasi esclusivamente ritratti
e vedute, in prevalenza di pittori tedeschi. Soltanto sporadicamente fece acquistare
maestri del passato. Tuttavia una parte cospicua delle acquisizioni è rappresentata
da copie di opere di Raffaello e di qualche altro maestro del Rinascimento. Il
gusto personale del sovrano, tradizionalmente orientato si trovava in evidente
contrasto con le attivita´ relative alla fondazione del museo. L´acquisizione
della collezione Giustiniani appare dunque come un tentativo di avvicinarsi alle
collezioni tradizionali riguardanti i maestri del passato. Nello stesso tempo
questa parte della collezione viene trasferita nel nuovo museo.
Die Erwerbung des Königs stieß
in Berlin auf Zurückhaltung, da sie weitgehend nicht den neuen Geschmacksvorstellungen
entsprach. Um 1815 hatte sich in Berlin eine Gruppe von "Kunsthistorikern" etabliert,
die einen historischen Entwicklungsgedanken verfolgten und deren Interesse sich
vor allem auf Mittelalter und Renaissance konzentrierte. Es standen sich damit
ein eher altmodischer' höfischer und ein neuer, bürgerlicher Geschmack
vaterländischer Ausrichtung gegenüber.
Die Berliner Museumsgründung
gab Friedrich Wilhelm in der Folge weitgehend aus der Hand und überließ
sie einer Gruppe von Regierungsbeamten und Kunstexperten, so dass sich die entwicklungsgeschichtliche
Sicht der Kunstgeschichte und die Betonung früher Epochen durchsetzte, wie
sie sich auch in der Erwerbung der Sammlung Solly äußerte.
Die
Erwerbungen Friedrich Wilhelms III. für die königlichen Schlösser
konzentrierten sich weitgehend auf Porträts und topographische Ansichten,
ganz überwiegend deutscher Maler. Er ließ nur vereinzelt Alte Meister
erwerben. Eine große Gruppe stellen jedoch die Kopien nach Raphael und einigen
anderen Renaissancemeistern dar. Der weitgehend traditionell geprägte, private
Geschmack des Königs steht in deutlichem Gegensatz zu den Aktivitäten
um die Museumsgründung. Die Erwerbung der Sammlung Giustiniani erscheint
damit als ein Versuch, im Bereich der Alten Meister mit anderen Traditionssammlungen
aufzuschließen. Gleichzeitig wird dieser Sammlungsbereich an das neue Museum
delegiert.