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Theodor von Schön: Zum Entwurf des „politischen Testaments“

Auszug aus der Transkription der autobiograhischen Fragmente

(hier der besseren Vergleichbarkeit und Lesbarkeit der abgebildeten Handschrift wegen in veränderter Absatzgliederung)

„Wir Rehdiger, Nicolovius, Dohna-Wundlacken, Süvern u. ich sahen im Voraus, Alles abgebrochen, was einem Fortschritte ähnlich sah. Da hatte Rehdiger mit mir den Gedanken unnser Handelen und unsere Pläne für die Zukunft, vom Tilsiter Frieden ab, biß zu Steins Abgange, der Welt vorzulegen. Die Ausführung könne man zwar hemmen, aber die Gedannken würden sich dann Bahn brechen. Es war Annfangs die Rede davon, daß wir eine solche Erklärung der eben vergangenen Zeit, in die Welt schicken wollten, Aber eines theils war eine bedeutende Firma hier der Sache besonders günstig, u. anderen theils war[en] wir es Stein schuldig, an dieser Glorie ihn wesentlich Theil nehmen zu lassen. Ich übernahm es, Stein den Gedanken so mitzutheilen, daß er dessen Ausführung seinen Namen gebe. Seiner sehr aufgeregten Stimmung wegen, war er unfähig, darüber etwas aufzusetzen, das Bild von dem, was werden sollte, stand seiner Bildung nach, ihm auch nicht klar vor. Ich übernahm es das politische Testament zu entwerffen. Es kam hier nicht darauf ann[,] ein Bild eines systematisch geordneten Staats, sondern nur das, was geschehen war, u. geschehen sollte, hinnzustellen, damit der dahinter stehende Gedannke, wie sich der Staat daraus construiren würde, in’s Leben trete. Stein wollte abreisen, zu Aufstellung dieses politischen Testaments war wenig Zeit. Was niedergeschrieben werden sollte, war mir klar, aber zum Ordnen war wenig Zeit. Nicolovius und Dohna Wundla[c]ken las ich den Entwurf vor. Der letzte wollte nur einige Ausdrüke gemildert haben, Nicolovius lieferte zu den Artikeln: Kirche u. Schule Gedanken, u. so entstand der beil. Entwurf. Ich las ihn Stein vor. Zu dem Bild des Staats, wie er werden sollte, hatte Stein nur Elemente, von Aristokratie, absoluter Monarchie, u. Demokratie, welche neben einander in seinem Kopfe brauseten; aber er erklärte sich zwar bereit, dem Entwurfe seine Firma zu geben, aber ich sah es ihm an, daß er nicht mit voller Seele beistimmte. Der Entwurf wurde sogleich für alle männliche[n] Zweige der Königl. Familie, u. für alle Mitglieder des Staatsrats abgeschrieben, u. Stein sollte jedes Exemplar durch seine Unterschrift vollziehen. Stein zauderte damit, ich drängte ihn, denn ich wollte, daß der König noch dieß Testament vor Steins Abschiedsaudienz lese, u. dadurch erkenne, was er u. das Land durch Steins Abgang wahrscheinlich verliehren würde[n]. Stein versprach die Vollziehung, hatte aber die Abschiedsaudienz, bevor er dieß gethan hatte. Vom Könige war er wohlwollend u. würdig entlassen, von der Königin mit Verlegenheit von ihrer Seite. Vom Könige kam Stein unmittelbar zu mir, um von mir Abschied zu nehmen. Wir trennten uns wie Männer, welche zusammen gekämpft hatten, u. denen, obgleich wir den Kampf nicht hatten zu Ennde führen können, der Gedanke klar, u. die Kraft ungeschwächt blieb. Stein sagte noch im letzten Momente die Unterschrift des Testaments mir zu. Am anderen Morgen, bevor er sich in den Wagen setzte, vollzog er alle Exemplare des Testaments, übergab sie dem Sekretair zur Versiegelung u. Versendung, u. fuhr unmittelbar nach den Unterschriften ab. Stein hatte hier eine Urkunde unterschrieben, deren Inhalt ihm theils nicht klar war, theils den Vorurtheilen widersprach, welche ihm in einzelnen Momenten auch Vorurtheile zu seyn schienen, welche aber durch Erziehung, u. langes Leben in Einem Kreise, in ihm sich so festgesetzt hatten, daß sie nur für Augenblike wichen. Er unterschrieb, weil er dadurch, daß das untergeordneteste Junkertum gegen ihn auftrat, gereizt war, u. weil Zelebrität, als Follge der Unterschrift vorauszusehen war.“

Aus: Nachlaß Schön, Selbstbiographie II, Blätter 53r-54r.

 
 
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