© Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz
Lorenzo Lotto (um 1480 Venedig - 1556 Loreto)
Bildnis eines jungen Mannes mit einem Offizium in der Hand.
Um 1526
Öl auf Leinwand, 50,5 cm x 43,6 cm.
Signiert auf der Mauer: L Lotus pict. Auf der Rückseite der Dublierung: Siegel
Giustiniani, Namenszeichen Giustiniani, Aufschrift "J Th." mit Feder, "N. 23"
mit schwarzem Pinsel.
1815 mit der Sammlung Giustiniani in Paris erworben. Erster Vorbesitzer Marchese
Vincenzo Giustiniani.
Salerno (Inv. 1638) 1960, II, Nr. 39. - Paillet-Delaroche o. J. (1808), S. 52,
Nr. 55. - Landon 1812, S. 149-150, Nr. 6. - Delaroche 1812, S. 47, Nr. 57. -
Verzeichniss 1826, S. 19, Nr. 53.
Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, Kat.Nr. 320.
Das Gemälde wurde erstmals in dem 1638, nach dem Tod von Vincenzo Giustiniani
erstellten Inventar aufgeführt und als Selbstbildnis Lottos beschrieben: "Un
altro quadro con un ritratto vestito all'antica con un offitiolo in mano con
una portiera rossa ritratto di Lorenzo Lotti fatto da se stesso in tela alta
pal. 3 lar. pal. 2 1/2 con cornice nera". Salerno hatte eine Diskrepanz zwischen
den Maßen im Inventar und denen, die das Gemälde seit der Erstellung der Pariser
Kataloge (1812) bis vor seiner letzten Restaurierung 1999 aufwies, festgestellt:
48,8 x 40,3 cm gegenüber 66,9 x 55,7 cm des Inventars. Jedoch waren weder Salerno
noch spätere Autoren verwundert über die Angabe "con un offitiolo in mano",
also mit einem Buch, das die Matutin und andere Gebete zu Ehren der Jungfrau
enthält. In dem Bild, wie wir es bis 1999 kannten, fehlten tatsächlich die Hand
und das Buch. Offensichtlich wurde das Bildnis vor allem unten und seitlich
stark beschnitten. Dies erfolgte wahrscheinlich kurz vor dem Verkauf in Paris,
vielleicht, weil es an den Rändern beschädigt war, aber wahrscheinlich auch
deswegen, weil man seine Maße denen eines anderen mutmaßlichen Selbstbildnisses
eines Malers, das beträchtlich kleiner war, angleichen wollte (im Inventar von
1638 und noch in den Pariser und auch ersten Berliner Katalogen glaubte man,
daß dieses Gemälde von Andrea Schiavone sei, hingegen ist es ebenfalls ein Werk
Lorenzo Lottos, Kat. Nr. 182). Landon war der Meinung, daß die beiden Gemälde
Pendants seien und bildete sie nebeneinander ab. Auch dieses Bild wurde leicht
beschnitten, aber es war von Anfang an und sicher auch schon 1638 kleiner ("tela
da testa"; aktuelle Maße: 48,4 x 40 cm).
Während der kürzlich erfolgten Restaurierung des Gemäldes mit Kat. Nr. 320 mit
dem roten Vorhang und dem Ausblick auf Meer und Hafen, bei dem es sich um die
Lagune von Venedig handelt, entfernte man den Spannrahmen, der wahrscheinlich
in Paris angefertigt wurde. Die original bemalte Leinwand war an drei Seiten
über diesen Spannrahmen gefaltet worden, unten, links und rechts, und diese
Streifen waren teilweise übermalt worden. Die Leinwand wurde auf einen neuen,
größeren Rahmen aufgezogen: von der originalen Malfläche wurden rechts, links
und unten jeweils 1,7 cm breite Streifen gerettet. Unten hat die Reinigung einen
Teil des Zeigefingers und den Daumennagel der rechten Hand, die das Buch hielt,
freigelegt. Es fehlt unten immer noch ein etwa 16 cm hoher Streifen, auf dem
die Hand mit dem Buch gemalt war.
Das Gemälde wird allgemein um 1526 datiert, also gleich nach der Rückkehr Lottos
aus Bergamo nach Venedig im Dezember 1525. Die Meinung, daß es sich um ein Selbstbildnis
handele (Inventar von 1638, Landon 1812, Berliner Kataloge bis 1878), wurde
schon Ende des 19. Jahrhunderts zurückgewiesen, auch aus dem Grunde, da Lotto
zur Zeit der wahrscheinlichen Ausführung des Gemäldes älter war als der dargestellte
junge Mann. Im Werk Lottos gibt es nur wenige Halbfigurenbildnisse und die meisten
von ihnen wurden in den frühen Jahren seiner Tätigkeit als Maler ausgeführt.
Iris Wenderholm
nach Erich Schleier, in: Ausst. Kat. Caravaggio e i Giustiniani, Rom 2001,
Kat. B13.
Bibliographische Hinweise:
F. Caroli, Lorenzo Lotto, Florenz 1975, S. 190; D. Wronsky Galis, Lorenzo Lotto:
A study of his career & character, with particular emphasis on his emblematic
and hieroglyphic works, Phil. Diss., Bryn Mawr 1977, S. 261, 363-368.