© Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz

Tiziano Vecellio, genannt Tizian (um 1488/90 Pieve di Cadore - 1576 Venedig)

Andrea Navagero (1483 - 1529)

Leinwand, 70 x 51,5 cm.
Inschrift auf dem Säulenpiedestal: "andreas naugerius MDXXVI".
Erworben mit der Sammlung Giustiniani im Jahre 1815, erster Vorbesitzer Marchese Vincenzo Giustiniani.
Salerno (Inv. 1638) 1960, II, No. 73. – Landon 1812, S. 123, Abb. 58,1. – Delaroche 1812, S. 52. – Verzeichniss 1826, No. 48.

Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, Kat. Nr. 178.

Das Berliner Gemälde zeigt, wie inschriftlich bezeugt wird, Andrea Navagero, der, seine Linke in einem rhetorischen Gestus vor die Brust gelegt, in einem inspirierten Moment abgebildet ist. Der Gelehrte, der sein Haupt leicht nach links wendet, ist in leichter Untersicht gegeben, was gleichzeitig mit der im Bildhintergrund stehenden Säule als Hoheitsformel des Dargestellten gedeutet werden kann. Das Bild kann somit mit dem Eintrag im 1638 entstandenen Inventar der Sammlung Giustiniani identifiziert werden, wo es heißt: "Un quadro con un Ritratto col suo nome scrittovi nel Piedestallo di una colonna Andreas Naugerius depinto in tela da testa di mano si crede di Paolo Veronese." (nach Salerno 1960, S. 138, No. 73).

Andrea Navagero (1483-1529), aus adliger venezianischer Familie stammend, war einer der führenden Humanisten seiner Zeit. Während seines Romaufenthaltes in den Regierungsjahren Leos X. machte er die Bekanntschaft von Raffael, Baldassare Castiglione und Pietro Bembo. 1524 wurde er in diplomatischer Mission als Repräsentant der venezianischen Republik an den spanischen Hof Karls V. geschickt und verstarb nach seiner Rückkehr überraschend in Blois.

Trotz der Inschrift ist es bis heute umstritten, ob es sich bei dem Dargestellten tatsächlich um Andrea Navagero handelt. Aufgrund von Navageros Rückkehr nach Rom im Jahre 1528 wurde vermutet, daß das Gemälde eher 1528 als 1526 datiert gewesen sein muß, da sich Navagero zu dem früheren Zeitpunkt noch in Spanien befand. Sicher ist man sich in der Forschung dagegen, daß das Berliner Gemälde kaum mehr als eine Kopie aus Tizians Umkreis nach einem heute verschollenen Original sein dürfte. Während das Inventar von 1638 noch Paolo Veronese als möglichen Autor des Bildes nennt, schrieb Delaroche es 1812 Tintoretto zu. Ein weiteres Bildnis des Andrea Navagero, das als Vergleich für die Identität des Abgebildeten dienen kann, befindet sich heute in Detroit im Besitz von Mrs. Edsel Ford. Nach Wethey kann es jedoch entgegen der älteren Forschung nicht mehr Tizian zugewiesen werden, sondern vielleicht seinem Schüler Paris Bordone.

Iris Wenderholm

Bibliographische Hinweise:
Georg Gronau: "Some Portraits by Titian and Raphael", in: Art in America 25 (1937), S. 93-104. – Harold E. Wethey, The Paintings of Titian. II. The Portraits, London 1971, cat. X.78.