© Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz

 

Giampietro di Marco di Franco Silvio (um 1495 Venedig - 1551 Venedig)

Die Ehebrecherin vor Christus

Leinwand, 102 x 144 cm
Erworben mit der Sammlung Giustiniani 1815. Erster Vorbesitzer Marchese Vincenzo Giustiniani.
Salerno 1960 (Inv. 1638), II, S. 136, No. 26. – Delaroche 1812, No. 50. – Landon 1812, S. 117, No. 55, 1.

Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie; Kat. Nr. 196.

Bei dem Gemälde Die Ehebrecherin vor Christus handelt es sich um ein Querformat mit Halbfiguren vor dunklem Grund. Das Thema des Bildes wird bereits in dem Inventar von 1638 genannt: "Un quadro sopraporto di mezze figure di grandezza del naturale con l’historia dell’Adultera avanti à Christo con li Farisei dipinto in larg. pal. 7 alto pal. 5 in circa di mano di Giorgione di Castelfranco senza cornice." Zwar läßt sich das Gemälde aus stilistischen Gründen der venezianischen Schule der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zuweisen, die Zuschreibung an Giorgione kann jedoch nicht aufrechterhalten werden. Nachdem es von Delaroche noch Sebastiano del Piombo gegeben wurde, galt es in der Forschung lange als Werk des Pordenone oder auch des Rocco Marconi, der seit 1516 verschiedene Versionen desselben Themas angefertigt hat. Heute wird Giampietro Silvio als Maler des Berliner Bildes benannt.

Wie schon Leon Battista Alberti in seinem Malereitraktat De pictura (1435) empfiehlt, ist auch auf dem Berliner Gemälde die einer historia angemessene Anzahl von zehn Figuren abgebildet. Im Vordergrund befinden sich der zentral ausgerichtete Christus und die Ehebrecherin, die von Pharisäern umringt werden. Wie im Neuen Testament (Joh 8, 1-11) überliefert wird, forderten die Pharisäer Christi Zustimmung, die Ehebrecherin nach dem mosaischen Gesetz steinigen zu dürfen. Christus schrieb jedoch vor sich in den Sand: "Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.", womit er der Gnade den Vorrang vor dem Gesetz einräumte. Eben diesen Moment zeigt das Berliner Gemälde: Während einer der Pharisäer noch über die Schuld der Frau zu diskutieren versucht, wehrt Christus mit einem Segensgestus die Schuldzuweisung ab. Die anderen Pharisäer und Schriftgelehrten zeigen unterschiedliche Affekte des Verwunderns und Staunens über die Worte Christi.

Iris Wenderholm

Bibliographische Hinweise:
J. A. Crowe – G. B. Cavalcaselle, A history of painting in Italy, Umbria, Florence, and Siena from the second to the sixteenth century, 6 Bde., London 1903-1914, Bd. IV, S. 345 f., 629. – B. Berenson, Italian Pictures of the Renaissance, 1932, S. 329. – Marco Tanzi: "Una nuova Adultera del Silvio", in: Scritti per l’Istituto Germanico di Storia dell’Arte di Firenze, hg. v. Cristina Acidini Luchinat, Florenz 1997, S. 307-310 .