© Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz

 

Werkstatt des Tiziano Vecellio, genannt Tizian (um 1488/90 Pieve di Cadore - 1576 Venedig)

Venus und Amor mit einem Spiegel (Kopie)


Leinwand, 120 x 105 cm.
Erworben mit der Sammlung Giustiniani 1815, erster Vorbesitzer Marchese Vincenzo Giustiniani.
Salerno (Inv. 1638) 1960, II, No. 21. – Landon 1812, S. 95, Abb. 44, 1. - Delaroche 1812, S. 35, No. 37. – Verzeichniß 1883, S. 477, No. 189.

Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, Kat. Nr. 189.

In dem von Luigi Salerno 1960 veröffentlichten Inventar der Sammlung Giustiniani aus dem Jahre 1638 heißt es: "Un quadro di una Venere mezza figura ignuda con un Amorino figura intiera che tiene uno specchio dipinto in tela alto pal. 5 – larg. 5 di mano di Titiano con cornice di noce." (Salerno 1960, II, No. 21, S. 136). Entgegen der im Inventar vertretenen Zuschreibung ist lediglich die ursprüngliche Bildidee Tizian selbst zuzuweisen, seine Autorschaft des Berliner Gemäldes kann jedoch ausgeschlossen werden. Es handelt sich vielmehr um eine Werkstattarbeit, die zu den unzähligen Versionen nach Tizians eigenhändiger "Venus mit dem Spiegel" (Washington, National Gallery of Art, Mellon Collection) gezählt werden kann. Im Gegensatz zu dem Bild in Washington, in dem der Amorknabe einen Kranz aus Blumen auf das Haupt der Liebesgöttin setzt, hält Venus in dem Berliner Gemälde wie auch in der Stockholmer Fassung den Bogen, Zeichen ihrer Macht über die menschliche Liebe, in ihrer Rechten. Die Göttin ist dem Typus der Venus Pudica angenähert, die eine Hand keusch bedeckend vor die Brust hält und scheinbar somit ihre reizvolle Blöße den Blicken unliebsamer Betrachter zu entziehen sucht. Währenddessen betrachtet sie sich in einem von Amor gehaltenen Spiegel, dessen doppelte Funktion für das Bild sogleich deutlich wird. Zum einen vermag der Spiegel den Mangel der Malerei zu überwinden, nur zweidimensionale Figuren abbilden zu können, da er dem Betrachter zusätzlich einen Blick auf den Rücken der Venus gewährt. Zugleich wird jedoch die schamhafte Geste der Göttin relativiert, zeigt der Spiegel doch deutlich ihren den Betrachter fixierenden Blick, der verrät, daß ihre Wirkung auf den Betrachtenden sie durchaus nicht kalt läßt.

Iris Wenderholm

Bibliographische Hinweise:
Stephan Poglayen-Neuwall: "Titian’s Pictures of the Toilet of Venus and their copies", in: Art Bulletin 16 (1934), S. 358-384. – Harold E. Wethey, The Paintings of Titian. III. The mythological and historical Paintings, London 1975, cat. 51. – Ausst. Kat. Titian. Prince of Painters, hg. v. Susanna Biadene, Venedig 1990 (Palazzo Ducale, Venedig 2.6.-7.10. 1990; National Gallery of Art, Washington 28.10.1990-27.1.1991), cat. 51